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Full text of "Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte = Revue d'histoire ecclésiastique suisse"

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Zeitschrift 


[Schweizerische Kirchengeschichte, 


Revue d’Histoire Ecclesiastique Suisse. 


HERAUSGEGEBEN VON PUBLIEE PAR 


Aıserr BÜCHI, Jon. Pererr KIRSCH 


o. ö. Professoren an der Universität Freiburg (Schweiz) 


Lous W/EBER, 


Chanoine, professeur au Grand Seminaire, Fribourg. 


XX11. Jahrgang — XX11” Annee. 
1928 


STAns 1928. 


\ Hans von MATT, VERLAGSHANDLUNG. 


INHALTSVERZEICHNIS. — SOMMAIRE 


XXII. Jahrgang. — XXII" Annöe. 


1928 


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‚Aufsitze. — Grands articles. 
Seite- Page 


Aebischer, P., Etudiants du Pays de Vaud ä l’Universite de 
Montpellier en 378. ... a A ee 301 
‚ Biondeau, Georges, Portraits d’eceläsiastigues peints par Wirsch 43, 134 
Castelmur, Ant. v., Fragmente eines Churer Missale aus der Mitte 

des XI. Jahrhunderts. FERN 186 
Dommann, Hans, Die Kiröhenpolitik® im ersten Jahrzehnt Be 

neuen Bistums Basel (1828-1838) . . . . ... 1,98, 161, 262 


a  — 


Henggeler, P. Rud. O.S.B., Der Äbte-Katalog von \ Pfäfers En 55 
Müller, Jos., Johann Joachim Eichorns deutsche Lebensbeschrei- 

bung des sel. Nikolaus von Flüe. . . ; 81 

' Scheiwiler, Dr. J. Al., Die Reform im Kloster St. Gallen ; we 122, 198 

Schlumpf, E., Quellen zur Biographie der sel. Rachild . . . 284 

Winter, Dr. E. K., Johann Jakob Bachofen und die Romantik . 241 


Kleinere Beiträge. — Melanges. 


Campiche, F. Raoul, archiviste, La chapelle de Tercier . . . 218 
Castelmur, Ant. v., Zur Entstehungsgeschichte des X. Gerichten- 

bundes in Graubünden a 2 221 
Kreienbühler, J., Zur Forschung über die hl. Ida von N Tögsenburp 72 
Schlumpf, E., Die hi. Wiborada und die Gräfin Wendelgard . 69 
Wymann, Ed,, Gaben aus Uri an das Jesuitenkolleg in Schwyz . 309 


Rezensionen. — Comptes rendus. 


Anzelet-Hustache, Jeanne, La vie mystique d’un monastere de 
Dominicaines au moyen Age, d’apres la chronique de Töss 


(L. Waeber) . . . ; 312 
Bonjour, Die Schweiz und Savören, im Enanısähen Erbfolgekrieg 

SE 9 Be ze 2 229 
Bury, Benedikt, Geschichte des Bistums Basel und seiner Bischöfe 

(A. Breitenmoser) . . .- i 238 


Castelmur, Ant. v., fshrzeitbuch Anl Ürbare von Ruschein 
(Oskar Vasella)- = 222 230 


Denzinger, Henr. et Clem. Bannwart S.J., Enchiridion Symbo- 
lorum (L.W.). } 

Dommann, Hans, Franz Bernh. Meyer von ESchaucniee als Staats- 
mann und Zeuge seiner Zeit (1763-1882) (Albert Büchi) . . 

— — Franz Bernh. Meyer von Schauensee als helvetischer Justiz- 
und Polizeiminister und als Politiker (Albert Büchi). . . 

Durrer, Robert, Die Schweizergarde in Rom und die Schweizer 
in päpstlichen Diensten. I. Band (Albert Büchi).. 

Ecclesiastica, Annalen für zeitgenössische Kirchen- und Kultur- 
kunde (A. Büchi). 

Ermatinger, Emil, Weltdeutung in Gririmelshänseng Simpli- 
cissimus (Günther Müller) . i 

Fischer, Rudolf v., Die Politik des Sc Hülıheiben job: Friedrich 
Willading (1641-1718) (A. Büchi) . Br u 

Greven, Dr. J., Geschichte der Kirche. Zweites Zeitalter: Die 
Kirche als Führerin des Abendlandes (Eduard Wymann). 

Knowles, A. Isobel, Vom Fögfür (Jos. Müller) . . ; 

Kriegsgeschichte Schweizer (Albert Büchi). 

Müller, P. Gregor O.Cist., en zum diamantenen Priester- 


jubiläum (E.W.). . . 2 5 
Muri-Gries 1027-1927, Festgabe zur neunten Jahrhundertfeier der 
Gründung des Benediktinerstiftes (Albert Büchi) . . . 


Naef, Henri, Fribourg au secours de Gen&ve 1525-1526 (A. Büchi) 

Pastor, Ludwig Freiherr v., Geschichte der Päpste im Zeitalter der 
katholischen Restauration und des 30-jährigen Krieges. 
Xll. Band (Ant. v. Castelmur). . . Br 

Papsttum und Kaisertum, Forschungen zur Balinchen Geschichte 
und Geisteskultur des Mittelalters (Paul Hildebrand). . . 

Piaget, Arthur, Les Actes dela Dispute de Lausanne, ı536 (L.Waeber) 

Scheiwiller, Dr. P. Otmar O.S. B., Annette von Droste-Hülshoff 
(Karl Schönenberger). . . . . . 


Schnürer, Gustav, Kirche und Kultur im Mittelalter. Il. Band 
(Gallus Jecker O.S.B.) . . . ER 

Stähelin, Ernst, Briefe und Akten zum heben Oekolompads 
(Albert Büchi). . . . ? 


Straßer, Otto Erich, Capitos Besichufigen:: zu Bern (Albert Büchi) 
Walz, Angelus M.O.P., De devotione cordis Jesu in ordine Praedica- 
torum a saeculo XIll ad saeculum XVII exhibita notulae (L.W.) 
Wind, P. Siegfried ©. M.C., Geschichte des Kapuzinerklosters Wil 
(P. Adalbert Wagner O.M. Cap.) re er 


Freiburg. — St. Paulusdruckerei. — 746. 28 


Seite - Page 


235 


317 


315 
314 


154 


74 


228 
230 


313 


233 


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| Zeitschrift 


schweizerische Kirchengeschichte, 


Revue Histoire Eeclösiastique Suisse. 


0908 
HERAUSGEGEBEN VON | PUBLIEE PAR 
Auserr BUCHI, Jon. Perer KIRSCH 


0. ö. Professoren an der Universität Freiburg (Schweiz) 
| UND 
Lous W/EBER, 


Chanoine, professeur au Grand Seminaire, Fribourg. | 


XXN1. JAHRGANG, 1. HEFT. — 22” ANNEE, FASC. ]. 


“ Erscheint viermal jährlich. — Parait quatre fois par an. 


Abonnementspreis : 8 Fr. — Prix de l’abonnement : 8 Fr 


STans 1928. 


Hans von MATT, VWERLAGSHANDLUNG. 


Inhaltsverzeichnis — Sommaire- 


Hans Dommann. — Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt des neuen 
Bistums Basel (1828-1838) 2 2 20 on nd 

Dr J. Al. Scheiwiler. — Die Reform im Kloster St. Gallen. . . . 20 

Georges Blondeau. — Portraits d’ecclesiastiques peints par Wyırsch . 4 


P. Rudolf Henggeler, O. S. B. — Der Äbte-Katalog von Pfäfers . . 55 


Kleinere Beiträge. — Mölanges -. . . : “2: nenne 
Rezensionen. — Comptes rendus . . - 22 vr. 2 0.0072 
GRÖSSERE BEITRÄGE, TRAVAUX 
welche für die nächsten Nummern que la Revue publiera 
in Aussicht genommen wurden. prochainement. 


Arnold Winkler, Oesterreich und die Aargauer Klösterfrage. — Marcel 
de Weck, Les pelerins fribourgeois de Rome en ı580. — Jos. Müller, Joh. 
Joachim Eichhorns deutsche Lebensbeschreibung des sel. Niklaus von Flüe. — 
Rud. Henggeler, Der Äbte-Katalog von Fischingen, Rheinau und St. Gallen. — 
K. E. Winter, Bachofen als Romantiker. — Fridolin Segmüller, Geschichte 
des Kollegs von Ascona. — v. Castelmur, Fragmente eines Churer Missale aus 
der Mitte des X]. Jahrh. — Schlumpf, Quellen zur Biographie der sel. Rachild. 


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NB. — Alle für die Zeitschrift für schweiz. Kirchengeschichte bestimmten 
Rezensionsexemplare sind an die Redaktion, Freiburg, zu adressieren. — 
Tous les ouvrages destines ä recevoir un compte rendu dans la Revue 
d’Histoire ecclesiastique suisse doivent etre envoy6s directement & la Redaction, 


Fribourg. | 


Die Zeitschrift | LA REVUE 
für Schweizerische Kirchengeschichte D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE SUISSE 
erscheint 4 Mal jährlich. parait par fascieules trımestriels. 


Joseph Anton Salzmann 
Bischof von Basel (1828-1854). 


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Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt 
des neuen Bistums Basel (1828-1838). 


Nach Briefen des Bischofs Jos. Anton Salzmann, 
des Schultheißen Jos. Karl Amrhyn und anderer. 


Von Hans DOMMANN. 


Die folgende Darstellung behandelt — hundert Jahre nach der 
Gründung des neuen Bistums Basel — das heikle Thema der Grenz- 
streitigkeiten zwischen Kirche und Staat in einer heute noch sehr ver- 


| schiedenartig und oft von parteipolitischen Gesichtspunkten aus beurteilten 


Zeit, weniger in kritischer Auseinandersetzung und lückenloser Voll- 
ständigkeit, als durch die Darlegung der psychologischen Motive und der 
Einstellung führender Persönlichkeiten. Sie läßt darum in erster Linie 
die Briefe sprechen. Die Luzerner Kirchenpolitik steht im Vordergrund ; 
sie erhält aber dadurch allgemeinere Bedeutung, daß Luzern die alte Rolle 
des katholischen Vororts auch unter den politischen und kirchlichen Ver- 
hältnissen der dreißiger Jahre wenigstens formell beibehielt. 

Als wichtigste Quellen habe ich benützt: im Familienarchiv am Rhyn 
[F-A. A., Kantonsbibliothek Luzern), 79 Briefe des Bischofs Salzmann 
an Schultheiß J. K. Amrhyn (1821-1846), Briefe von Kommissar Waldis, 
Dekan und Stadtpfarrer G. Sigrist, Staatsrat Louis von Roll in Solothurn, 
landammann G. ]J. Baumgartner in St. Gallen, Eduard und Kasimir 
Pfyffer, F.L. Schnyder, Laurenz Baumann und Jakob Kopp an Schultheiß 
Amrhyn, dessen Briefe an seinen Sohn, den eidgenössischen Kanzler 
J.K.F. am Rhyn und Briefe des Schultheißen X. Schwytzer von Buonas an 
den Kanzler ; ferner Aufzeichnungen Amrhyns zur Kirchenpolitik und von 
diesem gesammelte bezügliche Broschüren und Zeitungsnummern ; — im 
Staatsarchiv Luzern (St.-A. L.) zahlreiche Akten mit vielen weiteren Briefen 
des Bischofs und anderer ; besonders die folgenden Faszikel: Fach 9, 
Fasz. ıı: Bistum Basel (Erweiterung und Organisation), Fasz. 19, 20: 
Verhältnis zwischen Kirche und Staat, Fasz. 21: Badener und Luzerner 
Konferenz, Fasz. 26- 31 : Verwaltung der Disziplin, Fach 4, B. : Erziehungs- 
wesen (Höhere Lehranstalt) ; — in der Bürgerbibliothek Luzern (B.-B. L.) 
den Briefwechsel J. A. Balthasar und die betreffenden Jahrgänge der 
«Schweizerischen Kirchenzeitung », der « Allgemeinen Kirchenzeitung für 
Deutschland und die Schweiz », der « Luzerner Zeitung », des « Waldstätter- 
boten » und des « Eidgenossen » (passim). — Als allgemeine Darstellungen 


— 2 — 


führe ich hier an: Dierauer, Geschichte der Schweiz. Eidgenossenschaft, 
Vz, S. 523 ff., besonders 619 ff. ; Gagliardi, Geschichte der Schweiz, II, 
S. 362 ff.; Hürbin, Handbuch der Schweizer-Geschichte, II, S. 558 ft. ; 
Curti Th., Geschichte der Schweiz im XIX. Jahrhundert, S. 421 ff., 451 fl. ; 
Die Schweiz im XIX. Jahrhundert, hrg. von Paul Seippel, IL, S. 104 fi. 
(K. Decurtius, Katholizismus) ; Baumgartner G. J., Die Schweiz in ihren 
Kämpfen und Umgestaltungen von 1830 bis 1850, Zürich 1854, II, 25 fl.; 
Tillier A., Geschichte der Eidgenossenschaft während der Zeit des so- 
geheißenen Fortschritts, Bern 1854, I, 247 fl.; Feddersen P., Geschichte 
der schweizerischen Regeneration von 1830 bis 1848, Zürich 1867, 179 fl. ; 
Hurter Friedr., Die Befeindung der katholischen Kirche in der Schweiz 
seit dem Jahre 1831, Schaffhausen 1842, 63 ff. ; Bluntschli J. K., Der Sieg 
des Radikalismus über die katholische Schweiz und die Kirche im all- 
gemeinen ..., Schaffhausen 1850, 92 fl.; Henne Anton, Geschichtliche 
Darstellung der kirchlichen Verhältnisse der katholischen Schweiz, Mann- 
heim 1854, S. ı fl. ; Siegwart-Müller Const., Ratsherr Jos. Leu von Eber- 
soll ..., Altdorf 1863, 31 fi.; Der Kampf zwischen Recht und Gewalt 
in der schweizerischen Eidgenossenschaft ..., Altdorf 1864, 141 ft.; 
Vautrey, Histoire des Ev&ques de Bäle, Einsiedeln 1886, II, 533 ft.: 
Pfyfer Kas., Geschichte des Kts. Luzern, Luzern 1852, II, 453 ft.; 
Derendinger Jul., Geschichte des Kts. Solothurn von 1830 bis 1841, Basler 
Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, XVIII, Basel 1919, 328 ff. ; 
Zschokke E., Geschichte des Kts. Aargau, Aarau 1903, 248 fi.; Heer E., 
Das aargauische Staatskirchentum von der Gründung des Kantons bis 
zur Gegenwart, Wohlen 1918, 30 ff. — Weitere Literaturnachweise in 
den Fußnoten. — Wörtlich angeführte Stellen aus Briefen und Akten 
sind in moderner Orthographie wiedergegeben, im Original unterstrichene 
Wörter nicht hervorgehoben. — Den Vorstehern der angeführten Institute 
und allen, die meine Arbeit gefördert haben, besonders Herrn Universitäts- 
Professor Dr. Büchi, sei mein bester Dank ausgesprochen. 


Il. Kirche und Staat; Bischof und Schultheiß. 


Die katholische Kirche war beim Übergang vom XVIII. zum 
XIX. Jahrhundert durch die geistigen Strömungen der Aufklärungs- 
philosophie und die politisch-sozialen Umwälzungen der französischen 
Revolution in ihrer Wirksamkeit empfindlich geschwächt worden. 
Nach dem Zusammenbruch Napoleons und der Revolution aber erlebte 
sie im Zeitalter der politischen Restauration und der Romantik eine 
kräftige Regeneration. Die romtreuen Elemente im Klerus gewannen 
immer mehr Boden gegenüber den protestantisierenden, rationa- 
listischen, nationalkirchlichen und demokratischen Reformbestrebungen. 

Der religiöse Liberalismus hatte auch in der Schweiz seine Wurzel 
in der Aufklärungsphilosophie, seine Vorbilder im Gallikanismus und 


— 3 — 
Febronianismus, in der Synode von Pistoja (1786) und in der Emser 
Punktation (1786). Sein bekanntester Vertreter war der Konstanzer 
Generalvikar Ignaz Heinrich von Wessenberg. Die demokratischen 
Ideen der Aufklärung und Revolution führten zur Forderung von 
Synoden nach dem Vorbild der staatlichen Parlamente ; man wollte 
die zum Teil nicht unberechtigten kirchlichen Reformen durch den 
niedern Klerus bestimmen lassen. Der religiöse Indifferentismus der 
Aufklärung wirkte in der Betonung der Humanität, in der Abneigung 
gegen das Dogma, in der Abschaffung alter religiöser Gebräuche und 
Zeremonien, in den gegen das sogenannte Papalsystem gerichteten 
nationalkirchlichen Bestrebungen, wie sie namentlich durch die « Geist- 
liche Monatsschrift », das « Konstanzer Pastoralarchiv » und die zahl- 
reichen Reformdekrete Wessenbergs bekannt geworden sind. Die 
Ideen des spätern Altkatholizismus wurden offen und verdeckt ent- 
wickelt. Sie lassen sich in den damaligen Polemiken auf Schritt und 
Tritt nachweisen, und Klarsehende befürchteten tatsächlich eine nahe 
kirchliche Spaltung, eine neue « Reformation ». — Unter dem schweize- 
rischen Klerus sind als mehr oder weniger konsequente Vertreter dieser 
von Rom wiederholt verurteilten Richtung namentlich der Luzerner 
Stadtpfarrer und bischöfliche Kommissar Thaddäus Müller, die Pro- 
fessoren Alois und Christoph Fuchs, J. A. S. Federer und Felix Helbling 
im Kanton St. Gallen, Propst Vögelin in Rheinfelden, zeitweise auch 
Domdekan Alois Vock und Professor Burkard Leu in Luzern hervor- 


getreten. Die starke Anhängerschaft Wessenbergs im schweizerischen 


Klerus wurde dadurch noch einflußreicher, daß auch der politische 
Liberalismus, die liberale Staatsgewalt, sie kräftig unterstützte und 
mit patriotischem Lobe umkleidete. — Diesen liberalen Geistlichen 
gegenüber waren die streng kirchlichen Priester — auch die aus der 
milden, vom Geiste evangelischer Liebe und lebendigen Glaubens 
erfüllten Schule Sailers hervorgegangenen — in den Augen liberaler und 
radikaler Politiker und Regenten « Kurialisten », « Ultramontane », 
«Finsterlinge », «Pfaffen». Ihre geistigen Vorkämpfer waren die 
gelehrten Sailerschüler Gügler und Widmer, der gewandte Polemiker 
Franz Geiger, der spätere St. Galler Bischof Greith, Abt Coelestin 
von Einsiedeln, Dekan Groth in Merenschwand, Dekan Cuttat in 
Pruntrut und andere. In der «Schweizerischen Kirchenzeitung » 
besaßen sie ein vielgelesenes Sprachorgan, im Katholischen Verein 
eine weitverzweigte Organisation, während die liberale Richtung in 
der « Allgemeinen Kirchenzeitung für Deutschland und die Schweiz » 


— 4 — 
ein scharfes, in einigen Artikeln geradezu akatholisches Oppositions- 
blatt schuf. Unter solchen Umständen schwächte sich der Klerus 
auch während der dreißiger Jahre in unheilvoller Spaltung, die das 
liberale Staatskirchentum begünstigte, das Volk verwirrte und das 
Wirken der kirchlichen Behörden erschwerte. 

Der religiöse Liberalismus begünstigte auch in den katholischen 
Kantonen die nachrevolutionäre liberale Staatsidee, die aus der gemein- 
samen Wurzel der Aufklärungsphilosophie, besonders aus den Systemen 
Kants und seiner Nachfolger hervorwuchs. Sie ging aus von Rousseaus 
naturalistischer Vertragstheorie und den « Menschenrechten », von 
Kants sittlicher Autonomie und Rechtsauffassung, von Fichtes Natio- 
nalismus, vom absoluten Selbstzweck des Staates, wie er in Hegels 
pantheistischem Begriff vom Staate als «irdisch Göttlichem » seinen 
extremen Ausdruck gefunden hat. Aus dieser geistigen Einstellung 
und aus einer gewissen Tradition heraus wuchs auch die siaatskirchliche 
Haltung des Liberalismus. Traditionell wirkte im katholischen Vororte 
die vom protestant:schen Landeskirchentum, von der Aufklärung und 
von politischen Absolutismus beeinflußte kirchenpolitische Theorie 
und Praxis des alten liberalen Patriziats, das in Luzern nach der 
Niederlage im zweiten Villmergerkriege seine Ansichten im Udligens- 
wilerhandel durchzusetzen versucht hatte und den kirchenpolitischen 
Kanon in Felix Balthasars Schrift« De Helvetiorum iuribus circa sacra » 
fand. Wie sehr diese Schrift auch den Dreißigerregenten noch als 
theoretische Grundlage galt, zeigt der Umstand, daß der Luzerner 
Kleine Rat sie 1834 allen Großratsmitgliedern zum Studium überreichte. 
\Wıe das Vorbild des aufgeklärten Absolutismus im allgemeinen, so 
wirkte auf kirchenpolitischem Gebiete namentlich das Beispiel Kaiser 
Josephs II.! Die Kirchenpolitik Österreichs, Frankreichs und einiger 
deutschen Staaten ermutigte die Schweizer Liberalen zu gleichem 
Vorgehen. Das Beispiel der französischen Revolution und Napoleons 1. 
wurde angerufen. Die Ausdehnung des staatlichen Machtbereiches 
erfaßte auch das kirchliche ; man sah in der Kirche vielfach eine Art 


I Die Schrift Balthasass wurde 1833 in Rapperswil neu herausgegeben. 
Vergl. die « Kritischen Bemerkungen » Prof. Franz Geiegers ın der Schweizerischen 
Kirchenzeitung, 1333, Nr. 32. — Die für die Regulierung der kirchlichen An- 
gelegenheiten in Luzern aufgestellte Kommission ersuchte am ı2z. Juli 1836 
Aargau um die Zustellung der Gesetze Josephs IT., die damals noch im Frickta! 
in Kraft waren (St.-A.L. Fach IX, Fasz. 20). — Die «e Erklärung und Verteidigung 
der Badener Konferenzartikel » (1835), von Schultheiß J. K. Amrhyn berief 
sich ausdrücklich auf Joseph 11, eruhmvollen Andenkens ». 


Bere 5 — 
Staatsanstalt und in deren Vertretern bis hinauf zum Bischof Staats- 
beamte. Die Idee des Freisinns, der Demokratie, des Nationalen suchte 
der liberale Staat auch auf kirchlichen Boden zu übertragen, und die 
liberale Geistlichkeit half mit. Wessenberg war diesen liberalen 
Regenten das ldeal des katholischen Theologen. ! Sie beriefen sich 
mit Vorliebe auf die christliche Urkirche, auf das Konzil von Basel, 
auf die Freiheiten der Gallikanischen Kirche, wie’ sie Pierre Pithon 
(1594), der Belgier Bernhard van Espen (1700) und andere verteidigt 
hatten ; sie zitierten in ihrer staatlichen Theologie den josephinistischen 
Kanonisten Jos. Ant. Riegger (f 1795) und holten sich selbst bei 
protestantischen Theologen Rat. Im Konzil von Trient aber sahen 
sie in erster Linie den Kampf zwischen päpstlicher und bischöflicher 
(sewalt und bestritten die Annahme der Disziplinarvorschriften dieses 
Konzils durch die katholische Eidgenossenschaft. * So beharrten sie 
gegenüber der kirchlichen Auffassung -- wieder nach dem Muster 
des Gallikanismus, des Febronianismus und des Josephinismus — auf 
der « Staatskirchenhoheit » (ius majestaticum circa sacra), auf dem 
«Recht der Oberaufsicht » (ius supremae inspectionis saecularis »), dem 
-Schutz- und Schirmrecht des Staates » (ius advocatiae) und dem ius 
cavendi als « unveräußerlichen Rechten einer jeden Staatsverbindung ». ? 
Und da die römische Kurie diese Forderungen des liberalen Staates 
nicht anerkannte, konstruierten die Vertreter dieser Staatsauffassung 
einen scharfen Gegensatz zwischen Kirche und Kurie, bekämpften die 
Nuntiatur als Vertretung einer «fremden Macht», die Jesuiten als 
Kampftruppe des « Ultramontanismus » und arbeiteten auf möglichste 
Selbständigkeit der nationalen Kirchenorganisation im Metropolitan- 
vervande hin. Schultheiß Amrhyn nannte das «Rückkehr zu der 


I Soließ die außerordentliche Kommission «des Luzerner Staatsrates, bestehend 
aus Schultheiß F. L. Schnyder, ]. K. Amrhyn und J. R. Steiger, bei ihrer 
Beratung der kirchlichen Angelegenheiten am 28. Juli 1836 das Gutachten 
Wessenbergs für die Aufstellung einer erzbischöflichen und bischöflichen Pragmatik 
einholen (St.-A. L. Fach IX, Fasz. 21). 

® Anırhyns «Erklärung und Verteidigung». Amtliche « Bekanntmachung 
und Beleuchtung der Badener Konferenzartikel » (Sursee 1835). — Vergl. über 
die Annahme der Disziplinarvorschriften Segessers Rechtsgeschichte IV, 284 fl., 
320 ff., 345 f. (Annahmeerklärung Lussis), 360 f. (Erklärung der V Orte, 9. Januar 
1564); Mayer Joh. Georg, Das Konzil von Trient und die Gegenreformation in 
der Schweiz, Stans 1901, I, 132 ff. ; Reinhard Heinr., Studien zur Geschichte der 
kath. Schweiz im Zeitalter Carlo Borromeos, Stans ıgıı, S. 60 ff. 

® Amrhyns « Erklärung und Verteidigung ». Auch in einem Schreiben an 
len Bischof vom 29. Oktober 1835 berief sich Amrhyn als Deputierter auf jene 
Rechte, adie in der Wesenheit des Staates sich gegründet finden ». 


=. G- zu 


uralten kanonischen Kirchenordnung, die nur mit Verletzung der 
wichtigsten Kirchengesetze und zum großen Schaden unseres Vater- 
landes unterbrochen worden sind ».! Die Luzerner Regenten sagten 
dem Volke in ihrer amtlichen « Bekanntmachung und Beleuchtung der 
Badener Konferenzartikel », «daß sie die Kirchenordnung in der Eid- 
genossenschaft wiederherstellen, den Bischöfen und der Geistlichkeit 
ihre Rechte sichern, die kirchlichen Einrichtungen für Bewahrung der 
reinen Grlaubenslehre und für Verbesserung des äußeren Kirchenlebens 
wieder wachrufen, den Staat gegen die Anmaßungen kirchlicher 
Gewalten schirmen, den Frieden in der Eidgenossenschaft ungestört 
erhalten, Mißbräuche abschaffen ..., die Verfassungen und die von 
unsern Vätern ererbten Rechte und Freiheiten handhaben wollen ». Die 
Gesandten auf der Badener Konferenz erklärten, als sie den Metro- 
politanverband forderten, sie haben « die für jeden Eidgenossen unab- 
weisbaren Forderungen von Nationalgefühl und Ehre, nicht minder 
das Bedürfnis, auch in kirchlichen Dingen die verschiedenen in der 
Eidgenossenschaft waltenden Elemente zu einigen und fremde An- 
maßung zurückzuweisen, und die Notwendigkeit in Erwägung gezogen, 
die freie Geistesentwicklung auch auf jene Wechselfälle hin zu sichern, 
da diesem oder jenen benachbarten Staate seine Selbständigkeit 
geschmälert und Zwang und Fesseln wieder angelegt würden, wo 
jetzt freie Bewegung im Volk und freisinniges Walten der Behörden 
[sei] ». ? 

Es ist freilich eine vielfarbige Skala, die diesen regierenden Frei- 
sinn der dreißiger Jahre darstellt, aufsteigend von den gedämpften 
Tönen eines stark traditionell orientierten « diplomatischen » Liberalis- 
mus bis zu den grellen Farben eines draufgäangerischen, den katholischen 
Glauben und das katholische Kirchenleben offen angreifenden Radı- 
kalismus. Der Politiker und Historiker Prof. Anton Henne, ein 
Führer der St. Galler Radikalen in den dreißiger Jahren, hat später 
als Ziel dieses radikalen Freisinns bezeichnet : « kirchlich wie staatlich, 
geistig wie politisch sich frei aus sich selbst heraus zu gestalten 
« Befohlener, dogmatischer Glaube und Lehre ist uns fremd geworden » 
schrieb er, «weil der jetzige Tempel die Welt, das Allerheiligste da: 
Herz und der Hohepriester die Menschheit geworden. ... »® Dr. lud- 


ı Amrhyn, a. a. 0. 


* Konferenzprotokoll, zweite Sitzung. 
" Henne, Geschichtl. Darstellung der kirchlichen Verhältnisse der katholischen 
Schweiz, Mannheim 1854, S. ı ft. 


—— 7 — 
wig Snell, der radikale Politiker und Schriftsteller, sagte im Rückblick 


‘ auf die kirchenpolitischen Kämpfe dieser Zeit: «Die Schweizerkirche 
‚ ward ultramontanisiert. .... Schon die bloße Existenz eines römischen, 


d.h. auf ultramontanischer Grundlage errichteten Bistums hat ... 
einen beständigen Kampf zwischen beiden Gewalten [Kirche und 
Staat] zur Folge. ...»! Über das Streben der radikalen Kirchen- 
politiker zur Zeit des Badener Konkordates urteilte der liberale Schult- 
heiß Xaver Schwytzer in einem Briefe so: «Was sich diese Leute 


; einbilden, auf eigene Faust bewerkstelligen zu wollen, was weder dem 
_ kaiser Joseph II. noch Napoleon gelungen ist! Wir haben leider 


auch kurzsichtige Senatoren, die sich mit einem baldigen Metropolitan- 
verband — gänzlicher Unabhängigkeit einer schweizerischen nationalen 
Kirche — unausführbaren Träumereien hingeben. ...»? Land- 
ammann G. J. Baumgartner, ein Urheber der Badener Konferenz, aber 
meinte: «Allmählig wird sich das Volk an unsere Begriffe auch in 


. kirchlichen Dingen gewöhnen. » ® 


Ein typischer Vertreter des « diplomatischen », in der Form 


tulderen Liberalismus war der Luzerner Schultheiß Joseph Karl 
 Amrhyn (1777-1848), dessen Wort und Wirken in unserer Darstellung 
‚ im Vordergrunde stehen wird. Er war der Sprößling eines aristo- 


m sr oe m — er 


kratischen Geschlechts, das Luzern in der Blütezeit des altliberalen 
Staatskirchentums führende Staatsmänner gegeben hatte. Während der 
helvetischen Revolution war er noch nicht hervorgetreten ; unter der 
Mediationsregierung aber diente er als Staatsschreiber und führte 
anläßlich der St. Urban-Affäre (T808-09) im Kloster die Untersuchung 
als Regierungskommissär. Beim aristokratischen Staatsstreich von 1814 
stellte er sich dann an die Seite des Schultheißen Rüttimann und 
half ihm die liberalen Staatsmänner vom Lande stürzen. Zum Danke 
dafür wurde er in den Staatsrat gewählt und gewann rasch führenden 
EinfluB. Nach dem Tode des Schultheißen Keller bestieg der Vierzig- 
jährige Ende 1816 den Schultheißenstuhl und behielt die höchste 
Würde des Kantons im Wechsel mit andern bis zum konservativen 
Imschwung von 1841. Viermal amtete er in dieser Stellung als 
Präsident der Tagsatzung. In den zwanziger und dreißiger Jahren 


' Snell, Geschichtl. Darstellung der kirchl. Verhältnisse der katholischen 
Khweiz, Mannheim 1854, S. 319 fi. — Vergl. auch die verschiedenen kirchen- 
feindlichen Artikel des « Eidgenosse », u. a. 1835, N. ı5 ff. 

"An Kanzler am Rhyn, 16. November 1833. 

° An Prof. Federer, ız. Juni 1833. St. Gall. Analekten, V, 1893, S. 32. 


er er 


vertrat er seinen Stand mehrmals an den eidgenössischen Konferenzen 
und Tagsatzungen und wurde so einer der erfahrensten und bekann- 
testen Staatsmänner der damaligen Eidgenossenschaft. — Der Tradition 
seiner Familie folgend, verband Amrhyn mit ausgeprägtem aristo- 
kratischen Standesbewußtsein eine doktrinär liberale Staatsauffassung. 
Diese politische Gesinnung vertrat er im kantonalen Leben, namentlich 
als Präsident des Erziehungsrates und als Präsident des Rates in 
kirchlichen Angelegenheiten. Mit Eduard Pfyffer betrieb er die frei- 
geistige Reform der Höheren Lehranstalt und stand 1821 bei der 
Absetzung Troxlers in scharfer Opposition gegen die konservative 
Richtung von Rüttimann und Meyer. Beim liberalen Umschwung 
von 1830 präsidierte er den Verfassungsrat und wurde 1831 als Vertreter 
der liberalen Aristokratie zum Schultheißen der neuen Regierung 
ernannt. So behauptete er auch in den dreißiger Jahren einen hervor- 
ragenden Einfluß auf die kantonale und eidgenössische Politik. Doch 
stellte er sich nun vielfach in scharfen Gegensatz zu seinen bedeuten- 
deren Kollegen, besonders zu Eduard Pfyffer, Kasimir Pfyffer und 
Robert Steiger. Diese bezeichneten ihn als einen verknöcherten 
Aristokraten ; er aber kritisierte ihr ungestümeres Vorgehen und sah 
mit Mißtrauen den wachsenden Einfluß der «Großtuer der Zeit, der 
vorgreifenden Zeithelden », wie er sie nannte. ! 

Diese Reibungen zeigten sich auch in der Kirchenpolitik, in der 
Amrhyn wohl die bedeutendste Tätigkeit entfaltete. Schon Ende 1816 
hatte ihn der Staatsrat mit F. B. Meyer von Schauensee an den 
neuen Nuntius Zeno abgeordnet, um diesem die Ansichten und Wünsche 
betreffend die Bistumsverhandlungen mitzuteilen. In den Vorder- 
grund trat er aber kirchenpolitisch, als er im März 1820 durch die 
Langenthaler Konferenz mit dem Solothurner Staatsrat Louis von 
Roll zum Kommissär für die weiteren Unterhandlungen mit dem 
Nuntius über die Errichtung eines neuen Bistums Basel mit Sitz in 
Solothurn gewählt wurde. Jahrelang führte Amrhyn mit seinem 
Kollegen in dieser Stellung die Bistumsverhandlungen und gewann 
damit einen hervorragenden Anteil an der Neugründung des Bistums 
Basel. 2 Auch nachher sicherten ihm seine Erfahrung, seine eingehende 


! Amrhyn an seinen Sohn, den eidg. Kanzler, 9. März 1834. Vergl. die 
Lebensskizze von W. Gisi in der Allg. Deutschen Biogr. I, 409. 

® Urkunden zur Geschichte des reorganisierten Bistums Basel, Aarau 1847. 
Am 31. Januar 1832 erstatteten die beiden Kommissäre den Diözesanständen 
ihren Schlußbericht (S. 154 ff.). — Im Familienarchiv am Rhyn liegen zahlreiche 


— 19) — 
Sachkenntnis und das vertraute Verhältnis zu Bischof Salzmann einen 
maßgebenden Einfluß im Bistum. 

Schultheiß Amryhn zeichnete sich als Staatsmann weniger durch 
eine überragende Begabung als durch einen fast pedantischen Fleiß, 
durch gründliche Kenntnis der Verhältnisse und durch eine in jahre- 
langer Wirksamkeit erworbene diplomatische Gewandtheit aus. Er war 
ein kühler, von großer Pflichttreue und dem Bewußtsein seiner 
magistralen Würde erfüllter, vorsichtiger, aber auch zum Mißtrauen 
neigender Staatsmann. In ihm verkörperte sich die josephinistische 
Tradition seiner aristokratischen Vorfahren, die mit der Phrase und 
mit unausgesprochenen Vorbehalten arbeitende Diplomatie Napoleons 
und das in den Mitteln vorsichtige, in der Idee aber um so unnach- 
gnebigere liberale Staatskirchentum der neuen Periode. ! Rom stand 
er mit scharfem Mißtrauen und alten Vorurteilen gegenüber. Als 
Grgor XVI. vom Bischof eine kräftige Haltung gegenüber den 
staatlichen Ansprüchen verlangte, schrieb er : « Dieser Übermut 
der Despotie wird die Kirche zernichten und zu diesem Ende ihre 
Feinde ins Unendliche vermehren ; sie wird den Glauben an ıhre 
Beseligung vollends untergraben, die Menschen, die ohnehin in 
unbändiger Leidenschaft dahinleben, noch mehr entmenschlichen ... 
Gott... enttäusche [befreie] das Oberhaupt der katholischen Kirche 
recht bald von dem unseligen Wahne des Allwissens, der Unfehlbarkeit, 
damit nicht eine Erblindung nachfolge» ... ? Ein anderes Mal 
schrieb er gegenüber dem Einspruche des Papstes: «Man will den 
Kampf ; man hat es dabei auf die Regierungen, die in ihnen sitzenden 
Personen abgesehen, und man soll, man darf ihn — herausgefordert 
— nicht vermeiden.» ... ?® Die Stellung des Bischofs aber umschrieb 
er im gleichen Briefe so: «Der Bischof des Landes hat nur eine 


Akten, Entwürfe, Kopien usw., von Amrhyns Hand und ein Teil der einschlägigen 
Korrespondenz. — Vergl. auch meine Abhandlung « Vinzenz Rüttimann und 
die luzernische Kirchenpolitik in der Mediations- und Restaurationszecit » Zeitschrift 
[. Schweiz. Kirchengeschichte 1922, 102 ff., und meine Biographie F. B. Meyers, 
Geschichtsfreund, 81. Bd., 183 fl. 

I Herbert Dubler, Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, Zürcher Disser- 
ation, Olten 1921, S. 42 fl. — Amrhyns pedantische Arbeitsweise zeigen die 
zahlreichen ausführlichen Notizen über Verhandlungen, seine umfangreichen 
Zusammenstellungen historischer Daten in bezug auf das Kirchenwesen und die 
Inhaltsangaben am Kopf und Rande der eingegangenen Briefe. — Sein Stil ist 
gewunden, oft phrasenhaft. 

3 An Bischof Salzmann, 4. Oktober 1838, St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

? An den Bischof, 21. April 1836. F.-A. A. 


moralische Kraft, die zum Friede[n] im Inneren, zur Versöhnung 
wirken soll. Der Macht des Staates in Verletzung dieser evangelisch 
gebotenen Wirksamkeit aufreizend sich gegenüberstellen zu wollen, 
wäre meines Erachtens eine Kühnheit, die nur zum Nachteil der 
Religion ... ausschlagen könnte. Rom wird sich hüten, den Feuer- 
brand in die Welt zu werfen, der seine eigene Zerstörung herbei- 
führen könnte. ...» Während er die kirchlichen Organe immer 
wieder an die evangelische Liebe und den Geist des Friedens und 
der Gerechtigkeit erinnerte und von einem « edlen, wohlwollenden 
Einverständnis zwischen den kirchlichen und weltlichen Behörden » 
zum Besten des Vaterlandes redete, verlangte er, daß «die Stellung 
der Regierung ungeschwächt und ehrenvoll erhalten » bleibe.! Die 
Rechte des Staates suchte er durch eine weitläufige Aktensammlung, 
die er dem Großen Rate und dem Bischof vorlegte, historisch nach- 
zuweisen. Auch seine «Erklärung und Verteidigung der Badener 
Konferenzartikel » (1835) hatte den gleichen Zweck. «Mit diesen 
Waffen der Geschichte und des Rechtes will ich mich dem politischen 
und religiösen Übermut gegenüberstellen, der von zwei Seiten her, 
nach fremden Grundsätzen und Theorien das schweizerische Vaterland 
unterwühlt », schrieb er am 23. Juni 1836 dem Bischof. Das stürmische 
Vorgehen der Radikalen, auch in der Kirchenpolitik — namentlich 
im Aargau — verurteilte er scharf. An seiner vaterländischen Gesinnung 
ist nicht zu zweifeln, auch an einer gewissen persönlichen Religiosität 
nicht, wenn sich auch seine kirchenpolitischen Ansichten unter dem 
Einfluß der Tradition und der Zeitideen dem konsequent kirchen- 
treuen Katholizismus oft scharf gegenüberstellten. 

Mit Bischof Salzmann verband Amrhyn eine auf Achtung und 
politischem Interesse beruhende Freundschaft. Er war es namentlich, 
der Salzmann auf den Bischofsstuhl erhoben hatte. Wo er es von 
seinem Standpunkte aus konnte, nahm er den viel Befeindeten in der 
Folge in Schutz und ermunterte ihn zum Ausharren auf seinem 
schwierigen Posten. Da er die langwierige Verhandlung um das 
Bistum geführt hatte, mußte es ihm daran liegen, es vor dem wieder- 
holt drohenden Zusammenbruch zu bewahren und die Stellung des 
Bischofs nicht unhaltbar zu machen. Doch bei aller persönlichen 
Teilnahme für die Leiden Salzmanns verzichtete er auf keinen seiner 


! 10. Hornung 1834 an den Bischof. — St.-A. L. Fach 9, Absetzung Pfarrer 
Hubers. 


= TI. 


staatskirchlichen Grundsätze. Anläßlich des erbitterten Kampfes 
zwischen Aargau und Bischof schrieb er diesem: «Ich muß mein 
persönliches Mitgefühl den allgemeinen Interessen vorderhand zum 
Opfer bringen. ... Unter solchen Umständen bleibe ich entschieden 
meinem bedrohten Vaterlande zur Seite, werde [aber] daneben ebenso- 
wenig die Pflichten der teilnehmenden Freundschaft verleugnen. »! So 
verteidigte er aus Staatsraison die Badener Artikel, trotzdem ihm sein 
bischöflicher Freund wiederholt erklärte, warum die Kirche und 
folglich auch der Bischof sie verurteilen müsse. Aber das persönliche 
Verhältnis und seine maßgebende Stellung in den Diözesankantonen 
sicherten ihm einen bestimmenden Einfluß auf Salzmann, einen Ein- 
fluß, der zeitweilig stärker zu sein schien als der der Kurie. ? 
Bischof Joseph Anton Salzmann ist eine historische Gestalt, die 
sehr verschieden beurteilt wurde, und über die man auch heute nicht 
leicht gerecht urteilen kann, am wenigsten, wenn man sie aus ihrer 
Zeit und ihrem Milieu herausreißen wollte. Ein Nekrolog sagt vom 
dahingegangenen Bischof : «Seine Absichten wurden oft mikßannt, 
seine Handlungsweise erfuhr oft harten bittern Tadel. Leicht ist es 
freilich demjenigen, der am sichern Ufer steht, den strenge zu 
beurteilen oder zu tadeln, der auf der wogenden See durch Stürme 
und Ungewitter das Schiff lenket. Aber ein solcher sollte nicht ... 
vergessen, daß auch der Bischof Mensch ist und Mensch bleibt. ... » 
— Der äußere Lebensgang ist einfach. ? Jos. Ant. Salzmann 


I 24. Juli 1835 an den Bischof. St.-A. L. Fach. 9, Fasz. ı2. 

2 Amrhyns Briefe an Salzmann waren mir nur in den Kopien zugänglich, 
die im Familienarchiv und im Staatsarchiv liegen. Sie sind meistens von Frau 
Amrhyn geschrieben, einige auch von seinem Sohne Karl Ludwig. Da und dort 
brachte Amrhyn Randbemerkungen oder Korrekturen an. Ob die Originale 
noch erhalten sind, konnte ich nicht feststellen. Im Diözesanarchiv sind sie bisher 
— nach gütigen Mitteilungen Sr. Gn. Bischof Dr. Josephus Ambühl und des 
hochw. Herrn Diözesanarchivars E. Schibler — in den bezüglichen Faszikeln 
nicht gefunden worden ; das Archiv wird gegenwärtig (1927-28) vollständig neu 
geordnet. 

3 Allg. Deutsche Biogr. 30. Bd., S. 290 ff. (J. B.); Vautrey L. Histoire des 
ev&ques de Bäle, vol. II, p. 533 ss., Einsiedeln 1886. « Blume auf das Grab des 
Hochwürdigsten Bischofs von Basel oder dessen Nekrolog, aus der « Katholischen 
Kirchenzeitung der Schweiz » abgedruckt », Solothurn 1854 ; «Leben und Wirken 
des Hochwürdigsten Herrn Herrn Jos. Ant. Salzmann, Bischof von Basel, Rede 
gehalten am Dreißigsten in der Kathedralkirche in Solothurn, den 24. Mai 1854 », 
von K. Arnold, Domherr und Domprediger, Solothurn 1854 ; «Stimme aus dem 
Grabe des Hochwürdigsten Bischofes von Basel ..., Predigt gehalten in der 
Pfarr- und Kathedralkirche zu Solothurn, am 2. Sonntag nach Ostern », von 


— 2 — 


entstammte einem der angesehensten Bürgergeschlechter Luzerns ; er 
war der Sohn des Buchdruckers und Buchhändlers Jos. Alois Salzmann. 
Am 25. April 1780 wurde er in Luzern geboren. In seiner Vaterstadt 
besuchte er die Schulen bis zum Abschluß des theologischen Studiums. 
1789 begann er «in rudimentis » und durchlief in den folgenden Jahren 
meist als Erster unter seinen Klassengenossen das Gymnasium. Einer 
seiner Lehrer war der spätere Stadtpfarrer und bischöfliche Kommissar 
Thaddäus Müller. Von 1797 bis I800o — in der Zeit der helvetischen 
Staatsumwälzung — studierte er am Lyzeum Theologie.! Schon 
1799 wurde er als Neunzehnjähriger Vizeprofessor am Gymnasium. 
Am 29. Januar 1801 wählte ihn der Erziehungsrat, unter Müllers 
Leitung, zum Professor an der zweiten Gymnasialklasse ; er nannte 
ihn im Empfehlungsschreiben an den helvetischen Minister Mohr 
«einen jungen Mann, der seiner Klasse mit einer solchen Geschick- 
lichkeit und Energie vorstand, als wenn ihn eine mehrjährige Erfahrung 
geleitet hätte. »®2 Ob er in der Zwischenzeit noch auswärts seine 
Studien fortführte, ist ungewiß. Ph. A. Segesser zählt ihn zur 
Sailer’schen Schule. Wenn er auch nicht in Landshut zu den Füßen 
des edlen Joh. Michael Sailer gesessen hat, so war er doch im spätern 


Peter Hänggi, Stadtbibliothekar und Redaktor der Kirchenzeitung, Solothurn 
1854; Pequignot Xav., Jos. Ant. Salzmann, &ve&que de Bäle, o. O. (1854); 
Schneller Jos., Die Bischöfe von Basel, Zug 1830 (mit Widmung an Salzmann). — 
Das Bild in der Portraitgalerie der Bürgerbibliothek Luzern trägt die Aufschrift: 
« Josephus Antonius Salzmann, Lucernanus, anno 1780 die 25 Aprilis natus. 
Excelluit a puero magna virtute, mira quidem humanitate, pietate ac benignitate. 
Multos per annos Gymnasii et Lycei lucernensis professor, dein praepositus capituli 
St. Leodeyarii, anno 1828 episcopus basileensis electus est, quippe qui amplius 
25 annos summa sapientia et constanti pacis amore pedum gessit ad gregis salutem 
et dioecesis. Obiit Soloduri, die 24 Aprilis 1854.» — Wiederholt wurde seir 
Portrait, eine nicht sehr künstlerische Lithographie, reproduziert. (Siehe 
Vautrey II, 540, Schmidlin, Geschichte des Priesterseminars, S. 16.) Das Original 
des Titelbildes — ein nichtsigniertes Ölbildnis im Besitze des Staates — hängt 
in den Räumen des Luzerner Erziehungsdepartements. Herr Ständerat Dr. Sigrist 
gestattete mir in zuvorkommender Weise die Reproduktion. Nach einer gütigen 
Mitteilung der bischöflichen Kanzlei wurde das Portrait 1832 von Konrad Hitz 
(1798-1866) gemalt. 

i Nomina Literatorum .... 1789-1795; Nomina D. D. Theologorum et 
Philosophorum Lycei Lucernensis, 1795-1800 (St.-A. L.), 1797. Ex theologia: 
« Progressu prorsus insigni.» 1799, « Tertii anni ....: Sehr gute Fähigkeit; 
angestrengter Fleiß. Profectus : a prima nota. Mores:: sehr gut. » — Thadd. Müller 
an Jos. Ant. Balthasar, 16. Juni 1820: « Salzmann, mein Schüler und mir ganz 
zugetan. ...» (B. BL.) 

? B.B.L.: Mser. 194. — St.-A. L. Fach 4, B. 


—- 3 — 


Wirken ein Vertreter seines Geistes. Am rı. April 1803 empfing 
der junge Professor in Konstanz die Priesterweihe. Nach vierzehn- 
jähriger Wirksamkeit als Professor der Syntax ernannte ihn der 
Luzerner Rat im Jahre 1818 zum Professor der Moral, Dogmatik und 
Kirchengeschichte am Lyzeum. ? — In den zwanziger Jahren stieg 
dann der beliebte Lehrer in der kirchlichen Hierarchie rasch von 
Stufe zu Stufe. Zur Zeit der durchgreifenden freisinnigen Reformen, 
die Eduard Pfyffer an der Höhern Lehranstalt durchführte, wurde er 
Chorherr zu St. Leodegar und bischöflicher Kommissar (1820). In 
dieser Zeit gab er die Erbauungsschrift « Landestrost und gnadenreiche 
Hülfe Unserer lieben Frau im Herrgottswalde unweit Luzern » heraus. 
Dem religiösen und politischen Liberalismus, den in Luzern namentlich 
Thaddäus Müller und Eduard Pfyffer förderten, trat er an der Seite 
Güglers und Widmers in den folgenden Jahren offen entgegen, zu- 
nächst bei der Abberufung des Naturphilosophen ]J. P. V. Troxler, 
dann auch bei der Einführung des protestantischen Gottesdienstes in 
Luzern.? Am ı2. Mai 1824 ernannte ihn Bischof Franz Xaver Neveu 
zum Generalvikar ; am 4. August des gleichen Jahres wurde er auch 
Propst zu St. Leodegar. 1827 übertrug ihm Papst Leo XII., nach 
der Abreise des Internuntius Gizzi, das Amt eines Gestor Negotiorum 
Nuntiaturae. ? 


l Segesser, 45 Jahre im luzernischen Staatsdienst, Bern 1877, S. 534. — Sailer 
bat am s. Mai 1823 den Stadtpfarrer Müller, Salzmann seine Empfchlung zu 
melden. — B. B. L. Briefw. J. A. Balthasar. 

?B.B.L.: Mscr. 194. — Staatsrat Eduard Pfyffer an Jos. Ant. Balthasar, 
26. Jan. 1819 : « Mit der Dogmatik bin ich .... im Gedränge. Geiger muß entfernt 
werden. Weder Widmer noch Salzmann wollen — soviel sie sagen — diesen 
Lehrstuhl übernehmen. Auch wünschte ich aus vielen Gründen denselben von 
keinem allzu heftigen Papisten besetzt. Für einmal wünschte ich Vok (den spätern 
Domdekan), Gügler und Salzmann in der Theologie, Widmer in der Philosophie. 
Nach Verlauf eines Jahres könnte Salzmann, was selbst in den Wünschen des 
Publikums liegt, zum Stadtpfarrer befördert und endlich die letzte Hand an alle 
vorhabenden Reformen gelegt werden. » 

? Vergl. Troxlers Ausfälle gegen ihn in «Luzerns Gymnasium und Lyzeum 
...», Glarus 1823. — Thadd. Müller an Jos. Ant. Balthasar, 28. Oktober 1821: 
‘Wie Sie zu ahnen scheinen, ist Salzmann, der alles mir zu danken hat, der 
allerschlechteste. Statt ein einziges Mal, nachdem er zum Kommissariat erhoben 
war, mich zu besuchen, konnte er nicht geschwind genug an ... Gügler [und] 
... Widmer ... sich anschließen, denen er ekelhaft sklavische Unterwerfunz 
bezeigt. ... » — Einige Schreiben aus den zwanziger Jahren liegen im F.-A. A. IV, 
D. 70 und im St.-A. L. Fach. 9, Fasz 19. 

*% Staatsrat F. B. Meyer von Schauensee schreibt am ı8. März 1827 an Paul 
Usteri: Der Propst sei als Verwalter der Nuntiatur mißfällig ; er habe ohne Welt- 


In diesem Jahre näherten sich die seit 1814 dauernden Unter- 
handlungen wegen der Neugründung des Bistums Basel ihrem Abschlusse. 
Am 26. März 1828 wurde das Bistumskonkordat in Luzern von Inter- 
nuntius Gizzi und den Kommissären der Diözesanstände, Schultheiß 
Amrhyn und Staatsrat von Roll, unterzeichnet. Zwei Tage später 
schlossen die Stände Luzern, Bern, Solothurn und Zug in Langenthal 
einen neuen Vertrag zur Wahrung ihrer staatlichen Ansprüche. Am 
7. Mai sanktionierte Papst Leo XII. das Konkordat durch die Circum- 
scriptions-Bulle « Inter praecipua ». Die feierliche Bekanntmachung des 
Konkordates und der Bulle erfolgte am 13. Juli 1828 in der Stiftskirche 
zu Solothurn. Die Diözesanstände hatten von sich aus der Bulle das 
Plazet erteilt und verlasen es bei der Promulgation. *® Nachträglich 
schloß sich auch der widerstrebende Aargau an, ebenso Basel und 
Thurgau. 

Inzwischen war am 23. August der letzte Fürstbischof von Basel, 
Franz Xaver de Neveu, gestorben und Salzmann, der Generalvikar 
und Dekan des Domkapitels, durch den Nuntius mit dem Titel und 
den Vollmachten eines apostolischen Verwesers der Diözese aus- 
gestattet worden. ? Nachdem der Domsenat durch den Papst ernannt 
war, schritten die kirchlichen und staatlichen Behörden zur ersten 
' Bischofswahl im neuen Bistum. Der Heilige Vater erließ am 15. Sep- 


und Menschenkenntnis eine Reihe von « Unschicklichkeiten » gemacht. (Zentral- 
bibliothek Zürich, Korr. Usteri.) Usteri antwortete ihm : Gizzi habe den Aargauer 
Gesandten gegenüber den Propst Salzmann «als den von Rom gewünschten 
Bischof » bezeichnet. Es werde aber auch gesagt, Luzern habe für Meyers 
Bruder, Propst L. Meyer von Beromünster, Zusicherungen erhalten. {Fam.-Arch. 
Meyer.) 

1 St.-A. L. Fach 9, Fasz. 3. — B. B.L. Mscr. 223. Kothing M., Die Bistums- 
verhandlungen der schweizerisch-konstanzischen Stände von 1803-1862, Schwyz 
1863, S. zo fl. ; Herbert Dubler, Der Kt. Aargau und das Bistum Basel, Olten 1921, 
S. ı7 fl.; Fritz Fleiner, Staat und Bischofswahl, Leipzig 1897, S. 65 fl., 257 fl.: 
Vautrey, Histoire des &v&ques de Bäle, Einsiedeln 1886, II, p. 524 ss. (mit dem 
Text des Konkordats). 

2 «a Urkunden zur Geschichte des reorganisierten Bistums Basel », Aarau 
1847, 5. 17 fi. (Verbal-Prozeß). Gareis und Zorn, « Staat und Kirche in der Schweiz », 
Zürich 1878, II, S. LXII. 

8 St.-A. L. Fach 9, Fasz. ız. Nuntius Ostini an Amrhyn und von Roll, 
31. August 1828. Salzmann an Amrhyn, 2. September 1828. — Ernennungs- 
schreiben des Nuntius an Salzmann vom 30. August 1828 in den « Urkunden», 
S. 24 ff., 165 fi. Dort auch die Anzeige an die Kommissäre und deren Kreis- 
schreiben vom 31. August an die Diözesanstände. — Anzeige der päpstlichen 
Ernennung Salzmanns zum Dekan durch Internuntius Gizzi am ı9. Juli 1828, 
S. 20 f., 164 f. 


tember das Exhortationsbreve.  — Als Kandidaten wurden unter 
den Staatsmännern der Abt von St. Urban, Friedrich Pfluger, der 
Solothurner Professor Weißenbach, Domherr Wirz, Propst Ludwig 
Meyer von Schauensee in Beromünster und Salzmann genannt. Der 
Vorsitzende der Ständekonferenz, Schultheiß Glutz-Ruchti, schrieb dem 
Abt von St. Urban am 18. November : « Dieses amalgamierte Bistum 
und der Eid, den der Bischof zuhanden der löblichen Diözesankantone 
abzulegen hat, mißfallt mir im höchsten Grade. ... Ich kann mich 
umsehen, wohin ich will, so kenne ich niemanden, welchem diese 
Würde anzuvertrauen wäre... außer E. h. G.» Abt Pfluger lehnte 
aber in «tiefster Bestürzung » ab. Der Berner Schultheiß Rud. von 
Wattenwyl schlug dem Schultheißen Amrhyn am 4. Dezember Professor 
Weißenbach vor. Staatsrat Eduard Pfyffer aber schrieb Amrhyn 
schon am 16. Juli: «Rom wünscht, so wie ich wahrnehme, den 
Salzmann. Er ist seiner Schwachheit wegen bekannt und wäre ein 
gehorsames Werkzeug der Nuntiatur. »?2 Dennoch arbeitete Amrhyn 
auf die Wahl Salzmanns hin. Er konnte am 25. Januar 1829 seinem 
Sohne schreiben : « Propst Meyer und das Haus Rüttimann war immer 
mit Gizzi im geheimen Einverständnis. Jenen zum Bischof zu kreiern, 
war ihre Absicht, die ich vereitelt. »? — Bezüglich der Wahlart 
wünschte Seckelmeister Jenner in Bern, die Diözesanstände sollten sich 
«über die Art und Weise verständigen, wie sie den ihnen gestatteten 
Einfluß auf diese erste Wahl, welche wahrscheinlich den Maßstab 
für alle künftigen abgeben werde, ausüben wollen ». « Hierseits glaubt 
man », schrieb er Amrhyn, « denselben nicht bloß negativ ..., sondern 
in Übereinstimmung mit den übrigen h. Diözesanständen positiv 
durch Bezeichnung eines denselben angenehmen Subjekts ausüben zu 
sollen. ... »* Solche Äußerungen ließen die Schwierigkeiten der 
Wahl voraussehen. | 

Am 5. Dezember versammelten sich in Solothurn die Vertreter 
der Diözesanstände Solothurn, Bern, Luzern und Zug zur Besprechung 
der Feierlichkeiten bei der Einsetzung des Domkapitels und der An- 
wendung des ius exclusivam dandi bei der Bischofswahl und zur 


! Lateinischer Text in der Schrift: «Die erste Bischofswahl zu Solothurn 
im Jahre 1828 ; aus den hinterlassenen Papieren eines verstorbenen Domkapitulars 
....», Luzern 1863, S. 5 f. Fleiner, Staat und Bischofswahl, S. 273 f. 

2 St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

® F.-A. A. 

% 14. November 1838 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 


= 76: = 


genaueren Festsetzung der Bistumseinrichtungen. Das neue Dom- 
kapitel konstituierte sich am 6. Dezember, lehnte es aber ab, dafür 
die Erlaubnis der Ständevertreter einzuholen ; trotzdem glaubte die 
Diözesankonferenz einem Bestätigungsgesuch, das nicht gestellt worden 
war, ihre Genehmigung erteilen zu müssen. ! Am gleichen Abend hatte 
der Domsenat mit den Ständevertretern eine Konferenz über die Wahl. 
Es wurde beiderseits ein Ausschuß für vertrauliche Besprechungen 
ernannt. Die Deputierten der Stände verlangten bei der ersten 
Besprechung, daß ihnen jeder Kandidat einzeln präsentiert werde; 
der Senat aber weigerte sich, auf eine solche Wahlart einzugehen. 
Bistumsverweser Salzmann konnte dabei einen Brief des Nuntius 
vorweisen, worin dieser ihm alle Vollmachten, in seinem Namen zu 
raten, einräumte. Er erklärte, gestützt auf diese Vollmachten, daß 
der Ständekonferenz nur der Ausschluß eines Drittels der aufgestellten 
Kandidaten gestattet werden könne, und munterte das Kapitel auf, 
seine Rechte zu verteidigen. Nach einer weitern Besprechung mit den 
Ständevertretern wurde am 9. Dezember vom Wahlkörper eine Liste 
von sechs Kandidaten aufgestellt. Die Diözesankonferenz strich drei 
von ihnen. Salzmann und Domherr Wyssing vermochten als Depu- 
tierte des Senats daran nichts zu ändern, und so gab der Bistums- 
verweser den Rat, die Bischofswahl in dieser Form vorzunehmen, 
um durch eine weitere Verschiebung nicht Anstoß zu erregen. Am 
10. Dezember fand nun die Wahl statt. Unter den drei verbliebenen 
Kandidaten Salzmann, Propst Meyer und Domherr Wirz erhielt Salz- 
mann im dritten Skrutinium gegenüber Meyer die Mehrheit. ® Papst 
Pius VIII. bestätigte die Wahl im Konsistorium vom ı8. Mai 1820. 

Mit sorgenvollem Widerstreben, aber auch mit starkem Gott- 
vertrauen nahm der Gewählte die schwere Bürde auf sich. «Gott 
der Herr ließ gewiß nur deswegen die Bischofswahl auf seinen geringsten 
und schwächsten Diener fallen, um desto auffallender zu zeigen, was 
seine Macht und Weisheit auch durch das kraftloseste und verächt- 
lichste Erdengeschöpf zu wirken vermöge », schrieb er demütig an 


! «Urkunden», S. 49 fl. — Protokoll der Verhandlungen vom s. bis 
13. Dezember 1828. — « Die erste Bischofswahl », S. 7 f. 
? «Die erste Bischofswahl», S. 2ı; Fleiner, a. a. O. S. 93, ı38 f.: 
Jeh. Schmid, Zur Geschichte des die Diözese Basel betreffenden Bistumsvertrages 
. und der nachfolgenden Bischofswahl (Kath. Schweizerblätter, N. F. I. 1885, 
S. 241 f.) — Im zweiten Skrutinium hatten Salzmann und Meyer gleichviel 
Stimmen (5) ; im dritten erhielt Salzmann 6 (gegen 4). 


den Abt von St. Urban. !— Am 26. Juli 1829 wurde der erwählte 


Bischof in Solothum durch den Nuntius Ostini, unter Assistenz des 
‘ Bischofs Yenny von Lausanne-Genf und des Abts Friedrich Pfluger 


von St. Urban, feierlich geweiht. Gleichzeitig war die Ständekonferenz 


' ın Solothurn versammelt, um die Formalitäten staatlicherseits fest- 


zulegen, den Bischof zu beeidigen und die Stände Basel, Aargau und 


‘ Thurgau ins Bistum aufzunehmen. Unmittelbar vor seiner Konse- 
_ kration erschien der Bischof vor den Ständevertretern und schwur 


den vieldeutigen Staatseid, welcher folgenden Wortlaut hatte: «Ich 
schwöre und gelobe auf das heilige Evangelium Treue und Gehorsam 
den Regierungen der Kantone, aus denen das Bistum Basel besteht, 
und überdies gelobe ich, weder in noch außer der Schweiz ein Ein- 
verständnis zu pflegen, an einem Ratschlage teilzunehmen und eine 
verdächtige Verbindung zu unterhalten, welche die öffentliche Ruhe 
gefährden könnte ; sollte ich je Kunde erhalten von einem dem Staate 
schädlichen Anschlage, sei es in meiner Diözese oder anderswo, so 
werde ich die Regierung davon in Kenntnis setzen. ....»2 

Die Wahl Salzmanns wurde im allgemeinen auch von der liberalen 
Presse günstig aufgenommen. Es mag interessieren, bei dieser Gelegen- 
heit das Urteil der Zeitgenossen über den neuen Bischof zu hören. 
Wir knüpfen daran den Versuch einer Charakteristik Salzmanns und 


. siner Stellung als Bischof der Diözese Basel. — Der von Zschokke 


geleitete « Schweizerbote » in Aarau schrieb von Salzmann : « Derselbe 
... trägt bei allen Unbefangenen, die ihn durch Umgang genauer 
kennen, das schöne Zeugnis, er sei ein Mann, pünktlich streng in den 
Vorschriften der Kirche, dabei aber nicht minder ein treuer, dem 
schweizerischen Vaterlande innig ergebener Sohn desselben, fern von 
Verketzerungssucht, aber einer wahren, stillen Frömmigkeit ergeben, 
bescheiden, demütig und bis zur Ängstlichkeit gewissenhaft. .... 
Nicht nur bewies er sich durch Versöhnlichkeit immer gegen die, von 
denen er vielleicht Kränkung erfuhr, als echter Christusjünger, sondern 
— was in unsern Tagen besonders wertvoll an einem kirchlichen 


I Luzern, den ı9. Dezember 1828. St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

I Fleiner, S. 284 f.; Gareis und Zorn, II. 84 f.; « Urkunden », S. 133 ft. ; 
Konferenzprotokoll. — St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı1. — F.-A. A. Bezügliche Briefe 
Salzmanns an Amrhıyn. — Über die rechtlichen Grundlagen des neugegründeten 
Bistums siehe Gareis und Zorn, IL, 78 fl., 95.; K. Attenhofer, Die rechtliche 
Stellung der katholischen Kirche gegenüber der Staatsgewalt in der Diözese 
Basel, II, ı ff. ; «e Aktenstücke », 1830 ; Dubler, a. a. O.S. 4 ff. Über den Bestand 
des Bistums : Zeitschrift für Schweiz. Statistik, III, 1867, S. 74 


REYUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUR 2 


BE ee 


Oberhirten sein muß — er war niemals politischer Parteimann. Er 
sah auf den innern Wert des Mannes, gleichgültig, ob derselbe der 
Fahne der Liberalen oder Konservativen folgte. Und mehr als die 
Person beachtete er jedesmal die Sache. Es ist wohl zu glauben, daß 
der Hirtenstab in der Hand eines solchen Mannes an seinem Herzen 
nichts ändere. »1 Die « Neue Zürcher Zeitung » Usteris schrieb kritischer: 
«Herr Salzmann ist eben kein Mann von ausgezeichneten Greistes- 
gaben, aber tätig und arbeitsam. Ihm fehlte früher jene Kenntnis 
der Welt und ihrer Verhältnisse, die jedem Mann, der in wichtigen 
Geschäften steht, nie abgehen sollte. Diesem Umstand und der Ein- 
flüsterung manches nicht ganz glücklich gewählten Ratgebers mögen 
die Mißgriffe zuzuschreiben sein, deren er sich hie und da früherhin 
schuldig machte. ... Seit jener Zeit scheint mit Herrn Salzmann 
eine günstige Veränderung vor sich gegangen zu sein. Er hat mancher- 
lei Beweise von Mäßigung gegeben, und bei der im Kanton Luzern 
vorgenommenen Beschränkung schon längst abgeschaffter Feiertage, 
sowie bei andern Anlässen hat er die wohltätigen Absichten der 
Regierung gehörig unterstützt. Auch bei Anlaß der mancherlei 
Besprechungen, die bei der jüngst in Solothurn stattgefundenen 
Konferenz zwischen dieser und dem Domkapitel gepflogen wurden, 
hat er sich durch Würde, Geradheit und konziliatorischen Sinn in 
solchem Maße ausgezeichnet, daß das Domkapitel durch dessen Wahl 
zum Bischof wirklich die Wünsche der Konferenz erfüllte, was diese 
auch unzweideutig an den Tag gelegt hat. ...»? Ein ausgeprägtes 
Parteiurteil aber fällte später der radikale « Historiker » Ludwig Snell. 
Er schrieb von Salzmann: «Seine warme Anhänglichkeit an die 
Grundsätze der römischen Kirche erwarb ihm die Propstei des Stiftes 
zu Luzern und später das baselsche Provikariat. Mit tätigem Eifer 
nahm er an allen Unternehmungen der ... römischen Partei zu Luzern 
teil. ... An Talenten ist er nicht ausgezeichnet. ... Übrigens wird 
ein lenksames und verträgliches Gemüt, ohne Eigenwillen, an ihm 
gerühmt. ... » Salzmann war nach diesem Gewährsmann « gutmütig 
und eigentlich nur zum Meßlesen geboren, aber als ein willenloses 
Instrument der Nuntiatur tauglich, zu höheren Würden erkoren zu 


I Nr. sı, ı8. Dezember 1828 ; Nr. 2, 1829. 

2 Nr. 102, 20. Dez. 1828. — Wörtlich gleich in der Augsburger « Allg. Zeitung », 
Nr. 109, 25. Dez. 1828. Nach dieser Vorlage ist offenbar das Urteil Tilliers in 
seiner Geschichte der Restaurationszeit, III, 362, formuliert. 


werden. »! Dieses Urteil wiederholten mehr oder weniger schroff 
liberale und radikale Staatsmänner und Publizisten. Staatsrat Eduard 
Pfyffer z. B. schrieb 1833 an Amrhyn : «Der Bischof predigt morgen 
in Luzern. Man sollte mit ihm nachdrücklich sprechen. Es muß ihm 
begreiflich gemacht werden, daß er ein schweizerischer Bischof und 
nicht der Schleppträger des Nuntius sei.»® Das geistige Haupt der 
Luzerner Liberalen, Dr. Kasimir Pfyffer, äußerte sich 1835 gegenüber 
Amrhyn : «Bischof Joseph Anton ist so schwach und so unbedingt 
der Nuntiatur unterworfen, daß von ihm nichts gehofft werden darf. 
Seine Resignation dürfte kein Unglück sein. ... »3 Siegwart-Müller, 
der Führer des Sonderbundes, anerkannte zwar die schwierige Stellung 
des Bischofs, bezeichnete ihn aber auch als schwächlich im entgegen- 
gesetzten Sinne. * Ph. Ant. Segesser rühmte später die Milde und 
berührte die Schwäche Salzmanns.5 Nach dem Tode des Bischofs 
aber anerkannte selbst die Regierung des Kantons Aargau seine hohen 
Verdienste um den konfessionellen Frieden und um das Einverständnis 
von Kirche und Staat.® Und als fünf Diözesanstände während des 
sogenannten Kulturkampfes (1873) den Bischof Lachat als abgesetzt 
erklärt hatten, rühmten sie in der rechtfertigenden Proklamation den 
«milden, echt christlichen und eidgenössischen Geist, der seit der 
Gründung des Bistums Basel die Bischöfe Salzmann und Arnold beseelte, 
das gute Einvernehmen, das sie mit den Regierungen zu unterhalten 
trachteten ». ? 


Es ist für den ruhigen Betrachter jenes stürmischen Jahrzehnts 


I Snell, Dokumentierte pragmatische Erzählung der neuern kirchlichen 
Veränderungen ...., Sursee 1833, S. 38, ı82 f. In seiner « Geschichtl. Darstellung 
der kirchl. Verhältnisse der kath. Schweiz » (Mannheim 1854), II, 306 f., wieder- 
holt Snell dieses Urteil und wirft Salzmann « krassen Obskurantismus » vor. 

2 30. Sept. 1833 ; F.-A. A. — Wie sich Ed. Pfyffer politisch zum kirchlichen 
Öberhirten überhaupt einstellte, mag auch eine Briefstelle vom ı4. März 1820 
zeizen: « Die Solothurner freuen sich so sehr, den Bischof zu bekommen, als ich 
iroh bin, daß wir hier seiner losgeworden sind. Es werden bei 20,000 Fr. all- 
jährlich ersparet, die an diesen unnützen Menschen hätten verwendet werden 
Müssen, und wir sinken nicht zu einem elenden Pfaffennest herab, wie sonst unser 
los gewesen wäre. ... Wir haben wahrlich am Nuntius genug. ...» (B.B.L. 
Briefw. J. A. Balthasar.) 

° 29. Juli 1835. F.-A. A. 

* Siegwart-Müller, « Der Kampf zwischen Recht und Gewalt », Altdorf 1864, 
S. 165, 209. 

° Kasp. Müller, Ph. A. von Segesser, Luzern 1924, II, 315. 

* Arnold Keller, Augustin Keller, Aarau 1922, S. 312. 

? Gareis und Zorn, Staat und Kirche, II, ı3;. 


— und nur um dieses handelt es sich hier — sehr schwer, die Stellung 
und Persönlichkeit Bischof Salzmanns allseitig gerecht zu würdigen ; 
seine brieflichen Äußerungen vermögen von Fall zu Fall am besten 
zu charakterisieren. «Wer einen hochgestellten Mann nicht unrichtig 
beurteilen will, der muß imstande sein, sich auf den geeigneten Stand- 
punkt zu stellen, von welchem er einen hellern und tiefern Blick in 
dessen Leben und Wirken werfen kann », sagte der Nachfolger Salz- 
manns in seiner Gedächtnisrede ; und diesen Standpunkt scheint mir 
die Betrachtung durch die eigenen Worte des Bischofs einzunehmen. 
— Jos. Anton Salzmann hatte in seiner kirchlichen Haltung manches 
gemein mit Joh. Michael Sailer, dem berühmten Gründer einer neuen 
theologischen Schule. Wie dieser, suchte er zwischen einer polemischen, 
konservativen Richtung des Klerus und einer radikal reformierenden, 
gegen Dogma und Kirchenordnung auftretenden Schule im Geiste 
Wessenbergs zu vermitteln, an der Glaubensgrundlage streng fest- 
zuhalten, im übrigen aber den Strömungen der neuen Zeit alle möglichen 
Zugeständnisse zu machen und im Streit und Hasse seiner Zeit die 
christliche Liebe, den Frieden, das Beispiel persönlicher Religiosität 
siegen zu lassen. Er war, wie Sailer, kein Freund der streitbaren 
Richtung unter der Führung der Gesellschaft Jesu und ging in seiner 
Ablehnung dieser kirchlichen Organisation sehr weit. So schrieb er 
an Schultheiß Amrhyn:: «Die Jesuiten regieren und haben auch in 
der Schweiz einen um so festern Stand gewonnen, je mehr das leiden- 
schaftliche Unwesen des alles zerstörenden Radikalismus für den 
Jesuitismus rekrutiert hat. Die Monarchen scheinen, um ihre irdische 
Macht zu sichern, sich an Loyolas Jünger hingegeben zu haben. »! 
In dem scharfen Gegensatz der verschiedenen Richtungen innerhalb 
des Klerus, im Konflikt zwischen den nationalen Bestrebungen der 
liberalen Regierungen und eines Teils der Geistlichkeit einerseits, 
der starken Haltung des Heiligen Stuhles anderseits, suchte er mit 
seinen Grundsätzen, «die keiner von beiden Parteien huldigten », 
eine Mittelstellung einzunehmen. Das hrachte ihn wiederholt in Gegen- 
satz zum Bestreben Roms, verlorene Positionen wieder zu gewinnen 
und gefährdete durch grundsätzliches Festhalten am kanonischen 
Recht zu sichern. Er redete von «absolutistischen Machtgeboten : 


I 25. Juni 1836 ; F.-A. A. — Vergl. über Sailer Seb. Merkle, in « Religiöse 
Erzieher Jder kath. Kirche », Leipzig 1920, S. ı8< fl. 


der römischen Kurie.! «Was kann der Bischof von Basel in seiner 
isolierten Stellung machen ? Blitzstrahlen schleudern gegen Verfassung 
und Vaterland ? Wenn er es nicht tut, so braucht es nur ein einziges 
Damnationswort vom Vatikan, und er liegt zertreten wie ein Wurm. 
Freiherr von Hontheim, Weihbischof zu Trier, mußte seinen Febronius 
und Scipio de Ricci, Bischof von Pistoja, die Sätze der Synode von 
Pıstoja widerrufen », schrieb er einmal dem Schultheißen Amrhyn. ? 
Wiederholt beklagte er sich, daß Rom seine Stellung und die 
Verhältnisse seiner Diözese nicht genügend berücksichtige. Seine 
unleugbare Vaterlandsliebe, seine friedliebende Gesinnung und eine 
sehr weitgehende persönliche Rücksichtnahme ließen ihm oft die 
Forderungen des Heiligen Stuhles als Härte erscheinen ; das umso- 
mehr, als er vom Papste und vom Nuntius wiederholt in scharfer 
Weise zurechtgewiesen wurde. 

Bei aller fast schwächlichen Nachgiebigkeit und einem lang- 
mütigen Vermittein aber fand Salzmann doch deutliche Worte 
der Zurückweisung, wo er das Wesen des Katholizismus und der 
Kirchenordnung bedroht sah. So schrieb er am Ende der dreißiger 
Jahre : «Es ist wirklich, daß der Bischof von Basel gegen die Badener 
Artikel und die Pfarrerabsetzungen neuerdings und schärfer auftreten 
sollte — daß er sollte dem Preßunfug und unkirchlicher Lehre einen 
Damm setzen und das Erziehungswesen wieder in sein Bereich ziehen. 
Welche Folgen würde aber in unsern Tagen ein Gewaltskampf hervor- 
rufen? So sehr ich alles Unkirchliche und Ungerechte und Unsitt- 
liche verabscheue, kann ich mich dennoch mit dem Gedanken, durch 
Gewalt zu wirken, nicht befremden. Aber ebensowenig lassen sich 
die modernen Grundsätze, welche die Kirche zur Magd des Staates 
herabwürdigen, in Schutz nehmen. ...»® Und über die Badener 
Artikel urteilte er einmal: «Die Badener Konferenzartikel, wie sie 


128. Dez. 1838 ; 6. Juli 1836 an Amrhyn. F.-A. A. — Vergl. das schroffe 
Urteil der kath. Kirchenzeitung von Aschaffenburg (abgedruckt in der Allgemeinen 
Kirchenzeitung, Nr. 36 f., 1836): «Sein [Salzmanns] Betragen (in der Cuttat- 
Affäre) konnte niemand befremden, der die Beschränktheit dieses vor sieben 
Jahren von dem Luzerner Schultheißen Amrhyn und Eduard Pfyfler (zwei leiden- 
Xhaftlichen Kirchenfeinden) zum Bischof empfohlenen Mannes kennt. Ohne Welt- 
ınd Menschenkenntnis, von der Natur und den Zwecken der Revolution wenig 
oder gar nichts verstehend, setzt er selbst bei den anerkanntesten Religionshassern 
ar etwas Arges voraus und scheint nur von der fixen Idee besessen, man solle und 
dürfe den Regierungen in gar nichts widerstreben. ... » 

? 16. Jan. 1839 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

’ An Amrhyn, 16. Jan. 1839; ebenda. 


stilisiert sind, erscheinen offenbar als eine Art Kriegserklärung oder 
wenigstens Off[ensiv)- und Defensivbündn's des Staates gegen die 
Kirche, obgleich die Staatsmänner keine solche Meinung gehegt haben 
mögen. »! Solche Urteile erhalten im Munde des milden, der welt- 
lichen Obrigkeit ehrfurchtsvoll ergebenen und bis zur äußersten Grenze 
der Duldung gehenden Oberhirten ein um so schwerer wiegendes 
Gewicht. 

Die sittliche und religiöse Persönlichkeit Salzmanns nötigten selbst 
dem Gegner Hochachtung ab. Wir bewundern im Charakterbild des 
Bischofs die große Demut, das unerschütterliche Gottvertrauen, eine 
tiefe Frömmigkeit, verschwiegene Wohltätigkeit, herzliche Güte, den 
großen Arbeits- und Seeleneifer, die zarte Sorgfalt für seinen alten, 
erblindeten Vater, die aufrichtige Freundes- und Verwandtenliebe und 
bei aller bitteren Erfahrung einen edlen Frohsinn. * Schöne Beweise 
seiner Pastoralsorge sind die zahlreichen bischöflichen Hirtenbriefe 
der fünfundzwanzigjährigen Wirksamkeit. ® In einer ruhigeren Zeit 
hätten dieser edle Wille und die religiöse Innerlichkeit Salzmanns 
zweifellos mehr Frucht bringen können als in jenen unruhvollen Jahr- 
zehnten. Jedenfalls würden wir der Persönlichkeit und der Haltung 
des Bischofs nicht gerecht, wenn wir ihn nur nach seinen sichtbaren 
Erfolgen in der Kirchenpolitik der dreißiger Jahre beurteilen wollten. 
Er hat die bedauerlichen Verhältnisse persönlich schwer empfunden. 
«Ich leide sehr und seufze nach Erlösung », schrieb er einmal dem 
Schultheißen Amrhyn. * Doch in christlicher Milde konnte er auch 
sagen : « Leidenschaftlichkeit kenne ich keine und verzeihe denjenigen, 
die meine Lage und Stellung nicht kennen können, ihre in den Zeitungen 
gegen mich gemachten Ausfälle, hoffend, der Allbarmherzige werde 
mir auch meine Fehler verzeihen. » ® 


1 27. Juli 1835, an Amrhyn; ebenda. 

2 Vergl. den Briefwechsel des Bischofs mit Kaplan Felix Georg Meyer in 
Hospenthal, in der Schweiz. Kirchenzeitung, 1923, Nr. ı8 fi. (von Dr. Alois 
Henggeler). — Vautrey, IL, 534, 549 ; « Blume auf das Grab», S. 7 ff. Arnold. 
Leben und Wirken, S. 5 fl. «Frieden stiften und Frieden wahren, war ihm Herzens- 
geschäft. Aber gerade diese Friedensliebe, diese Friedfertigkeit ward ihm öfters 
als Schwäche angerechnet. Nein | aus Schwäche handelte Bischof Jos. Anton 
nicht. Nicht Schwäche, sondern Überzeugung bestimmte ihn. ....» 

® Siehe das Verzeichnis der Hirtenschreiben in Schmidlins bibliographischer 
Zusammenstellung : « Die kath.-theologische und kirchliche Literatur des Bistums 
Basel ... » (Bibliogr. z. schweizerische Landeskunde, Fasz. V 10 e, Bern 1894). 

% 29. Mai 1835 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

5 6. Mai 1835 ; ebenda. 


Bischof Salzmanns Stellung in den Diözesankantonen war so 
schwierig, daß wir seine wiederholten enrstlichen Demissionsabsichten 
verstehen können. «Da einst Paulus schreiben konnte : Qui episco- 
patum desiderat, bonum opus desiderat, kann man heutzutage sagen: 
Quem dii oderunt, Episcopum fecerunt », schrieb er schmerzvoll einem 
priesterlichen Freunde. ! « Welche Hilfe findet der Bischof von Basel ? » 
klagte er zur Zeit des schärfsten Kampfes. «Es wird noch dahin 
kommen, daß er vom Stande Aargau in die Acht und von Rom in den 
Bann gesprochen wird, wenn er nicht vorher resigniert und durch 
seine Resignation beide Parteien ihren Kollisionen überläßt.»® Nach 
einer vertraulichen Aussprache mit ihm schrieb der Josephinist Amrhyn : 
«Soviel liegt klar vor uns, daß die Lage des Bischofs höchst gedrückt 
sei, von Rom beobachtet, scharf belauscht, von den Römerlingen 
beim Heiligen Stuhl verdächtigt, verleumdet, daher vom Heiligen 
Vater selbst bedroht, von den Regierungen beargwohnt und nur selten 
mit Zartheit und Achtung behandelt, dabei entmutigt, innerlich ge- 
kränkt, in sich verschlossen, ohne Zuversicht und doch nur aus sich 
handelnd. ... »? 

Es war in der Tat außerordentlich schwer, die kirchlichen, reli- 
giösen Interessen an verantwortlicher Stelle zu vertreten in einer Zeit 
schroffster Gegensätze auf politischem und kirchlichem Gebiete, in 
einer Periode tiefgehender weltanschaulicher Kämpfe, inmitten der 
heftigsten grundsätzlichen und persönlichen Auseinandersetzungen der 
ins Extrem gehenden Presse beider Parteien (« Eidgenosse », « Wald- 
stätterbote »), in einem noch unvollkommen organisierten Bistum, in 
der doppelten Gebundenheit an die kirchlichen und staatlichen 
Gewalten, «inter Scyllam et Charybdim », wie der Bischof einmal 
selbst sagte. Er sah zur Zeit des heftigsten Angriffes von Seiten 
Aargaus die religiöse Lage so: « Aargau ist ganz und gar nicht Vor- 
mann, sondern vielmehr der Nachhinkende im Kampf gegen die Kirche. 
Schon vor einem Dezennio wollte eine kirchliche Revolution aus- 
brechen ; groß war die Verzweigung durch ganz Deutschland und einen 
Teil der Schweiz. Bereits sind mehrere bedeutende Häupter derselben 
gestorben. Anstatt einer allgemeinen (katholischen) Kirche, träumte 


1 Alois Henggeler, a. a. O.— Amo9. Juli 1837 schrieb der Bischof an Amrhyn: 
«O möchte ich das Baselsche Episkopat niemals übernommen oder schon lange 
resigniert haben !» St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 

:2 An Amrhyn, ı. Juni 1836. F.-A. A. 

® 31. Okt. 1835, an Schultheiß F. L. Schnyder, F.-A. A. 


man von einer deutschen (Privat-)Kirche, welche die Bande des 
Zölibates zerreißen sollte. Allein der barmherzige Gott hat diese 
verderbliche Krise in Deutschland gnädigst abgewendet. Die meisten 
Hochschulen haben einen gänzlichen Umschwung erhalten, und das 
religiöse Prinzip [hat] obgesiegt. Die größten Gelehrten gegenwärtiger 
Zeit erheben ihr Haupt, um das zerstörende Prinzip niederzutreten. 
Nur in Freiburg im Breisgau konzentriert sich noch die unchristliche 
Faktion, und weil sie sich nach erhaltener Niederlage zu schwach 
fühlt, einen erneuerten Angriff zu wagen, möchte sie gern den Kampf 
auf den Schweizerboden verpflanzen. Es sind gleichsam die letzten 
Konvulsionen, in welche sich der Kanton Aargau oder vielmehr seine 
wahnsinnigen Autokraten verwickeln ließen. Ich kann ... die trost- 
reiche Zusicherung geben, daß der Katholizismus auch in der Schweiz 
glorreich obsiegen werde. Die tollen Wühler, die jetzt das vincere 
aut mori spielen wollen, werden nichts anderes durch ihr irreligiöses 
Aufklärungsfieber bewirken, als daß die wahre Aufklärung, leider! 
einen Stillstand macht oder gar noch den Krebsgang nimmt. ...»'! 
Ein düsteres Bild der kirchlichen Verhältnisse im neuen Bistum 
Basel aber zeichnet am Ende der dreißiger Jahre der folgende Brief 
Salzmanns: «An einem Ort will man Pfarrerwahlen nur auf sechs 
Jahre gelten lassen, an einem andern den Kollatoren ihr eigentümliches 
Kollaturrecht wegnehmen, an einem dritten Ort Pfarrer und Dekane 
entsetzen, am vierten Klöster aufheben, am fünften den Loskauf der 
Zehnden so niedrig ansetzen, daß mancher Pfarrer beinahe verhungern 
muß ; hier wird es dem Bischof landeshoheitlich verboten, wenn er 
arme Personen oder Kirchen und dergleichen durch eine Schrift der 
Großmut christlicher Menschenfreunde empfiehlt ;, dort erhebt man 
sich gegen ihn, wenn er nur einen Wunsch für eine bessere Sonntags- 
feier äußerst ; hier dipensiert ein Großer Rat um schwere Taxen in 
allen Verwandschaftsgraden, und der Bischof soll gleichfalls dispensieren, 
wenn er es auch nicht tun kann, soll keine Dispenstaxe begehren, 
sondern selbe aus seinem eigenen Beutel an den Apostolischen Stuhl 
bezahlen ; dort denunziert ein Pfarrer, auf dessen Supplik der gut- 
willige Bischof dispensierte, ebendenselben Bischof um der gleichen 
Dispense willen dem Apostolischen Stuhl ; hier erhebt ein Stand einen 
lüderlichen Kerl zur theologischen Katheder, der dann durch Lehre und 
Schrift zum Ärgernis und Greuel wird ; dort läßt man ungeahndet 


1 An Amrhyn, 14. Nov. 1835. St.-A. L. Fach 9, Fasz. ız. 


—_ 23 — 


wöchentlich die schändlichsten Tagesblätter zirkulieren. Die Kirche 
wirft die Schuld auf den Bischof, der umsonst vom Staate Abhilf[e] 
erwartet. Wegen dem Placet (das bei einem einzigen Kultusminister 
: noch möglich wäre, aber bei sieben souveränen Ständen und 700 Magi- 
‘ straten, die noch dazu einem ewigen Wechsel unterliegen, ein wahres 
Unding ist) steht der Bischof ohne Generalvikar und Offizial. An 
ein Seminarium ist gar nicht zu denken ; denn ein Kanton will gar 
: keines, der andere verlangt es anderwärts, der dritte streitet über die 
: Gebäulichkeit ; endlich würde die Wahl eines Regens und Subregens 
bei den Prätensionen, die vorliegen, ganz verunmöglicht. Der Bischof 
muß also, wie Generalvikar und Offizial, also auch Interimsregens der 
Ordinanden sein. Weil die Ordinanden ihre Patrimonialtitel von den 
h. Regierungen nicht mehr im Herbstmonat erhalten, folglich zu 
verschiedenen Zeiten in Solothurn eintreffen, sieht der Bischof sich 
genötigt, zu verschiedenen Malen im Jahre den Seminarkurs zu 
eröffnen. Ich würde kein Ende finden, wenn ich die Litanie der 
Übelstände vervollständigen wollte. Vom hochw. Domsenate, dessen 
Mitglieder von den Regierungen herrühren, will ich hier ganz und 
gar schweigen. » ! 

Von der staatlichen Seite her aber betrachtete Schultheiß Amrhyn 
die Lage in seiner Protokollerklärung vom 2. Dezember 1835 so: 
«Das neu organisierte Bistum Basel — ein Ärger den einen wegen 
säner zu wenig freisinnigen Gestaltung, den andern wegen seiner 
nationellern Begründung und fortschreitenden Entwicklungsfähigkeit 
— sollte den kunstfertig angeregten Leidenschaften hingeopfert und 
damit bei jenen eine Kirchengestaltung nach den neuesten Kirchen- 
rechtstheorien, bei diesen hingegen das dienstbarere Kirchenprovi- 
sotum wieder herbeigeführt und mit ihm das früher schon versuchte 
Zersplitterungssystem aufs neue angenommen, nach beiden Tendenzen 
aber das neu zu gestaltende Kirchensystem mit den gleichartigen 
Anstrebungen in politischer Hinsicht enge verschwistert werden. » ? 
Es war den liberalen Staatsmännern klar, welche Gefahren die damalige 
Kirchenpolitik in sich trug ; sie wollten aber die Verantwortung dafür 
hauptsächlich Rom zuschieben. Diese Tendenz kommt deutlich zum 
Ausdruck im folgenden Briefe Schultheiß Amrhyns: «Mehr als je 
habe ich .... die traurige Überzeugung gewonnen, daß die Leiden- 


! An Amrhyn, 16. Jan. 1839; ebenda. 
® St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2 (auch gedruckt). 


— 2b — 


schaftlichkeit beider politischer und religiöser Extreme den Charakter 
der in sich verschlossenen tiefsten Bitterkeit und gegenseitigen Lieb- 
losigkeit angenommen habe, die — zum rückhaltungslosen Ausbruche 
angereizt — auch das Bitterste besorgen läßt. ... Nur wahre Liebe, 
nur christliche Hingebung, nur wahrer Edelmut kann die Gefahren 
von der Schweiz abheben, die in den sogenannten religiösen wie den 
politischen Anregungen unserer Tage nicht etwa den Kanton Aargau, 
die Schweiz, sondern Europa bedrohen. Verschließt Rom, wie dasselbe 
es zur Zeit der Reformation getan hat, Aug und Ohr der Wahrheit, 
der Vernunft, dem Rechte in unsern Tagen, so mag es auch sich und 
sich allein zurechnen, wenn der Geist der unbedingtesten Reformation 
furchtbarer und zerstörender noch auflodert, als es anfangs des 
fünfzehnten [XVI.!] Jahrhunderts geschehen ist. ... Der Heilige 
Vater ist hintergangen, oder er täuscht sich auf eine furchtbare Weise 
selbst. Ebenso bin ich mit jedem Tage mehr der Meinung, daß die 
Vorgänge und ohnehin traurigen Erscheinungen im Kanton Aargau 
etwas bloß Spezielles, ganz Isoliertes seien. Nein! .... was sich dort 
bewegt, ist der Anfangspunkt einer Gesamtbewegung, die nicht in 
den Grenzen des Kantons Aargau, nicht einmal in jenen der Schweiz 
eingebannt bleiben, sondern über ganz Deutschland sich ausdehnen 
wird, wenn nicht besänftigende Liebe, wenn nicht evangelische Hin- 
gebung, wenn nicht gerechtes Entgegenkommen die angescheuerte, 
furchtbare Glut zu löschen, mit Edelmut abzukühlen vermag. Man 
hat sich die Schweiz — wie es scheint — zum vorangehenden Rück- 
schritt in den kirchlichen und von da in den politischen Verhältnissen 
erkoren, und der Schweizer, der Christ, errötet nicht zu einem solchen 
Frevel mitzuwirken, dazu Hand zu bieten. ... Die Geistlichkeit — 
entzweit unter sich, sich selbst schändend -— tritt, glauben Sie es mir 

.., mit in den angefachten Kampf und wird durch diesen gegen- 
seitigen Kampf die Schamhaftigkeit vollends zu Grabe tragen. Das 
jüngere Geschlecht, schon längst der Selbstbeherrschung entwöhnt, 
wird unter die Neuerungsfahne mit Begierde treten, um den letzten 
lästigen Zwang von sich abzuwerfen. ....»! 

Am Bischof lag es nun wahrlich nicht, wenn die tiefliegenden 
Gegensätze in den vierziger Jahren die Schweiz in den Bürgerkrieg 
hineintrieben. Er kam dem Zeitgeiste und den staatlichen Ansprüchen 
in weitgehendem Maße entgegen. Mit ehrlicher Überzeugung konnte 


! An Salzmann, ı. Nov. 1835, ebenda. 


er schreiben : « Der Bischof dachte niemals daran, den h. Diözesan- 
ständen die Anerkennung geistlicher Immunität aufzudringen ; eben- 
sowenig möchte er jemals den Rechten und Befugnissen des weltlichen 
Staates auf irgend eine Weise zu nahe treten, sondern verehrt in den 
weltlichen wie in den geistlichen Obern eine von Gott verordnete und 
aufgestellte Behörde und erbietet sich, so viel an ihm liegt, mitzu- 
wirken, zu einer friedlichen Übereinkunft, die künftighin alle Kollisionen 
zwischen Kirche und Staat abwendet. ... »! Den guten Willen des 
Bischofs anerkannte auch der gründlich eingeweihte Schultheiß Amrhyn ; 
politische Vorsicht bewog ihn, Jakob Kopp, den zweiten Luzerner 
Gesandten auf der Tagsatzung von 1835 in Bern, zur Rücksicht auf 
den Bischof zu ermahnen : ... «So wie die Regierungen auf Achtungs- 
erweisung, auf Gehorsam Anspruch nehmen und nehmen müssen, so 
setzen auch sie die Achtung gegen den ohnehin so vielfach gedrückten 
Bischof nicht außer acht ! Hat er auch in den Wirren der Zeit nicht allen 
Erwartungen entsprochen, so vergesse man nicht, daß er der Kirche 
wie dem Staate Trene und Pflicht geloben mußte, gegen beide mit 
großer Verantwortlichkeit behaftet ist, daß unsere mangelhaften 
Kircheneinrichtungen ihm den Schutz des Archiepiskopats nicht 
gewähren, sondern ihn vielmehr dem Papste als Metropolit vor der 
Hand unmittelbar, ad putum admovibilis unterstellen. Hat die seit 
fünfhundert Jahren bestehende Magistratur so schwer, sich sachmäßig 
und kräftig in unsern Tagen zu benehmen, warum will man mehreres 
vom erst seit 1829 als nationell dastehenden Bischof von Basel fordern ? 
Mag er auch Schwächen — wie wir alle -- bewiesen haben, so vergessen 
wir nicht, daß nicht allein der Abgang eines bekannten schweizerischen 
Kirchenrechtes, das noch Dunkle seiner Lage und Verhältnisse zu den 
Kantonsregierungen, sondern die Unzuverlässigkeit dieser selbst, ihr 
Überwitz, in persönlichen, aufgeregten Augenblicken ihn dazu verleiten 
mußten. Ich kenne übrigens Bischof Salzmann als Schweizer, als 
wahren Freund seines Vaterlandes, der dabei mit einer ebenso gewissen- 
haften Treue gegen den Papst als Kirchenoberhaupt in manchen 
schweren inneren Kampf mit sich selbst gerät. Dringen die Regierungen 
zu rücksichtslos in denselben zur unbedingten Mitwirkung zu ihren 
Beschlüssen, so nötigen sie ihn mindestens zu Resignation oder setzen 
ihn, wo er ihnen unbedingt gewährt, der kirchlichen Entsetzung durch 
das Oberhaupt der Kirche aus. Auf eines von beiden ist es von Rom 


! ı. Juni 1836, an Amrhyn ; ebenda. 


— 3 — 


und seinen Dienersdienern abgesehen, denen er noch weit weniger 
als den Regierungen genügt, und an dessen Stelle man nicht einen 
christlich würdigern, sondern einen Hildenbrand zu sehen wünscht, 
um den einverstandenen Zweck mit der Schweiz durchzuführen»! : 

Aus den angeführten brieflichen Zeugnissen beider Parteien geht 
vorläufig zur Genüge hervor, wie schwierig die Stellung Salzmanns als 
Bischof war. Diese Stellung wurde nicht leichter dadurch, daß er die 
Verhandlungen mit dem Staate möglichst unabhängig — vom bischöf- 
lichen Senate und von Rom — zu führen suchte. Dem Schultheißen 
Amrhyn aber legte er alle kirchenpolitischen Angelegenheiten, selbst 
seine Korrespondenz mit dem Nuntius und dem Papste zur Begut- 
achtung vor und wurde damit von den staatskirchlichen Einflüssen 
noch abhängiger, gab dem Politiker Gelegenheit, mit eingehendster 
Kenntnis der Stimmung und Absicht auf kirchlicher Seite zu handeln, 
gewann aber auch aufschlußreichen Einblick in das politische Getriebe 
und in die Denkweise der staatlichen Lenker. 


(Fortsetzung folgt.) 


2 20. Juli 1835. F.-A. A, 


Die Reform im Kloster St. Gallen. 


Von Dr. J. Ar. SCHEIWILER. 


1. Die klösterlichen Verhältnisse unter Abt Diethelm. 


Jene mächtige Reformbewegung, welche die zweite Hälfte des 
XVI. Jahrhunderts charakterisiert und als katholische Reformation 
oder Restauration bezeichnet wird, hat auch im Kloster St. Gallen 
ihren Einzug gehalten. Sie ist hier mit den drei Äbten Oikmar Kunz ! 
(1564-1577), Joachim Opser ? (1577-1594) und Bernard Müller ® (1594 
bis 1629) verknüpft. 

Dieser katholischen Reformation im Kloster St. Gallen auf Grund 
der noch vorhandenen, leider nur spärlichen archivalischen Quellen 
nachzugehen, ist Aufgabe der folgenden Blätter. Die Darstellung 
zeigt auf engem Raume in typischer Weise das allmählige Werden 
und Erstarken, aber auch die zähen tiefgehenden Widerstände und 
Hemmnisse, wie den endlichen siegreichen Durchbruch der triden- 
tinischen Reform. 

Schon Fürstabt Diethelm Blarer von Wartensee * (1530-1564) hatte 
der kommenden Reform vorgearbeitet. Mit Recht schmückt ihn der 
Beiname eines dritten Gründers der Abtei St. Gallen. Eifrig und erfolg- 
reich arbeitete er daran, die schweren Schäden der Reformations- 
stürme zu beseitigen ; und es gelang ihm, den äußern Besitzstand 
des Klosters nicht bloß wieder völlig herzustellen, sondern noch 
erheblich zu mehren, wurde doch unter ihm die Abtei St. Johann im 
Toggenburg dem Kloster St. Gallen inkorporiert. Diethelm sorgte für 
die Pflege der Wissenschaften, indem er Konventualen auf die 


U E. Ziegler, Abt Othmar II. von St. Gallen. 

2 J,von Arx, Geschichte des Kantons St. Gallen III., S. 101, 103, 108, ııı fi. 
Auch A. Scheiwiler, Fürstabt Joachim v. St. Gallen, Bd. XII, S. 53 ff. dieser 
Zeitschrift. 

3 J.von Arz, III, S. 112-160 ; A. Scheiwiler, Bd. II, S. 81 ff. dieser Zeitschrift. 

“ J. von Arz, IIL, S. 20 ft. 


— 30 — 


Universität schickte, «damit er gelehrte Lüt ziehen möchte».! Er 
ließ auch ein neues Bibliothekgebäude errichten, zu dem am 6. Juni 
1551 unter großartigen Festlichkeiten der Grundstein gelegt wurde. ? 

Einen interessanten Einblick in das kirchliche Leben dieser Zeit 
gewähren die Predigten, welche die beiden Konventualen P. Johannes 
Heß und P. Heinrich Keller auf der st.-gallischen Klosterkanzel gehalten 
haben. Johann Heß, in Tübingen zum Doktor der Theologie ernannt, 
war ein tüchtiger Gottesgelehrter, ein fruchtbarer Schriftsteller und 
hervorragender Homilet. Seine Predigten, in den Jahren 1530-1540 
gehalten, sind ein sprechender Beweis dafür, daß auch zur Zeit der 
reformatorischen Hochflut, noch vor dem Tridentinum, katholischer- 
seits tüchtige positive Arbeit geleistet wurde, und daß insbesondere 
die Abtei St. Gallen damals durchaus keinen theologischen Tiefstand 
zu verzeichnen hatte. 3 

Der Nachfolger des Johannes Heß als st. gallischer Münster- 
prediger war der spätere Subprior Heinrich Keller von Rapperschwil, 
welcher vom Jahre 1540-45 dieses Amt ausübte. An Tiefe der Gedanken. 
wie Originalität und Salbung, reicht er im allgemeinen nicht an die 
Meisterwerke seines Vorgängers heran. Er stützte sich sehr stark auf 
Vorlagen, die sogenannten Musterpredigten, die er oft wörtlich auf 
die Kanzel brachte. Immerhin war auch Keller ein bedeutendes 
rednerisches Talent, das hinter P. Heß nicht weit zurückstand und 
auch über eine gute theologische Bildung verfügte. Treffliche Predigten 
finden sich in seinem Nachlaß. Doch hat Keller mit seinem Talent 
zu wenig gewuchert und lieber aus vorhandenen Predigtbüchern 
geschöpft, anstatt sich zu eigener energischer Arbeit aufzuraffen. ? 

Wertvolle Mitteilungen über die Zeitereignisse wie insbesondere 
über klösterliche Zustände unter Abt Diethelm in allerdings sehr 


ı Stifts-Archiv St. Gallen, Bd. 1034, S. 14. Schon Abt Kilian hatte drei 
junge Mönche nach Tübingen geschickt ; zur Abtwahl zurückgerufen, mußten 
sie unter Diethelm neuerdings dorthin gehen. 

® Vgl. A. Scheiwiler, Feierliche Grundsteinlegung der st. gallischen Stifts- 
bibliothek, Zeitschr. f. Schweiz. Kirchengesch. XIV, S. 56 ft. 

$ Das Biographische über Johann Heß siehe « Die Tagebücher Rudolf Seilers », 
herausgegeben von Jos. Müller, S. 178, Anm. Eine Würdigung seiner Predigten, 
sowie derjenigen des P. Heinrich Keller findet sich in « Zwei st. gallische Prediger 
zur Zeit der Glaubensspaltung », Zeitschr. f. schweiz. Kirchengesch. X, S. 161 fl. 
Die Predigten von Heß siehe Stiftsbibliothek, Kodex 1054. Seine übrigen Schriften 
sind leider verloren gegangen. 

4 Zwei st. gallische Prediger .... a.a.O.S. 25ı ft. 


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aphoristischer Form enthält das e Diarium Henrici Keller Parochi in 
$. Gallo».! Der Verfasser zeichnet von sich selber kein schmeichel- 
haftes Bild, legt vielmehr mit verblüffender Offenheit, ja beinahe 
Übertreibung seine Schwächen bloß. In manchem erscheint er mehr 
als ein Renaissancemensch denn als ein Jünger des hl. Benedikt, 
noch wenig berührt von der eben damals einsetzenden Reformtätigkeit 
des Tridentinischen Konzils. Daß er trotzdem die wichtige Stelle eines 
Münsterpredigers und Klosterpfarrers bekleiden und selbst zum Sub- 
prior emporsteigen konnte, ist wohl ein Zeichen dafür, daß an Ordens- 
geist und klösterliche Disziplin damals keine hohen Anforderungen 
gestellt wurden. Er weiß auch zu melden, daß Bruder Andreas «in- 
carcerirt » 2, und daß « Herr Heinrich Pfarrer zu Bernhardzell gefangen 
uff das schloß Rorschach » geführt wurde, fügt aber bei, «weiß nicht 
warum ». 8 Wiederholt kehrt die Klage über große sittliche Ver- 
irrungen, schreckliche Verbrechen und allgemeinen Niedergang von 
nah und fern, wie wir sie in jener Zeit auch aus dem Munde Luthers 
und anderer vernehmen. Auch die Justiz nahm unter Abt Diethelm 
wieder schärfere Formen an. * In der Klosterfamilie herrschte offenbar 
kein sonderlich harmonischer Geist. So berichtet das Tagebuch von 
dem «Unsinn des Herrn Paul gegen den Dekan ».° «Da ich in großer 
Krankheit gelegen, bin ich zwei mal von Herr Dekan besucht worden. 
Herr Pauli ist unwillig gsin. »® Abt Diethelm liest dem Hieronymus 
ein Kapitel.” Keller hat den Priestern (sind wohl gemeint die Port- 
herren oder Weltpriester im Kloster) « vil jarzitt zu verkünden aber 
kein Ion, wol etwas uff kantzel gestift, aber niemant wil es geben ». ® 


! Dieses Tagebuch, Bd. 1263 der Stiftsbibliothek, umfaßt die Jahre 1545 
bis 1550. Sich selbst charakterisiert Keller als « ein unwiser ungeschickter unver- 
stendiger ungelerter », während er seinem Vorgänger im Predigtamt, dem P. Heß, 
hohes Lob spendet. S. ı. — Öfter bekennt er von seinen Predigten : « Unfliß 
st da gsin oder der win..... Ist fast mer win dan studium » S. 4, 8; mehr im 
Keller als in der Kirchen, S. ı2. S. 91 berichtet er sogar: « Am Feste S. Severini 
ist mir von Anna, so ich mich leider versündigt, ein Kind geboren worden, mit 
namen Hartmannus getauft.» Das hinderte aber nicht, daß Keller an ver- 
schiedenen Orten vor zahlreichem Volk seine sehr beifällig aufgenommenen 
Predigten hielt. Er war auch ein guter Musiker und Organist, Schüler des 
Fridolin Sicher aus Bischofszell. Schriftstellerische Pläne bespricht er S. 39. 

3 Diarium S. 73. 3a.a.0.S. 92. 

%a.a2.0.S.77;S. 105 «einer begert zwon, eine zwei, es ist ganz schandlich », 
«ich gloub schier, gott sig nit mer gott, also klagt das volk». S.90; S.20;S.2;. 

°a.a.0.S. 39. °a.a.0.S. 87. ?a.a. ©. S. 123. 

®a.a. O, S. 45. Diese Stelle wirft ein eigenartiges Licht auf beide Teile. 


Im Jahre 1548 klagt er, es sei eine «schande, die Klosterknecht nicht 
in Predigt und Amt und Prozession an Kirchweihfest ». ? Ein anderes 
Mal beschwert er sich über das «strenge Haushalten des Statthalters ». ? 
Weiter heißt es: «Bys ingedenk des Suppriors, auch der Uneinigkeit 
unter uns. » 

An anderer Stelle führt er Klage über «schändlich lügen in 
St. Gallen »* ; anfangs des Jahres 1550 ruft Keller aus : a Es ist abermals 
so vil lügen das ichs nit als darf beschriben ; uff das bin fast krank 
worden mit viel innemen. » Wirklich erfaßte ihn dann eine schwere 
Krankheit in Lichtensteig, dieseinen Heimtransport und später eine Kur 
in Baden notwendig machte. 5 Anlaß zu wohl auch übertriebenen üblen 
Nachreden mochte das wenig klösterliche Leben Kellers gegeben haben. 

Einige Lichtseiten fehlen indes auch nicht. Während das Tagebuch 
noch im Jahre 1545 bemerkt: An Maria Himmelfahrt seien « lützel 
lüt an der predig gsyn»*, kann er auf Ostern 1546 hervorheben, daß 
vil volk « zu den heiligen Sakramenten gekommen »? ; und auf 1547, 
daß «2 1, hundert mehr bichtet, ist doch ein wenig besser weder fern 
und vorfern ». 8 Auf Ostern I55o kann er vier Primizen verkünden. 
P. Heinrich predigt in Rorschach vor 3000 Menschen ; auch ın 
St. Gallen «ist wundervil volks, es will sich zum Guten wenden ».° 
Am ÖOstermontag hat Gallus, ein Primiziant, «sin erst Amt gesungen, 
ist auch vil volks gegenwärtig gsin ». 10° An Pfingsten dieses Jahres 
heißt es: «Mer volck ist uff das Fest nie mer da gsin. »!1! Am Gallustag 
1550 sind die Äbte von Einsiedeln und Muri als Gäste da. Das 
Fronleichnamsfest wurde mit großer Pracht und zahlreichem Volk, 
auch aus der Stadt, gefeiert. 1? Ein so epochales Ereignis, wie den 
Beginn des Konzils von Trient, tut der Prediger dagegen mit dem 
kühlen Sätzchen ab: «Merk des angenden Concilii auch ander löuffen 
halber. » 13 


la.a. ©. S. oo. 2 a.a.0.S. 68. 3a.a.0.S. 20. 

4a.a.0.S.67. S. 118 bemerkt er «bin ich schier zerzert worden von der! 
predig wegen ! Großer uffsatz ist uff mich komen des merentheil des hoffgesind; 
es gild glich.» S. 129, Oktober 1550 heißt es: « Zwinglis Bruder wegen Reden 
gegen die heilige Messe vor das Hochgericht gestellt. » 


5a.a. ©. S. 98 und S. 106. °a2.a.0.S. 6. 
?a.2.0,.5. 26. 8 2.2.0.8. 72. 
»a.a.O.S. ı05 und 109. 10 a.a.0.S. ı05. 
1 a.a. O.S. 107. 12 a.a. O.S. 124. 


13 a. a. O.S. 22. Doch läßt er S. 38 beten für das Konzil und gegen dıe 
Türken, ebenso im Jahre 1549 für den glücklichen Ausgang der vom Konstanzer 
Bischof nach Marchdorf berufenen Synode. 


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So weit sich auf Grund von Kellers Tagebuch ein Urteil fällen 
läßt, kann man wohl sagen, daß Symptome einer langsamen Besserung 
der klösterlichen und mehr noch der sonstigen kirchlichen Verhältnisse 
vorhanden waren, daß aber von einer ernsten inneren Reform nicht 
gesprochen werden darf. Das Kloster St. Gallen bietet unter Abt 
Diethelm so ziemlich den Anblick einer nach damaligen Begriffen im 
allgemeinen und in ökonomischer Hinsicht gut geordneten, vor größeren 
Exzessen bewahrten klösterlichen Gemeinschaft, der es an tüchtig 
gebildeten und aszetisch strebsamen Gliedern nicht fehlte, die aber 
als Ganzes den idealen Forderungen der Benediktinerregel bei weitem 
nicht entsprach. ! Erst mußte die gewaltige Reformbewegung, welche 
das Konzil von Trient einleitete, in Wirksamkeit treten, ehe auch 
St. Gallen jenem Ideal wieder näher kam. 


2. Die Reformtätigkeit Othmars N. 


Unter Abt Othmar II., dem unmittelbaren Nachfolger Diethelms, 
ist bereits über das Kloster St. Gallen eine starke Reformwelle dahin- 


! Weil St. Gallen den Ruf eines guten Klosters hatte, wurde die dem Zerfall 
nahestehende Abtei St. Johann im Toggenburg dem st. gallischen Abte übergeben. 
Siehe von Arx, III, S. 80 ff. Ebenso wurde der st. gallische Dekan Peter Aichhorn 
zum Abt von Wettingen postuliert und ernannt. Diarium Henr. Keller, S. 120. 
Von diesem neu Erwählten wird aber zugleich bemerkt, daß er vor seinem Weg- 
gang von St. Gallen noch der Kilbi in St. Georgen beigewohnt habe, S. 122. 

Joh. Rütiners Tagebuch, Msc. 78 und 79, Vadiana II f. 2224, hat zum Jahr 
1538 die Notiz Dominus Marcus monachus, vicarius z. Wil, duae (!) scorta aluit 
cuique ancillam famulantem habuit .... tantum ocium et crapula valuit (dieses 
Tagebuch hat ein sehr verdorbenes Latein). II f. 1964 heißt es: « Abbas (Diethel- 
mus) etiam die Stephani suis praecepit, ut ad conciones eant», gegen Zuwider- 
handelnde « severe animadvertetur ». 

Im Malefizprotokoll St.-A., Bd. 1065, finden sich ebenfalls verschiedene 
Urteile aus der Zeit Abt Diethelms, die das sittliche Verhalten einiger Kloster- 
herren in kein gutes Licht setzen. Fol. 47, 48b, 1561, wird Anna Schnideri von 
Fussach, Beschließerin, im Kloster eingesperrt, weil sie mit dem alten Statt- 
halter Gallus Wittwiler Unzucht getrieben und auch gestohlen hatte. Fol. 70%, 
1564, Mai 4., wird Magdalena Appenzellerin, eine Pfründnerin, im Kloster gestraft, 
weil sie ihre Base Magdalena Aemmin zum Teil von Jugend auf bei ihr behalten, 
sie ein leichtfertiges Leben führen ließ, so daß sie aus Mutwillen mit Herr Michell 
Helblingen, Conventualen « des gotzhus St. Gallen ein liederlich und unverschempt 
wesen getrieben». Über flegelhaftes Treiben des Klostergesindes finden sich 
manche Sprüche und Strafen, fol. 77b, fol. gob, gıb, ggP ; letztere aus der Zeit 
Abt Othmars. Während der Regierungszeit Diethelms werden nicht weniger 
als ı7 Konventualen als dimissi und profecti aufgeführt. Siehe St. A., Register- 
band. 1564 wurde Bruder Othmar wegen sittlichem Vergehen verbannt. Er 
soll später in Paris hingerichtet worden sein. St.-A., Bd. 305, S. 310-311. 


_REVUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE 3 


gegangen, deren Niederschlag wir in der bedeutsamen « Reformatio 
monasterii S. Galli per Reverendissimum Dominum Abbatem Othmarum 
confecta » vor uns haben. ! 

Die Reformatio monasterii durch Abt Othmar bildet eines der 
wichtigsten Reformdokumente jener Zeit. J. Müller hat in seiner 
Schrift « Karl Borromeo und das Stift St. Gallen », S. 56-60, in scharf- 
sinniger Argumentation und mit überzeugenden Gründen nachgewiesen, 
daß die Reformatio nicht ins Jahr 1573, wie von Arx ? und vor ihm 
Stipplin ® angenommen hatten, sondern etwa um 1568 anzusetzen sei. 
Darnach ist dieses wichtige Reformwerk nicht im Zusammenhang mit 
Borromeos Besuch in St. Gallen, also nicht durch Einwirkung von 
außen, sondern durch eigene freie Entschließung Abt Othmars ent- 
standen. Der Abt hat wohl die Niederschrift angeordnet, Flerch aber 
sie mit seiner gewandten Feder ausgeführt. Unverkennbar besteht 
ein innerer Zusammenhang zwischen der Reformatio und dem Bau 
der das Kloster von’ der Stadt scheidenden Mauer und einem von 
Othmar erlassenen kurzen Statutenentwurf über Schüler- und Novizen- 
aufnahme und über die dem Armutsgelübde entgegenstehenden testa- 
mentarischen Verfügungen der Kapitularen. * Diese drei wichtigen 
Akte dienen sämtlich dem einen Zweck : die klösterliche Ordnung zu 
verbessern. Von der Reformatio erweist sich das auf den ersten Blick. 
Ihre Hauptgedanken sind folgende : 

Eine eindrucksvolle Vorrede leitet das Schriftstück ein. Dann 
kommen die sehr detaillierten Vorschriften. 

Das Chorgebet soll deutlich, verständlich, andächtig, mit gegen- 
seitig wohl beachteten und richtigen Pausen gebetet oder gesungen 
werden. Nachts um ıı Uhr sind Mette und Laudes. Morgens 4 Uhr 
läutet ein Bruder zum Muttergottes-Ofizium. Dann sind heilige 
Messen bis ıo Uhr. Zwischen hinein sind die übrigen Tagzeiten wie 
auch das Konventamt. Um ıo Uhr ist das Mittagessen, wobei strenges 


! Das umfangreiche Dokument findet sich im St.-A., fol. 369, S. 179-211 
und St.-A., Bd. I, S. 537-552 (gedruckt). Die Unterschrift lautet : Florinus raptim 
et per otium collegit et scripsit. 

Was die uns zugänglichen Quellen über den interessanten Florin Flerch 
enthalten, lassen wir in einem eigenen Exkurs am Schlusse dieser Arbeit folgen. 
Für verschiedene wertvolle Notizen und Mitteilungen bezüglich Flerchs sprechen 
wir Herrn Stiftsarchivar Dr. Müller verbindlichen Dank aus. 

2 Geschichten des Kt. St. Gallen III, S. 114. 

3 St.-A., Bd. 194, S. 16. 

ı St.-A., Bd. 306, S. 431 f. 


Stillschweigen herrscht, nachher Erholung und darauf eine Stunde 
Lesung oder Studium. In der Fastenzeit ist die Vesper immer nach 
dem Amt und vor dem Mittagessen. 

Nachmittags 2 Uhr läutet es in der St. Othmarskirche für die 
Vigilien ; diese sind schön, ohne Übereilung und deutlich zu singen, 
durch die Weltgeistlichen des Liebfrauenamtes und denjenigen Konven- 
tual, der am Morgen das Muttergottes-Offizium gehalten hat. 

Nachher läuten die Brüder zur Vesper, an welcher die Profeß- 
mönche, Novizen, Schüler und Weltpriester in geziemender Kleidung 
teilnehmen. Zwei Sänger singen dabei an den hohen Festen vor. Nach 
der Vesper geht man zum Abendessen, das ganz einfach sein soll. 
Nachher wird zur Komplet geläutet, und zwar im Winter von 1, 5 bis 
5 Uhr, im Sommer von 5 bis 6 Uhr. Nach der Komplet beten alle 
das Media vita im Kapitelssaal (heute Herz Jesu-Kapelle). Darnach 
begeben sie sich in die Kammer oder Zelle, wo sie noch etwas beten 
oder lesen, um dann zur Ruhe zu gehen. 

Bezüglich des Fastengebotes bestimmt die Reformatio, daß auch 
am Montag und Mittwoch keiner Fleisch genieße, außer wer krank 
oder auf Reisen sei, wo man nicht leicht Fische bekomme, nebstdem 
im ganzen Advent, sowie in der Fastenzeit, an den Vigilien der 
Heiligenfeste, an Freitagen und Samstagen. Da zwischen Ostern und 
Pfingsten die Kirche keine Fasten verordnet, so dürfen auch wir 
Mittag- und Abendessen einnehmen, doch am Mittwoch, Freitag und 
Samstag nur Fische, Eier oder Milchspeisen genießen. 

Alle Freitage des Jahres soll ein Profeßmönch, der noch nicht 
Priester ist, über irgend ein Thema eine geistliche Rede halten. 

Postulanten für das Kloster machen eine Probe durch in der 
Schule oder im Gymnasium ; sie müssen seit vier Generationen von 
legitimer Geburt, katholisch, gefirmt, frei, ohne Defekt und gesund 
sein. Mit ı5 Jahren werden sie als Novizen aufgenommen ; während 
des Jahres ist ihnen 2 bis 3 Mal die Benediktinerregel vorzulesen ; 
inzwischen werden sie von den Vorgesetzten genau beobachtet, nach 
enem Jahr wieder vor Abt und Konvent geführt und examiniert, 
worauf sie dann mit 16 Jahren Profeß ablegen dürfen. 

Die regelmäßige Beicht ist vorgeschrieben. Die Pflichten der 
einzelnen Offizien, Abt, Dekan, Subdekan, Kustos, Krankenwart, 
Kellermeister, Statthalter, werden genau bezeichnet. 

Für die Ökonome werden nicht weniger als 13 Bestimmungen 
aufgestellt. Der Statthalter hat seine Wohnung außerhalb des Klosters. 


Gegenwärtig ist der Konvent zu wenig zahlreich, um jedes Amt 
zu besetzen ; daher ist der Ökonom in St. Gallen zugleich Küchen- 
meister und Kellermeister. 

Die Statthalter sollen wöchentlich drei oder wenigstens zwei Mal 
Messe lesen und, wenn verhindert, durch Weltgeistliche lesen lassen. 
Lesen sie selbst nicht Messe, so müssen sie einer solchen beiwohnen 
oder wenigstens dem Offizium an Sonn- und Festtagen, an den 
Samstagen und Vigilien auch der Vesper und Komplet. 

Der Statthalter lese öfter Kapitel 53 der Benediktinerregel. 

Spielen um Geld ist im Kloster strengstens verboten, auch der 
Dienerschaft. 

Wenigstens einmal jährlich, und zwar am Montag und Dienstag 
nach dem Sonntag Exaudi (5. Sonntag nach Pfingsten), im Bedarts- 
falle auch öfter, erscheinen sämtliche Konventualen in ofäzieller 
Kleidung im Kapitel, um die gegenseitige Liebe zu stärken und alle 
Unordnungen wieder gut zu machen. 

Die Kleidung ist schwarz ; sie reiche bis auf die Knöchel, so dab 
die Füße beim Gehen bedeckt sind,; sie sei nicht kostbar ; jeder soll 
aber genug haben. 

Was die Regel fordert, hat der Abt bisher immer gehalten; er 
speist, wenn Gäste da sind, mit ihnen und ruft dazu den einen oder 
andern Mitbruder herbei ; nur gute Gespräche sollen geführt werden ; 
in Advent- und Fastenzeit speist der Abt, wenn nicht viele Gäste da 
sind, im Refektorium. 

Die Konventualen auf den Pfarreien sollen treu die Regel 
beobachten und ein gutes Beispiel geben ; nur die besten sind auf 
solche Posten zu setzen. 

Ein schöner Gottesdienst erfordert geeignete Diener, die dem Priester 
am Altare helfen ; einer von diesen Brüdern heißt Vater oder Senior. 
Sie sollen die Kerzen schön herrichten, die Ornate gut aufbewahren, 
ihre Stundengebete wohl verrichten und nicht in der Stadt herumziehen. 

Besondere Sorge ist den Kranken zu widmen. Der Krankenwart 
soll ein frommer, treuer, liebevoller und freundlicher Mann sein. Er 
lasse es den Kranken an nichts mangeln ; Fleisch, Eier, Butter gebe 
er den Kranken, wann sie dessen bedürfen, auch in der Nacht ; stets 
seien ein, zwei Diener bereit ; täglich oder wenigstens dreimal wöchent- 
lich soll in der Krankenkapelle die heilige Messe gelesen werden. Alles 
sei ganz ehrbar und züchtig im Krankensaal. Ehe einer ins Kranken- 
zimmer geht, empfange er Beicht und Kommunion. 


Wir besitzen noch ein zweites undatiertes rejormatorisches Doku- 
ment, worin Abt und Konvent verschiedene Punkte statutarisch fest- 
lgen.! Nach dem feierlichen Ingreß («Im Namen des dreieinigen 
Gottes.... Wir Abt Othmar ....») wird darauf hingewiesen, daß 
«sich seit etlich Jar und tag etwas Unordnung zugetragen, deren 
Jungen halb, die zu Gotsdienst und Chor angemeldet, wan sie nach 
Inhalt der Regel zu der Novizenkutten und Versuchsjahr angenomen 
werden können und etlich one Grund vom Gotzhus wider davon 
gelaufen »; andere traten ein und waren den Anforderungen nicht 
gewachsen. Daher ist es einstimmiger Kapitelsbeschluß, keinen einzigen 
ins Noviziat aufzunehmen, bis er 15 Jahre «voll uf sich traget ». 
Den Eltern ist mitzuteilen, daß man ihn nicht anders annehme, als 
wenn er «sin Biwohnung mit Spis, Drank und Geliger by dem Konvent 
habe». In den ersten 8 bis ıo Tagen soll ihm die Regel des hl. Benedikt 
vorgelesen und in den folgenden Monaten wiederholt werden. Nach 
Jahresfrist kann er aufgenommen werden, wenn er dem Abt und Konvent 
gefällt ; der Abt darf ihn aber auch wegschicken ; ist einer entlassen 
worden, so nimmt man ihn nicht mehr auf, da man hiemit schlechte 
Erfahrungen gemacht hat. Der Abt darf von überall her Novizen 
annehmen. 

Im gleichen Aktenstück wird verordnet, daß die Kranken beichten 
und kommunizieren müssen, bevor sie ins Krankenhaus gehen ; ebenso, 
daß kein Vermächtnis oder Testament Gültigkeit habe ohne aus- 
drückliche Erlaubnis des Abtes. 

Dieses Dokument erscheint uns wie ein Vorläufer der « Reformation » 
und dürfte zu Beginn der Regierungstätigkeit Abt Othmars entstanden 
sein. Der feierliche Ingreß scheint darauf hinzuweisen, daß der Abt 
in reformatorischer Absicht einige nächstliegende Übelstände in erster 
Linie beseitigen wollte. Die hier aufgestellten Vorschriften fanden 
dann in der « Reformatio » ihre feste, gleichsam statutarische Fassung 
und Bestätigung. Dem Wortlaut sowohl wie dem ganzen Inhalt nach 
deutet unser Schriftstück auf die Zeit vor dem großen Reformdekret 
und bezeugt, daß Othmar II. schon seit Anfang seiner Prälatur von 
einem ernsten Reformwillen beseelt war. Die einleitende Bemerkung, 
daß «sich seit etlich Jar und tag deren Jungen halb etwas Unordnung 
zugetragen »? deutet wohl darauf hin, daß in der Regierungszeit Abt 


'St.-A., Bd. 306, S. 431 f. 
® Auch diese Worte bestätigen unverkennbar die zeitliche Priorität dieses 
Aktenstückes vor der « Reformatio ». 


Diethelms die straffe Disziplin zu wünschen übrig ließ, was mit unsern 
oben mitgeteilten Belegen übereinstimmt. 

Es war dann nur die selbstverständliche und naturgemäße Fort- 
setzung seines Reformprogrammes, wenn Abt Othmar in Ergänzung 
und Erweiterung dieses kurzen Dekretes die große und umfassende 
« Reformatio » aufgestellt hat. Wie weit hiebei die beiden Delegierten 
der schweizerischen Prälaten auf dem Trienter Konzil, Florin Flerch 
und Abt Joachim von Einsiedeln, mitwirkten und ihren Einfluß aus- 
übten, läßt sich nicht feststellen ; jedenfalls aber haben die beiden 
unter dem mächtigen Eindruck dessen, was sie zu Trient gesehen und 
gehört hatten, bei dem reformwilligen St. Galler Abt kräftig eingesetzt 
und mitgeholfen. Auch die Zusammenkunft der beiden Äbte, wovon 
Flerch in Konstanz sprach, weist diese Linie der Entwicklung deutlich 
auf. Ä 
Als drittes, großes Reformwerk unseres Abtes betrachten wir die 
Errichtung einer Scheidemauer zwischen Stadt und Kloster. Diese 
Mauer bedeutet nicht bloß eine politische, sondern ebensosehr eine 
der klösterlichen Disziplin dienende Angelegenheit. Sie bot bis zu 
einem gewissen Grade erst die äußere Möglichkeit, um das in der 
« Reformatio » aufgestellte Programm erfolgreich durchzuführen. Ohne 
sie wäre das Kloster ein « offen Hus » und der Gottesdienst gefährdet. ! 
An ihre glückliche Vollendung, wie auch an die bei der Konstanzer 
Diözesansynode empfangenen Anregungen und Weisungen mochte sich 
naturgemäß die Abfassung der «Reformatio » gleichsam als einer 
inneren Schutzmauer des klösterlichen Lebens anschließen. Wie not- 
wendig eine größere Scheidung von der Stadt war, beweisen drastisch 
die langwierigen Verhandlungen, die im Jahre 1566 zwischen Stadt 
und Kloster stattfanden. 

Wir begegnen da den Zeichen eines großen Hasses gegen «die 
Pfaffen, die nur saufen und fressen und denen man den Grind ab- 
schlagen » sollte. Auch wird im Verhandlungsprotokoll mitgeteilt, 
daß wilde Gesellen beim nächtlichen Chorgebet Störungen verübt, 
Fenster eingeschlagen, die Holzbeigen demoliert und den Gang vom 
Bruderhaus zur Kirche mit Speeren durchstochen haben. ? Am 14. März 
1567 wurde der erste Stein zur Mauer, die schon Abt Ulrich Rösch 
gewünscht hatte ?, gelegt und anläßlich dieser Feier ein Hochamt zu 


1 St.-A., Bd. 1013, $. z2ı1. 
* St.-A., Bd. 1013, S. 54, 61 u. ft. 
3 St.-A., Bd. 1013, S. 76. 


Ehren der Dreifaltigkeit auf dem Fronaltar des Münsters gefeiert. 
Nach 150 Tagen war der Bau vollendet und wurde feierlich eingeweiht. ! 
Den Bericht über diese Feier mit dem Katalog sämtlicher Anwesenden 
(17 Priester, 3 Diakone, 2 Subdiakone, 3 Novizen und viele weltliche 
Herren) hat Florian Flerch zusammengestellt, der am Schlusse bemerkt : 
Florinus ex latino raptim transtulit. Dieses «raptim » hatte Flerch, 
wie wir oben sahen, auch am Schluß der Reformatio gebraucht. Je 
einläßlicher wir die wegen dieser Mauer zwischen Stadt und Kloster 
gepflogenen Unterhandlungen prüfen, desto größer erscheint uns der 
hier errungene diplomatische Erfolg Abt Othmars ; desto schärfer aber 
drängt sich auch die Überzeugung auf, daß es sich bei diesem Mauerbau 
um ein klösterliches Reformwerk von großer Tragweite handelte. In 
der Einleitung zur Reformatio wird dieser Gedanke auch ausgesprochen. 

Noch ein weiterer Umstand bezeugt die ebenso ernst gemeinte 
wie erfolgreiche Reformtätigkeit unseres Abtes. Um Bildung und 
Wissenschaft im Kloster zu fördern, bereichert Othmar die von seinem 
Vorgänger neu geordnete Bibliothek um einige hundert Bände, wofür 
der sonst so sparsame Abt zirka 5000 Fl. ausgab. Das meiste wurde 
ın Paris durch die beiden St. Galler Mönche Mauritius Enk und 
Joachim Opser gekauft. Diese Bücherkäufe geben dem zwischen 
St. Gallen und Paris fleißig gepflogenen Briefwechsel einen besondern 
Reiz. 3 Ebenso verwendete der Abt große Summen auf die Ausbildung 
seiner jungen Konventualen an bedeutenden katholischen Hochschulen, 
wie Dillingen, vor allem aber Paris, wo das Stift von Karl IX. ein 
Stipendium erhalten hatte. So finden wir den hervorragenden Pater 
Mauritius Enk von Altstätten, den nachherigen Bibliothekar, in Dillingen 
wie in Paris mit den besten Zeugnissen entlassen, das erstere von 1565, 
das letztere von 1571, sowie Joh. Rustaller aus Schwyz, einen 
trefflichen Dichter. * Auch Ulrich Ösch von Rebstein und Adam Giel 
von Glattburg studierten längere Zeit in Paris. An der Spitze der 


ı St.-A., Bd. 1013, S. 235 ff. 

2 E. Ziegler, Abt Othmar II. von St. Gallen, S. 663. 

s A. Scheiwiler, Fürstabt Joachim von St. Gallen, Der Briefwechsel zwischen 
Paris und St. Gallen. Zeitschr. f. Schweiz. Kirchengesch. XII, S. 45-56. 

* Das Studien- und Sittenzeugnis für Frater Johannes Ruostaller aus 
St. Gallen, 1564 ausgestellt, ist das älteste Zeugnis der Dillinger Hochschule, 
das ihrem Geschichtsschreiber bekannt geworden ist: siehe Specht, Geschichte 
der ehemaligen Universität Dillingen, S. 244, Anm. 3. Seit Gründung der 
«helvetischen Benediktiner Kongregation », sandten auch die andern Klöster 
von 1603 an ihre Religiosen nach Dillingen. Siehe Specht, S. 417-418. 


= 10 — 


St. Galler, die im Claramontanum ihre ausgezeichneten Studien machten, 
stand Joachim Opser, der Liebling Abt Othmars und sein Nachfolger. ! 
Die eidgenössischen Stände lobten das Stift in einem den 9. Juli 1565 
an den Papst erlassenen Schreiben, worin es heißt : « Das Abt Othmar 
sich je mehr und mehr gelehrten Lüten und Konventualen beflyBt, 
sich auch mit dem Konvent verglicht, ohn Unterlaß etlich uf alt- 
gläubigen Universitäten zu erhalten. »* Von verschiedenen Seiten, 
z. B. von Fischingen und Pfäfers, begehrte man st. gallische 
Konventualen als Äbte, um die daselbst zerfallene Klosterzucht wieder 
herzustellen ; wegen der geringen Zahl von Mönchen konnte jedoch 
Othmar diesen Begehren nicht entsprechen. ® 

Auch der Besuch des hl. Karl Borromeo im Kloster St. Gallen 
am 26. und 27. August 1570 bekundet, daß der Zustand des Klosters 
ein guter war. Besonders rühmt der Kardinal in seiner « Information » 
an Papst Pius V. den schönen Gottesdienst, bei dem auch, mit Ausnahme 
der Metten, die Studenten und jungen Kleriker mitwirken. * Aus 
diesem Lob erschließen wir ein zweifaches : erstens, daß die « Refor- 
matio» dem Besuche Borromeos vorausging, denn in ihr nehmen 
gerade die Vorschriften für eine möglichst würdige Feier der Liturgie 
den breitesten Raum ein und zweitens, daß die Reform Abt Othmars 
nach dieser Seite schöne Früchte getragen hat. 

In der Chronik von Schenk 5 wird auch ein Brief des Konventualen 
Mauritius Enk an Joachim Opser in Paris zitiert, der sowohl dem 
wissenschaftlichen wie dem aszetischen Streben dieser beiden intimen 
Freunde ein treffliches Zeugnis ausstellt, aber auch auf den geistig- 
religiösen Zustand des Klosters vorteilhaftes Licht wirft. Die seiner 
Obhut unterstellten Novizen seien so weit in der Frömmigkeit, schreibt 
Mauritius, daß sie nach geschehener Generalbeicht sozusagen sämtlich 
freiwillig alle acht Tage zur Beicht gehen und nach Möglichkeit auch 
zur heiligen Kommunion, « was, wie du wohl weißt, bei uns ein Zeichen 
größerer Frömmigkeit ist ». Darum richtet er an Joachim die dringende 


U E. Ziegler, a.a.O.S.66 fi. Vgl. von Arz, Geschichte des Kt. St. Gallen III, 
S. 265, 269 f. ; auch Briefwechsel zwischen Paris und St. Gallen. In einem dieser 
Briefe wird Joachim « gemma monasterii » genannt und in hohen Tönen gefeiert. 

 ® von Arz, III, S. 265, Anm. e cit. Schreiben im Copiabuch, N. 44, P. 54- 

Das Schreiben in extenso siehe Müller, Karl Borromeo und das Stift St. Gallen. 
4. Beilage. 

8 E. Ziegler, a. a. O. S. 68 f. 

% Reinhard u. Steffens Einleitung, S. ıı fl. 

5 St.-Bibliothek, Bd. 1240, S. 576 f. 


Bitte, er wolle ihm von den Jesuiten das öfters versprochene Exerzitien- 
büchlein zukommen lassen, denn die meisten oder wenigstens einige 
seien bereit, die Ignatianischen Exerzitien zu machen. Auch in den 
Studien streben sie vorwärts. «Ich dränge sie mit Repetitionen, so 
oft etwas Zeit dazu ist. Nostrorum vero presbyterorum laudem tacere 
nequeo. Siquidem et ipsi paulo esse incipiunt purioris conversationis 
et me enarrantem Divi Pauli ad Titum epistolam non inviti audiunt. » 

Man ersieht aus diesem Schreiben deutlich, daß die von Abt 
Othmar eingeführte Reform dem aszetisch-religiösen Streben der 
Klosterfamilie kräftige Impulse gegeben hat, und daß sich der Konvent 
in aufsteigender Linie befand, zu welch günstigem Resultat einige 
tüchtige Konventualen, die in den Jesuitenschulen ihre Ausbildung 
empfangen hatten, wesentlich beitrugen. Der ganze Briefwechsel 
zwischen St. Gallen und Paris steht auf dieser erfrischenden geistigen 
Höhe. Leider starben dann gerade einige der besten Mönche in jugend- 
lichem Alter hinweg, so daß die vorwärts drängenden Elemente eher 
fehlten und wieder eine Stagnation eintrat.! Der Reformwille lag 
eben noch in der Hauptsache bei einzelnen und war noch nicht in 
die geistige Verfassung der Kommunität eingedrungen. 

In seiner «Informatio » tadelt der hl. Karl, daß Frauen ins 
Kloster eintreten dürfen (in der « Reformatio » steht kein Wort von 
der Klausur, ein weiteres Zeichen, daß dieses Schriftstück nicht nach 
Borromeos’ Besuch entstanden ist) ; ebenso rügt der Heilige, daß zu 
viel für Gastereien, Weltlichkeiten und Verkehr mit den Häretikern 
der Stadt geschehe. * Dagegen wird Othmar als ein zwar nicht wissen- 
schaftlich gebildeter, jedoch rechtlicher Mann von gutem Willen 
bezeichnet. Der Gesamteindruck, den der große Reformator in 
St, Gallen empfing, war demnach kein ungünstiger. Gewiß hat der 
denkwürdige Besuch, der in St. Gallen unvergessen blieb ?, auf das 


I von Arz, III, S. 269 f. Adam Giel von Glattburg, einer der Mitschüler 
Joachims in Paris, starb während seines Studienaufenthaltes in Rom an der Pest. 

: Wie großartig es bei der Benediktion Abt Othmars zuging, s. St.-A., 
Bd. 358, S. 330 ff. — Ein höchst interessantes Zeitgemälde. 

? In den anno 1638 zusammengestellten Lebensbeschreibungen st. gallischer 
Konventualen heißt es bei einigen ausdrücklich : sie haben den hl. Karl gesehen. 
P. Heinrich Forer (f 1607) : « In monasterio praesens S. Car. Borr. ad S. Gallum 
venientem videre meruit.» P. Benedict Pfister (f 1611): «S. Carolum .... in 
3. Gallo vidit et gravisus est ipsius benedictione accepta. » P. Mathias Murer 
(f 1613), der am 2ı. April 1570 seine Profeß abgelegt hatte : «S. Carol. Borromaeum 
in S. Gallo vidit eique ministravit.» St.-A., Bd. 256, S. ı75, 178, 182. 


klösterliche Leben der Folgezeit heilsame Einflüsse ausgeübt. Auch 
Rom zeigte sich mit der Abtei zufrieden, richtet doch Papst Gregor XIII. 
unterm 30. April 1575 an Othmar ein belobigendes Breve, dem wir 
folgende Worte entnehmen : «Gerne benützen Wir die Gelegenheit, 
an Dich zu schreiben, da Wir wissen, daß Du sehr gerne alles das 
vernimmst, was sich auf die Ehre Gottes und die Würde des katholischen 
Glaubens bezieht und daß Du denselben mit allem Eifer förderst. 
Über alle diese Dinge wird mit Dir in Unserm Namen unser Geliebter 
Sohn Bartholomäus Porcia, unser Nuntius, verhandeln. »! Der Nuntius 
konnte dann freilich die angekündigte Visitation nicht vollziehen, da 
wegen Pestgefahr Abt und Konvent St. Gallen verlassen mußten. 

Zusammenfassend können wir über Abt Othmar das anerkennende 
Urteil wiederholen, das ihm Reinhardt ?® spendet : Er war ein kluger 
und tatkräftiger Mann, der geeignet und entschlossen war, das Werk 
seines Vorgängers fortzuführen. Othmar Kunz und Joachim Eichhorn 
gehören zu den ehrenvollsten Repräsentanten der beginnenden 
Restaurationsepoche. ? 


I Reinhardt und Steffens, Einleitung, S. 59. 
2 a.a. O. S. 118, 126. 
® Es verdient noch Erwähnung, daß Abt Othmar bei seinem Tode nur 


131 Gl. hinterließ. St. A., Bd. 306, S. 275. 


mat 


Portraits d’ecclesiastiques 
peints par Wyrsch 


Par GEorses BLONDEAU 


Par sa naissance et son mariage, le peintre Melchior Wyrsch 
appartenait A deux anciennes familles catholiques de l’Unterwald, 
comptant parmi leurs membres plusieurs ecclesiastiques. Aussi, des 
le debut de sa carriere, trouva-t-il de precieux encouragements de 
la part du clerge regulier et seculier de son pays. Ce fut sur les instances 
du cur de Buochs, Jean-Balthazar Stülz, qui l’avait baptise, que 
les parents du jeune Melch consentirent & envoyer leur fils, alors äge 
de quatorze ans, & Lucerne, pour commencer son apprentissage de 
peintre, chez Jean Suter. A son retour d’Italie, Wyrsch resut de nom- 
breuses commandes de scenes religieuses et de tableaux d’autel, dont 
la remuneration, quoique parfois modique, lui permit de faire face 

aux exigences de la vie!. 
| Le jeune artiste, qui avait une preference naturelle pour la peinture 
du portrait, commenga par fixer sur la toile, d’abord l’effigie de plu- 
sieurs pr@tres, parents ou amis de sa famille, puis ensuite, celles de 
cures qui lui avaient commande des tableaux pour les &glises de leurs 
paroisses. Peu & peu sa clientele reussit aA franchir, les uns apres les 
« autres, les divers degres de la hierarchie sacerdotale. Apres les chanoines 
dillustres Chapitres et les abbes de grands monast£res, en Suisse et en 
France, plusieurs pretres et religieux, dont les annales des deux pays 
ont conserve& les noms celebres, lui command£rent leur portrait. Enfin, 
des princes de l’Eglise lui firent l’honneur de poser devant son chevalet. 

Nous avons mentionne ses premiers portraits d’ecclesiastiques ; 
celui du chanoine Stulz, originaire de Stans (1755), et celui du com- 
missaire &piscopal Keyser (1759), appartenant & la famille & laquelle 
Vartiste devait s’allier trois ans plus tard 2. 


! GEORGES BLONDEAU, Wyrsch peintre d’histoire. Ses Christs en croix eb 
au lombeau. — Revue d’histoire ecclesiastique suisse, 1927. 

3 Les auures de jeunesse du peintre Melchior Wyrsch. — Indicateur d’anli- 
quitis suisses. Ier cahier de 1927. 


— 44 — 

Durant son sejour a Zurich, oü son talent est deja connu, Wyrsch 
peint, sur cuivre, le joli petit portrait du chanoine Meyer de Schau- 
ensee (1760), dont le modele occupe l’une des hautes dignites dans 
le chapitre noble de Beromünster. Le cure Christen, qui a commande 
a l’artiste le gracieux Saint Wendelin, en 1761, pour son &glise de 
Wolfenschissen, lui fait faire bientöt apr&s son portrait. L’annee sui- 
vante, le peintre reproduit les traits de l’abbe Hader, cur de Stans, 
paroisse de laquelle depend la famille de sa jeune femme. Vers la m&äme 
epoque, il peint, pour la premiere fois, un membre du clerge regulier, 
le Pere Capucin Damas Pfyl, puis le cur€ de Küssitten, Joseph Herman, 
qui a le m&me äge que lui et qui est peut-Etre l’un de ses condisciples. 

En 1764, Melchior Wyrsch va rendre visite au frere de sa femme, 
Henri Keyser, religieux benedictin, A Einsiedeln. Il est presente a 
l’abbe de ce cel&bre monastere, Dom Nicolas II Im Feld de Flüe, ne, 
comme lui, dans le verdoyant Unterwald. Le prince-abbe consent & 
poser devant l’artiste, et celui-ci se revele si bien & la hauteur de sa 
täche que son beau portrait est bientöt reproduit par la gravure!. 

A la fin de 1765, Wyrsch s’installe a Soleure et y sejourne pendant 
trois annedes au cours desquelles il peint de nombreux portraits pour 
l’aristocratie et la haute bourgeoisie du pays, ainsi que de grands tableaux 
d’autel. Le musee des Beaux-Arts de Soleure possede le Portrait du 
cure-doyen Amanz Gugger, traite vigoureusement dans une gamme 
du noir au blanc, avec quelques pointes de vermillon, qui fait ressortir, 
sur un fond brun, la figure pleine de douceur @vangelique du modöle ®. 

Vers la m&me Epoque, notre peintre avait brosse une toile & laquelle 
une restauration trop complete et peu habile a enleve la plupart des 
qualites caracteristiques de sa maniere : Le Portrait du vicalre-general 


1G. BLONDEAU, Les auvres du peintre Melchior Wyrsch de 1760 d 1765. — 
Indicateur d’antiquilös suisses, 1928. 

% Hauteur 0,82, largeur 0,67. Toile, N® 324 (67 A) du catalogue du mus£e. 
Don de feu M. Zetter-Collin, conservateur de la Galerie de peinture. 

Mi-corps de ur & gauche, figure de face, yeux et sourcils bruns, perruque 
blanche & marteaux. Soutane noire avec rabat noir lisere blanc & peine visible 
sous un mantcau noir ferme. La main droite, seule apparente, garnie d’une man- 
chette de mousseline blanche plissee et ornee, & l’auriculaire, d’une bague & pierre 
bleu fonc&, tient un livre & reliure grise et tranche rouge, plac€ sur une table, & 
gauche, rccouverte d’un tapis rouge. 

Au dos de la toile, le peintre a Ecrit de sa main: Pflater) R(everendus) 
D(ominus) Amantius Gugger commiss(arius) ep(is)cop(a)lis V(enerabilis) C(apituli) 
Buxg(au) (Buschsgau) decanus parochus in Oensingen. Aetatis suae 53. Melchior 
Wyrsch subsilvanus pinxit die I4 jan(uarii) 1767. 


Leonce de Sury de Bussy, prevöt du chapitre royal de Saint-Ours et 
Saint-Victor !. Le prelat, dont la tombe existe encore dans l’ancienne 
chapelle des Jesuites A Soleure, est represente, avec une distinction 
toute aristocratique, dans un riche costume de chaur. Ce tableau 


i Hauteur 0,90, largeur 0,61. Toile. Inedit. 

Vu debout, & mi-corps de le ä gauche, le visage presque de face, le prevöt 
de Sury de Bussy porte une calotte noire sur des cheveux blancs boucles sur les 
tempes. Il est v&tu d’un rochet & manches garnies d’un double rang de dentelles 
sparees par un ruban noir. Sous le col est un rabat noir lisere blanc. Sur les 
€paules est jete un ample manteau d’hiver, A capuchon, en petit-gris, retenu 
par une cordeliere garnie de deux gros glands et termine par deux autres glands, 
sur la poitrine, qui encadrent la grande croix du chapitre de St-Ours et St-Victor, 
suspendue & un ruban rouge. 

Au premier plan, sur une table, est plac& un livre debout, sur lequel s’appuie 
la main droite du pre&lat. Au dos du livre, on lit : Statuta capituli et, sur le plat 
de la couverture on voit, surmontees d’un chapeau plat avec glands, les armoirics 
suivantes : Ecartele, au premier, du diocese de Lausanne, qui sont pal& d’or et de 
gueules d six pidces ; aux deuxieme et troisiöme, de Sury, qui sont d’azur a la vose 
a quatre feuilles d’argent boutonnee d’or, au mont de trois coupeaux d’argent mouvant 
de la pointe ; au quatriöme, du chapitre de St-Ours et St-Victor, qui sont d’argent 
4 trois lions lEopardets de sable. 

La main gauche du Vicaire general saisit, sur la table, une decoration com- 
posee d’une croix, & huit pointes, &maill&e de rouge, de laquelle pend un petit 
eperon. Cette decoration est celle de l’Ordre civil et militaire de l’Eperon d’Or, 
fonde par le pape Paul III, en 1534, dont les membres s’appelerent d’abord comtes 
Palatins de St-Jean de Latran, puis chevaliers de la Milice d’or. 

Sur la m&me table se trouve une enveloppe portant ces mots, Ecrits de la 
main de Wyrsch : A Monsieur Monsieur Sury de Bussy Prevot du chapitve de 
St Urs ä Soleure. Le rentoilage de ce tableau ne permet plus de voir l’inscription 
qui se trouve vraisemblablement au dos de la toile primitive. 

Jeröme L&once de Sury de Bussy &tait le sixi@&me fils d’Urs-Frangois- Joseph 
de Sury de Bussy, n& le ıı mars 1659, tresorier de la ville de Soleure en 1681, 
mort le 25 d&cembre 1727, et de sa seconde femme Maric-Therese de Vallier de 
Saint-Aubin. 

Il naquit & Soleure le 7 septembre 1708. Nomm& cur& de Balsthal, le 
20 juillet 1732, il devint chanoine du chapitre royal de Saint-Ours et Saint-Victor 
aSoleure, en 1735. En 1765, il fut &lu pr&vöt de ce Chapitre et exerga cette fonction 
jusqu’& sa mort survenue le 8 janvier 1776. Sa tombe porte l’&pitaphe suivante : 
D.O.M. Jacet ad pedes altaris hujus Reverendissimus proenobilis ac illustrissimus 
D(ominus) D(ominus) Hieronimus Leontius a Sury a Bussy, comes palatinus, 
eques auratus, perinsignis ac regiae collegialae ecclesiae ad S(anctos) S(anctos) Ursum 
Victorem sociosque Thebeos M(artyres) M(artyres) Proepositus necnon Reveren- 
diss(imi) ac Cellesiss(imi) Principis et Episcopi Lausannen(is) vicarius generalis. 
Obiit VIII jan(uarii) An(no) MDCCLXXVI aetatis (suae) LXVII. Virtute vizit, 
memoria vivit, gloria vivet et posteris. R. I. P. (requiescat in pace). 

Les renseignements biographiques et historiques qui pr&ec@dent nous ont 
et® communiques par M. Stanislas de Sury d’Aspremont, ancien inspecteur des 
for&ts de l’Etat frangais, puis conservateur de la for&t d’Eu pour les princes d’Or- 
leans, demeurant & Soleure, cousin germain du major Gaston de Sury de Bussy. 


appartient au major comte Gaston de Sury de Bussy et orne l’un des 
salons de son hötel, dans la Grand’rue de Soleure. 

C’est a l’automne de 1768 que Melchior Wyrsch quitta Soleure 
pour s’installer a Besancon oü, sous l’influence de l’Ecole frangaise, 
son talent s’eleva jusqu’a son apogee. Des son arrivee dans la capitale 
de la Franche-Comte, il eut la chance de trouver des protecteurs parmi 
les amateurs d’art de la haute societe de cette province. L’un d’eux, 
Vabbe Claude-Antoine Pellier‘, fils d’un riche banquier, avait forme 
un « cabinet » renfermant 250 ouvres de bons peintres anciens et de 
ceux de son €Epoque, ainsi que des gravures et des bronzes. Il com- 
manda & Wyrsch son Portrait ? pour le placer dans sa collection. Quel- 
ques anndes apres, un autre peintre suisse, Zechander, peignit & la 
gouache la revue passee a Besancon, le 28 juin 1780, par le duc de 
Chartres, futur Philippe Egalite. Dans l’un des groupes des spectateurs, 
vus en pied, on remarque les membres de la famille Pellier et, parmi 
eux, le m&me abbe Pellier peint par le maitre de Buochs, en 1769 ?. 


i La famille Pellier, originaire de Neuf-Brisach (Alsace), s’etablit A Besancon 
ala findu XVIIme siecle. Jean-Jacques Pellier, juge consulaire, associ€ du bangquier 
Pochet, eut cinq enfants, dont l’abbe Claude-Antoine Pellier, ne & Besancon le 
8 d&cembre 1729. Chapelain de l’Eglise Saint-Pierre de cette ville, de 1769 & 1790, 
chanoine de Sainte-Madeleine depuis 1759, il fut, apres la R&volution frangaise, 
nomme& chanoine honoraire de l’Eglise metropolitaine de Saint-Jean. 

Recu comme associe & l’Acad&mie de Besancon, le 5 fevrier 1783, l’abbe 
Pellier lut, & la seance du ı7 novembre suivant, comme discours de reception, 
un fragment de sa Relation de la delivrance de Gray en 1430, et fut lu academicien 
titulaire le 5 janvier 1785. A son retour de Fribourg, oü il avait &migre&, le chanoine 
Pellier revint & Besancon oü il mourut le ıo avril 1816. Sa bibliotheque et sa 
collection artistique furent vendues aux encheres. Le petit tablcau de Wyrsch 
fut achete par le baron Daclin, maire de Besancon ; le gendre de celui-ci, Marie- 
Victor-Bruno Monnot-Arbilleur, president de chambre & la Cour d’appel, dec&de 
en 1847, le laissa & sa fille unique, M!!e Monnot-Arbilleur, demeurant ä Besancon, 
38, rue M£gevand. 

% Haut. 0,200, larg. 0,145. — Cuivre dans un cadre ovale en bois dore& et 
sculpte, dont la baguette est ornee d’un rang de perles rondes et longues altern&es ; 
boucle au fronton soutenue par un noaud de ruban duquel s’echappent deux 
chutes de feuilles de laurier ; petit motif de d&coration en bas de l’ovale. — In&dit. 

Vu & mi-corps, de ®/, & gauche, figure de face, l’abb& porte sur sa soutane 
noire un rabat noir lisere blanc. Son bras gauche, dont la manchette est garnie 
d’un volant de dentelle, est croise sous le bras droit ; les mains ne sont point 
apparentes. Les cheveux, rares sur le haut du front, sont boucl&s sur les oreilles. 

On lit au dos du cuivre : Mr Pellier prötre n&E le 8 X (d&cembre) 1729 Peint 
par Wyrsch 1769. Ces lignes sont €crites de la main du peintre. 

3 Cette belle et grande gouache, qui appartient &galement & Mile Monnot- 
Arbilleur, a et& reproduite dans l’Etude de M. MAURICE CHIPON, Une visite prin- 
ciere d Besangon en 1780. — Bulletin de l’ Acadtmie de Besangon, 1901, P. 199 & 210. 


m—— — 


Trois ans apres, Wyrsch fit le Portrait! du modeste cure d’un 
village perdu dans les hautes for&ts de sapins des montagnes du Doubs, 
labbE Bolard. Ador& de ses paroissiens de Bannans, oü la persistance 
de ses efforts avait reussi A bätir une belle &glise, ceux-ci furent peut- 
etre les promoteurs de la commande faite & l’artiste. Il est naturel 
de penser que ces braves montagnards etaient desireux de conserver 
les traits de leur pasteur qu’ils ont appel& « le p&re des pauvres, le 
medecin des malades », et qui fut enleve& bientöt apr&s & leur 
affection ?. 

Le musee des Beaux-Arts de Besangon renferme un petit panneau 
qui n'est ni date ni signe. Le savant &rudit franc-comtois Auguste 
Castan l’a attribue, avec raison, A Wyrsch. Nous estimons que son 
execution peut &tre fix&e approximativement & 177I, d’apr&s l’Age 
du modele et la maniere de notre peintre & cette &poque. C’est le Por- 
trat de l’abbE Baverel. Ce tablotin n’a pas une grande valeur artistique ; 
mais il est curieux comme document historique, car il est, & notre 
connaissance, le seul portrait connu du celebre pampletaire comtois ®. 


! Haut. 0,90, larg. 0,70. — Toile. — Inedit. 

Vu en buste de 2], la figure presque de face, le mod@le porte une perruque 
blanche et le costume ecclesiastique avec rabat noir. Au dos de la toile, on lit 
della main du peintre : Mr. Jean Baptiste Bolard cur de Bannans äge de 6I ans 
peint par Wyrsch I77I. | 

Ce tableau appartient & Mme Pic de la Mirandole, nee Droz des Villars, au 
chäteau de Bonnevaux (Doubs). 

! L’abbe Bolard exerga & Bannans tout le temps de son ministere. Sa 
tombe, dans l’eglise de cette paroisse, porte l’inscription suivante : Hic jacet 
tenerablilis) D(ominus) Joan(nes) Bapi(ista) Joseph (us) Bolard presbyter ponlis- 
saliensis qui per XXX VII annos pid cum sollicitudine istam vexit ecclesiam, domum 
Dei decoravit, lites composuil, fuit pater pauperum et medicus oegrotantium. Flevit 
eum omnis populus. Obiit die XXXI maii anno Domini) MDCCLXXTII, aetatis 
tero wae LXI. Requiescat in pace. 

I parait r&sulter du texte ci-dessus que la mention de l’äge du modele, 
nscrite par Wyrsch au dos du portrait, serait inexacte, puisque l’abbe Bolard 
srait mort en 1773, ägE de 61 ans; il n’avait donc que 59 ans lorsqu’il se fit 
portraiturer. 

Nos recherches dans les registres de catholicit& des trois paroisses de Pon- 
tarlier, lieu indiqu& par l’Epitaphe plus haut rappelee, comme £&tant celui de la 
naissance du cur& Bolard, ne nous ont pas permis de retrouver son acte de bapt&me. 

? Haut. 0,20, larg. 0,15. Fer-blanc ovale dans un cadre rectangulaire moderne. 
Ligue & la ville de Besangon par son bibliothecaire Charles Weiss. N® sıı du 
atalogue du mus£e. 

Le jeune abb& est vu en buste, de ?/, & gauche, la figure maigre, de face, 
esquissant un sourire legerement railleur. Les yeux sont grands, le nez allonge, 
la bouche fine, les levres pinc&es. Ses cheveux blonds, A peine poudres, sont releves 
nun seul rang de boudins legers. Il porte la soutane noire et la ceinture de soie 


Dans le Portrait du chanoine Dagay, abbe de Soreze, de m&me que 
dans les deux toiles precedentes, le maitre de Buochs n’a pas encore 
donn& la mesure du talent dont il est capable. Il semble que son pin- 
ceau est depayse par le milieu dans lequel il se trouve A Besancon 
et par la nouveaut€ des physionomies qui se presentent devant Ile 
chevalet de l’artiste. Le visage de l’abbe de Sor&ze est cependant d’une 
expression douce et distingude qui est la marque d’une observation 
attentive de la part du portraitiste 1. Le Portrait fictif de saıni Frangois 


noire avec rabat de m&me couleur lisere blanc. — AuG. CASTAN, Inventaire des 
richesses d’art de la France. Province. Franche-Comte. Monuments civils, tome V, 
NP 3. Musees de Besangon, p. 106 et 107. 

Jean-Pierre Baverel naquit & Paris vers 1744 de parents franc-comtois, qui 
le ramenerent & Besancon, ou il fit ses &tudes au College et sa theologie au Semi- 
naire. Ayant embrasse l’etat ecclesiastique, il fut pourvu d’un modeste benefice 
qui lui permit de se livrer & ses goüts litteraires. 

L’Acade&mie de Besangon ayant mis au concours la « maniere de d&terminer 
les causes d’une maladie de la vigne », le m&moire du Pre Capucin Prudent fut 
couronne. L’abb& Baverel lui repondit par deux Ecrits : Röflexions et Observations, 
dans lesquels il traita le laureat et ses confreres d’ignorants. Le scandale provoqut 
par la violence de ces libelles anonymes, dont l’auteur ne tarda point & Etre decou- 
vert, obligea l’ecrivain & se refugier en Suisse. A Neuchätel, il fit connaissance 
avec Mercier, et &crivit, sur le plan du Tableau de Paris, une &tude de maurs 
intitulee Tableau de Besangon. Ce nouveau pamphlet ne fut point Edite. 

En 1789, Jean-Pierre Baverel embrassa avec ardeur les nouveaux principes 
politiques et fit partie de la Societe populaire de Besangon. Effray& par la marche 
des &venements revolutionnaires, il fonda la Feuille hebdomadaire, fut arrete 
en decembre 1793, incarcere a Dijon, mais reläche ensuite. Il se refugia de nouveau 
en Suisse. 

Il revint en France sous le Consulat et, apres le retablissement de l’Acad&mie 
de Besancon, en 1807, il remporta plusieurs prix aux concours. L’abb&e Baverel 
a compose de nombreux manuscrits sur des sujets historiques et genealogiques 
qui sont conserves ä la Bibliotheque de Besangon. Il mourut en cette ville le 
ı8 septembre 1822. — CH. WEISS, Biographie Universelle, tome III, p. 320. 

! Haut. 0,64, larg. o,5ı. Toile dans un cadre dor& de l’eEpoque Louis XV. 
avec volutes en bois sculptees aux quatre coins, chutes de feuilles de laurier en 
haut des montants, au milieu desquels sont sculptces des palmettes. N® 503 du cata- 
logue. Fonds primitif du mus&e de Besangon. 

Buste et figure, de un a gauche, forte carnation, yeux tr&s doux, sourcils 
bruns, nez long et busqu£, perruque blanche frisee. Le chanoine porte, sur sa soutane 
violette, & boutons et liseres rouges, un petit collet rabattu, en soie rose, sur lequel 
est place un rabat noir ä lisere blanc. On lit au dos de la toile : Peint par Wyrsch 
177I. — AuG. CASTAN, Inventaire des richesses d’art de la France..., p. 108. 

La famille Dagay remonte & Hugues Dagay, de Poligny, conseiller du duc 
de Bourgogne Philippe le Bon. 

Charles-Denis ou Charles-Denis-Frangois, second fils de Ferdinand Dagav, 
seigneur de Myon, lieutenant general du bailliage de Poligny, puis, en 1691, con- 
seiller au Parlement de Besangon, et de Jeanne-Marie Mercier, dame de Myon, 


aa, 


an n BERRRTTTRRRKARTEN. He 


Ati 


LA FAMILLE DE MOLLANS (1773). 


Biene Google 


de Sales, que Wyrsch peignit &galement en 177I, d’apr&s le portrait 
original du saint Ev&que de Geneve qui se trouvait dans la chapelle 
des Visitandines & Besancon, est d’une tenue correcte, d’un coloris 
puissant et d’une touche beaucoup plus ferme que le portrait 
precedent !. Il fut offert par lartiste & ce couvent aujourd’hui 


naquit A Poligny en 1698. Nomme chanoine de l’Eglise m&tropolitaine de Besancon 
en 1743, il fut &lu doyen de la coll&giale de Poligny le 22 juin 1747 et dut d&mis- 
sionner en 1748, pour cause de cumul. Il fut ensuite nomme& abb&£ commendataire 
de ’abbaye de Sor&ze, vicaire general, chanoine honoraire et archidiacre de l’&glise 
cathödrale d’Orleans. II Etait le frere de Jean-Gabriel Dagay, nomme& &v&que 
de Perigueux, en 1783. 

Le chanoine Dagay fit partie de !’Acad&mie de Besangon depuis sa fondation 
et en devint president pour les ann&es 1755 et 1771. Poete delicat et linguiste 
savant, il lut de nombreuses communications ä cette compagnie, notamment 
une Critigue de lP’orthographe de Voltaire. Il mourut & Besangon le ı8 avril 1782. 
Son eloge fut prononc& & la m&me compagnie, par le Pere Dunand, le 30 novem- 
bre 1784. — PınGAauD, Documents pour servir a P’histoire de l’ Acad&mie de Besangon. 
— Bulletin de I’ Acad£tmie, 1892, p. 239 et ss. — Journal de Besangon et de la Franche- 
Comtö, numero du 22 avril 1782. — MAURICE PERROD, Repertoire bibliographique 
des ouurages franc-comtois imprimes avant 1791. 

! Haut. 0,61, larg. 0,47. Toile dans un cadre redore, ä baguettes orn&es 
de perles et de raies de caur, de l’£poque Louis XVI. N° 516 du catalogue du 
mus£e, 

Buste de ®/, & gauche et figure de face. Le visage du Saint est accentu& par 
une longue barbe brune taillee en carr&e, des moustaches et des sourcils bruns. 
la t&te chauve n’est garnie que par quelques meches de cheveux sur les tempes. 
Les yeux bleus offrent la particularit& d’un leger strabisme de la prunelle gauche, 
L’eveque d’Annecy porte un camail, avec capuchon, en soie bleu-violac&e, avec 
liser€ et boutons rouges, sur lequel se rabat un col de toile blanche. Sur la poitrine 
est plac& un cordon de soie verte auquel est suspendue une croix pastorale en 
or, sans ornements. 

Sur le fond brun-rouge, en haut et & droite du portrait, on lit : Aetatis suae 
32. Anno 1618. Au dos de la toile, est trac&e l’inscription suivante : Efj;gies S(anc)it 
Francisci Salesy ex altera parte, de pieta(te) fuit a Melchiore Wyrsch subsilvano, 
super originali in ecclesia monalium Visitationis B(eatae) M(ariae) civitatis Bisun- 
Imae, recundita. Ego infrascriptus dictarum Monalium confessorius testor, et sigillo 
Monasterii munivs. Courvoisier p(res)b(yter) confessorius die 4 (quart) a 7 (septem) 
bris anni 1771. Plus bas, on voit les traces d’un sceau en cire rouge, qui a &t& 
Tompu. — AuG. CASTAN, Histoire et description des musees de Besangon, pP. 107. 

Fils de Frangois, comte de Sales, et de Frangoise Sionas, ne au chäteau 
de Thorens, pres d’Annecy, en 1567, mort A Lyon en 1622, canonise en 1655, 
il avait &t& nomme&, le 2 decembre 1602, &v&que de Geneve ; son siege fut ensuite 
transfere A Annecy. Directeur spirituel de Jeanne-Frangoise Fremyot, fille d’un 
president & mortier au Parlement de Dijon et veuve du comte de Chantal, qui 
fonda, en 1618, A Annecy, l’Ordre des religieuses de la Visitation, saint Frangois 
de Sales redigea les rägles et statuts de cette communaute, dont la rigueur mitigee 
ft le succes et suscita l’&closion de nombreux couvents de Visitandines. Celui 
de Besangon fut fonde de 1628 A 1630. — Encyclopedie, tome XXIX, p. 345. 


REYUE D HISTOIRB ECCLESIASTIQUR & 


— 50 — 


disparu, et fait partie actuellement de la Galerie des Beaux-Arts 
“ au musde de Besancon !. 

Dans le courant de la m&me annee 177I, Wyrsch recut, a Besancon, 
la visite d’un prelat de ses compatriotes qui posa dans son atelier 
de la place Saint-Quentin. Le Portrait du baron de Thurn et Valsassine. 
chanoine de l’abbaye de Lure ?, represente, dans un riche costume 
de soie violette borde d’hermine mouchetee, un membre de l’une des 
familles aristocratiques de St-Gall. Traite dans une gamme de demi- 
teintes, il constitue l’un des premiers essais du maitre de Buochs dans 
l’imitation de la maniere des peintres de l’Ecole frangaise du 
XVIIIme siecle. Sur cette toile, l’artiste a r&ussi & fixer, avec bonheur, 
les traits doux, melancoliques et l’allure distinguee de ce prelat 
appartenant & un illustre chapitre de Franche-Comte uni ä l’abbaye 
de Murbach, en Alsace. 

Le grand salon de l’höpital Saint-Jacques, a Besancon, renferme 
une galerie de portraits des bienfaiteurs de cet &tablissement charitable. 
On y remarque le Portrait de Mgr Franchet de Rans, &v&que de Rhozy, 
in partibus, suffragant de l’archeväque de Besangon. Ce tableau est 
attribue & Wyrsch. Quoiqu’on y remarque la touche de notre peintre 
a la m&me &poque que les peintures precedentes, il y a lieu de faire 
de serieuses reserves & l’&gard de cette attribution ?. 


! Lechanoine J. AMBERG, dans son article du Schweizerisches Künstler Lexikon, 
verbo Wyrsch, dit, par erreur, que ce tableau se trouve au couvent de la Visitation 
& Besangon. 

% Fils cadet de Jean-Victor-Fidele-Antoine, baron de Thurn et Valsassine, 
intendant regional des biens de l’antique abbaye de Saint-Gall, et de Marie- 
Catherine-Wilhelmine Gielin de Gielsberg, il naquit & Saint-Gall, le zo juin 1748. 
Regu chanoine de l’abbaye de Lure en 1769, il exergait encore ces fonctions 
lorsqu’un soul&evement populaire obligea les chanoines de ce Chapitre & quitter 
Lure, en juillet 1789. Il se refugia & Besangon, rentra bientöt en Suisse et ne 
revint plus dans son abbaye, dont les membres furent disperses pendant la 
Revolution frangaise, et qui fut supprimee. — GEORGES BLONDEAU, Le baron 
de Thurn et Valsassine chanoine de Lure et son portrait peint par Wyrsch. Memotres 
de la SocietE d’agriculture, Lettves, Sciences et Arts de la Haute-Saöne, 1928. 

® Haut. 0,80, larg. 0,64. Toile dans un beau cadre dor& et sculpt& de l’&Epoque 
Louis XV. Inedit. 

Mi-corps de ®/, & droite, figure de face, legerement & droite, yeux bruns, 
sourcils noirs, nez assez fort et busqu&, menton gras, teint brun. Le prelat porte 
une perruque frisee et poudr&e, un collet violet, & petit capuchon, dont les liserts, 
la doublure, les boutons et les boutonnieres sont en soie rouge, un rabat noir bord£ 
de blanc et un rochet dont les manches sont garnies de riches dentelles. Sur la 
poitrine est place un large ruban de moire violette, duquel pend une croix en 0f. 

Le rentoilage ne permet de voir ni la notice ni la signature du peintre. 


Trois ans apres, Wyrsch regut une commande qu’il ne se pressa 
point de terminer, on ne sait pour quelles raisons. Le Portrait dw mis- 
sionnaire Hubert Humbert, commence en 1773, ne fut acheve et livre 
par le peintre que plusieurs annees apres, alors que le modele etait dejä 
decede. Cette peinture peut ©tre rangee, comme valeur artistique, 
dans la moyenne des productions du maitre de Buochs. Le physique 
et le costume austeres du predicateur se pr&taient d’ailleurs diffci- 
lement & l’eclosion d’une composition originale !. 


ı Haut. 0,75, larg. 0,63. Toile dans un cadre dor& moderne. 

Le missionnaire est vu, sur un fond vert avec rideau rouge, & mi-corps de ?/, ä 
droite, la figure presque de face, maigre et allong&e, le nez long, les levres minces, 
le cräne chauve, garni de quelques me&ches de cheveux blancs tombant sur les 
oreilles, les sourcils blancs, les yeux bleus. 

Il porte une soutane et une ceinture noires, un rabat double de mousseline 
legerement teintee bleue. Le bras droit, seul visible, est replie ; la manche se 
termine par une manchette de toile blanche. La main, bien dessinee, est pos&e 
sur un livre, reli€ en veau, plac& debout sur une table recouverte d’un tapis vert. 
Sur le dos du livre, on lit : Biblia sacra. 

Au dos de la toile est trac&e, entierement de la main du peintre, cette ins- 
cription : Petrus Hubertus Humbert superior missionarius de Bello-Prato aetafis 
82. Wyrsch pinzit 1773, obiit ja(nuario mense) 1780. L’äge du modele et la date 
de son de&ces ne sont pas exacts. 

Ce tableau est place dans lesalon de r&ception de la Maison des Missionnaires, a 
Ecole, pres de Besangon. — Abb& PauL BRUNE, Dictionnaire des artistes et owuriers 
d’art de la France. Franche-Comie, p. 283. 

En 1560, Francois Bonvalot, haut doyen de la me&etropole de Besangon, 
oncle du cardinal de Granvelle, retablit, a Roche-les-Beaupre, & deux lieues de 
Besancon, un Chapitre fond& au XIVme sidcle par Hugues de Chalon. Frangois- 
Joseph de Grammont, alors doyen de Beaupre et plus tard archev&que de Besangon, 
invita, en 1682, & s’y &tablir un corps de missionnaires nouvellement organise 
par Jean Vuillemenot, cur& de l’Eglise Saint-Pierre A Besancon. Cette communaute 
eut un grand succes dans ses missions et predications & travers la France. Sup- 
primee en 1791, ses bätiments furent vendus comme biens nationaux. Par ordon- 
nance du 3 fevrier 1816, la Maison des missionnaires de Beaupre fut r&tablie dans 
le petit village d’Ecole, ou elle existe encore. 

Le quatrieme directeur de la Mission fut le Pe&re Hubert Humbert. Ne en 1686, 
& Vanclans (Doubs), de parents aises, mais charges de famille, il entra & Beaupre 
en 1714. Il composa un grand nombre de sermons, dont plusieurs furent imprimes, 
ainsi que des cantiques, des pieces de vers et des Noels en patois. 

ı Pretre pieux et modeste, predicateur distingu&, auteur de plusieurs regle- 
ments pour des. maisons religieuses, po@te sacre, profond th£ologien, ses Ecrits 
le firent connaitre dans l’Europe entiere. » Le Pre Humbert, &lu directeur de 
Beaupr& en 1749, cessa de pröcher en 1769 et fut remplace, en raison de ses infir- 
mites, dans le cours de l’annee 1773, par le Pere Rambaud, dernier superieur 
de Beaupr& avant la R&volution francaise. Il mourut en 1778. — Chanoine JEAN- 
BaPtıstE BERGIER, Histoire de la communaute des missionnaires de Beaupre et 
des missions faites en Franche-Comte de 1676 4 1850, in 8° de 460 pages. 


L’o@uvre capitale que Wyrsch signa, en cette annde 1773, fait 
epoque dans Ja carriere de l’artiste. Dans cette toile importante, l’artiste 
a r&uni les portraits de dix personnes appartenant & la famille Damedor 
de Mollans et celui d’un jeune enfant. Tandis que le p£re et la m£re 
sont assis & gauche de la table, sur laquelle le the est servi, on apergoit 
a droite, dans un groupe compose de trois de leurs enfants, de leur 
belle-fille et de leur petite-fille, un jeune pre&tre debout. C’est le Portrait 
dw chanoine de Mollans. Celui-ci est vu & mi-jambes, le corps et le 
visage compl&tement de face. Sa figure fine est encadree d’une petite 
perruque poudree A un rang de boudins. Son bras droit est appuye 
sur le dossier du fauteuil oü est assise la plus jeune de ses saeurs & qui 
il indique, de l’index de la main gauche, un passage de la partition 
de musique que celle-ci, accoudee sur la table, tient ouverte devant 
elle. L’abbe et futur chanoine de Mollans est v@tu d’une soutane noire, 
avec un petit rabat noir ourl& de blanc sous lequel est pass€ le ruban 
des chanoines de Gigny. Cette decoration, en soie noire liser&e rouge, 
terminee par une croix d’or surmontee d’une couronne comtale, a 
ete ajoutee, par une retouche de l’artiste, en 1782 ; car, en 1773, l’abb£ 
de Mollans n’etait pas encore chanoine I. 

Cette superbe toile etait A peine achevee lorsqu’a l’automne de 1773, 
Melchior Wyrsch et Luc Breton eurent la joie de voir r&alise le projet 


? Cette toile porte, au verso, une pochade en grisaille qui est une replique 
exacte du tableau original, et une lögende ajoutee par Wyrsch en 1782, indiquant 
les noms, prenoms et qualites de chacun des personnages repr&sentes au recto. — 
Auc. CASTAN, L’ancienne Ecole de peinture et de sculpture de Besangon. Alemoires 
de la SocietE d’Emulation du Doubs, 1888, p. 123. 

Ignace-Octave-Bernard £tait le troisitme fils de Claude-Frangois-Madelaine 
Damedor, comte de Mollans, et de Jos&ephine-Clementine-Marie, baronne de 
Planta de \Wildenberg, laquelle &tait originaire d’une ancienne famille noble des 
Grisons. Il naquit au chäteau de Chemilly, pres de Vesoul, le 6 mai 1753, et fut 
nomm& chanoine du chapitre noble de Saint-Louis de Gigny en 1782, puis vicaire 
general du diocese d’Embrun. Ayant refuse le serment constitutionnel en 1792. 
il emigra en Suisse avec son frere, le marquis Joseph-Laurent de Mollans et la 
famille de celui-ci. Tous se rendirent d’abord A Fribourg, puis, ensuite, & l’abbaye 
d’Einsiedeln. Ils y regurent une si cordiale hospitalit€ qu’avant son depart pour 
l’Autriche, la marquise de Mollans offrit tous ses diamants pour orner la couronne 
de la Vierge Noire. 

L’abb& de Mollans rentra en France sous le Consulat et se retira chez On 
neveu le marquis Jean-Charles-Frangois-Clement de Mollans, au chäteau d’Amblans. 
Il desservit cette paroisse de 1817 & 1824 et y mourut le 27 mars 1830. L’inscrip- 
tion de sa tombe, qui se trouve dans l’eglise, dit qu’il fut mitis et humilis corde. — 
GEORGES BLONDEAU, La famille de Mollans et ses portraits peints par Wyrsch. 
M e£moires de la Soriete d’agriculture, Lettres, Sciences et Arts de la Haute-Saöne, 1918. 


qu’ils avaient medite depuis longtemps et dont ils avaient poursuivi 
lexecution au milieu de nombreuses difficultes. Ils assisterent & l’inau- 
guration de l’Ecole de peinture et de sculpture fondee par eux A 
Besancon !. L’un des Me&cenes qui s’interesserent le plus & leurs travaux 
fut un riche amateur d’art, le president & mortier au Parlement, Joseph- 
Luc-Jean-Baptiste-Hippolyte, comte de Marechal de Vezet. Celui-ci 
commanda aux deux professeurs, vers 1775, de « reproduire les traits 
de ses ajeux d’apres des documents anciens, afın d’en former une galerie. 
Ainsi se trouvaient r&eunis douze portraits peints par Wyrsch (au nombre 
desquels les portraits originaux du president A mortier, de sa möre 
et de son oncle, le conseiller Caboud de St-Marc), trois medaillons et un 
superbe buste modeles par Breton, dans l’hötel familial de la rue des 
Granges, ä Besancon ?. » 

Parmi les peintures de cette galerie, se trouve encore aujourd’hui 
un petit tableau sur bois execute par Wyrsch d’apres une gravure de 
Pierre de Loisy en 1663, qui est le Portrait fictif de Charles-Joseph 
Mareschal Prieur de Morteau. La copie du peintre est la reproduction 
fid2le de la gravure, sauf quelques details dans les accessoires. C’est 
ainsi que le maitre de Buochs remplaca, sur le soubassement d’une 
colonne, les armoiries des Mareschal par une Minerve casqu&e. Nous 
avons pense qu’il « aurait peut-£tre pu choisir une autre figure alle- 
gorique, que celle de la deesse de la Sagesse et de la Prudence, pour 
personnifier les qualites du chanoine »?; mais notre artiste ignorait 
la vie agitee de ce prelat courtisan. 


U CASTAN, L’ancienne Ecole de peinture et de sculpture de Besangon. 

2 G. BLONDEAU, Les auvures de Wyrsch et de Luc Breton dans la collection 
de Vezet. Memoires de la Societe d’ Agriculture... de la Haute-Saöne, 1922. 

3 La figure imberbe et me&lancolique du Prieur de Morteau, Eclairee par 
des yeux tres doux, est encadr&e par une volumineuse perruque & marteaux et 
un grand col carr& en mousseline blanche. Il est v&tu d’une soutane violette, & 
liserts et boutons rouges. Un ample manteau de ville en soie noire enveloppe 
la partie inferieure du corps. La main gauche porte un gant de peau noire, la 
droite degantee, un feuillet de papier. 

Charles-Joseph, quatri&me fils de Luc Mareschal, seigneur de Mercey, co- 
gouverneur de Besancon, et de Jaquette Reud, sa premiere femme, naquit & 
Besancon le 19 juillet 1640. A seize ans, il fut nomme chanoine de l’Eglise metro- 
politaine de cette ville, puis prieur de Morteau en 1661 et archidiacre en 1680. 
Des 1666, il avait obtenu des lettres patentes de conseiller maitre des reque&tes 
au Parlement de Dole. 

Le Prieur de Morteau menait l’existence fastueuse de la plupart des prelats 
Tiches de cette &poque, dans son somptueux hötel bäti sur la colline de Saint- 
Etienne. Jules Chifllet lui reproche d’&tre rest & Besangon pendant le premier 


Durant les deux mois de vacances que lui laissaient, chaque automne, 
ses fonctions de professeur, Wyrsch avait l’habitude de revenir en 
Suisse pour se reposer dans son village natal, oü il se faisait construire 
une maison. Mais ce travailleur infatigable ne pouvait s’emp&cher 
de broyer des couleurs et de peindre. Au cours de son sejour dans sa 
patrie, en 1778, il fit un assez grand nombre de portraits, parmi lesquels 
plusieurs repr&esentent des ecclesiastiques. 

Le Portrait de Dom Pfyffer d’Altishofen, prince-abbe de l’abbaye 
de Saint-Urban, reunit les suffrages non seulement du modele, mais 
aussi ceux de ses parents et des admirateurs de ses vertus. Le chanoine 
Amberg, dans son article du Schweizerisches Künstler Lexikon, dit qu'il 
resulte d’une note autographe de l’artiste, conservee au mus&e historique 
de Stans, que le maitre de Buochs aurait peint deux originaux de ce 


portrait et onze copies. 
L’un de ces originaux se trouve au musee des Beaux-Arts de 
Lucerne ! et a figure & l’Exposition d’art organisee dans cette ville, 


en 1893. 
(A suivre.) 


siege de Dole, ainsi que d’aimer trop la table et la societe des dames. Il mourut 
d’une attaque d’apoplexie, & Paris, le 26 novembre 1681, sans avoir regu les derniers 
sacrements. — JULES CHIFFLET, abbe de Balerne, M£moires publies par l’Aca- 
demie de Besangon, tome V, p. 157 et 414. — E. LonGin, Un franc-comtois d 
Paris sous Louis XIV, p. 16. 

ı Haut. 0,90, larg. 0,60. Toile, N® ı57 du catalogue du mus&e. 

L’abb&E est vu & mi-corps, de face ; le visage, egalement de face, est allonge 
et fort en couleurs ; les cheveux grisonnants apparaissent sous une calotte noire; 
les yeux ont une expression douce. Dom Pfyfier porte la robe de drap blanc de son 
Ordre avec un camail noir sur lequel se rabat un petit col en toile blanche. Sur 
sa poitrine pend une chaine en or & laquelle est suspendue une croix ciselee de 
m&me metal, chargee de pierres de couleurs. La main droite, portant, & l’annulaire, 
une bague en or orn&ee d’un rubis, est appuy&e sur un livre ouvert. | 

En haut et ä& droite est repr&sente un blason ovale, surmonte de la mitre 
et de la crosse abbatiales ; il est &cartele au I9 et 40 d deux poissons adosses, aux 
2° et 3° portant un sapin. Au dos de la toile, on lit : R(everendissimus) D(ominus) 
Pfiffer, Wyrsch pinx(it) 1778. 

NE & Lucerne le ı€! fevrier 1731, Benoit Pfyffer d’Altishofen fit profession 
a l’abbaye de Saint-Urban en 1749. D’abord professeur d’histoire et de theologie 
ä ce couvent, il devint prieur en 1766, et fut &lu abb& le 30 juin 1768. Il fit beau- 
coup pour les &coles et fonda une maison d’education pour les jeunes gens des 
bonnes familles de Lucerne. Ce pre&lat, aux id&es nobles et &lev&es, mourut en 
exercice le 25 mai 1781. — Von MULINEN, Helvetia Sacra, tome I, p. 19. 


—aen 


Der Äbte-Katalog von Pfäfers. 


Von P. RuooLr HENGGELER, Einsiedeln. 


Das Wort P. Gerold Suiters, des Chronisten von Pfäfers, « tot 
sententiae et opiniones quot capita», das er in bezug auf das 
Gründungsjahr seines Klosters schrieb, könnte man auch auf den 
Katalog der Äbte von Pfäfers anwenden. Auch hier herrscht keine 
Übereinstimmung. Wir versuchen darum vorerst die verschiedenen 
Kataloge zu gruppieren, um dann auf die einzelnen näher einzugehen. 

Die ältesten Aufzählungen von Pfäferseräbten finden wir im Liber 
viventium, dem Confraternitätenbuch von Pfäfers. 1 Doch findet sich 
hier kein zusammenhängender Katalog ; neben vereinzelten Namen, 
meist spätern Ursprungs, finden sich vier kleinere Kataloge, die man 
später bei Aufstellung von neuern Katalogen benutzte. 

Aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts stammt sodann das 
erste noch erhaltene Nekrologium des Klosters, das man früher verloren 
glaubte?, das sich aber im Stiftsarchiv von St. Gallen noch findet, 
und das mir Stiftsarchivar Hochw. Herr Dr. J. Müller samt seinen 
dazu gemachten Bemerkungen in entgegenkommendster Weise zur 
Verfügung stellte. Von dem Nekrologium fehlen Anfang und Ende ; 
ferner ein Blatt, das die Eintragungen der zweiten Hälfte des Juni 
bis r. Juli enthielt. Es hat sich aber eine von Augustin Stöcklin 
(1641) angefertigte Kopie erhalten ®, welche die den Juni betreffenden 
Eintragungen enthält ; hingegen fehlen auch hier Anfang und Ende, 
ein Zeichen, daß schon zu Stöcklins Zeiten diese Blätter verloren waren. 
Dieses Nekrologium ist noch unveröffentlicht ; wir geben aber in der 
Folge nur die die Äbte betreffenden Eintragungen. 

Einen weitern Äbtekatalog bringt der Liber aureus von Pfäfers 
(so genannt nach dem silbervergoldeten Einband), der um das Jahr 


! Heute im Stiftsarchiv St. Gallen; herausgegeben von Piper, Monum. 
Germ. Libri Confraternitatum Sancti Galli, Augiensis, Fabariensis (Berolini 1884), 
P. 355-398. 

? Vergl. Baumann, Monm. Germ. Necrologia I, pag. 646. 

° Stiftsarchiv St. Gallen. 


— 56 — 


1400 entstand. Der Katalog deckt sich mit dem des ältesten Nekro- 
logiums bis auf Abt Johannes. 

Einen von Gilg Tschudi bis zum Jahre 1570 geführten Katalog 
enthält Codex 609 der St. Gallerstiftsbibliothek. Dieser weicht in den 
ersten Angaben von allen andern Katalogen ab. 

Ein gleiches gilt von dem durch Augustin Stöcklin als Anhang 
zu seinen Antiquitates Fabariensium (1628 vollendet) gegebenen Katalog. 

Bruschius in seiner Chronologia Monasteriorum (Nürnberg 1682) 
hat wiederum einen von den andern abweichenden Katalog. 

Sutter in seiner 1699 vollendeten Chronik stellt ebenfalls wieder 
einen neuen Katalog auf. Ihm folgen Leu: Schweizerisches Lexicon 
(1757) und J. Jac. Vils in seinem 1758 geschriebenen Katalog, der 
sich im Stiftsarchiv St. Gallen findet. ! 

Eichhorn in seinem Episcopatus Curiensis (St. Blasien 1797) stellt 
wiederum eine neue Liste auf, indem er beim ersten Abte bemerkt: 
«Quotquot Fabariae circa hoc tempus meminerunt, tot producunt 
abbates, ut unicuique eorum vix triennium adsignari possit.» Daher 
streicht er eine ganze Reihe der sonst genannten ersten Äbte. Er 
setzt nach Adalbert einfach Bertrantius (= Bercancius). Ihm folgten 
Wegelin in seinen Regesten der Benediktinerabtei Pfävers (Chur 1850) 
und Mülinen in seiner Helvetia sacra (Bern 1858). 

So haben wir mit Einschluß des Pfäferser Confraternitätsbuches, 
das zwar keinen zusammenhängenden Katalog aufweist, acht ver- 
schiedene Kataloge, nämlich : 


ı. das Confraternitätsbuch oder den liber viventium vom IX. Jahr- 
hundert an; 

2. das älteste Nekrologium aus dem Anfang des XIV. Jahrhunderts; 

3. den Liber aureus aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts ; 

4. den Katalog Tschudis in Codex Sangallensis 609 von 1570; 

5. Augustin Stöcklins Katalog im Anhang zu den Antiquitates Faba- 

riensium, 1628 : 

. Bruschius in seiner Chronologia Monasteriorum von 1682 ; 

7. Suiter in seinerChronik von 1699 (ihm folgen Leu 1757 und Vils 1658) : 

8. Eichhorn in Episcopatus Curiensis von 1797, ihm folgen Wegelin 
1850 und Mülinen 1858. 


oO 


Für die Herstellung eines richtigen Kataloges konımen vorerst 


I Pfäferser-Archiv III (31), 27 a. 


nur das Confraternitätenbuch, das Nekrologium und der Codex aureus 
in Betracht. Daneben müssen aber noch die Urkunden des Pfäferser- 
archivs berücksichtigt werden. Dies umsomehr, als aus den drei 
angeführten Quellen kein chronologisch geordneter Katalog — aus 
noch anzuführenden Gründen — erstellt werden kann. Dabei ist 
freilich zu beachten, daß eine Reihe der Pfäferserurkunden sehr 
zweifelhaft sind. (Vergl. Wegelin, Die Regesten der Benediktinerabtei 
Pfäfers etc. Chur 1850.) 

Einen ersten Katalog finden wir im Liber viventium oder 
Confraternitätenbuch von Pfäfers, dessen älteste Eintragungen bis 
in die erste Hälfte des IX. Jahrhunderts zurückgehen. Dabei läßt 
sich freilich eine auch nur annähernde Zeitangabe nicht geben. 

Vorerst kommen vier größere Zusammenstellungen von Namen 
in Betracht. 


I. Nomina abbatum Bercautius abb. Werher abb. 
Fabariensium de- Crispio abb. Wichramus abb. 
functorum. ! 11.2 Heinricus abb. 

Adalbertus abb. Ogo abb. Rodolfus abb. 

Gibba abb. Pruninc abb. Svikerus abb. 

Anastasius abb. Richardus abb. Hupoldus abb. 

Adalbertus abb. Hartmannus abb. IV.* c. 080. 

Lupicinus abb. III.® c. 1200. Gebene abba. 

Vincentius abb. Werner abb. Eberhardus abba. 

Marcianus abb. Geroldus abb. Alawicus abba. 


Nr. I ist durch Überschrift als Verzeichnis der Äbte von Pfäfers 
beglaubigt. 

Die unter Nr. II angeführten Namen finden sich im gleichen 
Confraternitätenbuch (p. 75, col. 74, 5 s.) unter Nomina Fratrum 
ex Monasterio Desertinense : Ugo abb., Pruning abb., Richadus abb., 
Hartmannus abb. Piper ® sagt nun, daß es sich bei Nr. II um Äbte 
von Disentis handle und verweist auf den Eintrag der Disentiser- 
mönche im Confraternitätsbuche. Schuhmacher in seinem Album Deser- 
tinense stimmt dieser Ansicht bei und sagt, daß diese Namen von 


Cod. p. 51, col. s3. M.G. p. 369. 

. p. 71, col. 66, 10. — M.G. 372. 
. 72. col. 68, 6. — M.G. 373. 
. 117, col. 110, 9. — M.G. p. 383. 


1 

2 Cod 
® Cod 
* Cod 
® M.G. p. 372, Anm. zu col. 66, 10. 


Augustin Stöcklin aus dem Confraternitätenbuch in die Liste der 
Disentiseräbte übernommen worden seien. Er meint, der Schreiber 
der Disentisermönche im Confraternitätenbuch hätte diese Namen 
von Seite 7ı auf Seite 75 herübergenommen und sie so an den 
richtigen, ihnen zukommenden Platz gesetzt. 

Es ist hier immerhin zu beachten, daß der genannte Hartmann 
als Abt von Pfäfers stimmen würde, denn er findet sich auch sonst 
für Pfäfers bezeugt. Disentis aber hat keinen Abt Hartmann, sondern 
einen Abt Hermann ; immerhin kann leicht eine Verwechslung der 
Namen stattgefunden haben. Etwas mehr Gewicht ist dem Umstande 
zuzuweisen, daß wir unter den Pfäferserurkunden zum Jahre 889 
(21. Juni) ein Diplom König Arnulfs finden, wonach der König auf 
Bitten des Grafen Burkard, einen gewissen Hugo «ad abbatiam, quae 
constructa est in honorem intemeratae virg. Mariae in provincia 
Rhetiae » befördert und zugleich das Kloster auf Bitten des Abtes 
Hatto von der Reichenau unter königlichen Schutz nimmt. Von dieser 
Urkunde ist allerdings kein Original vorhanden. Herrgott (II. Nr. 88) 
und Neugart (Nr. 584), sowie der Codex Dipl. von Graubünden 
(Extr. Nr. 34) bringen die Urkunde, während Böhmer sie nicht auf- 
genommen hat. Scheuchzer, der die Pfäferserurkunden prüfte (siehe 
Wegelin), macht daran einige Ausstellungen. Verdächtig ist daran 
besonders, daß eine andere Urkunde Armnulfs (Böhmer, Nr. 1051), 
die nur einen Tag früher gegeben wurde, von einem ganz andern Ort 
datiert ist, nämlich von Mosapurg, während die Pfäferserurkunde in 
Frankfurt gegeben wurde. Diese Äbte, von denen freilich Pruning 
und Richard für Pfäfers urkundlich nicht belegbar sind, sind wohl 
um so weniger zu streichen, als sie auch im Nekrologium und liber 
aureus sich finden. 

Die unter Nr. III aufgeführten Äbte lassen sich urkundlich belegen ; 
Werher ist entweder mit Werner oder aber mit Werichinus im Nekro- 
logium zu identifizieren und Hupoldus mit Hleupoldus = Leopold. 

Von den unter Nr. IV genannten Äbten ist Alawicus urkundlich 
sicher nachweisbar, während für Gebene und Eberhard in Pfäfers 
selber zwei fragwürdige Diplome sich erhalten haben. Die beiden 
sollen übrigens, wie der bereits erwähnte Hartmann, aus Einsiedeln 
postuliert worden sein. Ein Eintrag aus dem XI. oder XII. Jahr- 
hundert in Manuskript 254 der Einsiedler Stiftsbibliothek besagt: 
«Isti promoti sunt ab ecclesia Heremitarum ad Phabarias: domnus 
Harmannus, qui postea factus est episcopus Curiensis, domnus Eber- 


mo 


— "mar le BEREITETE nee —EE BE, "Tram ner rare SEEN a: 


| . 


hardus, domnus Gebene dive memorie. (Ringholz, Stiftsgeschichte, 
p. 53, Anm. 7.) 

Sonst finden wir im Pfäferser Confraternitätenbuch noch folgende 
Äbte verzeichnet : 


Hartmannus eps. et mon. (Cod., p. 25, col. 9, I); 

SILVANVS ABBA. (Cod., p. 66, col. 58, 1); 

Marquardus abb. (Cod., p. 72, col. 68, 4); 

Salomon abbas. (Cod., p. 73, col. 69, 1); 

dom. de Mendelbüren abbas Fabariensis hujus coenobii renovator. 
Cod., (p. 88, col. 88, ı); 

B. abb. (Cod., p. 89, col. 89, 1); 

Egloffus abbas. (Cod., p. 90, col. 92, 3); 

C. a Wolfurt abbas. (Cod., p. 9I, col. 94, I); 

C. a Ruchenberg abbas. (Cod., p. 91, col. 94, 3); 

Johannes abb. (Cod., p. 9I, col. 99, 1); 

Georius presb. (Cod., p. 9I, col. 99, 2); 

Oudalrichus abb. (Cod., p. 94, col. 105, 18). 


Hartmann ist zweifelsohne der bereits erwähnte, aus Einsiedeln 
postulierte Abt, der später Bischof von Chur wurde. — Silvanus ist 
urkundlich belegbar (Wegelin, Nr. 6). — Marquardus deutet Piper 
(M.G.) auf Leopold Morach, 992-1012, oder aber auf einen Abt von 
Prum. Er ist sonst für Pfäfers nicht belegbar ; da er aber in der 
gleichen Kolonne 68 steht wie die Äbte Werner, Geroldus etc. (zwischen- 
hinein hat einzig eine spätere Hand den Namen Vigilius mon. ein- 
gefügt), so läßt er sich wohl nicht gut ausscheiden. Pipers Annahme 
scheint mir zu gesucht. — Salomon ist wiederum belegbar. Piper 
nimmt an, es handle sich hier um Salomon II., Abt von c. 1026-41. 
— Unter Dom. de Mendelbüren ist Abt Johannes von Mendelbüren 
verstanden, 1361-86. — B. abb. wird von Piper auf Abt Hermann 
von Arbon gedeutet, mit welcher Begründung, weiß ich nicht. Mir 
scheint weit eher dessen Nachfolger Burchardus de Wolfurt darunter 
verstanden zu sein, Abt von 1386-1416. — Die folgenden Äbte sind 
alle spätere : Eglolfus de Wolfurt 1325-30, Conrad a Wolfurt c. 1265 
bis 1282, Conrad a Ruchenberg 1282-1324, Johannes Berger 1478 
bis 1483 und Georius = Georgius von Erlotzheim (nach Piper). — Der 
letztgenannte Oudalrichus dürfte mit dem im Liber viventium genannten 
Öudalrichus identisch sein, bei dem sich ein Verzeichnis des Kirchen- 
schatzes findet (M.G., pag. 397). 


nr 60 


In dem Confraternitätsbuch von St. Gallen finden wir einen 
Pfäferserabt ausdrücklich vermerkt: Silvanus, den wir in jenem von 
Pfäfers auch finden. Das Confraternitätsbuch der Reichenau bringt 
Crespio, der ebenfalls in dem von Pfäfers sich findet. 

Mit Ausnahme der unter Nr. II genannten Äbte Pruning und 
Richardus, eventuell Hugo, die von andern als Äbte von Disentis 
angesprochen werden, und Marquardus, sind alle übrigen als Äbte 
von Pfäfers entweder durch die Überschrift (Nr. I) oder dann durch 
urkundliche Dokumente beglaubigt. 

Das zweite Verzeichnis findet sich im ältesten Nekrologium des 
Stiftes Pfäferss. Die Eintragungen von erster und zweiter Hand 
stammen aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Die von erster 
Hand sind rein nekrologisch gehalten, d. h. sie bringen nebst dem 
Namen des Abtes nur den Vermerk : obiit. Sie betreffen mit zwei 
Ausnahmen nur Äbte; denn die Bezeichnung Abbas steht immer 
dabei. Bei fünf Namen ist eine Jahreszahl beigefügt. Diese bezieht 
sich aber nicht auf das Todesjahr des betreffenden Abtes, sondern 
ist den die betreffenden Äbte beschlagenden Urkunden entnommen ; 
der Schreiber wollte damit nur die ungefähre Regierungszeit angeben. 
Die zweite Hand, deren letzter Eintrag von 1330 stammt, fügt den 
Namen jeweilen noch Bemerkungen über Stiftungen bei, die wir aber 
bei der folgenden Aufstellung weglassen. Die Eintragungen von spätern 
Händen reichen bis 1575. Über den Zustand des Nekrologiums und 
dessen Kopie vergleiche die eingangs gemachten Bemerkungen. 


I. Einträge erster Hand: I4. Hugo (ır. IV.). 
I. Adilbertus (26. 1.). 15. Bruning (18. IV.). 
2. Gibba (29. 1.). 16. Richardus (zo. IV.). 
3. Anastasius (31. I.). 17. Salomon (22. IV. 1040). 
4. Adalbertus (1o. II.). 18. Augustanus (24. IV.). 
5. Lupicinus (12. II.). 1g. Eberhardus (26. IV.). 
6. Vincencius (15. II.). 20. Gwerdo (28. IV.). 
7. Marcianus (20. II.). 2I. Alwicus (30. IV.). 
8. Bercaucius (2. III.). 22. Hatto (2. V.). 
9. Crispio (6. III.). 23. Immo (4. V. 1067). 
10. Silvanus (r. IV. 838). 24. Wernherus (7. V.). 
ıı. Maiorinus (4. IV. 972). 25. Wiptus [Wipertus] (r1. V.). 
12. Gebenus (6. IV.). 26. Vitalis (16. V. 877). 


. Hartmannus (8. IV.). 27. Grinbretus (6. VI. ). 


er 
ww 


zur i6T 


28. Asimbertus (8. VI.). 47. Heinricus (21. V.). 
29. Victor (15. VI.). 48. Swigherus (1. VI.). 
30. Hetto (18. VI. ; Kopie). 49. Chuonradus (24. VII. 1324). 


31. Vdalricus (22. VI. ; Kopie). 
32. Hesso (26. VII.). 

33. Johannes (2. VIII.). 

34. Werichinus (7. VIII.). 

35. Hupoldus (14. VIII.). 

36. Ulricus (6. XI.). 


III. Einträge späterer Hände. 
50. Burcardus de Wolfurt (zo. I. 
1400). 
51. Johannes Berger (3. III. 1483). 
52. Jacob von Mosheim (8. III. 
1570). 


37. Syfridus (29. XI.). 53. Johannes Jakobus Russingerus 
II. Einträge zweiter Hand. (g. III. 1549). 

38. Eglolfus de Wolfurt (5. II. 54. Vlricus Roll (20. V. 1575). 
1330). 55. Wernher de Raitnow (ı. VI. 

39. Chuonradus de Wolfurt (23. II). 1435). 

40. Wernherus (24. II.). 56. Hermann (r2. VI. 1361). 

41. Hugo (7. III.). 57. Heinricus Weidmann (16. VI. 

42. Ludewicus (12. III.). 1574 ; Kopie). 

43. Rud(olfus) (19. III.). 58. Wilhelmus de Fulach (rg. VI. ; 

44. Wichramus (20. III.). Kopie). 

45. Geroldus (13. V.). 59. Fridericus de Raitnow (21. IX. 

46. Cuonradus (15. V.). 1478). 


Woher hat der Schreiber dieses Nekrologiums seine Namen ? 
Eine Reihe derselben übernahm er wohl mit ziemlicher Sicherheit 
dem Confraternitätsbuch des Klosters. Andere lassen sich anderweitig 
belegen; für eine Anzahl fehlt freilich jegliche beglaubigte Nachricht. 

Die ersten 9 Namen finden sich in derselben Reihenfolge im Confra- 
temitätsbuch (Nr. I), wo sie als Äbte von Pfäfers beglaubigt sind. 


Xr. 10. Silvanus findet sich ebenfalls im Confraternitätsbuch und ist 
überdics urkundlich beglaubigt. 

Xr. ır. Maiorinus ist urkundlich belegt. Diplom Otto I. von 972. 
(Wegelin, Nr. 18 und ıg.) 

Nr.12. Gebenus findet sich im Lib. viv. Überdies ist ein fragliches 
Diplom da. 

Nr. 13.-16 finden sich im Confraternitätsbuch (Nr. II) (Disentiseräbte ?). 

Xr. 17. Salomon (II.). Diplom Konrad II. 30. I. 1032 ; Heinrich III. 
22. VI. 1040 ; Lib. viv. 

Nr. 18. Augustanus (als Mönch von Pfäfers findet sich im Confrater- 
nitätsbuch von St Gallen und Reichenau ein: Austanus). 


Nr. 
Nr. 


Nr. 40. 


Nr. 41. 


Nr. 42. 


. IQ. 


. 20. 
.2I. 


22: 
23. 
. 24. 
. 25. 
. 26. 


27: 
. 28. 
. 29. 
. 30. 
31; 


. 32. 


33: 
. 34. 


. 35. 


36. 
37: 


un 62 


Eberhardus. Confraternitätsbuch. Fragliches Diplom von 799. 
(Wegelin, Nr. 2.) 

Gwerdo (nicht belegbar). 

Alwicus, Diplom von 974. 13. X.; Liber viv. fab. ; ebendort 
der Kirchenschatz unter ihm, pag. 143. 

Hatto (unbelegbar). 

Immo, Diplom von 1067, März (Nr. 28). 

Wernherus (Werher des Confraternitätsbuches ?). 
Wipertus (unbelegbar). 

Vitalis, Diplom 877. 22. V. (Nr. 8). Lib. Confrat. Augiens, 
als Monachus. 

Grinbretus (unbelegbar). 

Asimbertus (unbelegbar). 

Victor (unbelegbar). 

Hetto (unbelegbar). 

Vdalricus, Confraternitätsbuch ; ebendaselbst der Kirchen- 
schatz unter ihm (p. 119). 


Hesso, Liber viv. (pag 177, wo der Kirchenschatz unter ihm 


aufgezählt wird). 
Johannes. Fragliches Diplom von 831. 9. Juni (Nr. 5). 


Werichinus (unbelegbar) ; später mit Werher des Confrater- | 


nitätsbuches (pag. 72, col. 68, 6) identifiziert. 

Hupoldus, wahrscheinlich Hleupoldus ; fragliches Diplom von 
992. 15. III. und fragliche Bulle von 998 (Nr. 2ı und 22). 
Ulricus (unbelegbar). | 

Syfridus (unbelegbar). 


Soweit die Eintragungen von erster Hand. Als unbelegbar sind 
dabei Nr. 18, 20, 22, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 34, 36, 37 zu betrachten. 
Mit fragwürdigen Diplomen sind 33 und 35 zu buchen. 

Von den Einträgen zweiter Hand sind: 

Nr. 38, 39. durch die Geschlechtsnamen auf sicher beglaubigte Abt: 


zu beziehen. 

Wernherus dürfte wohl der durch Diplom von 1125, 28. De. 
(W. Nr. 38) ziemlich sicher beglaubigte Abt Wernher I. 
sein. 

Hugo ist wohl Abt Hugo von Villingen, urkundlich belet 
1233-44 (Nr. 72-76). 

Ludewicus ist identisch mit dem von St. Gallen postulierte 
Abte, der urkundlich für 1221-32 belegbar ist (Nr. 67-70). 


Nr. 43. Rudolfus entweder Rudolf I., der mit einem fraglichen Diplom 
1161 belegbar ist ; wahrscheinlicher Rudolf II. von Bernang, 
der für 1253-63 (Nr. 82-88) belegbar ist. 

Nr. 44. Wichramus, sicher belegt durch Bulle von 1127 ; Liber vivent. 

Nr. 45. Geroldus, belegbar durch Diplom von 1110, 1116 ; Liber vivent. 

Nr. 46. Cuonradus, jedenfalls Konrad von Zwiefalten, der im Liber 
vivent. für 1206-14 nachzuweisen ist (Nr. 54-64). 

Nr. 47. Heinricus, belegbar mit Diplom von 1158 ; Liber vivent. 

Nr. 48. Swigherus, belegbar aus Liber vivent. 


Die Einträge von zweiter Hand sind also durchwegs belegbar. 
Zu bemerken ist, daß sich aus dem Liber viventium die unter Nr. III 
befindlichen Namen alle von zweiter Hand nachgetragen sind, mit 
Ausnahme der zwei: Werichinus und Hupold, die die erste Hand 
aufgeführt hat. 

Die Einträge von spätern Händen sind, wie schon die bei- 
gefügten zuverlässigen Todesdaten angeben, alle sicher nachweisbar. 

Dem Verfasser dieses Nekrologiums diente also als Quelle das 
Confraternitätsbuch ; denn mit Ausnahme der dort genannten Namen: 
Marquardus, Johannes de Mendelbüren, Georgius von Eroltzheim, 
finden sich sämtliche Namen des Confraternitätsbuches im Nekro- 
logium wieder. Daneben benutzte er auch einzelne Urkunden, wie 
die beigefügten Daten vermuten lassen. Für eine weitere Zahl von 
Namen, die sich ebenfalls urkundlich belegen lassen, wo im Nekro- 
logium aber keine Jahreszahlen gegeben werden, sowie für eine Reihe 
von Namen, die überhaupt nicht belegbar sind, müssen dem Verfasser 
noch andere, uns unbekannte Quellen zur Verfügung gestanden haben. 

Einen eigentlichen Äbtekatalog will uns der Liber aureus (fol. 29 a) 
bieten, wie die Überschrift sagt : Hec sunt nomina abbatum monasterii 
Fabariensis secundum ordinem sibi invicem succedentium. Daß diese 
Inschrift in doppelter Hinsicht unrichtig ist, werden wir noch sehen, 
denn sie bringt fürs erste nicht alle Namen der Äbte und zum zweiten 
bringt sie dieselben nicht in der chronologischen Reihenfolge. 

Wir bringen hier vorerst die Aufzeichnung, die sich in drei 
Kolonnen findet (fol. 29 a und b): 


I. Adilbertus. 5. Lupicinus. 9. Crispio. 
2. Gibba. 6. Vincencius. 10. Silvanus. 
3. Anastasius. 7. Marcianus. ıı. Maiorinus. 


4. Adalbertus. 8. Bercaucius. 12. Gebenius. 


13. Hartmannus 31. Udalricus. 48. Hugo 

ep. et ab. 32. Hesso. de Villingen. 
14. Hugo. 33. Johannes. 49. Rudolfus 
15. Bruning. 34. Wernherus. de Bernang. 
16. Richardus. 35. Geroldus. 50. Cunradus 
17. Salomon. 36. Werichinus. de Wolfurt. 
18. Augustanus. 37. Wicrammus. 51. Cunradus 
19. Eberhardus. 38. Hainricus. de Ruhenberg. 
20. Gwerdo. 39. Rudolfus. 52. Eglolfus 
21. Alwicus. 40. Swigerus. de Wollfurt. 
22. Hatto. 41. Hupoldus. 53. Hermannus 
23. Immo. 42. Birchtilo. de Arbona. 
24. Wernherus. 43. Ulricus. 54. Johannes 
25. Wipertus. 44. Syfridus. de Mendelbüren. 
26. Vitalis. 45. Rupertus. 55. Burchardus 
27. Grimbertus. 46. Cuonradus. de Wolfurt. 
28. Asimbertus. de Zwiveltun. 56. Wernherus 
29. Victor. 47. Ludwicus de Raitnaw. 
30. Hetto. de sancto Gallo. 


Ein erster Blick zeigt, daß der Kompilator dieses Katalogs als 
Vorlage das älteste Nekrologium benutzte ; denn die Namen I-33 stimmen 
vollständig mit den dort gegebenen Namen von 1-33 überein. Im 
Nekrologium folgt als 34 : Werichinus. Hier nun schob der Kompilator 
aus dem Liber aureus die dort unter Nr. III aufgeführten Namen 
der Reihe nach ein (Nr. 34-41). Den letzten der dort stehenden Namen : 
Hupoldus, fand er wieder im Nekrologium, unmittelbar auf Werichinus 
folgend (Nr. 35). Aus dem Nekrologium nahm er noch die beiden dort 
folgenden Namen : Ulricus und Syfridus herüber (Nr. 43 und 44) und 
fügte als 42 und 45 Birchtilo und Rupertus bei. Diese beiden Namen 
müssen auf dem verloren gegangenen Blatte des Nekrologiums gestanden 
haben!. Daß ihm das vollständige Nekrologium vorlag, geht daraus 
hervor, daß er die uns nur durch Stöcklins Kopie bekannten Namen 
Hetto und Vdalricus (Nr. 30 und 31) an richtiger Stelle eingefügt hat. 


2 Beide Namen finden sich im St. Gall. Totenbuch (M. G. Necr. I. 462), 
wo Birchtilo zum 5. IV., Ruodpertus zum 8. VI. vermerkt ist. Das jüngere 
Pfäfersernekrol. gibt indessen Ruodperts Todestag auf den 5. I. (Birchtilo 
fehlt), was eher stimmen kann; denn wäre es der 8. VI., dann müsste der 
Eintrag sich auch im ältesten Nekrol. finden. 


- 65 — 


Die auf Rupertus folgenden Namen, Nr. 46-56, finden sich im Nekro- 
logium von zweiter und dritter Hand eingetragen. Auch hier fehlen 
Johannes von Mendelbüren und Marquardus. 

Aus dem Umstande, daß wir bis Konrad von Zwiefalten die Äbte 
in der Reihenfolge haben, wie sie sich im Nekrologium findet, ergibt 
sich, daß die Überschrift : secundum ordinem sibi invicem succedentium 
unrichtig ist. Wir haben keine Reihenfolge der Äbte ihrer Regierungs- 
zit nach, sondern müssen erst an Handen der uns verbliebenen 
urkundlichen Belege eine solche herzustellen suchen. Die Namen, die 
sich für das Nekrologium nicht belegen ließen, lassen es sich selbst- 
verständlich hier auch nicht. Die Namen von Konrad von Zwiefalten 
(Nr. 46) an sind alle urkundlich belegbar. Der Kompilator hat sie 
hier nicht, wie sie im Nekrologium sich finden, aufgeführt, sondern, 
wohl anhand von Urkunden, ihrer Regierungsfolge nach. Erst von 
da an haben wir daher einen Katalog, der sich mit der Regierungszeit 
der Äbte deckt. Die im Nekrologium gegebenen fünf Daten hat der 
Kompilator wohl mit Absicht nicht herübergenommen, weil sich eben 
daraus schon ergibt, daß eine chronologische Reihenfolge nicht vorliegt. 

Dazu kommen nun freilich außer den bisher genannten Namen 
noch zwei, die uns bis dahin nicht begegnet sind, die aber durch 
sichere Urkunden nachgewiesen werden können, nämlich Abt Salomon, 
der durch Diplom König Ludwigs von 905, König Konrads gı2 und 
eine Urkunde von 909 vertreten ist (Wegelin, Nr. ıı, 12, 13) und Abt 
Erenbreht, für den ein Diplom Otto I. von 949 vorliegt (Wegelin, 
Nr. 15). Zwei weitere Äbte, Salamannus (861, Nr. 7) und Enzelinus 
(958, Nr. 16), sind nur durch fragwürdige Diplome nachzuweisen. 

Auf Grund dieser Darlegungen läßt sich nun allerdings kein 
chronologisch zuverlässiger Katalog aufstellen, denn jenen Äbten, für 
die ein urkundlicher Beleg fehlt, kann kein bestimmter Platz angewiesen 
werden ; die im Liber viventium aufgeführten dürften allerdings in der 
dort angegebenen Reihenfolge angesetzt werden. Man wird sich darum 
an die Klostertradition halten müssen, wie sie der Chronist von Pfäfers, 
P. Gerold Suiter, in seiner mehrfach erwähnten Chronik festgelegt hat. 
Wir geben seinen Katalog unter Beifügung der Belege für die einzelnen 
Abte; die von Suiter gegebenen, keineswegs sichern Regierungsdaten 
fügen wir in Klammer bei. 

I. Adalbertus C. = Liber viv. (720-24). 4. AdalbertusC. (727-38). 

2. Gibba C. (724-27). 5. Lupicinus C. (738-47)- 

3. Anastasius C. (727-31). 6. Vincencius C. (747-55)- 


REYUE DHISTOIRE ECCLESIASTIQUE ö 


u 66: 


. Marcianus C. (755-64). 

. Bercaucius oder Bertrantius C. 770 ? (76478). 

. Crispio C. (778-80). 

. Asymbertus N. = Necrologium (780-84). 

. Richardus C. (Disentis ?) (784-92). 

. Bruning C. (Disentis ?) (792-96). 

. Eberhardus N, 799 ? (796-803). 

. Wernherus I. (= Werichinus ?) C.N. (803-1T). 

. Gwerdo N. (811-14). 

. Gebene C. 819 ? (814-26). 

. Joannes I. 831 ? (826-38). 

. Silvanus 840 (838-51). 

. Salmannus 861 ? (von Suiter nicht gezählt). 

. Victor N. (851-67). 

. Vitalis 877 (867-77). 

. Hugo 889 ? (877-93). | 
. Salomon I. 905, 909, 912 (893-919). Seine Stelle vertraten ın 


Pfäfers (nach Suiter) Augustanus N.; Hatto N. (913); 
Hetto N. (931) ; Hesso C. ; Wiptertus N. 


. Ehrenbreht 949 (949-53). 

. Enzelinus 958 ? (958-61). 

. Maiorinus 972 (961-72). 

. Alwicus 974 (972-94). 

. Hupoldus 992, 998 ? (992-1012). 

. Hartmannus 1019 ? (1012-24). 

. Salomon II. 1032-1040 (1024-41). 

. Birchtilo 1050 ? (1040-53). 

. Immo 1067 (1053-67). 

. Udalricus (Ulricus) C. N. (1067-80). 

. Wernerus II. (= Werichinus ?) N. (1080-94). 

. Geroldus Io, III6 (I094-IIIO). 

. Wernerus III. 1125 (1119-26). 

. Wicrammus 1127 (1126-51). 

. Heinricus de Arbon ı158 (II51ı-60 und 1177-81). 
. Rudolfus 1161 ? (1160-77) C. 

. Swigerus 1182 ? (1181-093) C. 

. Rupertus 1196, 1201 ? (1193-1202) = Rudolfus ? 
. Conradus de Zwifalten 1206-14 (1202-20). 

3. Ludovicus de S. Gallo 1212-32 (1220-33). 


. Hugo de Villingen 1233-44 (1233-45). 

. Rudolfus de Bernang 1253-63 (1245-64). 

. Conradus de Wolfurt 1265-79 (1265-82). 

. Conradus de Ruhenberg 1282-1324 (1282-1324). ' 
. Eglolfus de Wolfurt 1329-30 (1325-30). 

. Hermannus de Arbon 1330-61 (1330-61). 

. Johannes de Mendelbüren 1362-86 (1361-88). 

. Burcardus de Wolfurt 1386-1416 (1389-1416). 
. Wernerus de Raitenau 1416-35 (1416-35). 

. Wilhelm de Mosheim 1435-46 (1435-42). 

. Fridericus de Raitenau 1446-78 (1445-78). 

55- 
56. 
57. 


Johannes Berger 1478-83 (1478-83). 
Georgius ab Erolzheim 1483-88 (1483-88). 
Melchior de Hörlingen 1490-1504 (1489-1508). 


Katalog der Äbte auf Grund vorliegender Arbeit zusammengestellt. 


I. Liste der Äbte, deren Name sich im Liber viventium (A) oder 
im ältesten Nekrologium (B) findet, die aber urkundlich nicht zu 


belegen sind. 
A. Adalbertus. B. Augustanus. 
Gibba. Gwerdo. 
Anastasius. Hatto. 
Adalbertus. Wernherus. 
Lupicinus. Wipertus. 
Vincencius. Grinbretus. 
Marcianus. Asimbertus. 
Crispio. Victor. 
Udalricus (Kirchenschatzver- Hetto (ob identisch mit dem 
zeichnis). oben genannten Hesso ?). 
Hesso (dito). Werichinus. 
Marquardus (ob Pfäfers ?). Ulricus (wohl identisch mit dem 
Bruning (ob Disentis ?). oben aufgeführten Udalricus). 
Richardus (dito). Syfridus. 
2. Liste der Äbte, die mit echten oder fraglichen (?) Urkunden 
belegbar sind. 
Bercaucius, 770 ? Liber viv. Johannes, 831 ? 
Eberhardus, 799 ? Silvanus, 840. 


Grebenius, 819 ? Liber viv. Salmannus, 861 ? 


Vitalis, 877. 

Hugo, 889 ? 

Salomon, 905, 909, 912. 

Erenbreht, 0949. 

Enzelinus, 958. 

Maiorinus, 972. 

Alwicus, 074. 

Hupoldus, 992, 9098 ? 

Hartmann, 1019 ? 
(Kirchenschatz). 

Salomon II., 1032-1040. 

Birchtilo, 1050 ? 

Immo, 1067. 

Geroldus, IIIO, III6. 

Wernherus, 1125 ? 

Wicrammus, I127. 

Heinricus, 1158. 

Rudolfus, 1161 ; Liber viv. 

Swigerus, 1182 ; Liber viv. 


Liber viv. 


68 — 


Rupertus, 1196, 1201 ? 
Conradus de Zwifalten, 1206 bis 
1214 belegbar. 
LudovicusdeS.Gallo, 1221 bis 1232. 
Hugo de Villingen, 1233-44. 
Rudolfus de Bernang, 1253-63. 
Conradus de Wolfurt, 1265-79. 
Conradusde Ruhenberg, 1282bis1324. 
Eglolfus de Wolfurt, 1329-30. 
Hermann de Arbon, 1330-61. 
Johannes de Mendelbüren, 
bis 1386. 
Burchardusde Wolfort, 1386 bis 1416. 
Werner de Raitenau, 1416-35. 
Wilhelm de Mosheim, 1435-46. 
Fridrich de Raitenau, 1446-78. 
Johannes Berger, 1478-83. 
Georgiusde Eroltzheim, 1483 bis 1488. 
Melchior de Hörlingen, 1490-1504. 


1362 


Bei dieser Aufstellung ist indessen zu beachten, daß Suiter 
Grinbretus, der im Nekrologium als Abt beglaubigt ist, nicht aufführt ; 
ebenso Marquardus nicht, der sich im Liber viv. findet und den aus- 
zuschließen keine zwingenden Gründe vorliegen. Salmannus_ identi- 
fiziert er wohl mit Salomon, was hingehen mag. Ob aber Werichinus 
mit Wernherus sich deckt, ist sehr fraglich, denn beide Namen finden 
sich im Nekrologium. Die Identifizierung von Udalricus und Ulricus 
läßt sich wohl ohne weiteres rechtfertigen. Dagegen schiebt Suiter 
im XIV. und XV. Jahrhundert noch zwei Äbte ein, die durchaus 
unhaltbar sind. Udalricus, der von 1330-31 regiert haben soll und 
durch ein unechtes Diplom belegbar ist, findet keinen Platz in der 
Äbtefolge aus dieser Zeit. Nicolaus von Marmels, 1435-39, war Abt 
von Disentis von 1439-48 ; für Pfäfers ist er nicht beglaubigt. Die 
Annahme Suiters, daß für Abt Salomon von St. Gallen sechs Äbte 
die Stelle in Pfäfers vertreten hätten, ist weiter nicht beglaubigt. 

Abschließend ist zu sagen, daß wir für Pfäfers überhaupt keinen 
chronologisch zuverlässigen Äbtekatalog aufstellen können. Man wird 
sich damit begnügen müssen, die Äbte, deren Name verbürgt ist und 
jene, die urkundlich belegbar sind, gesondert aufzuführen, wie wir es 
im vorausgehenden getan haben. 


KLEINERE BEITRÄGE. — MELANGES. 


Die hl. Wiborada und die Gräfin Wendelgard. 


Ein Beitrag zur Wiborada-Kontroverse. 


Ekkehart IV., der Chronist des Klosters St. Gallen, erzählt in seinen 
Casus ! eine Episode, die in einem früheren Hefte dieser Zeitschrift ? bereits 
schon gestreift wurde und die wir hier als bekannt voraussetzen. Es ist 
die sogenannte Wendelgardgeschichte. Zwar scheint Ekkehart, wie schon 
in der soeben zitierten Arbeit betont wurde, die Legende von Udalrich 
und Wendelgard als wirkliche Begebenheit aufgefaßt und wiedergegeben zu 
haben. Daß sie aber gleichwohl nur im Kerne als historisch zu nehmen 
ist, dafür spricht nicht bloß der Umstand, daß die Wiedererkennungsszene 
der Gegenstand mehrerer Heimkebrsagen bildet, dafür spricht auch der 
Umstand, daß weder einer der Lebensbeschreiber der hl. Wiborada noch 
irgend eine andere der uns noch erhaltenen Quellen von ihr zu berichten 
weiß; dafür spricht ferner auch, daß Ekkehart in dieser Erzählung 
Behauptungen aufstellt, die mit historisch gesicherten Angaben nicht in 
Einklang gebracht werden können, wie die Angabe, Wendelgard sei eine 
Enkelin König Heinrichs gewesen, während es doch feststeht, daß Heinrich 
ihr Zeitgenosse war, sofern man überhaupt einen geschichtlichen Kern 
gelten lassen will. Wenn aber eine jede Legende ihren geschichtlichen 
Hintergrund hat, so muß das auch bei der unsrigen der Fall sein, und so 
möchten wir denn im folgenden diesen geschichtlichen Kern aus der 
Wendelgardlegende herausschälen. 

Als die Träger der Legende erscheinen : ein Graf Ulrich und dessen 
Gemahlin Wendelgard von Buchhorn, ihr Sohn Burkhard, der spätere 
Abt von St. Gallen, der Abtbischof Salomon von Konstanz, die hl. Wiborada 
und die sel. Rachild. 

Als geschichtlich unbestritten darf in erster Linie die Persönlichkeit 
Salomons genannt werden, der im Jahre 890 Abt von St. Gallen und 
Bischof von Konstanz geworden und diese beiden Ämter bis zum 5. Januar 
920, d. h. bis zu seinem Tode inne hielt. Geschichtlich ist ferner auch 
die Gestalt der hl. Wiborada, die nach genügend verbürgten Quellen im 
Jahre 916 bei St. Mangen eingeschlossen wurde und im Jahre 926 eben 
dort den Martyrertod erlitt. Historisch bezeugt ist ferner die Einschließung 
der sel. Rachild neben Wiborada, bei St. Mangen, im Jahre 921, sowie 
deren Tod daselbst im Jahre 946. Geschichtlich erwiesen ist weiter die 


1 St. Galler Mitteilung, XV.-XVL., cc. 82 ss. 
® Die Biographen der hl. Wiborada. XX. J. III. H. 


Angabe über Buchhorn (das heutige Friedrichshafen), welches im X. Jahr- 
hundert die Pfalz der Grafen von Linzgau war. Geschichtlich bezeugt 
ist auch die Gestalt eines Grafen Ulrich von Buchhorn, der im Jahre 913 
mit den schwäbischen Pfalzgrafen Erchanger und Berthold am Inn eine 
glänzende Schlacht gegen die Ungarn geschlagen und gewonnen hat. Zu 
den Jahren 915, 917 und 919 werden ferner von den Annalisten Ungarn- 
einfälle gemeldet, die für den Ungarnkrieg und die Gefangennahme eines 
Grafen Ulrich in Frage kommen können. Dieser Graf kann der Ungan- 
besieger vom Jahre 913, seines Namens der IV., oder dessen Sohn, 
Ulrich V., gewesen sein. Als geschichtlich bezeugt darf endlich auch der 
von Ekkehart erwähnte Abt Burkhard « der Ungeborene » genannt werden, 
da die größeren St. Galler Annalen zum Jahre 958 die Wahl eines Abtes 
Burkhard melden und diesen als «vir nobilis ex antiyuorum regum 
prosapia ortus, sapiens et pulcher et decorus aspectu » charakterisieren. 

Durch keine andere Quelle aber wird bezeugt : die Gestalt der Gräfin 
Wendelgard, der Auszug Ulrichs in den Ungarnkrieg, in welchem er 
gefangen genommen und in Feindesland verschleppt wurde, seine Heim- 
kehr, sowie die damit im Zusammenhang stehenden Ereignisse. 

Die Quellenkritik hat daher den Versuch gemacht, in dieses Dunkel 
etwelches Licht zu bringen, aber mit wenig Erfolg. Die diesbezüglichen 
Ergebnisse sind eher dazu angetan, die letzten Reste von Vertrauen in 
die Glaubwürdigkeit der uns von Ekkehart überlieferten Wendelgard- 
geschichte zu erschüttern. ? Wir gehen mit jenen Ausführungen nicht in 
allen Punkten einig und halten daher diese, sowie die folgenden Aus- 
führungen für berechtigt. 

Unser Ausgangspunkt ist das Todesdatum Salomons III., das unbe- 
stritten auf den 5. Januar 920 fällt. Daraus ergibt sich sogleich der Schluß, 
daß sich Wendelgard nach Ekkehart spätestens im Jahre gıg in St. Gallen 
bei der Klause der hl. Wiborada niedergelassen hat, da sie nach dem 
Chronisten die Erlaubnis hiezu bei Bischof Salomon einholen mußte. Da 
Wendelgard aber nach der Aussage Ekkeharts im Anfange des vierten 
Jahres ihres Aufenthaltes in St. Gallen wieder nach Buchhorn zurück- 
kehrte, muß ihr Aufenthalt in St. Gallen spätestens in die Zeit von 9I9 
bis 923 gesetzt werden. ? Darnach muß nach Ekkehart die Gefangenschaft 
des Grafen in die Zeit vor 919 fallen. Das aber ist auch nach der Angabe 
der Annalisten möglich, die zu den Jahren 915 und 917 Ungarneinfälle 
berichten. Nach Ekkehart muß weiter die Geburt Burkhards «des 
Ungeborenen » in das Jahr 924 fallen, sodaß der im Jahre 958 zum Abte 
Gewählte erst 34 Jahre zählte. Das aber steht durchaus im Einklang 


I St. Gäller Mitteilung. 1. c., n. 980, n. 995 u. a. E. Knapp, Udalrich und 
Wendelgard, in Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees, Heft 42, p- ®- 

2 E. Knapp gründet seine Datierung (916-920) auf die Annahme, daß Ulrich 
noch zu Lebzeiten Salomons zurückgekehrt sei, welche Annahme sich wiederum 
auf die Behauptung Meyer von Knonaus stützt, Wendelgard sei von Salomon 
von ihrem Gelübde enthoben worden, eine Annahme, die wir unten entkräftet 
zu haben glauben. Vergl. E. Knapp a. a. O., und St. Galler Mitteilung. a. a. 0. 


6 — — 


mit allem, was Ekkehart später über das jugendliche Alter dieses Abtes 
berichtet. Ekkehart sagt ferner, Wendelgard habe den Wunsch geäußert, 
nach Rachild selber eingeschlossen zu werden. Das setzt voraus, daß 
Rachild gleichzeitig mit Wendelgard in St. Gallen lebte. 

Das aber wird wiederum von den verbürgten Quellen bezeugt, nach 
denen Rachild im Jahre 921 bei St. Mangen neben Wiborada eingeschlossen 
wurde. Von jener Rachild aber sagt Ekkehart, ihr Körper sei mit 
Geschwüren bedeckt gewesen, so zwar, daß sie dem Tode entgegen zu 
gehen schien. Diese Aussage aber wird auch von Hepidan, dem zweiten 
Lebensbeschreiber Wiboradas, bezeugt, wenn er von Rachild, die noch 
nicht eingeschlossen war, schreibt, sie sei, nachdem sie bereits schon 
einmal schwer krank ! darniedergelegen, wiederum so schwer erkrankt, 
daß sie an ihrem Leben verzweifelte. ? 

Wenn aber Meyer von Knonau, der Herausgeber der Casus, den 
fraglichen Satz : post Rachildam, quae passim in corpore .... ulcerosa 
cottidie emori visa est, includi optaverit, also interpretiert, daß Ekkehart 
damit sagen wollte, Wendelgard habe die mit dem Tode der Rachild frei 
werdende Zelle erstrebt?, so können wir diese Auffassung nicht teilen. 
Der Chronist hat unseres Erachtens hier nicht den Tod, sondern die Ein- 
schließung Rachilds im Auge gehabt, so daß der Sinn des Satzes lautet: 
Wendelgard wünschte nach der Einschließung der Rachild auch ein- 
geschlossen zu werden. Diese Auffassung liegt deshalb nahe, weil Wendel- 
gard gerade in der Zeit der Einschließung Rachilds in St. Mangen lebte. 

Wenn Meyer von Knonau ferner behauptet, nach Ekkehart habe 
der am 5. Januar 920 verstorbene Salomon am 8. September des gleichen 
Jahres Rachild eingeschlossen und später noch Wendelgard ihres Gelübdes 
entbunden, so unterschiebt er unseres Erachtens dem Chronisten hier 
wieder Dinge, die dieser weder gesagt hatte noch sagen wollte. Daß Rachild 
von Salomon eingeschlossen worden, sagt Ekkehart nirgends. Daß aber 
Wendelgard von Salomon ihres Gelübdes entbunden worden, will Ekkehart 
Dicht sagen. Der fragliche Satz lautet zwar: repetit uxorem, quam Deo 
le subarraverat, ab episcopo Uodalricus. € Wer aber der Bischof gewesen 
sei, durch den Wendelgard vom Gelübde entbunden worden, sagt Ekkehart 
bier nicht. Daß nicht notwendig Salomon gemeint sein muß, geht schon 
daraus hervor, daß weder in diesem Kapitel noch in den drei vorher- 
gehenden von Salomon die Rede ist. Daß aber nicht Salomon, sondern 
aur dessen Nachfolger gemeint sein kann, geht aus dem Zusammenhang 
hervor. Dieser Auffassung war wohl auch Meyer von Knonau später selber, 
als er in der deutschen Ausgabe von Ekkeharts Klosterchronik den obigen 


! frigoretico morbo non modice vexabatur. Goldast, Scriptores, vita Wiboradae 
6.27; 
! Quodam tempore aegrotabat, et ex nimia infirmitate in desperatione vitae 
jacuit. Goldast, 1. c., c. 29. 

? St. Galler Mitteilung. a. a. O., p. 300, n. 995. 

* St. Galler Mitteilung. a. a. O., p. 303, c. 85. 


Satz also wiedergab : Ulrich fordert die Gattin, welche der Bischof Gott 
verlobt hatte, vom Bischof zurück. 

Wir glauben also mit unseren Ausführungen gezeigt zu haben, daß 
die Wendelgardgeschichte Ekkeharts, soweit sie von anderen Quellen 
bezeugt wird, mit diesen Quellen in Einklang gebracht werden kann und 
erlauben uns daher, auf Grund dieser Ausführungen den geschichtlichen 
Kern jener Legende folgendermaßen zu fixieren : Graf Ulrich von Buchhorn, 
seines Namens V., zog in den Ungarnkrieg des Jahres 915 oder 917. Er 
kehrte aber aus demselben nicht mehr zurück, sondern wurde gefangen 
in Feindesland geschleppt. Umsonst harrte seine trauernde Gemahlin, 
die Gräfin Wendelgard in Buchhorn, auf die Rückkehr ihres Gemahles. 
Sie hielt ihn endlich für tot, verließ die Welt und zog mit der Erlaubnis 
ihres Bischofs, Salomons III., nach St. Gallen, wo sie neben der Klausnerin 
Wiborada eine Kemenate bezog und mit Rachild, einer zweiten adeligen 
Tochter, nach Anleitung Wiboradas zum Klausnerleben sich entschloß, 
darin solche Fortschritte machte, daß sie anläßlich der Einschließung 
Rachildens den Wunsch äußerte, selber eingeschlossen zu werden. 

Da kelırte zu ihrer großen Überraschung Ulrich aus der Gefangen- 
schaft zurück, und Wendelgard wurde durch den Bischof, den Nachfolger 
Salomons, ihres Gelübdes enthoben und ihrem rechtmäßigen Gemahl 
wieder zurückgegeben. Die glücklichen Eltern aber weihten ein ihnen 
noch einmal geschenktes Knäblein aus Dankbarkeit dem Kloster des 
hl. Gallus, wo das Kind heranwuchs, Mönch und schließlich Abt des 
Klosters wurde. Es war Burkhard I., der von 958-971 dem Kloster 
vorstand. - 
E. Schlumpf, St. Gallen. 


Zur Forschung über die hl, Ida von Toggenburg. 


Die in den kleineren Beiträgen der Zeitschr. für Schweiz. Kirchen- 
geschichte XXI (1927) genannte Gräfin Ida von Toggenburg (} 1394). 
Gemahlin des Grafen Rudolf des jüngeren von Hohenberg (t 1386), ist 
eine Hauptwohltäterin der ersten und vorzüglichsten Armenstiftungen zu 
Rottenburg, nämlich des Heilig-Geist-Spitals, 1361 gegründet von Cunrad 
Unger, Kaplan an der Dreifaltigkeitskapelle, welche an Stelle des zu 
errichtenden Spitals stand. 

Unsere Gräfin Ida von Toggenburg machte beträchtliche Stiftungen 
zu Gunsten der Anstalt, und mit ihr viele andere Adeligen und Bürgers- 
leute. (Oberamtsbeschreibung Rottenburg, Stuttgart und Tübingen 1823, 
und ÖOberamtsbeschreibung Tübingen, Stuttgart 1867.) 

Eine Geschichte dieses Spitals könnte unter Umständen neue Wege 
zeigen, die bei den Forschungen über die Idalegende zu gehen wären. 
Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp ? 


J. Kreienbühler. 
— in — 


REZENSIONEN. — COMPTES RENDUS, 


Festgabe zum diamantenen Priesterjubiläum des Hochw. Herrn P. Gregor 
Müller O. Cist. Bregenz, Druck von E. Ruß. Gr. 8°, 126 Seiten. 


Inhalt : P. Thomas Abele, Zwei Hirtenbriefe des Zisterzienser-Erz- 
bischofs von Evora, D. Fr. Fortunatus a. s. Bonaventura. — P. Othmar 
Baumann, Beiträge zu den « Studien über das Generalkapitel ». —- P. Eber- 
hard Friedrich, Antiquarisches. — P. Bruno Griesser, Schreibstube und 
Bibliothek des Klosters Heilbronn unter Abt Heinrich von Hirschlach 
(1282-1317). — Generalabt Dr. Kassian Haid, Heinrich, der Kanzler 
Kaiser Heinrichs VII. — P. Basilius Haensler, Einiges über die Seiten- 
wunde Jesu Christi nach dem hl. Bernhard. — P. Leonhard Peter, Die 
Apostolischen Nuntien in der Schweiz und die dortigen Zisterzienser- 
abteien zur Zeit der Gegenreformation. — P. Paul Sinz, Die Natur- 
betrachtung des hl. Bernhard. — P. Maurus Stratz, Der Zisterzienser- 
Kardinal, Rainer Capocci. — P. Leodegar Walter, Johann von Geilnhausen, 
Mönch und Abt von Maulbronn, auf dem Konzil zu Basel, 1431-34. — 

Zum diamantenen Priesterjubiläum (1866-1926) widmeten einige Mit- 
brüder dem hochverdienten Begründer und Schriftleiter der Zisterzienser- 
Chronik die obgenannten Aufsätze, die in ihrer Gesamtheit ein schönes, 
wertvolles, literarisches Geschenk bedeuten. Wie schon der bezügliche 
Titel verrät, berührt der letzte Beitrag auch die Schweiz. Johann war 
Gesandter an Kaiser Sigismund und betätigte sich namens der Konzils 
in lebhafter Weise für eine Wiedergewinnung der Hussiten. — Besonders 
nahe geht uns begreiflich die Abhandlung über die Nuntien und ihre Stellung 
zu den Zisterzienserklöstern Altenryf, Wettingen und St. Urban. Aus 
einer ganzen Aktenreihe werden die einschlägigen Bemerkungen über die 
Zisterzienser gesammelt und zu einem anschaulichen Bilde vereinigt. Daß 
Bonhomini den Urkantonen « bekannt und willkommen » gewesen, ist 
freilich nur mit Vorbehalten und Abstrichen richtig. Der Titel « Anti- 
quarisches » ist zu allgemein. Niemand erwartet unter dieser Ankündigung 
alte Regeln über die Tischlesung. 

E. W. 


Festgabe zur neunten Jahrhundertfeier der Gründung des Benediktiner- 
süttes Muri-Giries. 1027-1927. Sarnen, Buchdruckerei Ehrli, 1927. 245 S. 


Diese mit dem Bilde von Abt Alfons geschmückte Festschrift umfaßt 
folgende Beiträge, die sämtlich von Konventualen des Stiftes Muri-Gries 
verfaßt sind : ı. Zur goo-jährigen Gründungsfeier des Stiftes Muri-Gries, 
von Dr. P. Rupert Hänni, eine poetische Verherrlichung dieses Festtages. — 


2. Die ältesten Geschichtsquellen des Klosters Muri im Lichte der neueren 
Forschung von Dr. P. Bruno Wilhelm, eine kritische Würdigung der viel- 
bestrittenen Überlieferung und glückliche Zusammenfassung der bis- 
herigen Wandlungen und Ergebnisse der gelehrten Forschung bis auf die 
neueste Zeit. Durch vorsichtige Abwägung der Resultate gelangt Verfasser 
im Widerstreit der Meinungen zu einer mittleren Lösung, indem er die 
Entstehung des Hauptteiles der Acta Murensia in die Mitte des XII. Jahr- 
hunderts verlegt. In bezug auf die Frage der Echtlieit des Testamentes 
von Bischof Werner gelangt er in durchaus selbständiger Prüfung zu der 
neuen Lösung, daß wir hier eine Fälschung vor uns haben, deren Entstehung 
er mit Steinacker in die Jahre 1082 bis 1086 verlegt. Als Gesamtergebnis 
dürfen wir festhalten: Die A. M. sind eine der interessantesten, zuver- 
lässigsten und gehaltvollsten Klostergeschichten ihrer Zeit, Mitte de 
XII. Jahrhunderts verfaßt vom Reformabt Bruno, ohne wesentliche 
Umarbeitung durch einen spätern Anonymus. Von den ältesten Urkunden 
Muris dürfen die Kardinalsurkunde und das Diplom von Iıı4 als echt 
angesehen werden. Über Zeitansatz und Tendenz der Fälschung gehen 
die Ansichten auseinander. — 3. Die rechtlichen Beziehungen des Stiftes 
Muri-Gries zu den Diözesanbischöfen von Dr. P. Hugo Müller. — 4. En 
lateinisches Sakramentsspiel aus dem Jahre 1586 mit Bruder Klaus al; 
Hauptzeugen, von P. Jakob Gretser. Herausgegeben von Dr. P. Emanuel 
Scherer. — 5. Lateinische Distichen auf Schweizer Heilige, von P. Jakob 
Gretser. Herausgegeben von Dr. P. Em. Scherer. — 6. Briefe deutscher 
Künstler aus Roman Friedrich von Hurter. Mitgeteilt von P. Em. Scherer. 
Enthalten interessante Aufschlüsse zur Geschichte der deutschen Stiftungen 
Roms, Santa Maria dell’ Anima, sowie des Campo Santo. — 7. Briefe von 
Konstantin Siegwart Müller an P. Leodegar Kretz. Mitgeteilt von 
P. Em. Scherer. Ergänzungen zu den von demselben im Jahresbericht 
von Sarnen 1923/25 herausgegebenen Briefen Siegwarts an Hurter mit 
guten Anmerkungen und angenehmen Namensregistern. 


Albert Bücht. 


Gustav Schnürer. Kirche und Kultur im Mittelalter. II. Band. 
Ferdinand Schöningh, Paderborn 1926. x und 561 Seiten. Gr. 8°. 
Broschiert G.-M. ı1.— Ganzleinen G.-M. 13.—. 


Es war mir eine besondere Freude, den ersten Band dieses Mionumental- 
werkes, der die Grundpfeiler (I. Buch) und die erste Bildung der abend- 
ländischen Kulturgemeinschaft (II. Buch) zeichnete, in dieser Zeit- 
schrift XIX (1925), 235-238, besprechen zu dürfen. Mit erhöhter Freude 
begrüßte ich das Erscheinen des vorliegenden zweiten Bandes, der uns als 
kundiger Führer in die Hochblüte mittelalterlicher Kultur geleitet. Leider 
verhinderten mich eine Reihe ungünstiger Umstände an der sofortigen 
Besprechung dieser bedeutungsvollen Neuerscheinung. 

Der erste Band schloß mit der ersten Kulturblüte unter Karl dem 
Großen. Im zweiten Band behandelt Schnürer zuerst die Übergangszeit 


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vom IX. bis Xl. Jahrhundert, in der die Kirche im Dienste der nationalen 
und feudalen Machthaber stand, aus dem sie die Reformbewegung der 
Cluniazenser (III. Buch) befreite. 

Nach dem Tode Karls des Großen zerfiel das Einlieitsreich der Franken. 
Die fränkische Reichskirche wurde bei dem Zerfall des kavolingischen Reiches 
($ 1) arg in Mitleidenschaft gezogen. Ihre Expansionskraft erlahmte ; dem 
hl. Ansgar, dem verdienten Apostel des Nordens, fehlten die opferfreudigen 
Missionäre, die seinen Arbeiten einen nachhaltigen Erfolg sicherten. Die 
deutschen Bischöfe hatten für das selbstlose Wirken dieses wahren 
Benediktusiüngers kein Verständnis mehr, sondern gingen in Sorgen um 
die Staatsgeschäfte auf und ließen sich zu Dienern der weltlichen Macht- 
haber erniedrigen. Umsonst erhoben edel gesinnte Männer Einspruch. 
Eine verzweifelte Stimmung entstand bei manchen Anhängern der alten, 
kirchlichen Ordnung. Zu deren Schutz ergriff eine kleine skrupellose Gruppe 
verzweifelte Mittel und schuf die berüchtigten großen kirchenrechtlichen 
Fälschungen, von denen Schnürer eine verständnisvolle Erklärung gibt. 

Die beginnende Nacht erfaßte auch die höchsten Gipfel kirchlicher 
Würden. Wohl sehen wir noch einen großen Papst, Niklaus I. (gest. 867), 
der mit der ganzen Kraft wahrer Überzeugung und überragender Autorität 
der Sittenlosigkeit entgegentrat, selbst wenn sie auf Königsthronen saß ; 
en Hort der moralischen Einheit des Abendlandes, leider nur vorüber- 
gehend, wie ein Meteor. Die traurigen äußern Verhältnisse drückten auch 
das Papsttum tief darnieder. Der politischen Auflösung des Franken- 
reiches folgten auch landeskirchliche Sonderströmungen. Als deren typischen 
Führer zeichnet uns Schnürer den nach hohen Zielen strebenden Erzbischof 
Hinkmar von Reims für das westfränkische Reich und den Metropoliten 
Hatto von Mainz für Ostfranken. Die Bedeutung dieser beiden Kirchen- 
fürsten zeigt sich schon darin, daß sie die Krönung ihrer Könige vorzu- 
nehmen beginnen und so die Zweiteilung der Gewalten vorbereiten, welche 
für die abendländische Kultur in ihrem Werden von großem Vorteil war. 
:Damit wurden sowohl einer kurzsichtigen Theokratie wie einem die 
Kirche fesselnden Staatskirchentum Hemmschuhe angelegt.» Wie sich 
die Metropoliten vom kirchlichen Zentrum entfernten, so drohten auch 
viele der niedern Geistlichen dem Einfluß ihres Bischofs entgegen zu werden 
durch begüterte Laien, die auf ihrem Grund und Boden Kirchen und 
Kapellen bauten und sie als Eigenkirchen, und den Geistlichen, der daran 
angestellt war, wie einen Dienstmann betrachteten, über den sie ähnlich 
verfügen wollten wie über ihre Hörigen. Neben der Gefahr eines ungesunden 
lLaienregimentes hatte die Kirche auch noch viele Überreste des ab- 
sterbenden Heidentums zu bekämpfen : Gottesurteile, Zauberwahn und 
Hexenglaube. Sie tat es leider im Norden der Alpen nicht immer mit dem 
gleichen kritischen Sinn wie im Süden, indem sie alten Zauberformeln 
Ihre Segnungen und den Gebrauch geweihter Gegenstände entgegensetzte. 

ı Die kräftigste Gegenwirkung gegen die Gefahren, welche diese Zeiten 
der Naturalwirtschaft und des kritiklosen Naturglaubens brachten, bot 
die Vermehrung der geistigen Kräfte, die gepflegt wurden in den Schulen. 
Dort waren die Hüter der alten Traditionen besonders die Klöster, die 


auch am besten die ideale Gesinnung » selbst in den Zeiten des Verfalls 
hegten. Das zeigt uns Schnürer in seinem interessanten Bild des geistigen 
und künstlerischen Strebens im IX. Jahrhundert ($ 2). Als bedeutendste 
Gelehrte dieser Zeit charakterisiert uns der Verfasser den Schotten Johannes 
Eriugena am Hofe Karls des Kahlen und den einflußreichen Lehrer von 
Fulda und spätern Erzbischof von Mainz, Hraban Maurus, dem der Streit 
um den Mönch Gottschalk persönlich nahe ging. Unter den damals hervor- 
ragenden Klöstern interessieren uns besonders Reichenau mit Walahfrid 
Strabo und St. Gallen mit Notker, dem Stammler. Dort sehen wir auch 
in morgenfrischem Licht die ersten Übersetzungen in die Volkssprache 
und die Anfänge deutscher Dichtung. Von dieser originalen Tätigkeit 
lenkt uns der Verf. auf die lateinische Schriftstellerei, die sich nach seiner 
trefflichen Charakteristik auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft 
eng an die Muster der Alten anschließt, und nur in der Theologie sich selb- 
ständig zu bewegen versucht. Die geistige Sonderstellung Italiens, wo sich 
etwas von der alten Städtekultur und Laienbildung erhalten hatte, tritt 
noch deutlicher auf dem Gebiet der Kunst hervor. Auch hier entwickelte 
sich das Abendland selbständig und schuf den romanischen Kirchenbausti! 
und manch ansehnliches Stück der Elfenbeinplastik wie der Miniaturmalereı. 

Gegen Ende des IX. Jahrhunderts erfolgte ein allgemeiner Verfall, 
der besonders in Frankreich und Italien verhängnisvoll zu werden drohte. 
Bischofskirchen und Klöster kamen in die Hände der streitenden Großen. 
Nicht besser erging es dem Papsttum. Es wurde der Zankapfel römischer 
Adelsparteien, bis ihm Rettung kam aus dem ostfränkischen Reich. Dort 
erstarkte die Königsmacht mit Hilfe der Bischöfe bald unter Otto I. und 
ermöglichte die Begründung des römischen Kaisertums deutscher Nation und 
die Ausbreitung der christlichen Kultur nach Osten und Norden, sowie neues 
geistiges und künstlerisches Leben in Deutschland ($ 3). In den Nonnen- 
klöstern von Gandersheim und Quedlinburg blühte die Mädchenbildung, 
buntes Scholarenleben erfüllte die Klosterschulen von St. Gallen und 
lteichenau, kraftvoll entwickelten sich die Kathedralschulen in Lüttich 
und Hildesheim. Starken Drang, neuen Regungen nachzugehen, zeigte 
die Baukunst. 

Sie war besonders empfänglich für die neue Geistesbewegung, die 
Klosterreform ($ 4), die dort zuerst reifte, wo Verwirrung und Verfall am 
größten waren, in Frankreich und Italien, besonders in dem um 910 
gegründeten Kloster Cluni, das nicht nur Einsiedeln und allen abend- 
ländischen Klöstern neue Ideale einhauchte, sondern auch die Reform 
des Weltklerus und die neue Zusammenschließung des Abendlandes ($ 5) 
vollzog. Von dieser Reformbewegung, die sich aus kleinen Anfängen zu 
einer die Weltkirche erfassenden Strömung auswuchs, entwirft der Verfasser 
ein grandioses Bild, aus dem die Säkulargestalt Gregor VII. riesengrod 
emporragt, wie die Statue des hl. Karl auf dem Schloßhügel von Arona. 
War Cluni aber bald schon im Verblühen, so sehen wir inmitten des 
Investiturstreites, der letzten Phase dieser großen Bewegung, die Reform- 
klöster in Deutschland, Hirschauer, Kartäuser und Augustinerchorherren. 
erst auf ihrem Höhepunkt. Tiefgreifende Spuren hinterließ diese Strömung 


auch im geistigen und künstlerischen Schaffen. In dem literarischen Kampf, 
durch den Investiturstreit hervorgerufen, lernte man mehr wie früher 
selbständig denken und auf die Gründe des Gegners antworten, auch wohl 
überlegen, wie man am meisten auf die weitern Schichten einwirken könnte. 
In der Geschichtsschreibung suchte man mehr die Zusammenhänge zu 
erfassen, die Motive der handelnden Personen aufzudecken und die 
Behauptungen urkundlich zu begründen. Aus der Reform entquoll eine 
zunehmende Freude am Glauben, die nirgends lebhafter uns entgegentritt 
als in der seit der Mitte des XI. Jahrhunderts voll einsetzenden Blüte der 
romanischen Kunst. Immer nachhaltiger wehte der religiöse Geist, er 
ergriff nun auch die führende Laienschicht und erhob sie zu neuen Idealen 
durch die religiöse Erziehung der Ritter und die Einführung des Gottes- 
Iriedens ; ja durch veligiöse Spiele ($ 6), die sich aus den liturgischen Feiern 
der hohen Kirchenfeste entwickelten, beeinflußte sie auch breitere Volks- 
schichten. 

So bot die Cluniazenserreform die Grundlage für den Aufstieg der 
mittelalterlichen Kultur zur Höhe ihrer geistigen Kraft, wo die Kirche 
als Leiterin der abendländischen Gesellschaft (IV. Buch) erscheint. Den 
außern Ausdruck dieser Macht und Kraft sehen wir in den Kreuzzügen ($ ı), 
die ein Papst in Gang gebracht und die Päpste dauernd weiter leiteten. 
Mit dem die Welt und Jahrhunderte umfassenden Weitblick, den wir bei 
Schnürer gewohnt sind, zeichnet der Autor die gewaltigen Kriegszüge als 
die offensive Defensive der religiös gesinnten Ritter, die vom neu gegründeten 
Zisterzienserorden, zumal vom hl. Bernhard von Clairvaux, für die höchsten 
Ideale begeistert wurden, und legt klar, daß diese Züge, wenn nicht im 
Osten, so doch im Westen bleibende Erfolge erzielten, indem sie auf der 
iberischen Halbinsel das Übergewicht der Mohammedaner endgültig 
brachen und trotz ihrer von Schnürer deutlich hervorgehobenen Schatten- 
seiten die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die 
kommende Hochblüte mittelalterlichen Kulturlebens bildeten. 

Die geistigen Voraussetzungen dieser Blüte schufen eine neue durch 
die Kreuzzüge hervorgerufene, aber innerlich im Gegensatz zu ihnen 
stehende Bewegung, die ihren Herd hauptsächlich in den bürgerlichen 
Kreisen der emporstrebenden Städte und in der studierenden Jugend hatte. 
Als hervorragender Kenner der Ordensgeschichte zeichnet der Verfasser mit 
sichern Linien diese neue Strömung, die Armutsbewegung und die daraus 
erwachsenden Betitelorden der Franziskaner und Dominikaner ($ 2). Mit 
großem Interesse lesen wir da von dem Missionswirken dieser Orden bei 
den Mongolen in Persien, Armenien und China, erkennen aber bald, daß 
ıhr Hauptsarbeitsfeld auf den Universitäten war, wo sie an der Hochblüte 
der Scholastik ($ 3) ausschlaggebenden Anteil hatten. Zunächst läßt uns 
Schnürer die Entwicklung des Schulwesens nach unten (Stadt- und Land- 
Schulen) und nach oben (Universitäten) mit dem oft überschäumenden 
Scholarenleben jener Zeit überblicken. Dann führt er uns in den eigen- 
artıgen Betrieb der damaligen Wissenschaft, in die Scholastik ein. Der 
Spezialist wünschte eine noch weitere Behandlung der kühnen und genialen 
lehrsysteme;; für den Zweck des Buches dürfte der Verfasser in richtigem 


Ausmaß die Entwicklung der Scholastik gezeichnet und die Vertreter der 
verschiedenen Richtungen gut charakterisiert haben. Mit wahrer Genug- 
tuung finden wir die Verdienste des Albertus Magnus um die Natur- 
wissenschaft besonders gewürdigt, ohne daß seine universale Bedeutung 
übersehen wurde. Eingehend behandelt der Autor die großartige Systematik 
des Aquinaten, der alle großen philosophisch-theologischen Fragen in einer 
ruhigen klärenden Art betrachtete, « wie die erleuchtende Sonne, vor der 
alles klar daliegt », und würdigt zum Schluß die Verdienste der englischen 
Franziskaner um die Pflege empirischer Forschungen im XIII. Jahrhundert. 

Ebenso trefllich wie die Scholastik zeichnet uns Schnürer die Aus- 
bildung des kirchlichen Rechts und der Inquisition ($ 4). Von größter Nach- 
wirkung war das Wiederaufleben des römischen Rechts, « die erste Welle 
der Renaissance-Bewegung. Diese erste Welle brachte dem Abendland 
Folter und Inquisition ». Schnürer liegt es fern, diese Neuerungen zu 
rechtfertigen, erklärt sie aber in ganz verständnisvoller Weise aus den 
Verhältnissen und Anschauungen jener Zeit, die schon dunkle Streifen 
aufwies in dem jede staatliche, soziale und sittliche Ordnung bedrohenden 
Nihilismus der Katharer und im beginnenden Niedergang des Weltklerus. 
Erfreulichere Bilder zeigt uns der Verfasser im Aufkommen der Stadte 
und im sozialkaritativen Wirken der frommen Bürger, neben denen auch 
die Frauenwelt ($ 5) ein geistiger Faktor der kulturellen Entwicklung wird 
und in der Pflege der Mystik zu überraschender Höhe steigt. In ein noch 
bedeutenderes geistiges Hochland führt uns Schnürer, in das Aufblühen des 
gotischen Kunststils ($ 6) im XII. bis XIII. Jahrhundert und macht uns 
in warmer Sprache mit den technischen Voraussetzungen, der Eigenart und 
Selbständigkeit dieser vom Triumphgefühl der abendländischen Christenheit 
getragenen Kunst vertraut. 

Mit einem Ausblick auf die kommende Kulturperiode schließt dieser 
zweite an historischem Material wie an neuen Ideen und Gesichtspunkten 
überaus reiche Band. In diesem Ausblick ist aber die Kirche in einen 
Gegensatz zur Kultur gestellt. Daß sich dieser Gegensatz nicht auf die 
echte Kultur — denn diese ist volle Menschlichkeit und will den Menschen 
zu himmlischen Höhen emporführen — bezieht, ist dem Autor selbst- 
verständlich, er spricht darum von einem Gegensatz zur « neuen Laien- 
kultur » und von Gefahren der « Weltkultur ». Mancher Leser dürfte sich 
aber klarere Ausdrücke wünschen. Der Autor hätte gewiß auch seine 
Auffassung genauer ausgesprochen, wenn er, wie z. B. Zach, Modernes oder 
katholisches Kulturideal, Wien 1925, S. 22-25, klar unterschieden hätte 
zwischen Persönlichkeitskultur (Seelenkultur) und Sachkultur ; dann hätte 
er nicht von einer Spannung zwischen Kirche und Kultur, sondern von 
einer Spannung und Dissonanz zwischen Persönlichkeits- und Sachkultur 
gesprochen, die immer wieder entsteht, und die die Kirche auszugleichen 
und zu harmonisieren hat. 

In seiner Gesamtheit bietet uns Schnürers Werk eine glänzende 
Gruppierung und Periodiserung der geschichtlichen Ereignisse und kultu- 
rellen Entwicklungsstufen und eine Reihe großartiger, allgemeiner, kultur- 
philosophischer Ausblicke, Zusammenfassungen und Wertungen, die der 


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denkende Leser selber nachprüfen kann an Hand der reichen, solid 
begründeten historischen Tatsachen. 

Bei einem Kuraufenthalt in Oberschwaben gab ich das Buch einem 
in weitesten Kreisen bekannten Kunsthistoriker und Lehrer an einer 
technischen Hochschule zur Durchsicht. Bald entschlossen, es selber 
anzuschaffen, gab es mir der feingebildete Herr zurück mit der Bemerkung : 
«Das ist ein an Tatsachen und Ideen ungeheuer reiches Werk. In einer 
für mich völlig überraschenden Weise beleuchtet es alle dunkeln Punkte 
des Mittelalters und läßt dessen Glanzseiten in herrlichem Lichte erstrahlen. » 

Mit besonderer Befriedigung finden wir Schweizer in diesem Werk 
unser Vaterland in wohltuender Weise berücksichtigt. Papier und Druck 
befriedigen in gleicher Weise vollauf, wenn auch durch Sperren der Stich- 
wörter die Abschnitte an Übersicht gewonnen hätten. 


Bregenz-Altdorf. Gallus Jecker O.S.B. 


Dr. J. Greven. Geschichte der Kirche. Zweites Zeitalter : Die Kirche 
als Führerin des Abendlandes. Ausgabe A für die männliche Jugend mit 
+ Tafeln. Druck und Verlag von L. Schwann, Düsseldorf. Gr. 8%. S. 75-164. 


Dem ersten Teil ist im Frühjahr 1927 rasch der zweite gefolgt, der 
an stoflicher Gediegenheit und durch seine praktische Anlage hinter jenem 
nicht zurücksteht. Ganz kurze Quellenstücke, darunter sogar solche aus 
der Poesie, erleichtern dem Schüler das Verständnis für ferngelegene Zeiten 
und längst verschwundene Einrichtungen. Die Wendepunkte im Geistes- 
leben des Mittelalters und die Unterschiede zwischen den verschiedenen 
Nationen und Epochen sind gut und faßlich herausgearbeitet. Eine Karten- 
skizze zeigt auch dem körperlichen Auge die Ausbreitung der rhein- 
iändischen Zisterzienserklöster, und die sonstigen wenigen lllustrationen 
veranschaulichen trefllich die mittelalterliche Denkweise. Wohlbegründet 
werden in diesem Lehrmittel, trotz aller Knappheit, einige deutsche Heilige 
eingehender gewürdigt als in manchem umfangreichen Buch, z. B. Rade- 
gunde, Lioba, Hildegard, Hedwig und Mechtild. Neuartig sind überdies 
die Abschnitte über Liturgie, Kirchengesang, geistliches Schauspiel, die 
Anfänge der Mission in Ostasien, der französische Nationalstaat und die 
Kirche. Offen werden die wertvollen Dienste anerkannt, welche G. Schnürers 
'Kirche und Kultur im Mittelalter» dem Verfasser geleistet. Die an- 
gewandten zwei Schriftgrößen ermöglichen eine kürzere oder einläßlichere 
Behandlung des Stoffes in der Schule. 


Altdorf. Eduard Wymann. 


Schweizer Kriegsgeschichte. Im Auftrage von Oberstkorpskommandant 
Sprecher von Bernegg. Herausgegeben von M. Feldmann und H. G. Wiirz. 
Heft 5. Bern 1925 (Ernst Kuhn). 143 S. 


Diese Lieferung enthält zwei Arbeiten: ı. Theodor Müller-Wolfer, 
Professor an der Kantonsschule in Aarau, Das Jahrhundert der Glaubens- 
trennung, ein kurzer Abriß der Geschichte der Glaubenstrennung und 


— do — 


katholischen Gegenreformation von anerkennenswertem Streben nach 
Objektivität und gerechtem Urteil. Aber das eigentlich Militärische tritt 
gegenüber den Ursachen und dem Verlauf der Glaubensbewegung, 
Charakterisierung ihrer Führer und Motive derart zurück, daß man sich 
fragen muß, ob eine solche Darstellung überhaupt in eine Kriegsgeschichte 
hineingehört ; jedenfalls wird man sie hier am wenigsten suchen ! Es läuft 
doch im Grunde auf eine Verherrlichung Zwinglis und seiner Reform 
hinaus ; auch wäre im einzelnen manche Behauptung zu beanstanden. 
Dagegen vermißt man eine eingehende Würdigung und chronologische 
Umgrenzung des Kriegsplanes von Zwingli; auch kommt die wahre 
Bedeutung der beiden Kappeler Frieden nicht zum Ausdruck. 

Nicht Heilige pflegt die Kirche mit Kreuz und Fahnen zu empfangen 
(57), sondern lediglich Heiligtümer ! In der einseitigen Beurteilung Ludwig 
Ptyfiers hat sich Verf. zu sehr an Feller gehalten (88), und der Vergleich 
mit Bruder Klaus und Zwingli erscheint unangebracht. B. Fleischlin ist 
kein Ordensmann und verdient deshalb die Bezeichnung Pater) nicht! 
(136/37). Die Angaben von Quellen und Literatur sind sehr umfassend 
und orientieren vortreffllich über Schweizer Reformation und Gegenrefor- 
mation. S. 92 wäre vielleicht die Erwähnung der wenig bekannten, aber 
gehaltvollen Chronik des Glarners Fridolin Bäldi, herausgegeben in Zeit- 
schrift für Schweiz. Kirchengeschichte I, noch beizufügen. Sehr wertvoll 
und willkommen sind auch die Kartenbeilagen zu beiden Aufsätzen ! 

2. Francis de Crue, Die Befreiung von Genf und die Vereinigung des 
Waadtlandes mit der Schweiz 1526-1603, die beste und gut dokumentierte 
Übersicht über Genfs Befreiungskrieg, wobei das Politische gegenüber 
dem Militärischen stark und das Persönliche gänzlich zurücktritt. 

Albert Bücht. 


Berichtigung. 


In der Rezension von Leonhard Muralt, Die Badener Disputation, 

1526, Jahrg. XXI., S. 320, soll es heißen : «abweichend von Walther Köhler, 

der sie als schweizerischen Reichstag von Worms (statt Regensburg) auflaßt. » 

Ferner ist der Name « Miles» für « Barnabas Bürki» nicht zu beanstanden, 

da dieser sich gelegentlich nach dem Namen seiner Mutter auch « Ritter » 

nannte, was Miles entsprechen würde; vgl. Bd. XIII, 236, dieser Zeitschrift. 
A.B. 


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Fribourg. — Imp. de I’(Euvre de Saint-Paul. 28. 


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Schweizerische Kirchngeschichte 


Rewe distoire Enlsiastige Stisse. 


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RESDUBGERERN von PupLuke | DAR 


Ausser BÜCHI,. "Jon. Peren KIRSCH" 


2b. ‚Professoren an der Universität ID (Schweiz) 


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“0 Louis ‚W/EBER, 


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Chanoine, professeur au Grand Söminire, Fribourg. 


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xx. JAHRGANG, 11. HEFT. — 22” ANNEE, FASC. I. 


Erscheint viermal jährlich. be; Paralt quatre fois par an. 
Abonnenenhpreis : 8 Fr. — Prix de Vabonnenent : 8 Fr 


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STANS 1928. 
‚Hans von Matt, VERLAGSHANDLUNG. 


.” 


13 


Inhaltsvorzeichnis — Sommaire- . 

Joseph Müller. — Johann J oachim Eichorn’ s deutsche Lebensbeschreibung 

des seligen Nikolaus von Füe. . . 22 oe 
"Hans Dommann. — Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt des neuen 

Bistums, Basel. (1828-1838) (Fortsetzung). » » ee a... - 
Dr J. Al. Scheiwiler. — Die Reform im Kloster St. Gallen (F ortsetzung) 123 
Georges Blondeau. — Portraits d’ecclesiastiques peints par Wyrsch (Suite 

etfin . .. de ee ee 


Rezensionen. — Comptes rendus . .. 2 2222er. 12. 


“GRÖSSERE BEITRÄGE, : TRAVAUX | 


welche für die nächsten Nummern A que la Revue publiera - 
in Aussicht BeRominen wurden. | BESSER SNIERIERE,, 


Arnold Winkler, Oesterreich. und die Aargauer Klosterfiae: '— Marcel 
de Weck, Les p£lerins fribourgeois de Rome en 1580. — Rud. Henggeler, 
Der Äbte-Katalog von Fischingen, Rheinau und St. Gallen. — K. E. Winter, 

Bachofen und die Romantik. — Fridolin Segmüller, Geschichte des Kollegs 
“von Ascona. — v. Castelmur, Fragmente eines‘Chürer Missale aus der Mitte 
des XI. Jahrh. — Schluiffpf, Quellen zur Biographie der sel. Rachild. 


NB. — Alle für die Zeitschrift für schweiz. Kirchengeschichte bestimmten 
Rezensionsexemplare sind an die Redaktion, Freiburg, zu adressieren, — 
Tous les ouvrages destines a recevoir un compte rendu dans la Revue 


‚d’Histoire ecelesiastique suisse doivent &tre envoyes Sireetemjent & la Redaction, 


Fribourg. 


Die Zeitschrift LAUREVUE | 
für Schweizerische Kirchengeschichte D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE SUISSE 
erscheint 4 Mal jährlich, parait par fascicules tramestriels. 


-—.- 


Johann Joachim 
Eichorn’s deutsche Lebensbeschreibung 


des seligen Nikolaus von Flüe. 
Von Josern MÜLLER. 


Robert Durrer hat in seinem Standard-Werk über Bruder Klaus 
die Reihe der Biographien des Seligen mit jenen Johann Joachim 
Eichorns abgeschlossen. Eichorns schriftstellerische Tätigkeit, be- 
merkt er, bedeutet einen Markstein in der Bruderklausen-Biographie. 
Seine Bücher erhalten autoritären Charakter und bleiben die unver- 
rückbare Grundlage aller späteren Publikationen. ! Diese Wertung 
Eichorns mag es rechtfertigen, wenn seine deutsche Lebensbeschreibung 
des seligen Nikolaus von Flüe hier über das von Durrer in so aus- 
gezeichneter Weise Gebotene hinaus einer Untersuchung unterzogen 
wird. Veranlassung dazu bot der zufällige Fund des Original- 
Manuskripts Eichorns zur deutschen Rorschacher-Ausgabe von 1614 
im Sammelbande 656 der St. Galler Stiftsbibliothek 2, das Durrer 
unbekannt geblieben ist. 

Das Manuskript Eichorns umfaßt die S. 883-1126 des angegebenen 
Sammelbandes. Es trägt eine ältere Foliierung : II-XIIII und ı-109, 
während den folgenden Seiten ı1IIg-ıI26 die Foliierung mangelt. 
Schon beim Einbinden des Bandes fehlten Folio 26-35. Daneben 
findet sich eine ursprüngliche Lagenbezeichnung, für die Vorrede (A) 
u. B, für den Text der Lebensbeschreibung A-P, während wiederum 
die letzte Lage unbezeichnet geblieben ist. Die Lücke des Manuskriptes 
verteilt sich auf die Lagen derart, daß von D ein Blatt, von E noch 
drei Blätter vorhanden sind ; es enthielt demnach eine dieser Lagen 


1 Robert Dusrer, Bruder Klaus, II, S. 968. Ebenda hat Durrer alle erreich- 
baren Daten aus dem Leben Eichorns zusammengetragen. Im Manuskript schrieb 
er seinen Namen Eichhorn, so steht er auch in der deutschen Rorschacher Aus- 
gabe von 1614, in der Konstanzer Ausgabe « Eychhorn », während die latinisierte 
Form « Eichornius » lautet. Da Durrer den Namen nach der letztern konsequent 
ı Eichorn » schreibt, habe ich ebenfalls diese Form übernommen. 

2 Gustav Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek, gibt S.214 
ın der Beschreibung des Codex 656 das Werk Eichorns nicht an ; dagegen verzeichnet 
er mit dem Hinweise auf Band 656 Eichorn im Autoren-Register S. 558 und ver- 
weist im Sach-Register, S. 590, unter dem Stichwort « Flüe Nik. » auf Einorn (!). 


REVUE D HISTOIRE ECCLESIASTIQUR 6 


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nur sechs Blätter, während sie sonst, wenn auch nicht immer, aus 
acht Blättern bestehen. Die letzte, unbezeichnete Lage hat elf Blätter. 
Jetzige Größe des Blattes: Quartformat 188x156 mm. ! 

Auf Folio ıog’, wo die alte Foliierung aufhört, schrieb der 
St. Galler Kapitular P. Jodok Metzler eigenhändig das Imprimatur 
nebst seinem Namen hin und drückte sein kleines Privatsiegel bei. 
Diese Unterschrift Metzlers genügt allein schon, um die Streichungen 
und Korrekturen, die in der Handschrift am ursprünglichen Texte 
Eichorns vorgenommen wurden, als von Metzlers Hand herrührend 
erkennen zu lassen. Metzler hat demnach die Erteilung der Druck- 
erlaubnis dazu benützt, um als Korrektor von Eichorns Werk auf- 
zutreten. Welche Zwecke dieser Eingriff, der nicht immer eine Ver- 
besserung war, verfolgte, soll die Untersuchung hernach dartun. 

Nebst diesen Streichungen und Korrekturen finden sich am Rande 
der Handschrift Signaturen, die mit einem Zeichen im Texte korre- 
spondieren. Es sind Verweise auf die Bogen- und Seitenbezeichnungen 
der Rorschacher Ausgabe von 1614, wobei jeweilen der Beginn, nicht 
der Schluß der Seite notiert ist. Zu vermerken ist dabei, daß die 
beiden ersten Lagen der Lebensbeschreibung, welche die Vorrede 
enthalten, doppelte derartige Randnoten aufweisen. 

Eichorns Biographie des seligen Nikolaus von Flüe liegt uns, 
soweit es sich um eine selbständige Bearbeitung des Stoffes handelt, 
in einer lateinischen und deutschen Version vor. Von der deutschen 
erschienen im gleichen Jahre, 1614, zwei Ausgaben, eine Rorschacher 
und eine Konstanzer, während die lateinische 1613 ebenfalls von der 
Röslerschen Offizin in Rorschach herausgegeben worden war. ? Nach 
Durrer ist das Verhältnis dieser drei Ausgaben zueinander so, daß 
« die erste weitläufigere » deutsche Fassung der Rorschacher Ausgabe 


t Durrer, Bruder Klaus, I, S. 554, gibt von Eichorns Pariser Manuskript 
der Lupulus-Biographie das Maß 19:16 cm, als Wasserzeichen neben dem Nid- 
waldner Doppelschlüssel der Papierfabrik Rotzloch eine doppeltürmige Burg. 

% S. die Beschreibung und die genauen Titel der Ausgaben bei Durrer, II, 
S. 973 f. Ich konnte durch die Liebenswürdigkeit der Bürgerbibliothek Luzern 
ihre Exemplare der lateinischen Rorschacher Ausgabe von 1613 und der deutschen 
Konstanzer Ausgabe von 1614 benützen. Das einzige Herrn Dr. Durrer bekannte 
Exemplar der deutschen Rorschacher Ausgabe von 1614 ist im Besitze von Herrn 
a.-Ständerat Dr. Wyrsch in Buochs. In zuvorkommendster Güte überließ mir Herr 
Dr. Wyrsch dasselbe für diese Arbeit zur Vergleichung mit der Handschrift 
Eichorns. Da verschiedene Umstände den Abschluß der Arbeit immer wieder 
verzögerten, bin ich Herrn Dr. Wyrsch für seine Geduld und Zuvorkommenheit 
zu um so größerem Danke verpflichtet. 


wohl schon 1608, als Eichorn die Lupulus-Biographie mit seinem 
umrahmenden lateinischen Kommentar in Freiburg i. Ü. erscheinen 
ließ, entstand, daß 1613 darauf die « kurzgefaßte » lateinische Biographie 
geschrieben und mit dieser dann die deutsche Version der Konstanzer 
Ausgabe von 1614 «in Übereinstimmung » gebracht wurde, während 
«durch ein Mißverständnis gleichzeitig auch die erste weitläufigere 
Fassung » herauskam. ! 

Eichorn selbst hat sich in der Vorbemerkung seiner K. A. ® über 
die Ursache der zwei verschiedenen deutschen Ausgaben folgender- 
maßen ausgelassen : er habe vermeint, es solle die deutsche Version 
«gleich alßbald nach vollendetem Truck der Latinischen History ® 
für die Hand genommen und fort getruckt worden sein.» Wider sein 
Hoffen habe sich diese aber «so vil Monat gestreckt », daß er «endtlichen 
besorget », es möchte sein « Original verloren worden seyn ». Deshalb 
und weil er viele Anfragen nach der deutschen Ausgabe erhalten, 
sei er «verursachet worden » die K. A. «nit ohne sonderbare 
Müh und Arbeit fleissig zu stellen und nach Uberlesung und Appro- 
bation der ordenlichen Geistlichen Obrigkeit » zu Konstanz drucken 
zu lassen. « Inmittelst aber und vor völliger Verfertigung diser » seiner 
Version sei «die erste widerumb ans Liecht » und zu Rorschach ohne 
sein «a weiters Wissen und Zuthun auch in Truck kommen ». 

Vergleichen wir hiezu die in den verschiedenen Ausgaben und 
in der Handschrift des Codex 656 verzeichneten Daten. Die lateinische 
Rorschacher Ausgabe hat als Druckjahr auf dem Titelblatte 1613 ; 
ihre Widmung an Fürstbischof Jakob Fugger von Konstanz datierte 
Eichorn von Sarnen, ı. Mai, und Metzler das Imprimatur vom 
20. Oktober des gleichen Jahres. In H. gibt Eichorn am Schlusse der 
Vorrede Folio XIIr das Datum: Sarnen, I. September 1613. Diese 
Datierung ist in der deutschen R. A. von 1614 in den I. Januar 1614 
umgeändert. Die K. A. hinwieder verzeichnet als Abschluß ihrer 
Vorrede das Fest des hl. Meinrad, den 21. Januar 1614* und als 
Datum der Konstanzer Druckerlaubnis den 28. Juli dieses Jahres. 

Während also zwischen dem Abschlusse der L. V. und dem Beginne 


1 Dwrrer, a. a. O. II, S. 972-973. Ich bezeichne im folgenden « Lateinische 
Version » mit L. V., die deutsche « Rorschacher Ausgabe » mit R. A., die deutsche 
« Konstanzer Ausgabe » mit K. A., die Original-Handschrift Eichorns in St. Gall. 
Cod. 656 mit H. 3 Wörtlich abgedruckt bei Durrer, II, S. 974, Anm. 18. 

3 d. h. der lateinischen Rorschacher Ausgabe von 1613. 

* Während die übrigen Daten, natürlich mit Ausnahme des aus der nicht 
bekannten H. wiedergegebenen, bei Durrer gleichlautend sind, wird dort, S. 974, 


Ben 84 Ben 

des Druckes beinahe, zwischen der Beendigung des Manuskriptes der 
K. A. und ihrer Druckerlaubnis ein volles halbes Jahr verstrich, hatte 
Eichorn nach seiner Darstellung nicht die Geduld, eine gleiche Zeit 
zu warten, bis die R. A. druckfeucht vor ihm lag. Schon diese Gegen- 
überstellung legt den Gedanken nahe, daß Eichorns Vorbemerkung 
der K. A. eine Verlegenheits-Entschuldigung ist und kaum genau der 
Wahrheit entspricht. 

Die meisten der angeführten Streichungen und Korrekturen von 
Metzlers Hand finden sich in der Vorrede der H., sie mangeln indessen 
auch durch den ganzen Text hindurch nicht. Selbst an die aus der 
Ausgabe des Canisius herübergenommenen «christlichen Sprüch » des 
Bruder Klaus hat sich an einer Stelle der Streichungseifer Metzlers 
herangewagt. Es kann sich nicht darum handeln, alle diese Korrek- 
turen zu verfolgen ; ich gebe nur einzelne der charakteristischen, wobei, 
was in der H. gestrichen ist, durch Kursiv —, was von Metzler dafür 
hineinkorrigiert wurde, in der Wiedergabe der R. A. durch Sperr- 
druck hervorgehoben wird. In den Anmerkungen finden sich die 
Hinweise auf bezügliche Stellen der L. V. von 1613 und der K. A.! 


H. 


F. vıı": Denn der Mann Gottes 
in dem Geyst wol gesehen, daß 
eben in dem Schweytzerlandt die 
vier Ersten Sacramentierer (welche 
Doctor Martin Luther an vilen 
Stellen seiner Bücher Schrifft- 
fälscher, Bildstürmer, Schwermer 
und Erizketzer nennet) ihre Nester 


R. A. 


Bl. [A vi’): Dann der Mann 
Gottes inn dem Geist wol gesehen, 
daß eben in dem Schweitzerlandt 
die vier ersten Sacramentirer (wel- 
che Martin Luth. an vilen Stellen 
seiner Bücher Schrifftfälscher, Bild- 
stürmer, Schwermer und noch 
gröber nennet) jre Nester unnd 


und Underschläuff haben. .... Underschläuff haben. ....? 


dieses Datum wohl mit dem Meinradstag verzeichnet, aber zugleich mit dem 
«ı3. Jenner». Das ist ein Druckfehler oder ein lapsus calami, da die K. A. aus- 
drücklich f. B IlIr verzeigt «am Fest deß H. Einsidels Meinradi, den XXI. Jenners 
M.DC.XIV.» 

X Die Orthographie gebe ich genau nach den Vorlagen. Es mag dies zu 
einer neuen Illustration dienen, daß die Orthographie der Drucke nicht jener der 
Autoren oder der Druckvorlagen entspricht, sondern daß die Setzer auch damals 
nach ihren eigenen Regeln damit verfuhren. Einzig das störende «vnd >», das 
Eichorn wie die Drucke haben, glaubte ich durch « und » ersetzen zu dürfen. 

2 Während die L. V. den ganzen Abschnitt, in dem diese Stelle steht, nicht 
hat, ist derselbe in der K. A. genau nach der H. gedruckt, bis auf diese Stelle, 
die hier lautet: .... (welche ihr Ertzuatter Lutherus selbst an vilen Stellen seiner 
Bücher vngerahtne Söhn, Schwermer, Bildstürmer und verdampte etc. nennet) ... 


— 5 — 


Die Vorrede stellt darauf in einer längern Antithese Bruder Klaus 
den Reformatoren gegenüber. Hier hat Metzler ganze Sätze gestrichen. 
In der K. A. ist die ganze Antithese weggelassen. Ich gebe zwei, wie 


mir scheint, charakteristische Stellen : 


H. 


F. vi”: Bruder Clauß stellt auf 
Frid und Einigkeit, nach seinem 
besten Vermögen: jene stiften 
Krieg und Blütvergiessen an, nach 
allem ihrem Vermögen. Bruder 
Clauß scheucht und fleucht die 
weltliche EHr auffs eusserst : jene 
werffen sich auff zu Bischoffen und 
Prelaten unberüfft und ungenötigt. 


H. 


F. ıxr f.: In summa, B. Clauß 
ist gantz Catholisch und stirbt 
also: jene seind gantz Rebellisch 
und gehn also drauf. Darumb laßt 
sich B. Clauß nach seinem Todt 
sehen in grosser Klarheit und Herr- 
lichkeit : jene hat man auch ge- 
sehen nach ıhrem Todt, nemblich 
den ersten im Rauch, den andern 
von den Leusen gefressen, den drit- 
ten und vierten deß Todts verfahren. 
Justus es Domine et rectum Judi- 
cium ltuum. Psalm. 118. 


R. A. 
Bl. [A vor]. 


Bruder Clauß 
scheucht und fleucht die weltliche 
Ehr auffs eusserst: Jene werffen sich 
auf für Seelsorgern und Hir- 
ten unberufft unnd ungewidmet. 


R. A. 

Bl. [A vım”] In Summa, Bruder 
Clauß ist gantz Catholisch unnd 
stirbt also : Jene gantz darwider 
unnd verderbent also. 


Mit der Bemerkung : « Aber damit ich nit zu weitt in disen Sumpff 


hineinwatte », geht Eichorn über zur Dedikation der Lebensbeschreibung 
an den Konstanzer Weihbischof Johann Jakob Mirgel. Hier hat die 
Feder Metzlers von den Titulaturen des Vorgesetzten Mirgels, des 
Konstanzer Fürstbischofs Jakob Fugger, die Superlative ausgestrichen, 
das « Hochfürstlich » in das einfache «Fürstlich » abgeändert, was 
sich selbstverständlich in der R. A. ebenso zeigt.! Dazu seien noch 
folgende zwei Stellen angeführt : 


ı Während ebenso selbstverständlich die volle Titulatur in der K. A. steht. 


H. 


F. x”: Denn einmal E. G. (d. i. 
Mirgel) diejenige seindt, die nicht 
allein die Lauream Doctoratus in 
der H. Statt Rom erlangei und deß- 
halben in viler Fürnemmer Herren 
Gemeyn- und Freundischafft alldori 
kommen, sondern auch als ein 
fleissiger General Visitator des 
übergrossen und weittschichtigen 
Bistumbs Costantz, deß seligen 
Mans B. Clausen hinderlaßne Fuß- 
stapfen und Monument .... visi- 
tiert und besichtiget: .... ! 


F. xır: Also erscheinen nun vor 
E. Gn. ich mit diser meiner Klein- 
fügen Arbeyt underthenig und de- 
mütigklich bittend, Sie wöllend 
solche Dedication im besten auff- 
und annemmen und Ihro Gnädigk- 
lich lassen gefällig sein : darneben 
auch mein sampt deß Landts 
Underwalden Ehrw. Clerisey Groß- 
günstiger Patron, Herr und Vatter, 
wie biß anhäro, verbleiben. ? 


R. A. 


Bl. B ı? : Denn einmal. G. die- 
jenige seyndt, die als ein fleissiger 
General Visitator deß grossen und 
weitschweiffenden Bistumbs 
Costantz auch deß seligen Manns 
Br. Clausen hinderlaßne FußB- 
stapffen und Monument .... visi- 
tiert und besichtiget : .... 


Bl. B ı? £.: Also erscheine nun 
vor E. Gn. ich mit diser meiner 
Kleinfügen Arbeit Underthänig 
und demütiglich bittend, die ge- 
ruhen solche im besten auff und 
annemen : Darneben auch mein 
sampt deß Lands Underwalden 
Ehrw. Clerisey Großgünstiger Pa- 
tron, Herr und Vatter, wie biß 
anhero verbleiben und seyn. 


Aus der Lebensbeschreibung selbst hebe ich nachfolgende Stellen 


heraus: 
H. 


1. Kap. F. ı": Underwalden. 
.... Gegen Auffgang der Sonnen 


walden. 


R.A. 


I. Kap. Bl. [B vır) Under- 
... Stost gegen Aufigang 


sioßt es an die Länder Ury und der Sonnen an die Länder Ury 


! Inder K. A. gleichlautend mit H., nur ist «visitiert und » fortgelassen. 
82 K. A.: Also erscheine nun vor Ew. Gn. Hochwürdiger in Gott Vatter, 


Gnädiger Herr, ich mit diser meiner kleinfügen Arbeit underthänig und freundtlich 
bittend, sie wöllend solche Dedication im besten auffnemmen und jhren günstigk- 
lich lassen gefällig sein: darneben auch mein sampt einer gantzen Priester- 
schafft in Underwalden gnädiger Patron und Mecenas wie biß anhero verbleiben. 


Schweitz, gegen Mittag an die 


Herrschaft Bern, gegen Niedergang 
aber und Mittnacht an der für- 
trefflichen Statt Lucern Gebiet. ! 


3. Kap. F. 8°: Demnach er- 
scheint hie ein sonderliche Ord- 
nung der heymlichen Gerichten 
Gottes. Dann hette B. Clauß nicht 
geheyrathet, sondern gleich in 
seiner Jugent ein so strenges Ein- 
sidlisch leben angefangen wie 
S. Franciscus von Paula gethan, 
der eben auch zu B. Clausen 
Zeitten gelebt : so hette Er frey- 
lich bey den Newgläubigen oder 
Evangelischen Zwinglianern gantz 
nichts gelten mögen : ja alle seine 
Propheceien, Vermanungen, Ge- 
sicht und Offenbarungen hetten 
anders nichts denn Münchsträum 
und Pfaffentandt sein müssen. ? 
Nun aber, da B. Clauß zur Eh 
gegriffen und Kinder gezeuget,.... ? 


unnd Schweitz, gegen Mittag an 
Italiam, gegen Nidergang an 
Berner, gegen Mittnacht aber 
an Lucerner Gebiet. 


3. Kap. Bl. C ım" f. Demmnach 
erscheint hie ein sonderliche Ord- 
nung der heymlichen Urtheilen 
Gottes. Dann hette Bruder Clauß 
nicht geheyrathet, sondern gleich 
in seiner Jugend ein so strenges 
Einsidlisch Leben angefangen, wie 
etwan S. Franciscus von Paula 
gethan, der eben auch zu Br. Clau- 
sen zeitten gelebt : So hette er 
freylich bey den jetzigen New- 
gläubigen gantz nichts gelten 
mögen : Seine Propheceyen, Ver- 
manungen, Gesicht und Offenba- 
rungen hetten anders nichts denn 
Münchsträum und Pfaffentandt 
sein müssen. 


I Selbstverständlich hat K. A. den genauen Wortlaut der H. beibehalten. 


L. V. gibt diesen ersten Abschnitt des Kapitels in vollständig anderm Wortlaute, 
jenen von den Grenzen wie folgt : Ditioni Lucernensium adiacet, versus meridiem 
ac brumalem Orientem. Darnach muß wohl beim Drucke hier etwas ausgefallen 
sein. 

® K. A. gibt S. ız mit dem Beginn des 3. Kapitels zunächst die Stilisierung 
derL. V.: Sunt, qui hoc capite (quod non semel animadverti) nonnihil offendantur. 

.. «Nicht ohn ist es, daß etliche (als ich offtermals wargenommen) sich an 

disem Capitel stossen », geht dann aber wieder zum genauen Wortlaut der H. 
über: «e Und daß demnach allhie erscheine ein sonderbare Ordnung der heim- 
lichen Gerichten Gottes .... », mit der einzigen, aber bezeichnenden Abweichung : 
«So hette er freylich hernacher bey den newen Lehrern sehr wenig gelten mögen: 
Ja alle seine Propheceyen. ....» 

$ Dieser ganze größere Passus, den Metzler in der H. strich und die R. A. 
vollständig ausläßt, erscheint in der K. A. wörtlich wie in der H., während er 
in der L. V. nur kurz angedeutet ist. 


— 88 


22. Kap. F. 78": Eben in dem 
Jar, als die ehrwürdige Gebeyn 
dises Prophetischen Mans zu Sax- 
len auß der Erden erhebt werden, 
siehe da, so entdecken sich in 
Saxen und kommen auß dem Ab- 
grundt herfür der falschen Pro- 
bheten grausame Sacrilegia, ihre 
verdampte Schwermereyen, abschew- 
liche Irrthumben, Pestilentzische 


22. Kap. Bl. K ıı?. Eben inn 
dem Jahr, als die Ehrwürdige Ge- 
beyn dises Prophetischen Manns 
zu Saxlen auß der Erden erhebt 
worden, sihe da, entdecken sich 
in Saxen und kommen auß dem 
Abgrundt herfür die so abschew- 
liche Religions Irrthumben, Sec- 
ten, Apostasien, unchristliche Spal- 
tungen. ! 


Secten, Verzweiffelte Apostasien, 
unchristliche Spaltungen, blutige 
Rebellionen : ja das ganize Ge- 
schmeyß deß Höllischen Drackens. 


Die angeführten Stellen der H. mögen dartun, daß Eichorn im 
Grunde ein bedeutend schärferer Polemiker war als seine Drucke 
zeigen. Es war der einflußreichste Berater des als zelotischen Eiferers 
verschrienen Abtes Bernhard Müller ?, der als erster Offizial an die 
Spitze der geistlichen Verwaltung des Stiftgebietes gestellte P. Jodok 
Metzler, der diese die Protestanten reizenden Ausdrücke durch das 
ganze Werk hindurch strich und mit einer milderen Stilisierung 
ersetzte. Eichorn selbst hat wohl erkannt, daß dies eine Verbesserung 
seiner Schrift bedeutete und sie mit den Bestimmungen des Land- 
friedens wider das Schmützen und Schmähen eher in Übereinstimmung 
brachte. 

In andern Streichungen und Korrekturen erwies sich Metzler 
dagegen unserm Gefühle nach als pedantisch. Neben der angeführten, 
direkt irrigen Korrektur über die Grenzen Unterwaldens, die dem 
vielgereisten St. Galler Offizial nicht hätte in die Feder fließen dürfen, 


UL. V. cap. XX, p. 57: Nempe eadem tempestate, qua Prophetae Dei ossa 
veneranda apud Saxlenses e puluere eleuantur, ecce tibi apud Saxones prodeunt 
ab inferis Pseudoapostolorum sacrilegia, errores, impietates, blasphemiae, sectae, 
schismata, rebelliones, turbae, haereses. — K. A. Kap. 20, $. 114 f.: Eben in 
dem Jahr, als die ehrwürdige Gebein Nicolai zu Saxlen auß der Erden erhebt 
werden, sihe da, so entdecken sich in Saxen und kommen auß dem Abgrund herfür 
der falschen Propheten verdampte Irrthumben, Schwermereien, Secten, Spaltungen, 
Rebellionen unnd Summa der erbärmbliche Abfahl von der alten Römischen 
Christcatholischen Kirchen. 

8 Wegelin, Geschichte der Landschaft Toggenburg, II, S. 181. [.Dierauer], 
Das Toggenburg unter der äbtischen Herrschaft, St. Galler Neujahrsblatt, 1875, S.8, 


en = 
ger rn 


sei hingewiesen auf die Unterdrückung der Stelle über die Ehe des 
Seligen und deren polemische Ausnützung durch die Protestanten. 
Metzler strich beispielsweise weiter den Passus, daß Bruder Klaus 
«umb beschirmung willen deß Vatterlandts und desselben Freyheit, 
frembden Feyndisgewalt abzuireiben » in den Krieg zog!, am Schlusse 
der Mahnreden den Stoßseufzer Eichorns : « Wolte nur Gott, daß man 
ihm gefolget heile oder noch folgete»”? und ergänzte fürsorglich die 
Zwischenbemerkung Eichorns in der Erzählung von den ungerechten 
Richten : «wie man denn leyder fast in allen Regimenten solcher 
Leuthen findet » in guote und böße Leuthe.® Es zeugt nur für 
das selbständige Urteil Eichorns als Volksschriftsteller, daß er hier 
entgegen Metzler seinen ursprünglichen Text überall beibehielt. Allzu 
besorgt strich Metzler ebenso aus dem fünften «christlichen Spruch », 
trotzdem Canisius sie so hatte drucken lassen 4, nachfolgende Strophe : 


Ein stätte Liebe für ein Glaß, 
Dieselbig groß ohn alle Maß, 

Und schencken ihm für Klaren Wein, 
Wol unsern freyen Willen drein. 


Schon das Eingehen auf die Streichungen, die Metzler an den 
Stellen, die die Protestanten verletzen konnten, vorgenommen hatte, 
anderseits aber das Festhalten der andern, von Metzler getilgten 
Stilisierungen, tut dar, daß Eichorn die R. A. vollständig und druck- 
feucht vorliegen mußte, als er am 21. Januar 1614 die Vorrede der 
K. A. abschloß. Nur so läßt sich beispielsweise auch erklären, daß 
Eichorn die oben wiedergegebene Stelle ® über die vier « Sacramentierer » 
m der K. A. nicht wörtlich nach der H. übernahm, auch nicht 
gänzlich unterdrückte, aber in eine Fassung veränderte, die unbestreit- 
bar auf den Metzlerschen Text der R. A. Rücksicht nimmt. ” Ganz 


IH. 3. Kap., f. 9’; K. A. 3. Kap., S. ı5. 

2? H. ı5. Kap., f. 447; K. A. ı5. Kap., S. 73. 

®H. 4. Kap., f. 1ıY; K. A. 4. Kap,, S. 18. 4 Durrer, 11, S. 839. 

°H. f. 101Y. Die K. A. hat S. 142 f. die « Christlichen Sprüche » nicht auf- 
genommen, sondern nur das «tägliche Gebet », weil das Büchlein des Canisius 
‘schon zum offternmal getruckt worden, nemblich zu Ingolstadt und Freyburg 
unnd derohalben weil der Exemplaren vil vorhanden ». 6 S. 84, Anm. 2. 

? Die Stelle läßt keine andere Deutung zu, da sie in der L. V. gänzlich fehlt, 
was bei der S. 88 in Anm. ı wiedergegebenen, sonst gewiß auch beweiskräftigen, 
nicht zutrifft. Dagegen darf gerade angesichts der letzteren Stelle die Vermutung 
Nicht ganz von der Hand gewiesen werden, der Zensorenstift Metzlers habe sich 
auch in der L. V. betätigt. 


— 90 — 

am Schlusse der Lebensbeschreibung hat die K. A. bei der Wieder- 
gabe des Zeugnisses des protestantischen Chronisten Stumpf nochmals 
eine Übereinstimmung mit der R. A., die nur dadurch erklärt werden 
kann, daß letztere Eichorn vorlag, als er die Stelle zum Drucke für 
die K. A. durchsah. Metzler hat aus dem in der H. gegebenen 
Zeugnisse Stumpfs nach dem bekannten Gebete Bruder Klausens 
die Worte gestrichen : « Er hat etwan gesprochen, daß ihm vil angenemmer 
sey gewest, daß er auß Gottes Gnad habe sein Ehliche Gemahl mögen 
verlassen, denn daß er die leibliche Speyß möcht meyden.» Am Schlusse 
des ganzen Zitats aus Stumpf hat Metzler ebenso den zusammen- 
fassenden tendenzhaften Satz Eichorns unterdrückt : «Wer sihet aber 
nicht, was B. Clauß für ein Man gewesen, da Ihme sein eygne Feynd 
ein so herrliches Lob gegeben ? » Während die L. V. den Stumpf’schen 
Text nur auszugsweise wiedergibt, ohne irgendwelche lehrhafte Weite- 
rung beizufügen, hat die K. A. ebenfalls obige Worte Stumpfs, und nur 
sie, ausgelassen und die Sentenz am Schlusse folgendermaßen ab- 
geändert : «Wer sihet aber nun nicht, wie herrlich das Liecht inn der 
Kirchen Gottes geleuchtet, da es auch denen vor der Thür also in 
die Augen geschinen ?»! 

An und für sich wäre denkbar, daß Eichorns Berücksichtigung 
der Veränderungen, die Metzler am ursprünglichen Texte für die R. A. 
angebracht hatte, in der Zwischenzeit vom Abschlusse seines Manu- 
skriptes für die K. A. bis zur kirchlichen Druckgenehmigung vom 
28. Juli 1614 oder anläßlich des Druckes bei der Korrektur erfolgte. 
Letzteres wenigstens verbietet indessen direkt die Stellung der oben 
erwähnten Auslassung Eichorns über die Ursache der zwei Ausgaben. 
Sie findet sich auf B. ım“ und B. ıv? des zweiten, vollständig regel- 
mäßig acht Blätter umfassenden Druckbogens. Wenn Eichorn dort 
selbst bemerkt, es sei « vor völliger Verfertigung diser meiner Version 
die erste widerumb ans Liecht kommen unnd zu Rorschach am Bodensee 
ohne mein weiters Wissen und Zuthun auch in Truck kommen », so 
kann dies nach den gemachten Ausführungen nur heißen, der Ror- 
schacher Druck habe ihm vorgelegen, bevor er sein Manuskript für 
die K. A. «der ordenlichen Geistlichen Obrigkeit » zur « Überlesung 
unnd Approbation » einreichte. 

In dem Ausdrucke « ordenlichen Geistlichen Obrigkeit » wird auch 


ı H. Kap. 25, f. gı", 93Y; K. A, 22. Kap., S. 130, 134 ; L. V. cap. XXII, 
p. 66 sqaq- | 


der Schlüssel zur Ursache gesucht werden müssen, weshalb von der 
deutschen Lebensbeschreibung des seligen Nikolaus von Flüe im gleichen 
Jahre zwei verschiedene Ausgaben erschienen. 

Eichorn hat die Buchdruckerei-Verhältnisse in der Schweiz mit 
offenem Auge verfolgt. Über den Druck seiner 1608 in Freiburg 
erschienenen Lupulus-Biographie ! des Seligen war er vom typo- 
graphischen Standpunkte aus nicht befriedigt. In den Dedikationen 
des Büchleins entschuldigte er sich, es sei sehr zu bedauern, daß die 
katholische Schweiz mit Druckereien nicht besser versehen sei, während 
_ die Protestanten Überfluß an guten Druckern besäßen. Für die 
Zukunft hoffte er auf Verbesserung durch Bayern oder Rheinländer. ? 

Die Bemühungen des Stiftes St. Gallen, zur Ausgabe des refor- 
mierten Benediktiner-Breviers einen leistungsfähigen Drucker herbei- 
zuziehen, sind Eichorn wohl bekannt geworden. Bereits I6II erwog 
man in St. Gallen, ob man, anstatt das Brevier in einer Venediger 
Offizin herausgeben zu lassen, den Freiburger Drucker Rösler nach 
Rorschach oder nach St. Gallen ziehen wolle. ? Ohne daß weitere 


ı S. die Beschreibung bei Durrer, I, S. 555. 

® Auf dem dritten Vorsatzblatte des Exemplares der Lupulus-Biographie 
der Stiftsbibliothek Einsiedeln, dessen Übersendung ich bestens verdanke, findet 
sıch folgender Eintrag von Eichorns Hand : « + Excusatio Authoris. Dolendum 
est, amplissimam celeberrimamque Catholicam Heluetiam Officinis calcogra- 
phicis haud melius instructam ; cum tamen Basileenses, Tigurini, Bernates Typo- 
grapheis longe abundent accuratissimis. Institi quidem ego multis et precibus 
et impensis, vt Patroni nostri Encomia, vti par esset, venuste in chartis puris 
cumque diligentia excuderentur ; verum obtinere nihil potui, nisi quod in prae- 
senti Libello videre est. Consule ergo boni, humanissime Lector, donec exactiora 
nobis aut Bauarici aut Rhenani praestent typi. Vale.» Die Excusatio war 
offenbar dem broschierten Exemplar vorgeschrieben. Denn am Rande sind einige 
Buchstaben beschnitten ; das Büchlein, in weißes Schweinsleder gebunden, trägt 
vorne und hinten das Supralibris des Abtes Augustin I. Hofmann : Einsiedler 
Klosterwappen und das persönliche, eine Kapelle. 

In dem Dedikationsexemplare, das Eichorn dem Propst zu Münster, Peter 
Emberger, übersandte, brachte er eine fast wörtlich gleichlautende Entschuldigung 
an. Für die Basler, Zürcher und Berner gebrauchte er hier den Gesamtbegriff 
Haeretici Heluetii und fügte am Schlusse bei: « Suppleat exiguas vires operosa 
voluntas, qua quoque contentum credimus esse Deum.» Durch die Güte Herrn 
Dr. Durrers konnte ich diesen Eintrag der Zusammenstellung Jollers über die 
Quellen zur Biographie Eichorns (s. Durrer, II, S. 968, Anm. ı) entnehmen. Nach 
der von Joller beigefügten Notiz ging das Exemplar 1611 von Emberger an die 
Jesuiten-Bibliothek in Luzern über und gehört nun dem Nidwaldner-Landes- 
Museum an. 

® Stiftsarchiv St. Gallen, Rubr. 39, Fasz. 2: Res breviarii Benedictini .... 
vel certe vocaretur typographus Rösslin Friburgensis, ita ut opus vel Rorschachii 
vel in Sto. Gallo excuderet. Rösler war nicht der erste Buchdrucker in Rorschach. 


— 92 — 

Verhandlungen zu verfolgen sind, ist dem Tagebuche Abt Bernhard 
Müllers zum 8., resp. Io. Mai 1613 zu entnehmen, daß einem Buch- 
drucker «von Konstanz » die Niederlassung in Rorschach bewilligt 
wurde. ! Eichorn ist demnach unmittelbar, nachdem Rösler sich in 
Rorschach eingerichtet hatte, mit ihm für den Druck seiner L. V. in 
Verbindung getreten. Vergleicht man die beiden deutschen Ausgaben : 
den Druck Straubs der K. A. mit jenem Röslers der R. A., kann man 
es wohl verstehen, weshalb Eichorn, dem nach seiner Entschuldigung 
für die Lupulus-Biographie sehr daran lag, Bruder Klaus durch ein 
würdiges Druckwerk zu ehren, sich mit der unbestreitbar schöner 
arbeitenden Rösler’schen Offizin eingelassen hatte. 

Da Eichorn vorher mit der Druckerei Leonhard Straub’s des 
jüngern in Konstanz in Verbindung gewesen war ?, wird die Vermutung 
kaum fehl gehen, daß Straub den an Rösler übergegangenen Auftrag 
nicht gern gesehen hat. Leonhard Straub, der jüngere, druckte damals 
freilich noch nicht als fürstbischöflicher Buchdrucker. Doch vermag 
ich nachzuweisen, daß er mindestens bereits 1624 das Recht besaß, 
sich diesen Titel zuzulegen. ? 

Aber für die bischöfliche Kurie von Konstanz gab es selbst einen 
Grund, weshalb sie es nicht gern sehen durfte, daß Eichorn die 


Leonhard Straub, der ältere, hatte, nachdem er 1584 wegen Übertretung der 
Zensur aus seiner Vaterstadt St. Gallen ausgewiesen worden war, wie in Konstanz, 
so auch in seiner Papiermühle Aich, Gemeinde Tübach, bis 1599 eine Buchdruckerei 
und in Rorschach einen Buchladen betrieben. Seine Drucke aus dieser Zeit tragen 
die Ortsangabe Rorschach. Von 1605-1610 ist Bartholome Schnell als Buch- 
drucker in Rorschach nachweisbar. S. [Peter Wegelin], Geschichte der Buch- 
druckereien im Kanton St. Gallen, S. 35 ff., 77. 

I Stiftsarchiv St. Gallen, Bd. 261, S. 10; auch in der Abschrift Bd. 260, 
S. 328 f. Am 28. September ı613 erhält Rösler von Abt Bernhard einen Vor- 
schuß von 100 fl. «auf nachtruckhung des Benedictinischen breviers ». Er selbst 
unterschreibt « Johann Rosler »; der von einem stift-st. gallischen Schreiber 
gefertigte Schuldschein hat im Text: « Johannes Rößler ». Ebenda, Rubr. 39. 
Fasz. 2. 

% Von Eichorn erschien 1613 bei Straub die « Christliche Romfarth » und das 
Lied « Der geistlich Bruder Claus » ; bei Nikolaus Kalt in Konstanz hatte er 1605 
als « Memorial, Zeitrodel und kurtze Verzeichnus » auf einem Folioblatt eine 
Übersicht der wesentlichsten Daten über Bruder Klaus und eine « Kurtze 
historische Relation » über Bruder Ulrich herausgegeben. S. Durrer, II, S. 971, 975- 

3 Durrer, II, S. 975, gibt Straub diesen Titel in der Ausgabe von 1622 der 
Eichorn’schen Biographie von Bruder Klaus noch nicht, dagegen in jener von 
1631. Der Nachdruck der Constitutiones et decreta der Konstanzer Diözesan- 
Synode von 1609, in meinem Besitze, trägt den Druckvermerk : Constantiat. 
ex typograph&o Leonardi Straub, typog(raphi) ord(inarii) episc(opi) Const(antien- 
sis). Anno 1624. 


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lateinische Biographie des seligen Nikolaus von Flüe 1613 dem Rösler’- 
schen Verlage in Rorschach übergeben hatte. Diese lateinische Lebens- 
beschreibung des schweizerischen Landesheiligen war dem Konstanzer 
Fürstbischofe Jakob Fugger selbst gewidmet und dazu bestimmt, 
diesen aufzufordern, in Rom die Heiligsprechung Bruder Klausens zu 
betreiben. 1 Es war das gleiche Jahr, in dem am 2r. März der lang- 
jährige Streit mit dem Stifte St. Gallen um die geistlichen Jurisdiktions- 
rechte durch einen Vertrag beendigt worden war, von dem es auch 


‘ Konstanz nicht verborgen geblieben sein wird, daß er St. Gallens 


weitergehende Wünsche nicht voll befriedigte. *? Noch war in Rom 
die päpstliche Bestätigung anhängig, die erst die Bulle Pauls V. vom 
27. Februar 1614 aussprach. ® Unter den 16 Artikeln des Konkordates 
findet sich nichts erwähnt über das kirchliche Imprimatur. Dennoch 
trägt die L. V., die Rösler noch 1613 der Öffentlichkeit übergeben 
hatte, keine Druckerlaubnis von Konstanz, sondern P. Jodok Metzler, 


dem st. gallischerseits im Jurisdiktionsstreite das größte Verdienst 


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zukam, erteilte namens seines Abtes am 20. Oktober 1613 das 
Imprimatur für das Büchlein. * 

Während R. A. ganz gleich wie K. A. mit der Anrede an Weih- 
bischof Mirgel die Vorrede beginnt, so daß Durrer R. A. und K. A. die 
«gleichlautende Widmung » an Mirgel tragen läßt ®, kann man in den 
letzten Seiten der Vorrede von R. A. eine Spannung St. Gallens gegen 
Konstanz und insbesonders gegen Mirgel nachweisen, die in der L. V. 


I Durrer, II, S. 973. Es soll natürlich heißen die Seligsprechung. 
2 5. Karl Steiger, Zur Vorgeschichte des st. gallisch-konstanzischen Kon- 
kordates vom Jahre 1613, in dieser Zeitschr., XVII, S. 253 ff., nunmehr auch in 


' Steiger, Das Kloster St. Gallen im Lichte seiner kirchlichen Rechtsgeschichte, 


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S. 129 fl. Zur Einschätzung des Erfolges von Seite St. Gallens vergl. den Brief 
Abt Bernhards an Propst Julian della Torre in Mailand vom 29. März 1613: 
in quibus licet reverendissimo domino episcopo multa cedam, puto tamen melius 
esse habere malam pacem quam bonum bellum », ebenda erwähnt S. 264 und 
$. 140. 

8 S. ebenda S. 265 ff. und S. 141 ff. 

ıL.V., (A VIIv): Historia haec de Beati Viri Nicolai & Flue Vita, morte 
et miraculis, auctore R. Dn. Johanne Joachimo Eichornio ; Rorschachij ut im- 
primatur, authoritate Reuerendissimi in Christo Patris, Principis ac Domini, 
D. Bernardi Abbatis monasterij S. Galli ; permitto 

Ego F. Jodocus Metslerus. — S. Th. Doctor, ex officio: 20. Octob.: 1613. 

5 Durrer, Il, S. 973-974. Im Titel der Anrede an Mirgel hat K. A. über 
R. A. hinaus noch « Thumherrn und Custorn zu Costantz », welche beiden Titel 
in H. auf dem Titelblatte von einer Hand nachgetragen sind, von der ich nicht 
sicher angeben kann, ob sie diejenige Metzlers ist oder nicht. 


— 94 — 

von 1613 noch fehlt. In letzterer ist der Konstanzer Bischof der 
illustrissimus ac reuerendissimus princeps, hier wird auch sein Name 
und seine Widmung auf dem Titelblatte erwähnt ; einzig die Beifügung 
«sumptibus autoris » könnte eventuell besagen, daß Fürstbischof Jakob 
Fugger trotz des ihm gewidmeten Büchleins nichts zu den Druck- 
kosten beigetragen habe. In der R. A. dagegen hat Metzler alle Super- 
lative gestrichen und das hochfürstlich zum einfachen fürstlich degra- 
diert. Noch stärker zeigt sich die Aversion gegen Weihbischof Mirgel. 
Die H. hatte auf dem Titelblatte erwähnt, daß das Büchlein zu Ehren 
Mirgels gewidmet sei und eine zweite Hand, die vielleicht jene Metzlers 
ist, hatte neben den Titel des Weihbischofs noch beigefügt « thumherm 
und custorn». In der R. A. fehlt jeder Hinweis auf Mirgel auf dem 
Titelblatte. Sicher aber ist es Metzlers Hand, die gegen das Ende der 
Vorrede die Erwähnung von Mirgels Doktorgrad ausgemerzt, den 
Hinweis auf dessen Einfluß entfernt und die Widmung an Mirgel aus- 
gelassen hat. ! 

Es muß sodann darauf aufmerksam gemacht werden, daß die drei 
ersten Seiten des zweiten Bogens der R. A., auf denen sich diese 
persönlichen Erwähnungen finden, nur zwanzig Zeilen aufweisen, 
während die Seiten der Vorrede vorher und nachher 21 Zeilen zählen. 
Der Drucker hat sich sogar nicht einmal die Mühe genommen, die 
Zeilen besser zu verteilen ; auf allen drei Seiten springt die leere Zeile 
zwischen der zwanzigsten und der Custode sofort in die Augen. Da 
der zweite Bogen nebst dem Schlusse der Vorrede noch das ganze 
erste Kapitel und den Anfang des zweiten aus der Lebensbeschreibung 
enthält, muß man annehmen, dieser zweite Bogen sei ein zweites Mal 
nachgedruckt worden. Weil nur auf den drei ersten Seiten sich 
Änderungen in Form von Auslassungen ergaben, brach man die 
spätern Seiten nicht um und gewann den Anschluß an die vierte Seite 
durch je eine Zeile weniger. Und da die Erwähnung der Widmung 
an Mirgel auf dem Titelblatte der H. nicht durchgestrichen ist, sondern 
im Gegenteil noch eine Beifügung enthält, im Drucke aber vollständig 
fehlt, muß man vermuten, es sei auch der erste Bogen mit einem 
neuen Titel nochmals abgezogen worden. Man darf dazu auf die oben ? 
erwähnte Beobachtung hindeuten, daß die beiden ersten Lagen der 
H., welche die Vorrede enthalten, doppelte Verweise auf die Seiten- 
bezeichnungen der R. A. zeigen. 


1 S, oben S. 86. 8 S, 82. 


In der H. ist ferner das Datum des Abschlusses der Biographie, 
I. September 1613, nicht etwa durchstrichen worden ; und doch hat 
es R. A. durch den «ersten Januariji M.DC.XIIII. » ersetzt. Aber 
ebenso scheint mir der Erwähnung wert, Eichorn habe auf dem Titel- 
blatte der K. A. entgegen der H. die Widmung an Weihbischof Mirgel 
fortgelassen, dafür aber bemerkt, die lateinische Ausgabe sei Fürst- 
bischof Jakob dediziert gewesen «und demnach gemeinem Vatterland 
zu gutem auch deutsch für Augen gestellt ». ! 

Die Spannung zwischen St. Gallen und Konstanz, von der die 
erwähnten Seiten der R. A. zeugen, mag ja im allgemeinen in dem 
Jurisdiktionsstreite und speziell in der noch nicht ausgefertigten 
Bestätigung des Konkordates ®? ihren Grund haben. Aber sie muß auch 
mit der Herausgabe der Biographie des seligen Nikolaus von Flüe 
zusammenhängen, daß sie sich derart in der abgeänderten Vorrede der 
R. A. zeigte und insbesonders an Mirgel ausließ. Die Bemerkung 
Eichorns in der K. A., daß die deutsche Ausgabe «alßbald nach voll- 
endetem Truck der Latinischen History für die Hand genommen und 
fort getruckt » werden sollte ®, stimmt sehr gut mit der Beobachtung 
überein, daß mindestens der zweite, wahrscheinlich auch der erste 
Bogen der R. A. zweimal abgesetzt wurde. Genauer gesagt, muß die 
Spannung zwischen der Herausgabe der L. V., nach dem 20. Oktober 
1673, und der Herausgabe der R. A. von 1614 sich aufgetan haben. 

Weihbischof Mirgel als Generalvikar wird es gewesen sein, der 
Eichorn direkt oder indirekt verdeuten ließ, seine «ordenliche 
Geistliche Obrigkeit », wie dieser sich in der Vorbemerkung der K. A. 
ausdrückt, befinde sich in Konstanz und nicht in St. Gallen. Mag man 
schon das st. gallische Imprimatur auf der L. V. ungerne genug 
gesehen haben, unliebsamer durfte man in Konstanz ein solches bei 
den Trennungsgelüsten vom Bistum, die in der Schweiz bestanden #, 


! S, den Titel bei Durrer, II, S. 974. 

2 5, Karl Steiger, a. a. O. S. 265 f. und S. ıar f. 3 S, oben S. 83. 

* Erst kurz vorher hatte Konstanz Bemühungen vereitelt, Abt Augustin 
Hofmann von Einsiedeln zum Titularbischofe erheben zu lassen, mit der 
Befugnis, einige Tage hindurch in der Klosterkirche die Firmung spenden zu 
können. In seinem Briefe an Kardinal Bellarmin vom ı4. März 1609 hatte Fürst- 
bischof Jakob Fugger bemerkt: « Etsi enim res in se nullius praeiudicii aut damni 
esse videatur ut revera, si simpliciter spectetur, est, ex constitutione tamen Helve- 
ticae nationis ... nostrarumque partium consuetudine nec dici nec credi potest, 
Quantı sit momenti, immo vero quam certae destructionis antiquissimi mei episco- 
Patus, ut episcopalis auctoritatis alias pro dolor in his partibus nimis proculcatae 
taceam.» S. Konstantin Holi, Fürstbischof Jakob Fugger von Konstanz, S. 74-76. 


-— 6 — 
auf einer deutschen Lebensbeschreibung des schweizerischen National- 
heiligen noch empfinden. Aber umgekehrt sprachen bei St. Gallen die 
gleichen Gründe dafür, erst recht darauf zu dringen, Eichorns deutsche 
Biographie des seligen Nikolaus von Flüe bei dem nach Rorschach 
gerufenen Rösler herauszubringen. Dabei drückte sich die Spannung 
in der angegebenen Weise aus. 1 

Den meines Erachtens durchschlagenden Beweis, daß die Impri- 
matur-Erteilung für die L. V. von 1613 eine Spannung wiederum 
zwischen Konstanz und St. Gallen erzeugt hatte, finde ich im gänzlichen 
Mangel einer Druckerlaubnis bei der R. A. Das Imprimatur, das, 
wie oben ? erwähnt, P. Jodok Metzler auf F. 109" der H. eigenhändig 
niederschrieb ®, ist an der entsprechenden Stelle der R. A. weg- 
geblieben und auch sonst findet sich weder auf dem Titelblatte, noch 
nach der Vorrede, noch am Ende des Büchleins eine Druckgenehmigung. 

Ein Niederschlag davon hat sich im st. gallischen Stiftsarchive 
nicht erhalten ; aber wenig später hat das st. gallische Offizialat sich 
in einem Falle des Verkaufes verbotener Druckerzeugnisse auf dem 
Gebiete der Alten Landschaft alle Befugnisse der geistlichen Zensur- 
behörde zuerkannt. 

Der Stärkere ist in diesem Wettstreit um die Herausgabe von 
Eichorns deutscher Lebensbeschreibung des seligen Nikolaus von Flüe 
die bischöfliche Kurie von Konstanz geblieben. Das zeigt sich auch 
darin, daß die K. A. und nicht die R. A. Nachdrucke erlebte. 5 Aber 


I! Daß Mirgel sein durch Bischof Jakob veranlaßtes Eintreten für das 
bischöfliche Visitationsrecht in den Benediktinerklöstern selbst in dem ungünstigen 
Urteile des Nuntius d’Aquino angekreidet wurde, findet Holl a. a. ©. S. 191-192. 

2 S. 82. 

® «Imprimatur. — F. Jodocus Metzlerus &@ S. Gallo d(octor) [scripsit]. » 

* Der I. Protokollband des stift-st. gallischen Offizialates, mit den nach- 
folgenden 1828 aus dem Stiftsarchive dem bischöflich st. gallischen Archive über- 
wiesen, beginnt mit dem 13. April 1613. Am 26. November 1614 ließ Metzler 
als Offizial durch den geistlichen Fiskal und Curat von St. Georgen, Joachim Beck, 
und den Pfarrer von St. Fiden, Jakob Trommer, bei dem Bücherhausierer Jakob 
Deschler von Bernhardzell, wohnhaft im Schoren, Straubenzell, ein: Haüs 
suchung veranstalten nach «libros ... malos et perversos, de malis moribus vel 
haeresi suspectos ideoque prohibitos. » Deschler wurde folgenden Tages vom 
Offizial «de interdictorum librorum distributione et mercatu acriter verbis 
correptus », die schlechtesten seiner Bücher dem Feuer übergeben und ihm trotz 
seiner Einrede, « quod vagus sit, hodie hoc, cras alio loco suas vendat merces ...- 
et ita quasi extra territorium Reverendissimi S. Galli constitutus » verdeutet, als 
Katholik «catholicos, non alios venumdet libros». Tom. I, Pars II, p. 39-43- 

5 Durrer, IL, S. 973. 


—_— 97 — 

bei allem menschlich Unvollkommenem, von dem diese Büchlein 
reden, wird es St. Gallen dennoch zur Freude gereichen dürfen, daß 
die erste Betätigung des stift-st. gallischen Offizialates in der vollen 
Öffentlichkeit, die als solche nachweisbar ist, die Druckerlaubnis für 
die lateinische Bruder Klausen-Biographie Eichorns war. Trat doch 
so die Stiftung des heiligen Gallus, eben da sie bischöfliche Juris- 
diktionsrechte erworben hatte, die sich organisch zum spätern Bistume 
auswachsen sollten, in Verbindung mit unserm schweizerischen National- 
heiligen Nikolaus von Flüe. 


REYUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE 


Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt 
des neuen Bistums Basel (1828-1838). 


Nach Briefen des Bischofs Jos. Anton Salzmann, 
des Schultheißen Jos. Karl Amrhyn und anderer. 


Von Hans DOMMANN. 
(Fortsetzung.) 


ll. Bis zur Badener Konferenz (1828-1834). 


Schon einige Monate nach der Wahl trug ein Brief Amrhyns dem 
Bischof Beschwerden vor wegen der Ernennung des Pfarrers Cullat 
von Prunirut zum Generalprovikar des Berner Jura und über einen 
Teil der Luzerner Geistlichkeit. Die Ernennung Cuttats habe auf den 
Geheimen Rat Berns einen « höchst unangenehmen » Eindruck gemacht, 
schrieb der Schultheiß. «Hätten E. H. Gn. diesen Pfarrer Cuttat, 
der auch vor einiger Zeit schon Hochdenselben wegen Einrichtung 
eines Seminaires im Prontrutischen zudringlich war, in seinem wahren 
Lichte gekannt : ich bin überzeugt, der milde, edle Sinn, der Ihr Herz 
belebt, der erhabene Zweck, sich zum evangelischen Bewahrer des so 
nötigen Friedens zwischen Staat und Kirche zu machen, würden nicht 
gestattet haben — und wäre auch die Empfehlung für ihn von woher 
immer gekommen — selben zum Vorsteher über die bernische katho- 
lische Geistlichkeit zu erheben. Als Herr Cuttat noch die katholische 
Pfarrei in Basel bekleidete, war er durch seinen milden Sinn und klugen 
Religionseifer allgemein beliebt und von allen Glaubensgenossen ge- 
schätzt. Seither hat er sich aber zum auswärtigen Religionspartei- 


gänger aufgeworfen. ... Er gehört nicht mehr dem schweizerischen 
Vaterlande anheim. ... Einen solchen Mann kann die Regierung 
von Bern an der Spitze ihrer Kantonsgeistlichkeit nicht dulden. .... 


Amrhyn hoffte, der Bischof werde, ohne sich selbst bloßzustellen, die 
Ernennung rückgängig machen können. Doch dieser konnte ihm einige 
Tage später die Mitteilung machen, daß die Berner Regierung Cuttat 


! An den Bischof, 8. Aug. 1829. 


— 09 — 
als Provikar bestätigt und ihn als einen «rechtschaffenen, einsichts- 
vollen und gemäßigten Geistlichen » erkannt habe. Cuttat sei übrigens 
ad nutum seu beneplacitum Episcopi amovibilis und würde bei der 
geringsten Klage der Regierung vom Bischof entlassen. ! 

Die zweite Beschwerde Amrhyns betraf die Klagen einiger Luzerner 
Gesstlichen beim Nuntius über Staatsrat Eduard Pfyffer, den Referenten 
für das Landschulwesen. Die Geistlichkeit — schrieb Amrhyn — sei 
auch in Zusammenkünften veranlaßt worden, beim Bischof die Auf- 
hebung des Wessenberg-Konkordats von 1806, die Abschaffung des 
bischöflichen Kommissariats und die Übertragung seiner Vollmachten 
an die Kapitelvorsteher zu begehren. Der Ankläger knüpfte an diese 
Denunziation die folgende Betrachtung : 

«Wenn mich in Hinsicht des Landschulwesens schon manche 
Ausgeburt tief betrübt hat, die sich unter denjenigen auf eine besorg- 
liche Weise zu Tage legte, welche sich dem Lehrstande widmen, so 
hat mich nicht minder der leidenschaftliche Geist gegen alle öffentliche 
Erziehung und besonders jene des Volkes empört, der auch einem 
Teile der Kantonsgeistlichen nicht fremd blieb, und bei welchem die 
zwei Tendenzen unverkennbar sich äußern : entweder das Volk in 
roher Dummheit zu erhalten oder dann — wo dieses nicht durchgesetzt 
werden könnte — die öffentliche Erziehung an sich zu reißen und der 
Regierung das Recht des Einflusses auf dieselbe streitig zu machen. 
Weit entfernt ist es von mir, alles zu billigen, was in diesem, und zwar 
dem wichtigsten Zweige der öffentlichen Staatsverwaltung seit mehreren 
Jahren geschehen ist. Allein leidenschaftliche Anregungen, wie sie 
geschehen sind ... haben die Sache nur noch mehr verdorben und 
selbst den Glauben an Gefahr zernichtet, da jene, die es glauben 
machen wollen, mit offener Stirne gegen diese Gefahr hervorzutreten 
sich scheuten. ... Was dann die angefeindeten kirchlichen Ein- 
fichtungen und die dagegen obwaltenden Tendenzen betrifft, die sich 
bekanntermaßen schon von den Jahren ı812 und 1813 herschreiben, 
so sind dieselben so tief ins Leben des Staats eingedrungen, daß ihre 
Anregung schon Mißtrauen und Unmut erwecken muß, geschweige 
daß von ihnen die nicht etwa gemächlichere, sondern selbst mehr noch 
die notwendige — als bloß standesmäßige — Existenz des größern 
Teils der Pfarrgeistlichkeit des Kantons abhängt. ... Man hüte sich, 
nach großen Staatskrisen, von der Gegenwart alles zu fordern, wenn 


"16. Aug. 1829, an Amrhyn. 


— Ioo — 


man nicht das bestehende Gute und Billige damit einbüßen will, und 
zu einem solchen vernunftlosen Wagestück wird sich der Freund seines 
Vaterlandes niemals gebrauchen lassen. » Der Bischof erwiderte auf 
diese zweite Anklage: «Was den zweiten Gegenstand angeht, wird 
hoffentlich der Klerus nichts tun, ohne es der h. weltlichen Regierung 
oder dem Bischofe zuzustellen. 1 Im letzten Falle würde ich allerdings 
an Ihro Exc. mich wenden. Soviel an mir liegt, trage ich herzlich 
gern alles Mögliche zur Aufrechthaltung der Ruhe und des Friedens 
mit und werde mir diese Sache ganz angelegen sein lassen. Es gibt, 
leider ! immer Leute, die durch unvorsichtige Reden Verdacht und 
Argwohn erregen. Doch wir wollen hoffen, nach und nach beruhigen 
und verständigen sich die Gemüter, und das Vaterland gelange zur 
erwünschten Harmonie. » 

Es war nun freilich noch ein langer Weg zu dieser erwünschten 
Harmonie, und sie wurde im folgenden Jahre durch die Julirevolution 
und die politische Umwrälzung in verschiedenen Kantonen noch mehr 
gestört. Am 30. Januar 1831 erhielt Luzern eine neue Verfassung 
und kam damit unter liberale Führung. Gleiches geschah in den 
Diözesankantonen Bern, Aargau, Solothurn, Schaffhausen, Thurgau und 
nach heftigen Kämpfen 1832 auch in der losgetrennten Basler Land- 
schaft. 

Die neuen staatlichen Verhältnisse erschwerten die definitive 
Organisation des Bistums und stellten der Errichtung eines Diözesan- 
sessinars dauernde Hindernisse entgegen. Das Bistumskonkordat hatte 
in Art. 8 bestimmt, es werde zu Solothurn ein Seminar errichtet, 
wofür die Regierungen die Stiftungsfonds und die Gebäulichkeiten 
liefern werden ; der Bischof werde mit vier Domherren aus ver- 
schiedenen Kantonen das oder die Seminarien leiten und verwalten! 
zwei dieser Domherren werden von ihm, zwei vom bischöflichen Senat 
ernannt. Und die päpstliche Erektionsbulle « Inter praecipua » vom 
7. Mai 1828 hatte das gleiche verordnet und dem Bischof mit den 
vier Chorherren die Leitung und Verwaltung und die Aufsicht über 


I Nach dem Tode Ed. Pfyfiers schrieb der Kleine Rat (13. Dez. 1834) ın 
seinem Bericht an den Großen Ratu.a.:«a.... Ersahein daß ein offener Kampf 
mit dem aus fremder Erde herübergepflanzten Reiche der Vorurteile müsse 
gefochten werden. Er eröffnete ihn, andere traten mutig in seine Bahn ; der Sieg 
kann wohl kaum ausbleiben. ....» — Am 20. Aug. 1829 teilte Salzmann dem 
Schultheißen vertraulich mit, daß der Nuntius Ostini ihm den Lehrer Heller zu 
Tann (Sursee) und Kaplan Vinzenz Rüttimann in Sursee als « verderbliche Schul- 
lehrer » genannt habe und daß er sie der besondern Wachsamkeit empfehle. 


-—— .I0OI — 


die Reinheit des Unterrichts zur Pflicht gemacht. Im geheim gehaltenen 
Langenthaler Vertrage vom 28. März 1828 aber hatten die Diözesan- 
stände sich gegenüber dem zwei Tage vorher unterzeichneten Bistums- 
vertrag mit den «bisherigen Rechten, Herkommen, Freiheiten und 
wohlhergebrachten Übungen in kirchlichen Sachen » auch die Aufsicht 
über die Seminarien, die Bestätigung ihrer Vorsteher und Lehrer und 
die Teilnahme an den Prüfungen der Alumnen vorbehalten. Damit 
war die Errichtung eines Seminars außerordentlich schwierig geworden, 
weil sich die Forderungen von Kirche und Staat gegenüberstanden. ! 
Schultheiß Rudolf von Wattenwyl schrieb diesbezüglich schon am 
ıı. Juni 1829 an Amrhyn: «Ich wünsche meinerseits sehr, daß nur 
ein Seminar sein und daß Euer Excellenz den Herrn Salzmann so 
stimmen können, daß er in demselben einen vaterländischen und nicht 
änetbürgischen [ultramontanen !] Geist einführen wolle. »2 Am 3. Mai 
1830 wandte sich Bischof Salzmann an Schultheiß und Rat von 
Solothurn mit der Bitte, es möchte die Seminarfrage wegen ihrer 
«dringenden Notwendigkeit » möglichst bald gelöst werden. Die 
politische Umwälzung aber zerstörte die ersten Anfänge wieder. 

Die Diözesankonferenz vom 26. bis 29. Oktober 1830 befaßte 
sich dann mit der Errichtung des Seminars, erhob aber die staats- 
kirchlichen Ansprüche des Langenthalervertrags ; daran scheiterte die 
Unterhandlung. ?$ — Einige Wochen vor der Konferenz hatte Amrhyn 
dem Bischof geschrieben : «Ich muß es umsomehr wünschen, daB die 
endliche innere Organisation des Bistums ihre Vollendung erhalte, 
als daraus besonders in unsern Tagen hohe Beruhigung für den Staat 
wie für die Kirche hervorgehen kann, wenn der Geist der Liebe und 
der Duldsamkeit, wenn wohlwollende Beachtung der Verhältnisse 
zwischen Staat und Kirche — wie ich nicht zweifle — daraus hervor- 
gehen, ihre feste, wechselwirkende Begründung erhalten werden. 
Darauf wird, und zwar entschieden, der innere Friede, die innere 
Ruhe beruhen ; davon wird das künftige Schicksal der Schweiz 
unwiederbringlich abhängen. — Ich kenne die verschiedenen Elemente 


I Schmidlin, Geschichte des Priesterseminars, S. ı5 fl.; « Aktenstücke » ; 
Dubler, a.a. O.S.79 fi. — St.-A.L. Fach 9, Fasz. ı ı (Erweiterung und Organisation 
des Bistums), Fasz. 33 (Bildung und Erziehung der Kleriker). 

2 St.-A. L. Fach 9. Fasc. 33. 

®? Entwürfe und Notizen zu den Konferenzverhandlungen, von Amrhyns 
Hand ; St.-A. L. Fach 9. Fasz. 33. — Protokoll, Fach 9, Fasz. ıı. Vergl. über 
die rechtliche Seite auch Attenhofer, Die rechtliche Stellung der katholischen 
Kirche gegenüber der Staatsgewalt in der Diözese Basel, Luzern 1869, II, 47 ft. 


— Io2z — 


— durch die großen Zeitergebnisse des letzten Heumonats in Frank- 
reich, durch ihre Wiederholung und Nachahmung in Belgien noch 
mehr gesteigert —, die auch unser Vaterland nach verschiedenen 
politischen Farben und zu ebenso verschiedenen Zwecken bewegen. 
Ihnen allen durch milden Ernst, durch wohlwollende Klugheit Still- 
schweigen zu gebieten [und] damit die redliche Gutmütigkeit bei 
unserm noch ruhigen Volke zu bewahren : das ist die große Aufgabe 
unserer Zeit, wenn wir von ihr ohne mindesten Nutzen fürs Bessere 
nicht verschlungen werden wollen. ... Dieses gibt mir zugleich Gelegen- 
heit, Hochdenselben ebenso vertraulich als mit Schmerzen eröffnen zu 
müssen, daß sich unter unserer jüngern Geistlichkeit immer mehr ein 
roher zelotischer Religionseifer entwickelt, der lieblos und unevange- 
lisch, wie er sich zu Tage legt, zugleich jede Pastoralklugheit fre- 
ventlich höhnt. ...»! 

Auf diese beweglichen Klagen des Schultheißen erwiderte der 
Bischof ruhig : « Hochdero Schreiben entspricht gänzlich meinen An- 
sichten und eben deswegen muß ich auf einem Seminarium in Solothum 
bestehen, damit den Kandidaten des Priestertums unter meiner und 
eines würdigen Regens (Hr. Professor Weißenbach) Oberleitung die 
jenigen Grundsätze beigebracht werden können, welche in unserm 
Tagen doppeltes Bedürfnis geworden sind..»? — Anläßlich der 
Konferenzverhandlungen über die Seminarien schrieb der zweite 
Luzerner Gesandte, Staatsrat Eduard Pfyffer, an den ersten Gesandten, 
Amrhyn, der im Auftrag der Konferenz deswegen mit dem Bischof 
unterhandelte : « Die Seminarien sind für uns der wichtigste Artikel, 
der zu behandeln ist. ... Die Regierungen müssen bei den dies- 
fallsigen Unterhandlungen mit dem Bischof möglichst freie Hand 
haben. Auch muß ihnen die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, 
in ihrem Gebiet ein eigenes Seminar zu errichten. Für Luzern ist 
letzteres sehr wichtig, da sich die Errichtung eines solchen Seminar! 
leicht effektuieren ließe und den Solothurnern, wo die Jesuiten noch 
viele Freunde haben, eben nicht unbedingt zu trauen ist. ...»’ 
Als der erste Anlauf an den unüberwindlichen Hindernissen gescheitert 
war, schrieb der Bischof an Amrhyn: «... Immer fühlbarer wird 
mir das Bedürfnis eines guten Priesterseminars, in welchem der wahr- 
haft evangelische Geist der Sanftmut, Demut und sich selbst auf- 


1 6. Sept. 1830. 
2 9. Sept. 1830. 
® Ed. Pfyffer an Amrhyn, o. D.; F.-A. A. 


—- 103 — 


opfernder Liebe — der Geist Jesu Christi — den jungen Gemütern 
eingeflößt wird. Zwei unglückselige Extreme stehen im Kampf, und 
nur wenige — wie es mir scheint — wandeln die Mittelstraße. Staat 
und Kirche leiden darunter, und das Vaterland wird gefährdet. ... »! 
Er behalf sich vorläufig damit, daß er einen 5 bis 6-wöchigen Vor- 
bereitungskurs einführte, in dem er den Unterricht zum großen Teil 
selbst übernahm. Die Frage wurde 1837 in der Bistumskonferenz 
erfolglos erörtert, und auch der letzte Versuch Salzmanns im Jahre 1850 
kam nicht zum Ziele. 

Die bisherige Politik der liberalen Regenten fand 1833 im Kanton 
Luzern eine deutliche Zurückweisung in der Verwerfung der neuen 
Bundesurkunde. Bei der romtreuen Geistlichkeit und im Volke hatte 
1832 die « landesherrliche Bewilligung » für die Firmung und Kirehen- 
weihe, ebenso die Ausweisung des Kapuzinerpaters Alexander Schmid, 
der in Root gegen die «falschen Propheten » gepredigt hatte, große 
Mißstimmung verursacht. Auch Pfarrer Banz in Hildisrieden war von 
der Regierung des Kanzelmißbrauchs bezichtigt worden. ? Die Er- 
richtung einer Lehranstalt in Willisau durch den Protestanten Friedrich 
Fröbel verursachte im Abstimmungsjahre eine starke Volksbewegung, 
die sich in Petitionen äußerte. Der Große Rat nahm dessenungeachtet 
die Gründung in Schutz. ? So schrieb Amrhyn angesichts der Volks- 
stimmung vier Monate vor der Entscheidung seinem Sohne: « Die 
Sachen stehen — überhaupt genommen — nicht schön in der ganzen 
Schweiz, und die erzürnten Zionswächter scheinen einen letzten Feld- 
zug gegen den Liberalism[us] unternehmen zu wollen, nicht nur jene 
unserer Religion, sondern auch die reformierte Geistlichkeit. .... »* 
Doch auch den Radikalen mißfiel der neue Bundentwurf, weil er ihnen 
in der Zentralisation zu wenig weit zu gehen schien. } Der altliberale 
Schultheiß Schwytzer sagte in einem Briefe: « Eine”sonderbare Er- 
scheinung geben uns unsere Radikalen, die ganz passiv bei der bevor- 
stehenden Beratung über die Bundesrevision bleiben wollen und sich 
auch dahin erklärt haben. Nicht einmal als Mitglieder der [vor- 
beratenden] Kommission haben sie Anteil genommen, sondern sind 


I ı2. Febr. 1831 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. 33. 

2 Schweiz. Kirchenzeitung 1832, S. 126 f., 147, 167; die Artikel: « Die 
Klage der h. Regierung des Kts. Luzern über den Mißbrauch der Kanzel; durch 
Aktenstücke beleuchtet », Nr. 22 fl.; 1833, Nr. 4. 

® Schweiz. Kirchenzeitung, 1833, Nr. 23 (Beil.), 24 fl.; 1834, Nr. ı; «Eid- 
genosse », 1833, Nr. 49, 66 (Beil.) ; Luzerner Zeitung, 1833, Nr. 2 fl.; Kas. Pfyfer. 
Geschichte des Kts. Luzern, II, 495. 4 7, März 1333. 


geradezu weggeblieben, selbst der Präsident C’asj. Pfyfier, Bühler 
[und] Hertenstein. Was dabei beabsichtigt wird, weiß der Himmel. :! 
— Im Großen Rate wurde die Bundesverfassung mit 72 gegen 3 Stimmen 
angenommen ; der Präsident, Kas. Pfyffer, galt als Verwerfender. ? 
Schultheiß Schwytzer berichtete drei Tage vor der Volksabstimmung : 
« Zwei sehr verschiedene Parteien arbeiten auf einen und den gleichen 
Zweck hin. [Prof. Dr. P. V.]) Troxler befindet sich seit einigen Tagen 
im Kanton und bewegt Himmel und Erde, um eine Verwerfung zu 
bewirken. ... Auf der andern Seite arbeiten im Verborgenen, aber 
sehr tätig, die Kurialisten und sollen eine zahlreiche herumgebotene 
Broschüre verbreiten lassen, um die Besorgnisse des Volkes wegen 
Religionsgefährde und Abgabenvermehrung zu steigern. ... Aller- 
dings würde eine Verwerfung von so radikaler Seite, wie unser Kanton, 
von bedeutenden Folgen sein. »? Der Bischof gebot am 25. Juni den 
Dekanen, auf ihre Anfrage hin, die Geistlichkeit solle sich auf keine 
Weise in die Abstimmung einmischen und sich nach dem Beispiel 
der Apostel und Jünger Christi um die Formen der Staatsverfassung 
gar nicht kümmern. Der Kleine Rat ließ dieses Schreiben anı 14. August 
publizieren. * Am Vorabend der Entscheidung aber schrieb Amrhyn 
voll Besorgnis: «... Mit der morgigen Annahme der neuen Bundes- 
urkunde durch das Volk im hiesigen Kanton steht es sehr ungewiß. 
Es wirken dagegen die Aristokraten par excellence, verbunden mit 
den Geistlichen — und trotz dem ausgesprochenen Willen des Bischofs 
(der mich gestern besucht hat) unter religiöser Fahne —, dann die 
Hässer der Stadt unter dem ökonomischen Gesichtspunkte, endlich 
die Radikalen, weil zu wenig Einheit, für ihre Persönlichkeit zu wenig 
Garantie in dem Bundesprojekt. » 5 

Als dann das Luzernervolk den Bundesvertrag mit 12,049 gegen 
nur 1448 Stimmen verwarf, erkannten die gemäßigten Regenten, daß 
dabei auch die bisherige kirchenpolitische Haltung der Regierung als 
Ursache in Betracht kam. Schwytzer schrieb in diesem Sinne :«... ES 
zeigt sich täglich mehr, daß die Regierung selbst schuld an allem sei 
und sich Blößen gegeben, die von ihren Feinden geschickt und zur 
rechten Zeit benutzt worden, um ihr diesen Streich zu spielen. Die 


! An Kanzler am Rhyn, 2. März 1833; F.-A. A. IV, E. 46. 
? Amrhyn an seinen Sohn, ı7. Juni. 

3 4. Juli, an Kanzler am Rhyn. 

% Hurter, S. 189 ff., 265 fl. 

$ An seinen Sohn, 6. Juli. 


Bemühungen des «Eidgenossen », unsern Kultus und seine Diener 
stetsfort herabzuwürdigen, und die Indifferenz gegen die in Willisau 
zustande gekommene Lehranstalt eingekommenen Vorstellungen sind 
es hauptsächlich, die dem überall verbreiteten Gerücht, die Regierung 
wolle reformiert werden, Glauben verschafften. ... Die Aufregung 
unter dem Volk ist stets in hohem Grade, und man macht sich keinen 
Begriff von der Wut, wie z. B. im Entlebuch von den höchsten Bergen 
herab in ganzen Scharen den Versammlungen zueilten. ... Viel besser 
ging es in der Ebene nicht, und überall wurde die gefährdete Religion 
vorgeschützt. Von allen Seiten wird uns ruhige Haltung und keine 
Übereilung empfohlen. ...»! Amrhyn, der als Vizepräsident des 
Großen Rates in Abwesenheit des Präsidenten Kas. Pfyffer den Rat 
präsidierte, hatte in diesen unruhigen Tagen wiederholte Besprechungen 
mit dem in Luzern weilenden Bischof, wohl hauptsächlich wegen der 
Haltung der Geistlichkeit. * Denn einige Tage später schrieb er erregt 
und in schärfstem Mißtrauen seinem Sohne :«.... Unsere Geistlichkeit 
hat ein schreckliches Spiel der Revolution in der Kirche bei der letzten 
Abstimmung über die Bundesakte getrieben ; sie ist in offenbaren 
Aufstand gegen den Bischof getreten und hat dadurch der Religion 
und der öffentlichen Moral einen furchtbaren Schlag versetzt. ... 
Spielt wohl Rom selbst dieses gewagte Spiel gänzlicher Zerrüttung 
im Innern der Staaten ?...»® Am 28. Juli wurde Kleinrat Sidler 
als Präsident der Kommission in kirchlichen und geistlichen Angelegen- 
heiten an den Bischof abgeordnet, um Klagen gegen einen Teil der 
Geistlichkeit vorzubringen, ein « kräftiges Adhortatorium » zu verlangen 
und für den Fall weiterer Opposition diesen Geistlichen mit der Strenge 
des Gesetzes zu drohen. Der bischöfliche Kommissar Waldis begleitete 
Ihn. Salzmann erließ infolge dieses Schrittes am ı. August ein Kreis- 


I! An Kanzler am Rhyn. ıı. Juli. 

?g. Juli, an den Kanzler: «... Kasimir Pfyffer hat Schande auf sich 
gezogen, daß er sich in einem so entscheidenden Momente von hier, mit der Ab- 
“cht längerer Abwesenheit entfernte. — Gestern abends hatte ich noch eine 
ifitte Unterredung mit dem Bischof. » 

° 26. Juli. — Die Proklamation vom 14. Juli erhob ähnliche Vorwürfe. — 
Hurter, S. 199 fl. ; Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 27, 30 («Die Einmischung der 
Geistlichkeit in politische Angelegenheiten »). Vergl. auch die Erklärung der 
“ngeschuldigten Geistlichen des Wahlkreises Habsburg in Nr. 31. — Wald- 
stätterbote, Nr. 54 (Beil.), 56; Luzerner Zeitung, Nr. 14 fl.; « Eidgenosse », 
\r.58:«... Die Verwerfung ging von der Mehrheit der Geistlichen aus, die — 


Richt achtend den Befehl des hochw. Herrn Bischofs — alle Mittel in Bewegung 
setzten. ...» 


— 106 — 


schreiben an die Geistlichkeit des Kantons, das in der Mahnung 
gipfelte: «Werfen Sie sich auf keine Weise in das Gebiet der Tages- 
politik !»! — Die Erfahrungen bei der politischen Niederlage bewirkten 
aber keine Rechtsschwenkung des Regierungskurses ; eher eine schärfere 
Ausprägung des Radikalismus. Das zeigten kirchenpolitische Vorgänge 
noch im selben Jahre. 

Zunächst veranlaßten die zahlreichen Angriffe des radikalen 
a Eidgenossen» den Bischof zur Einsprache. Dieses damals vom 
Surseer Anton Schnyder redigierte Organ Dr. Rob. Steigers griff den 
von Bischof Salzmann empfohlenen und wahrscheinlich von ihm ver- 
faßten Katechismus an, weil er die Sünden gegen das sechste und 
neunte Gebot nannte. Die Kritik enthielt den bezeichnenden Satz: 
«Ist es nicht ein wahres Ärgernis, die zehn Gebote Gottes, an die 
abgöttischen, mörderischen und unkeuschen Juden gerichtet, jetzt noch 
die Kinder auswendig lernen [zu] lassen ? »? In einer spätern Nummer 
schrieb das gleiche Blatt unter dem Titel: «Wie die Religion in 
Gefahr sein: «Wohl mag die sogenannte römische Religion, wie sie 
der Vatikan seit Jahrhunderten diktiert und — auf Isidors falsche 
Dekretalien gestützt — sich allein geltend macht, eine wohltätige 
Erschütterung fühlen, wofür wir der Vorsehung innig danken ; diese 
mag einstürzen ...; denn ihr Grund beruht auf Anmaßung und 
schändlicher Gewinnsucht. ... Diese wüste römische Religion ver- 
drängte nach und nach den wahren kirchlichen Geist, wie er in die 
erste Stiftung durch Christus und die Apostel gelegt war. ...» In 
Nr. 42, 1834 schrieb der « Eidgenosse » (ein katholischer Geistlicher) 
über die verschiedenen Kirchen :«... Jede dieser besondern Kirchen: 
die Luthersche wie die Griechische, die Römische wie die Zwinglische, 
kann irren und hat schon geirrt, kann betrügen und ist schon betrogen 
worden ; ja kann von der allgemeinen, d. h. katholischen, apostolischen, 


christlichen oder — was das gleiche ist — von der seligmachenden 
Urkirche abfallen ...; keine allein ist die katholische oder all- 
gemeine. ...» — Die Einsprache des Bischofs aber wurde durch 


! Amrhyn an den Kanzler, 28. Juli. — Wortlaut des bischöflichen Schreibens 
in der Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 33. 

% « Eidgenosse », 1833, Nr. 28, 31. — Dekan Georg Sigrist an Amrhyn, 29. März 
1831: «Es ist mir ein wahres Vergnügen, Hochdenselben ein Exemplar von der 
Religionslehre für Kinder, welche wahrscheinlich unsern hochverehrtesten Herm 
Bischof zum Verfasser hat, übersenden zu dürfen. Er ist ... ein schönes 
Geschenk, ... Mögen recht bald die geeigneten Anstalten getroffen werden zuf 
gründlichen Verbesserung des Religionsunterrichtes. » F.-A. A. IV. D. 76. 


—- 17 — 

den Artikel: «Eine Stimme aus der Wüste » veranlaßt. Mit Bezug 
auf das Konzil von Konstanz und Basel schrieb da der Einsender — 
angeblich ein Geistlicher : « Kaiser, Könige und Fürsten hofften mit 
Zuversicht, ... daß das Volk dem teuren Glauben ihrer Väter neuer- 
dings sein Herz zuwenden werde. Vergeblich! Roms Grundsatz : 
verwirre, trübe und fische, gewann die Oberhand. Der Grundsatz : 
der Papst ist die Kirche, das Konzil nur sein Handlanger, ward durch 
feile, geldsüchtige Welsche und mönchische, privilegierte Ordensobere 
aufrecht gehalten. ... Da hörte die Kirche auf, frei zu sein ; sie ward 
Sklavin, gefesselt an Rom und seine Laster : Geldgier und Ehrgeiz. ... 
Der Papst ... ist nur das dienende Haupt der Kirche, nicht sie selbst, 
weil sonst, wenn der Papst — was oft geschieht — in Irrtum gerät, 
die ganze Kirche irren müßte. ... Rom leitet das lecke Schiff der 
Kirche, unbekümmert um der Völker Heil, wenn nur die angemaßten 
kirchlichen Vorrechte ihm gesichert bleiben. ... »t Bischof Salzmann 
protestierte gegen dieses Pamphlet bei der Regierung, weil es das 
«Ansehen des Heiligen Vaters und der Bischöfe untergrabe und zum 
gottlosen Kampf gegen sie auffordere »; er verlangte die Nennung 
des Verfassers. Die Regierung beauftragte den Staatsanwalt, einen 
Prozeß einzuleiten. Das Bezirksgericht Sursee verurteilte darauf den 
Einsender zu 16 Fr. Buße und Abbitte. Beide Parteien appellierten. 
Das Appellationsgericht unter Kas. Pfyffers Vorsitz sprach den 
Beklagten frei und überband dem Kläger die Kosten. ? 

Neue große Aufregung verursachte Ende 1833 ein rascher Schritt 
Eduard Pfyfiers auf dem Wege zur Stärkung des liberalen Geistes 
auch in der Priesterbildung : die Berufung von Christoph Fuchs. An- 
äßlich der Tagsatzung in Zürich schrieb Pfyffer an Amrhyn:«... Ich 
frage, ob man Widmer und Kaufmann nicht einmal beseitigen könnte ? 
Ohne diese schon so lange nötige Beseitigung ist wahrlich nichts getan. 
Pfarrer Fuchs in Rapperschwil und [Burkard] Leu in Berlin würden 


! « Eidgenosse », Nr. 71, 89, 1833. — Hurter, S. 116 ; Schweiz. Kirchenzeitung, 

Nr. 46, 1833 ; Luzerner Zeitbug, Nr. 33. 
? « Eidgenosse », Nr. 89, 97, 1833 (mit dem Wortlaut des Urteils). — Schult- 
beiß Schwytzer an Kanzler am Rhyn, ı0. Nov. 1833 : « Die st. gallischen Ankämpfer 
‚ stgen das Papalsystem haben einen Zuwachs an unserm Appellationsgericht 
gewonnen. ... Diese Gerichtsstelle ... sprach den Angeklagten von aller 
Schuld los, weil es nicht in seiner Absicht gelegen, den Papst zu injurieren, 
sondern nur wissenschaftlich die Nichtigkeit des Papalsystems nachzuweisen, von 
_ Welchem loszureißen das Bestreben von Luzern, in Unterstützung der St. Galler 
| Neuorthodoxen, sein solle. ... Sie sehen also, wie wir täglich vorwärtsschreiten | » 


— 18 — 


die Abgehenden leicht ersetzen. Aber auch in dieser Hinsicht sollte 
bald gehandelt werden. .... »! Über die weitern Schritte schrieb 
Amrhyn am 15. September dem Kanzler : « Während der Anwesenheit 
von Schultheiß Pfyffer und benanntlich gestern sind wichtige Dinge 
in hier vorgefallen. Es hatte der Sache wegen schon vor 14 Tagen 
ein Zusammentritt zwischen ihm, Pater Girard und Professor Ineichen 
in Knonau statt. Über die Sache bin ich in thesi einverstanden ; nur 
hätte ich mir die Möglichkeit einer schicklichern Ausführung in Hinsicht 
auf Prof. Widmer gewünscht. Ich war selbst der Ansicht, man hätte 
diesen vor der Hand seines prädominierenden Einflusses wegen bleiben, 
jedoch mit zwei ihm gegenüberstehenden neuen Professoren der 
Theologia, tüchtigen und kräftigen Männern, im Schach halten und 
auf diese Weise — wo er fortfahren würde, dem Bessern im Staat 
und Kirche feindselig entgegenzustreben — auf diesem ... Wege 
zu Fall zu bringen, für jetzt indessen den Chorherr[n] und Professor 
Kaufmann — ein wahrer Tartüff — abzudanken. Es hatte über die Sache 
ein mehrstündiger Kampf im Erziehungsrat statt. Allein die Sache 
war von Pfyffer schon planiert und verabredet, und so — wenn nicht 
die ganze Verbesserung aufgeopfert und zugleich Zweispalt in den 
Erziehungsrat und die Regierung gebracht und dadurch den Feinden 
des Bessern neue Waffen in die Hände geliefert werden wollten — so 
mußte nachgegeben werden. Dieses leitete die Majorität des Erziehungs- 
rats, bestehend aus Prof. Ineichen und Girard, dem Oberlehrer Rietschi 
und mir. » 

Als Bischof Salzmann von der Ernennung Fuchsens Kunde erhielt, 
schrieb er an Schultheiß Schwytzer : « Diesen Augenblick vernehme 
ich, Herr Pfarrer Fuchs in Rapperschwil sei zum Professor der 
Theologie ernennt worden. Wie groß mein Schrecken über diese 
unerwartete Nachricht sei, werden Ihro Exc. aus folgendem 
entnehmen. Herr Pfarrer Fuchs ist in den unglücklichen Handel 
des Herrn Professor Fuchs innigst verwoben, indem er an das hoch- 
würdigste Generalvikariat in St. Gallen geschrieben, er stehe zur 
Verantwortung des Fuchsischen Aufsatzes, und dem berüchtigten Libell 
des Utznacher Kapitels, welches sich zu den Grundsätzen des Herm 
Prof. Fuchs bekannte, seine eigene Namensunterschrift beigefügt hat. 
Diese Grundsätze sind offenbar falsch, von dem Ordinariat St. Gallen 
bereits verworfen und werden auch vom Heiligen Stuhle verworfen 


I 12. August 1833. 


rn 


EEE EEE EN HE nmel ie  ESPSERERE 


werden. Unmöglich kann der Bischof von Basel einen solchen Professor 
der Theologie für gut erachten ; kein einziger von seinen Schülern 
würde jemals von mir zu den heiligen Weihungen admittiert werden, 
und Herr Pfarrer Fuchs würde selbst von dem Ordinariat Basel niemals 
die Erlaubnis, Beicht zu hören und die heilige Messe zu lesen, in meiner 
Diözese erhalten können, weil er die Entlassungsschrift aus dem 
Bistum St. Gallen nebst dem nötigen Zeugnis von reiner Lehre und 
vollkommenen Sitten von seinem hochwürdigsten Bischof in Chur 
nicht bekommen wird. In dieser meiner bedrängten Lage hielt ich 
fürs Beste, heut’ an Herrn Pfarrer Fuchs zu schreiben, ihm die bösen 
Folgen offenherzig zu bemerken und den Rat zu geben, die ihm vom 
Staat ehrenvoll zuerkannte Professorenstelle höflichst von sich ab- 
zulehnen. Tut er es nicht, so fordert unerläßliche Amtspflicht von 
mir, mit einem Reskript an die h. Regierung in Luzern zu gelangen, 
was ja notwendig das größte Aufseh’n erregen würde und notwendig 
verhütet werden sollte. Ihro Exc.! Ihr Bischof und durch ihn die 
Kirche Jesu fleht zu Ihnen als dem hochzuverehrenden Standeshaupte ! 
..»1 In einem Schreiben ähnlichen Inhalts bat der Bischof den 
Pfarrer Fuchs, die Ernennung nicht anzunehmen. Schultheiß Schwytzer 
schrieb an den Kanzler am Rhyn:: « Pfyffers Jubel war zu vorlaut ; 
er hat uns wieder einmal über den Löffel balbiert, denn es zeigt sich 
nun — was man sorgfältig verschwieg —, daß der. Herr Pfarrer mit 
dem Professor impliziert ist, daher von seinem Bischof keine Dimis- 
sorialien erhalten wird und ebenso von dem Bischof von Basel keine 
Admission bekommen kann. ... Der Kleine Rat weiß hievon noch 
nichts, ebensowenig als von Widmers seitdem eingegangenen Dank- 
schreiben, worin er sich aber ausbittet, man möchte ihn noch am 
Professorate belassen. Was da herauskommen wird, weiß ich wahrlich 
nicht ; Fuchs kann nicht Professor sein, und Widmer wird man nimmer 
wollen ; in jedem Fall gibt es hier einen unangenehmen Konflikt. ... »? 


t 17. Sept. 1833, F.-A. A. I. 236 (Kopie). — St.-A. L. Fach IV B, Höhere 
Lehranstalt. Beschlußentwurf und Erneuerungsschreiben des Erziehungsrats, von 
Ed. Pfyffers Hand, 14. Sept. ; Annahmeerklärung Fuchsens, 18. Sept. — Hurter, 
Ss. 213 fl.; Kas. Pfyfler, II, 497 fi.; Ant. Henne, S. 52 ft., 72 f., ııo fl.: 
J. K. Bluntschli, Der Sieg des Radikalismus, S. 159 ff. ; Schweiz. Kirchenzeitung, 
1833, Nr. 38 ff. (vorher verschiedene Artikel über Alois Fuchs und seine Predigt) ; 
Luzerner Zeitung, 1833, Nr. 24 fl. 

2 ı9. Sept. — Am 8. Okt. schrieb er: «Sein (Pfyflers) Fuchsischer Coup 
@’Etat hat ihm hier keine Freunde gemacht. ... Unter (der) Hand steckt sein 
eigener Bruder selbst. » 


—- IIOo — 


Der Bischof tat indessen sein Möglichstes, um einen schärferen 
Konflikt zu vermeiden. Er wandte sich mit eindringlichen Vor- 
stellungen an Staatsrat Pfyffer, der ihm deswegen geschrieben hatte. 
Er stellte fest, daß sich Christoph Fuchs zu der vom st. gallischen 
Ördinariate zensurierten Druckschrift des Professors Alois Fuchs 
bekenne, teilte vertraulich mit, daß ein päpstliches Breve an den 
Bischof von Chur-St. Gallen diese Druckschrift verurteile, und wies 
darauf hin, daß Irrlehren durch die allgemeinen Kirchensatzuugen 
von den Kathedern der katholischen Theologie ausschließen. Im 
übrigen schrieb er: «Bis auf gegenwärtigen Augenblick habe ich es 
für die heiligste meiner Amtspflichten erachtet, im steten Einklang 
mit den h. Landesregierungen zum Wohl des Vaterlandes nach 
Kräften hinzuwirken, und wiewohl diese meine Handlungsweise mir das 
Mißfallen von einer ungeheuren Anzahl Menschen zuzog, werde ich 
dennoch meinem bisherigen Grundsatz gewissenhaft bis in den Tod 
treu bleiben. Auch in dem fraglichen Gegenstand handelte ich mit 
bestmöglichster Schonung. ... Wenn Herr Pfarrer Fuchs nicht frei- 
willig absteht, so habe ich als Bischof keine andere Wahl, als entweder 
in dem Sinn und Geist, den ich vertrauensvoll S. Exc. Herrn Amts 
schultheiß Schwytzer eröffnete, an die h. Regierung zu schreiben, oder 
— wenn ich es tue — mich selbst vom Heiligen Stuhle verurteilen 
zu lassen oder vorher mein Bischofsamt zu resignieren. Daß ich [lieber) 
freiwillig auf mein Amt resignieren, als meinem Kirchenoberhaupt und 
den kirchlichen Canones ungehorsam sein will, dessen überzeugt Sie 
mein Charakter. Übrigens mische ich mich nie in die Wahlen der 
Herren Professoren und werde es niemals tun ; mir kommt es nicht 
zu, zu fragen, weswegen die h. Landesregierung den hochw. Herm 
Professor Widmer abzuberufen für gut fand. Ebensowenig fälle ich ein 
Urteil über Herrn Pfarrer Fuchs, mit dem ich ein einziges Mal ın 
Bischofszell gesprochen und ihn sehr einnehmend gefunden habe, ohne 
jedoch Herrn Professor Fuchs’ Grundsätze, die Herr Pfarrer gleich- 
falls genehmiget hat, gutheißen zu können. Sie brauchen mir nur 
einen Wink zu geben, und augenblicklich schicke ich meine Resignation 
nach Rom. So arm ich nach Solothurn kam, ebenso arm trete ich ab, 
hoffentlich aber ohne Schande. ...» 

Am gleichen Tage schrieb Amrhyn dem Schultheißen Pfyffer 
nach Zürich über die Verhandlung des Staatsrats wegen der Zuschrift 


I 20. Sept. ; F.-A. A. I, 236. 


Zn un Zn 2 


==  1I1I = 


Prof. Widmers, in der dieser gebeten hatte, ihn auf dem ihm lieb- 
gewordenen Lehrstuhle zu belassen : «Gestern abends erhielten die 
Mitglieder des Staatsrats von Herrn Schultheiß Schwytzer ... eine 
vertrauliche Mitteilung von dem sonderbaren Zwischenspiel, das nun 
gemacht wird, um den ehrenvoll entlassenen Prof. Widmer in seiner 
bisherigen Theologiadiktatur zu behaupten. Überraschen mußte die 
Erscheinung allerdings hauptsächlich der Wendung wegen, die man 
der Sache unter bedrohter Kirchenzensur gegen den Herrn Pfarrer 
Fuchs zu geben sich die Miene gibt. Allein dabei war auch die Über- 
zeugung allgemein, daß — möge auch die Sache ausfallen, wie sie da 


wolle — von einem Wiedereintritt Widmers in die Professur nun 


weniger als je die Rede sein könne. Um indessen nicht neuen Spek- 


‚ takel in den Kanton zu bringen, dessen Massa nun einmal noch durch 


die Einflüsterungen unserer Römerlinge befangen ist und deren Sinn 
und Augen nicht auf einmal gebessert werden können, haben sich 
die Mitglieder des Staatsrates untereinander das Wort gegeben, das 
Ganze unter sich geheim zu behalten, den Brief von Widmer dem 
Kleinen Rat in der heutigen Sitzung vorzulegen und denselben ein- 
fach dem Erziehungsrate auf dem vorhandenen Standpunkt der Sache, 


_ wieer sich durch die stattgehabten Wahlen ergeben hat, zur Ent- 


werfung einer angemessenen Antwort zuzuweisen. Von allem weitern 
würde man schweigen, teils um den Bischof, wenn er von seiner Über- 
eilung zurückgebracht werden könnte, zu schonen, teils, so das nicht 
erhältlich sein sollte, um Herrn Pfarrer Fuchs das Mittel zu bewahren, 
statt einer Annahmszuschrift eine schickliche Ablehnung der Regierung 


‚ zuschicken zu können. Sollte der Kampf mit Bischof und Nuntiatur 
. bei dem ohnehin religiös und politisch leidenschaftlich unterlockerten 


Boden, auf dem wir stehen und den wir vorderhand nicht zu ändern 
vermögen, von seite der Regierung mittelbar und unmittelbar nicht 
mit abzusehendem Erfolge bestanden werden können, so haben wir 
auch die Pflicht, nebenbei dafür zu sorgen, daß die Lage des von uns 
zur Professur berufenen Herrn Pfarrers Fuchs durch unser rücksichts- 
loses Vorschreiten nicht noch unangenehmer gemacht werde. Dabei 
erteilte mir der Staatsrat den Auftrag, mich über die obwaltenden 
Verlegenheiten mit Euer Excellenz zu besprechen und Sie zu ersuchen, 
zu dieser Unferredung auch den Herrn Pfarrer Fuchs einzuladen. ... » 

Diese Zusammenkunft fand wirklich an der Sihlbrücke statt. 
Amrhyn schrieb nachher seinem Sohne : « Ich habe ihm [Ed. Pfyffer] und 
jenem [Christoph Fuchs] ... reinen Wein eingeschenkt und beide fühlen 


— II — 


lassen, wie weit die Regierung gehen könne. Kann er keine Admission 
vom Bischof von Basel erhalten, so ist es aus mit der Professur. Daß 
übrigens in der Schweiz kein katholischer Geistlicher — auch quoad 
doctrinam, wie quoad mores — anders als durch förmlichen Prozeß, 
wie ihn das kanonische Recht fordert, verurteilt werde und die da- 
herige Sentenz, insoweit selbe Entsetzung, Suspension oder Entziehung 
der Einkünfte betrifft, dem Landesherrn zur Bewilligung der Exekution 
mitgeteilt werde, um je nach Umständen das jus cavendi in Anwendung 
zu bringen, ist nicht bloß zu Wahrung des landesherrlichen Rechtes, 
sondern selbst zur Sicherheit der Geistlichen notwendig, damit sie 
nicht der Verfolgung eines Bischofs oder von Rom ausgesetzt seien. 
Es ist mir dabei vorzüglich um jenes und nicht so fast um die 
Personen zu tun. ... Auf die politische Revolution folgt die kirchliche ; 
dies weist schon lange die Geschichte nach. Auch hier muß vorzüglich 
mit Umsicht, dabei nicht weniger mit männlicher Kraft gehandelt 
werden. »! — Pfarrer Fuchs hatte inzwischen dem Bischof auf sein 
Schreiben geantwortet : Er habe solche Hindernisse nicht erwartet, 
da er seit fünfzehn Jahren in der Diözese St. Gallen mit den besten 
Zeugnissen pastoriere und nie zensuriert oder gewarnt worden sei. 
Darum habe er den Ruf nach Luzern angenommen und in Rapperswil 
seine Demission gegeben. Er könne nun nicht mehr zurück, ohne 
seine Zukunft zu gefährden, sei aber bereit, als katholischer Priester 
und Professor alle beruhigenden Garantien zu geben, die man fordern 
könne. ? 

Nun wandte sich der Bischof offiziell an Schultheiß und Kleinen 
Rat von Luzern mit dem folgenden Schreiben : «Die Erwählung des 
hochw. Herrn Christoph Fuchs zum Professor der Theologie an der 
katholischen Lehranstalt in Luzern legt mir die schwere Pflicht auf, 
an Hochdieselben in gebührender Hochachtung vorzutragen, was mein 
hohes Amt in dieser Beziehung von mir fordert. Herr Christoph Fuchs 
hat — was Höchstihnen gewiß unbekannt blieb — die Grundsätze des 
hochw. Herrn Prof. Alois Fuchs öffentlich als die seinigen bekannt, 
indem er nicht nur an das hochwst. Generalvikariat in St. Gallen 
schrieb, er stehe zur Verantwortung für die in Untersuch liegende Schrift 
des Hrn. Alois Fuchs, sondern auch eigenhändig das Schreiben des 


! 26. September. 

® 2ı. Sept.; Kopie von Amrhyns Hand; F.-A. A. I, 236. — G. J. Baum- 
gartner (Die Schweiz, II, 45) sagt von Fuchs, er sei « insinuant, feurig, ja Enthusiast, 
für Ratschläge der Klugheit wenig zugänglich gewesen. » 


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f 
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- I3 — 


Utznacher Kapitels unterzeichnete, wodurch er erklärte, die angeregte 
Rede des Hrn. Alois Fuchs sei so abgefaßt, wie auch er es im Sinn 
und Herzen trage. Da nun die in erwähnter Rede aufgestellten Grund- 
sätze offenbar unrichtig sind, vom Ordinariate St. Gallen schon als 
falsch, ärgerlich und irrig verworfen wurden und auch vom Aposto- 
lischen Stuhle werden verworfen werden und ich als Bischof verbunden 
bin, zu verhüten, daß die öffentliche Katheder der katholischen 
Theologie von einem Manne bestiegen werde, der falsche Grundsätze 
sich angeeignet hat, und die zum Klerikalstand bestimmte Jugend mit 
einem solchen Lehrer in falsche Lehren eingeführt zu werden, Gefahr 
laufe : erlaube ich mir die Bitte, dem Hrn. Pfarrer Christoph Fuchs 
den theologischen Lehrstuhl nicht anzuvertrauen. Wiewohl ich nämlich 
Hochdero Kollaturrecht jederzeit zu ehren wissen werde, würde den- 
noch das Auftreten des Hrn. Fuchs für ihn selbst die schmerzlichsten 
Folgen haben. Erstlich ist er von einer andern Diözese. In der Eigen- 
schaft eines Laien kann er wohl mit Einwilligung der h. 
Landesregierung in das Bistum Basel eintreten. Um aber in der 
Eigenschaft eines Priesters darin funktionieren zu können, muß er mir 
vorerst die kanonische Dimissionsakte mit empfehlendem Zeugnis 
seiner reinen Lehre und tadellosen Wandels, von seinem hochwürdigsten 
Bischof ausgestellt, vorlegen können ; widrigenfalls werde ich ihn 
niemals unter meinen Diözesanklerus aufnehmen. Daß jedoch sein 
hochwst. Bischof ihm ein solches Zeugnis nicht ausstellen werde, noch 
könne, liegt offenbar am Tage. Zweitens würden seine theologischen 
Vorlesungen mich zwingen, all denjenigen Studenten, die ihn anhörten, 
die heiligen Weihen anhaltend zu versagen. Ich nehme voll Vertrauen 
meine Zuflucht zu Hochdenselben, weil ich bis zur gegenwärtigen 
Stunde die größten Beweise Hochdero landesväterlichen Wohlwollens 
zu mir und sorgfältigsten Schutzes der katholischen Kirche empfangen 
habe. ... »1 

Der Kleine Rat erwiderte: Es solle Pfarrer Fuchs Gelegenheit 
gegeben werden, sich wegen der Anschuldigungen zu rechtfertigen ; 
die Eingaben der Kantonsgeistlichkeit wegen der Versetzung Widmers 
und der Berufung Fuchsens lassen in ihrer Zudringlichkeit «den 
milden Geist der Religion und der Liebe ganz vermissen»; die 
Regierung werde künftig solche Eingaben als Verletzung der Achtung 
vor der Landesregierung behandeln. ®? Der Erziehungsrat erhielt gleich- 


! 25. Sept. ; Original; St.-A. L. Fach IV B. 3 27. September. 


REVUE D’HISTOIRE ECCLÄSIASTIQUR 8 


zeitig den Auftrag, Pfarrer Fuchs mitzuteilen: die Ausübung des 
Lehramtes sei ihm nicht gestattet, bis er vom Kleinen Rat vollständig 
als gerechtfertigt erklärt werde. Die Regierung fragte auch den 
Kleinen Rat von St. Gallen an, ob irgend ein Prozeß gegen Fuchs 
geführt werde. ? Christoph Fuchs antwortete am 19. Oktober: er 
befinde sich keineswegs im Anklagezustand ; das St. Galler Ordinariat 
wolle ihm aber die Dimissorialien nicht geben, bis die Angelegenheit von 
Alois Fuchs erledigt sei. 

Der Tod des Bischofs von Chur-St. Gallen und die gewaltsame 
Abtrennung St. Gallens vom Doppelbistum verschoben die Erledigung 
der Angelegenheit. Schultheiß Schwytzer schrieb damals: «St. Gallen 
geht in Kirchensachen einen raschen Gang, und die Forderung, daß 
der Papst der ... Wahl eines Bistumsverwesers seine Sanktion erteilen 
möchte, grenzt fürwahr an hohnenden Spott und läßt nur starre und 
kondemnierende Zurückweisung der Forderung und feierliche Prote- 
station gegen das Ganze voraussehen. Die frühern largen St. Galler 
sind nun plötzlich zu schrankenlosen Trotzern aufgewacht. Werden 
sie fest auf diese[m] Pfade fortschreiten, wird das dortige katholische 
Volk — noch tief in Mönchsideen eingewiegt — bei erstem Kampfe 
mit Rom, bei allfälligem päpstlichem Interdikte ihm kräftig und willig 
zur Seite bleiben ? Der ehemalige konstanzische Generalvikar von 
Wessenberg zweifelt an dieser indigenen Kraft des Schweizervolkes. 
Auch ich traue bei den Übertreibungen jeder Art, die in unserm viel- 
fach geschwächten Vaterlande wiederum in Gang kommen, dieser 
plötzlich auflodernden Kraft keine Dauer zu und sehe keinen sichern 
und günstigen Erfolg beim nun gewaltsam angehobenen Kampfe vor. »? 
— Zwar gab der von den weltlichen Behörden gewählte, von Rom 
aber nicht anerkannte st. gallische Bistumsverweser dem Pfarrer 
Fuchs die Dimissorialien, und dieser ersuchte, — gestützt darauf — 
den Bischof von Basel um die Admission. Doch Bischof Salzmann 
antwortete ihm am 9. Januar 1834 : «Auf Ihr verehrtestes Schreiben 

. kann ich Ihro Hochw. unmöglich eine andere Antwort erteilen 
als dasjenige, was in meinem früherhin an Sie erlassenen Warnungs- 
briefe bereits enthalten ist: daß ich nämlich, wenn Sie den theo- 
logischen Lehrstuhl in Luzern besteigen, keinen Zuhörer Ihrer theo- 


I 27. Sept. Entwurf von Amrhyns Hand. — Bittschriften der Kapitel 
Hochdorf, Willisau und Sursee und von Luzerner Bürgern (23., 24. Sept.) im 
St.-A. L. Fach IV B. 

® ı8. Nov. an Kanzler am Rhyn. 


Pr nn nn 


— mr mern re Te ee en ni 


—- 115 — 


logischen Vorträge jemals ad S. Ordines admittieren werde. Da Ihnen 
die unterm 17. September 1833 erschienene Apostolische Bulle [mit 
der Verurteilung des Professors Alois Fuchs] bekannt sein muß, können 
Sie von mir als einem katholischen Bischof nichts anderes erwarten. » ! 
Fuchs übersandte dieses Schreiben dem Kleinen Rat von Luzern und 
schrieb dazu : « Mich betrübt, die unschuldige Ursache von Spannungen 
geworden zu sein ; gälte es nicht die Sache, ich gäbe gerne meine 
Person preis. »® Die Regierung beschloß in Ausführung eines Groß- 
ratsbeschlusses am 18. Januar, Fuchs solle durch den Erziehungsrat 
auf den Lehrstuhl einberufen werden, weil nun nach der Einreichung 
der Dimissorialien kein Hindernis mehr bestehe. Am 3. März stellte 
Eduard Pfyffer ihn den Studenten vor, und am folgenden Tage begann 
er seine Vorlesungen. Als dann der Bischof — durch ein päpstliches 
Breve vom 8. März 1834 in seiner Haltung bestärkt — nochmals 
erklärte, er werde keinem Schüler Fuchsens die geistlichen Weihen 
erteilen, beschloß der Große Rat am 8. Mai kurzerhand die Ein- 
stellung der theologischen Vorlesungen. Prof. Widmer wurde trotz 
seines Wunsches, weiter wirken zu können, nicht mehr auf den Lehr- 
stuhl gesetzt ; erst die Vierzigerregierung gab ihm dann diese 
Genugtuung. 

Die Suspension der Theologiekurse schuf aber eine so unangenehme 
Lage, daß sich der Kleine Rat am 2. Juli 1834 an den Bischof wandte, 
mit der Erklärung : der unentschiedene Zustand könne nicht mehr 
länger dauern ; durch die Verweigerung der Weihen werde dem Staate 
das Recht, die Professuren zu bestellen, beschränkt ; das könne die 
Regierung nicht zugeben. Bischof Salzmann erklärte sich zu allem 
bereit, was seinem bischöflichen Amte nicht widerspreche. Eine 
kanonische Dimissionsakte müsse aber vom Ordinarius selbst aus- 
gestellt sein ; Joh. Nepomuk Zürcher in St. Gallen aber besitze keine 
Ördinariatsautorität. Später schickte er einen langen rechtfertigenden 
Bericht über seine Handlungsweise. Mit bezug auf sein erstes Schreiben 


! Original im St.-A. L. Fach IV B. — Im Großen Rat (19. Dez.) bestritt 
Dr. Kas. Pfyffer dem Bischof das Recht, den Schülern Fuchsens die Weihen zu 
verweigern. — Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 5ı f.; Luzerner Zeitung. — Vergl. 
auch die scharfe Polemik zwischen « Eidgenosse » (Nr. 35, 1834) und « Be 
Kirchenzeitung » (Nr. 22, 1834 ; Franz Geiger). 

® 12. Jan. 1834, mit Beilage der Dimissorialien. — Der « Eidgenosse » redet 
von einem «einfältigen » Brief des Bischofs an Kommissär Waldis, von den 
«Spiegelfechtereien eines Salzmann », des «guten Männchens in Solothurn ». 


— 16 — 


an Fuchs bemerkte er darin: «Jeder andere Priester hätte die 
warnende Stimme des Hirten befolgt und sich nicht wider den Willen 
des Bischofs in eine Diözese eindringen wollen. ... » Der Papst habe 
mit einem Breve vom 8. März 1834 die Weisung gegeben, Christoph 
Fuchs von der theologischen Anstalt fernzuhalten, und wenn er doch 
Vorlesungen hielte, allen Kandidaten den Besuch strengstens zu ver- 
bieten. ! Der Staatsrat gab darauf die vertrauliche Erklärung ab: 
«Wir halten dafür, daß ohne bestimmte Anklage, ohne Untersuch 
und Verteidigung des Angeklagten selbst ein Papst kein solches Urteil 
über jemand ergehen lassen dürfe. ... Wohin käme auch das Recht 
der Personen und der Staaten, wenn so etwas angehen könnte ? 
Wohin die Rechte und Pflichten der Bischöfe, wenn sie nach solchen 
eigenwilligen Befehlen blindlings zu handeln hätten ? Ein solches 
Verfahren müßte ... offenbar das Vertrauen von Priestern und Laien 
gegen Bischof und Primat sehr schwächen. » Am Schlusse erklärte 
der Staatsrat, sobald der Bischof Christoph Fuchs als Professor 
anerkenne, werde die theologische Fakultät wieder eröffnet. ? Der 
Bischof antwortete : er unterdrücke «aus Ehrfurcht gegen die höchste 
Staatsbehörde » die Gegenbemerkungen, die er zu machen hätte. Der 
Wunsch des Staatsrats werde rasch erfüllt, wenn Fuchs das tue, was 
er dem Kommissär Waldis brieflich anerboten habe. Und als dann 
Fuchs wirklich eine Unterwerfungserklärung ausstellte, schrieb Salz- 
mann am 21. September 1834 an den Kleinen Rat : « Weil der hochw. 
Hr. Christoph Fuchs ... meinem Wunsche entsprochen hat und durch 
öffentliche Verwerfung dessen, was in der berüchtigten Predigt des 
Hrn. Alois Fuchs von der heiligen Kirche verwerflich gefunden wurde, 
seinen kirchlichen Sinn und Geist beurkundete : habe ich die Ehre, 
Hochdenselben zu eröffnen, daß ich von nun an nichts ferner gegen 
den hochw. Hrn. Christoph Fuchs einzuwenden habe, sondern ihn auch 


18, ı7. Juli 1834. Original, mit der gedruckten Beilage : Damnatio et 
prohibitio quorundam libellorum germanico idiomate editorum doctrinam ab 
ecclesia reprobatam continentium. (17. Sept. 1833.) 

%2 ı9. Aug.; Entwurf von Amrhyns Hand. — Der «Eidgenosse » (1834, 
Nr. 35) schrieb über die Haltung des Bischofs: « Aus allem scheint folgendes 
hervorzugehen : a) eine kombinierte, reagierende Abneigung gegen die politische 
Regeneration des Vaterlandes ; b) eine üble Berechnung des eigentlichen status 
rerum im allgemeinen, meist aus Unkunde und Eigensinn hervorgehend ; c) ein 
Festhalten an veralteter Herkömmlichkeit, die nun ebenfalls suspendiert sein 
muß; d) eine große Jalousie gegen die Idee des Staats; e) eine unzweideutige 
Provokation des gesunden Menschenverstandes. ... » 


zur Seelsorge admittieren werde. » — Damit war der Konflikt zugunsten 
der kirchlichen Autorität beigelegt. Am ıı. Oktober konnten die 
theologischen Vorlesungen wieder aufgenommen werden. ! 

Nach Widmer wurde auch Chorherr Melchior Kaufmann als Pro- 
fessor der Dogmatik entlassen und für ihn Dr. Jos. Anton Fischer 
von München berufen. Wessenberg und P. Girard hatten ihn 
empfohlen. Fischer war ein Führer der deutschen Synodalbewegung, 
ein eifriger Vertreter des religiösen Liberalismus. Nach kurzer Wirk- 
samkeit in Luzern erregte sein Privatleben schweren Anstoß. Am 
16. Januar 1835 gab er dem Erziehungsrat seine Demission ein und 
zugleich die Legitimationspapiere für den Sohn seiner Haushälterin 
und des königlichen Hoftänzers Kaspar Ecker. Am Tage vorher 
schrieb Amrhyn dem Bischof : «E. Gn. werden durch den bischöflichen 
Hrn. Kommissar bereits vernommen haben, welchen neuen Kummer 
uns der von München her berufene Hr. Doktor Fischer, Professor der 
Theologie, durch die plötzliche Erscheinung einer Weibsperson mit 
einem vierjährigen Knaben — sie selbst in hochschwangerm Zustande 
— mit welcher er eigene Haushaltung zu führen sich anschickte, 
verursacht hat. Mit dieser Person — wie ich seither vernommen — 
sol Hr. Dr. Fischer schon seit längerer Zeit in München selbst in 
förmlichem Konkubinate gelebt haben und dies auch die Ursache 
gewesen sein, warum er dortigen Ende[s] nicht in dem Maße von 
der Regierung befördert wurde, wie es doch seine besitzenden Wis[s]en- 
schaften und Gelehrsamkeit erwarten ließen. Währenddem ich in 
Verbindung mit Ihrem Hrn. Kommissar für die Entfernung dieser 
Weibsperson, nebst ihrem Kinde, im geheimen einzuwirken mich 
bemühte und davon die Staatspolizei vertraulich in Kenntnis setzte, 
sie ersuchte, meine Bemühungen nicht zu stören, fand diese — gegen 
frühere Gewohnheit — ihre persönliche Rechnung dabei, in der Sache 
mit geflissentlicher Kundbarmachung einzuschreiten und mir ab- 
sichtlich vorzugreifen und ihren jetzigen Feuereifer für öffentliche 
Sittlichkeit schonungslos zur Schau zu tragen. Wirklich bin ich — 
infolge einer von den übrigen Professoren der Theologie, in Verbindung 
mit dem Religionslehrer an der Höhern Zentral-Lehranstalt, Hrn. Pro- 
fessor Tanner, an mich geschehenen Eröffnung — mit Hrn. Fischer 
für seine gänzliche und förderliche Entfernung von der hiesigen Lehr- 


! Gedruckte Erklärung Fuchsens vom 16. Sept. 1834 ; St.-A. L. Fach IV. B. 
— Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 40, 42 ; Eidgenosse, Nr. 77. 


— I — 


anstalt in geheimer Unterhandlung. Ob mich auch darin wieder die 
berechnete Lieblosigkeit meiner Kollegen stören werde, steht dahin. »! 
Nachdem dann aber Fischer die polizeilichen Zeugnisse von München 
vorgelegt hatte, erklärte der Erziehungsrat ihn am 16. Februar als 
gerechtfertigt. Er lehrte über fünf Jahre weiter und gab die «All- 
gemeine Kirchenzeitung für Deutschland und die Schweiz » heraus, 
das Gegenstück zur romtreuen « Schweizerischen Kirchenzeitung » und 
das Kampforgan der liberalen Geistlichkeit. ? — 1839 aber erhob der 
Bischof — durch ein päpstliches Breve vom 26. Juli 1838 ermahnt — 
gegen die Lehrtätigkeit und das Leben Fischers bei der Regierung 
Klage. Der Erziehungsrat beauftragte die Schuldirektion mit der 
Untersuchung, ebenso drei Professoren und die Polizei. Als Fischer 
trotzdem seine Lehr- und Pastoraltätigkeit fortsetzte, beschloß der 
Kleine Rat am 8. November, seine Fächer anders zu besetzen. Fischer 
forderte 4800 Fr. Entschädigung, und der Große Rat ging endlich 
darauf ein. Ende 1840 wanderte der Apostat nach Amerika aus. Am 
27. September 1840 aber veröffentlichte er noch in der «Leipziger 
Allgemeinen Zeitung » ein freches Sendschreiben an Bischof Salzmann, 
da dieser ihm ein Sittenzeugnis verweigert hatte. Er bekannte darin, 
daß er jahrelang in einer « Gewissensehe » gelebt habe, seine Kinder 
anderswo erziehen lasse und sich zu einer «allgemeinen christlichen 
Kirche » bekenne, die alle christlichen Konfessionen vereinigen werde. ? 
Der Bischof, dem Fischer die Erklärung zusandte, bielt sie geheim. 
Er schrieb Amrhyn : «Gott, dem Herrn, sei gedankt, daß dieser 


! Am ı9. Jan. schrieb Amrhyn in ähnlichem Sinne an P. Girard in Freiburg. 
— St.-A. L. Fach IV B.; Waldstätterbote, 1835, Nr. 14. 

2 Sie erschien — nach ihrer Verlegung von München in die Schweiz — erst- 
mals mit Nr. 27, 1835, in Luzern. Amrhyn empfahl sie am 6. Dez. 1836 dem 
Schultheißen von Tavel in Bern, da sie einzugehen drohte. Er bezeichnete ihre 
Unterstützung als «wesentliche Pflicht des Magistraten ». «Die Verbreitung 
dieser Kirchenzeitung in den katholischen Gegenden des Kantons Bern, wo der 
finstere, heimtückisch schleichende Ultramontanism[us] noch so tiefe Wurzeln 
hat, dürfte nicht ohne heilsame Wirkungen für die Zukunft sein.» Tavel 
antwortete (13. Dez.) : «Die Tendenz des Blattes nicht verkennend, werde ich 
suchen, demselben Abonnierte zu verschaffen.» ... — F.-A. A. IV. D. 79. — 
Ankündigung und Kritik in der Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 18, 1835. 

® Hurter, S. 221 ff. ; Leipziger Allg. Zeitung, Nr. 323, 1840 ; Schweiz. Kirchei- 
zeitung, Nr. 49, 1840. — Amrlıyn bezweifelte die Echtheit dieser « schamlosen 
Erklärung ». Es ärgerte ihn, daß die « Kirchenzeitung » sie abgedruckt hatte: 
er redete von « pharisäischer Religionsheuchelei » (7. Dez. 1840 an den Bischof). 
— Schweiz. Kirchenzeitung, 1839, Nr. 42, 45, 46 ; 1840, Nr. 21, 49, 52 (Erklärung 
Fischers gegenüber dem Bischof). 


— 119 — 


ungeistliche Priester fort ist, und möge Gottes allerbarmende Gnade 
ihn zur Erkenntnis seines ungeheuren Irrtums führen !»! 

Mit dem Konflikt wegen der Berufung von Christoph Fuchs fiel 
die Absetzung des Pfarrers Anton Huber in Ufikon zusammen. ? Am 
letzten Sonntag im November 1833 hatte dieser in der Predigt vor 
der Lektüre religionsfeindlicher Schriften gewarnt und die päpstliche 
Bulle vom 17. September 1833, die u. a. die Predigt von Prof. Alois 
Fuchs verurteilte, aus der «Schweiz. Kirchenzeitung » (Nr. 46, 1833) 
vorgelesen. Deswegen wurde er beschuldigt, die in der Praxis gegen- 
über kirchlichen Erlassen beanspruchte Erteilung der « landesherrlichen 
Bewilligung » umgangen zu haben. Er wurde vor den Amtsstatthalter 
von Willisau, dann vor die Justiz- und Polizeikommission und schließlich 
am 8. Januar 1834 vor den Kleinen Rat zitiert. Am gleichen Tage 
beschloß der Rat, trotz der Berufung Hubers auf die kirchlichen und 
staatlichen Gesetze, der Pfarrer habe sich «einer höchst ahndungs- 
würdigen Außerachtsetzung seiner Stellung und seiner Pflichten gegen 
die Regierung schuldig gemacht » und sei deshalb seiner Pfründe 
verlustig erklärt. Er schrieb die Pfarrstelle sofort aus und setzte die 
Neuwahl an. Pfarrer Huber, welchem Kommissär Waldis erklärt 
hatte, er könne ihm die geistliche Jurisdiktion nicht entziehen, kehrte 
in seine Pfarrei zurück, berief aber als Stellvertreter einen Kapuziner. 
Dann wandte er sich an den Bischof. Dieser erklärte am ıı. Januar 
dem Kleinen Rate: «... Da laut allgemeinem Kirchenrecht und allen 
auf solches gegründeten Satzungen sämtlicher katholischer Diözesen 
die Sentenz förmlicher Deposition eines kanonisch eingesetzten Pfarrers 
dem Bischof zukömmt und der Bischof für die Aufrechthaltung der 
kirchlichen Vorschriften einen heiligen Eid abgelegt hat, so erkläre 
ich vor Gott dem Allmächtigen im Namen Jesu Christi, daß ich mich 
gegen den vorgegangenen Depositionsakt feierlich verwahrt haben will, 


I 9. Dez. 1840. 

2 St.-A. L. Fach 9: Kirchenwesen ; Verwaltung der Disziplin. — Schweiz. 
Kirchenzeitung, 1834, Nr. 2 ff.; ebenso Eidgenosse, Luzerner Zeitung, Wald- 
stätterbote. — Henne, S. 85 ff., 112 fl.; Siegwart-Müller, Der Kampf zwischen 
Recht und Gewalt, S. 165 fi. ; Hurter, S. 421 fi. ; Kas. Pfyffer, II, 498 fi. — Hurter 
shreibt, er habe von Huber bei einem Besuche den Eindruck «eines stillen, 
bescheidenen, anspruchslosen, dabei ... charakterfesten Mannes» erhalten 
S. 431). — Schultheiß Schwytzer an Kanzler am Rhyn, 10. Jan. 1834: « ... Seit 
dem Udligenschwyler-Handel hat sich die Regierung einen solchen Gewaltstreich 
aicht erlaubt. » — Der « Eidgenosse » (1834, Nr. 29 ff.) frischte tatsächlich den 
Udligenswilerhandel als vorbildlichen Fall wieder auf. 


— I20 — 


die Pfarrei Uffikon nicht als erledigt betrachte, sondern den Herm 
Anton Huber als ihren rechtmäßigen Pfarrer anerkenne, weswegen 
auch keinem andern Priester die kanonische Institution für besagte 
Pfarrei von mir erteilt werden könnte. Übrigens stehen dem Bischof 
nur Bitten und Tränen zu Gebot, und wiewohl er durch Amt und 
Eid verpflichtet war, gegenwärtige Erklärung zu tun, erkennet und 
verehrt er dennoch immerdar in Hochdenselben eine von Gott gesetzte 
Obrigkeit. ... »1 Gleichzeitig richtete der Bischof an Schultheiß 
Amrhyn die dringende Bitte um Schutz für sich und die katholische 
Kirche. Er schrieb: «Unter häufigen Tränen nehme ich meine 
Zuflucht zu Ihro Exc. Hochdieselben wissen, daB ich nur aus 
Gehorsam den Bischofsstab annahm und mir alle mögliche Mühe gab, 
in den schrecklichen Zeitwirren Ruhe, Friede und Einigkeit im geliebten 
Vaterland zu erhalten und zu bewahren ; was und wieviel ich litt, weiß 
Gott der Herr. Daß aber die Würde des allgemeinen Kirchenoberhauptes 
in den Tagesblättern ungeahndet angegriffen werden darf, gegen alle 
kirchliche[n] Institutionen offene Fehde losbricht, ein Mann, dessen 
Grundsätze offen damniert vor uns liegen, zum Professor der katho- 
lischen Theologie erhoben werden will und ein kanonisch eingesetzter 
Pfarrer ohne alles kirchliche Urteil abgesetzt wird : dieses bricht mir 
vollends das Herz. » 

Trotz der Einsprache des Bischofs wurde Huber am 18. Januar 
unter dem Widerstand seiner Pfarrkinder im Auftrag des Kleinen 
Rates verhaftet und im Franziskanerkloster zu Luzern in Arrest 
gesetzt. Den Gemeindeabgeordneten, die eine Bittschrift überbrachten, 
erklärte der Rat sein Mißfallen und gab Auftrag zu gerichtlicher 
Verfolgung. ® In den kirchlich gesinnten Kreisen wuchs die Aufregung 
über das schroffe Vorgehen. Schultheiß Schwytzer schrieb deswegen: 


! Am 9. Febr. 1834 bestätigte er diesen Protest (St.-A. L.).. — Amrhyn 
an seinen Sohn, 4. Februar: «... Der Bischof scheint es wegen Pfarrer Huber 
aufs äußerste ankommen lassen zu wollen. ... Mich wundert, welches Ende 
das Geschäft nehmen wird und wie unsere Feuerhelden, denen bei der Sache 
unwohl zu werden es anfängt, sich dabei benehmen werden. » — Der « Eidgenosse » 
(Nr. 5 f., 1834) meinte, die Regierung solle den Protest des Bischofs zurück- 
schicken und ihm eventuell die Temporalien sperren, mit der Begründung : «Es 
handelt sich um eine Lebensfrage, und es muß sich entscheiden, wer in dieser 
Sphäre zu gebieten hat. >» 

® Akten im St.-A. L. — Schweiz. Kirchenzeitung, 1834, Nr. 4 fl. (Prozeß- 
akten), 10 (Vorstellungsschrift von 251 Pfarrgenossen), ıı, ı5 (Gerichtsverhand- 
lung), ı6 (Schreiben Hubers an den Großen Rat, ı3. April), ı7 ff. (Großrats 
verhandlung vom 19. April), 18 (Der Bischof an die Regierung, ıı. Januar). 


—- II — 


Stellung gegen den Bischof gesetzt, die unhaltbar ist, wofern nicht 
offen mit diesem gebrochen werden will. ... Einer von beiden Teilen 


muß weichen ; keiner tut es gerne. Wie das enden wird, ist nicht 
vorauszusehen. » 1 


(Fortsetzung folgt.) 


moment. Prenons bien garde de ne point mettre des 


opter de principes 
au-dessus de la conception de nos Peuples. » — 22. Jan. ı8 34.; F.-AA. IV.D. 63. 


Die Reform im Kloster St. Gallen. 


Von Dr. J. Ar. SCHEIWILER. 


(Fortsetzung.) 


3. Abt Joachim und die Reform. 


Abt Joachim Opser zählt zu den bedeutenderen Gestalten der 
st. gallischen Klostergeschichte. Seeleneifer und Liebe zur Wissenschaft 
zeichneten ihn aus. Er war ein hervorragender Prediger und tüchtiger 
Theologe. ! Sein ganzes Leben stand im Zeichen der Reform. Der 
überaus anziehende und aufschlußreiche Briefwechsel des jungen Opser 
von Paris nach St. Gallen offenbart ein ebenso eifriges, wahrhaft 
monastisches Tugendstreben, wie einen wissenschaftlich hochgerichteten 
Sinn. Die Predigten des Heimgekehrten, den Abt Othmar sofort, 
trotzdem Joachim erst 27 Jahre zählte, zum Dekan erhob, sind 
wichtige und schöne Dokumente der damaligen geistlichen Bered- 
samkeit. 

Als Abt Othmar am 27. Januar 1577 im Alter von erst 49 Jahren 
starb, folgte ihm schon zwei Tage später der jugendliche Dekan als 
Fürstabt. Welches Regierungsprogramm dem jungen Abt vorschwebte, 
zeigt ein von ihm hinterlassenes Büchlein, das voll Weisheit, Tiefe 
und Salbung die Ideale des geistlichen, zumal des monastischen Lebens, 


1 Scheiwiler, Fürstabt Joachim von St. Gallen, Zeitschr. f. Schweiz. Kirchen- 
geschichte XII, S. 43-57, 132-156. Vgl. J. Müller, Karl Borromeo und das Stift 
St. Gallen, S. 45, Anm. 2. 

Es ist bezeichnend für den vom Tridentinischen Geist noch weit abstehenden 
Geist der damaligen Klöster, daß nach Abt Othmars Tode die Konventualen 
dem neuen Abt eine Wahlkapitulation aufnötigten, was kirchenrechtlich verboten 
war. Wer bei der Wahl zugegen war, dem mußte der Abt jährlich ein Geschenk 
geben, und zwar einem Priester ı5 Gl., einem Diakon und Subdiakon 8 Gl., « item 
jährlich 2 Par Hosen und 2 Hembden », St.-A. Bd. 306, S. 319. Beim späteren 
Kampf gegen Joachim (Sommer 1590) kamen die Konventualen ausdrücklich 
auf diese Kapitulation zurück und der Abt versprach aufs neue, ihrem ungestümen 
Drängen nachgebend, dieselbe zu beobachten. Schöne Züge Joachims und seiner 
psychologisch feinen Art in Behandlung der von Berufszweifeln Gequälten und 
insbesondere des nach Zürich entwichenen Ittinger Kartäuserss P. Thomas 
Heimhofer, den er durch Gebet und ergreifende Briefe wieder zurückbrachte, 
siehe diese Zeitschrift XII, S. 146 ft. 


sowie die Pflichten des Klostervorstehers gegen seine Untergebenen 
darlegt.! Das herrliche Büchlein erinnert vielfach an die « Imitatio 
Christi », und ist ein kräftiger Beweis dafür, daß Joachim vom besten 
Reformwillen beseelt war. Die kleine Schrift enthält in aphoristischer 
Art geistvolle Ratschläge für das religiöse Leben, vermischt mit tief- 
empfundenen, flammenden Gebeten. 

« Die klösterliche Zelle ist eine Stätte himmlischer Lehren. Cellae 
et coeli habitatio cognatae. Cella quies mentis, fuga rixae paxque 
studentis. Viderint alii, quid sentiant, mihi oppidum carcer est et 
solitudo paradisus. » Und nun sein Regierungsprogramm ! «Curam 
agam animarum mihi commissarum omni tempore sollicitam nihilque 
eorum negligam, quae ad salutem eis videntur. Non sim contemptor 
sanctae communitatis. Dispensatorem me rerum monasterii agnoscam 
non Dominum. Non me propterea in altum extollam, quum rector 
aliorum positus sum, sed meminerim, mihi tanto metuendum amplius. 
Superbos, rebelles, contumaces quasi Dominus corrigam, humiles, 
obedientes, benigne foveam. Matrem me et nutricem monachorum 
semper existimem. Infirmorum curam geram sedulam. » 

Man kann in der Regierungszeit Abt Joachims drei Perioden 
unterscheiden : die erste, in welcher der päpstliche Nuntius Ninguarda 
nach St. Gallen kam und mit allem Eifer die Wahl unseres Abtes zum 
Weihbischof von Chur betrieb ; die zweite, in welcher der Nuntius 
Bonhomini mit Joachim zu tun hatte; die dritte, wo zwischen Abt 
und Konvent Mißhelligkeiten ausbrachen und wo der Nuntius Para- 
vicini eingegriffen hat. 

Mit dem Nuntius Ninguarda stand Joachim sehr gut. Die Ver- 
handlungen, die Ninguarda wegen der Churer Bischofswahl zwischen 
Rom und St. Gallen führte, zeigen, welch großes Ansehen der 
st. gallische Abt beim Nuntius wie beim Apostolischen Stuhl genoß. ? 

Schwieriger gestaltete sich das Verhältnis unter Ninguardas Nach- 
folger, Bonhomini. ® Der neue Nuntius schreibt am 18. August 1579 
von Zug aus an Abt Joachim, dieser möchte ihm Mitteilung machen 
über die Äbtissin von Tänikon (Thurgau), wo der Nuntius Ninguarda 


IR. D. Joachimi Abbatis S. Galli liber Exercitiorum spiritualium ob im- 
maturam auctoris mortem imperfectus ab co relictus ex ipso prototypo descriptus 
anno 1601, Stiftsbibliothek, 1194. 

®2 Fürstabt Joachim, Zeitschr. f. Schweiz. Kirchengesch. XII, S. 153-156. 

® Über Ninguarda, s. Mayer, Das Konzil von Trient I, S. 209 fi.; über 
Bonhomini, a. a. O. S. 224 ff. ; über Paravicini, a. a. O. S. 309 fl. 


im Vereine mit Joachim kürzlich eine Visitation vorgenommen und 
sehr mißliche Zustände angetroffen hatte. ! «Ich lege», so führt der 
Brief weiter, «auf Euer Urteil sehr viel Gewicht, nicht bloß betreffend 
die Reform dieses genannten Klosters, sondern auch in allen übrigen 
Angelegenheiten meines Amtes, da ich über Eure Tugenden die besten 
Zeugnisse erhalten habe. » 

«Was nun das Kloster St. Gallen betrifft, so könnte mir dasselbe 
wohl eher zum Vorbild für die anderen dienen, als daß ich in ihm 
etwas der Verbesserung bedürftig fände. Aber bisweilen vermögen 
auch eifrige Vorgesetzte mit ihrer gewöhnlichen Auktorität nicht alles 
durchzuführen, vielleicht steht es auch so in Euren vielen Pfarreien, 
deswegen biete ich Euch bereitwillig alle meine Dienste an. » ? 

Abt Joachim weilte eben zur Kur im Rietbad (Toggenburg), 
wohin ihm von St. Gallen der Brief Bonhominis zugeschickt wurde. ® 
Der Fürstabt zeigte sich bestürzt und schrieb sofort, am 24. August 
1579, zwei Briefe, den einen an Nuntius Ninguarda in Konstanz, den 
andern nach St. Gallen. In letzterem bemerkt er, den Bischof von 
Vercelli (Bonhomini) könne er nicht als Visitator anerkennen, da 
Ninguarda der Nuntius für die Schweiz * sei. An Ninguarda schreibt 
Joachim, er wolle die Visitation durch Bonhomini nicht, zwar nicht 
etwa wegen eines bösen Gewissens oder wegen mangelhafter klösterlicher 
Ordnung, sondern weil eben Ninguarda der vom Papst verordnete 
Nuntius sei. Der Bischof von Vercelli könnte auch ungeschickt vor- 
gehen. Er erwarte nur den Rat Ninguardas und werde diesem folgen. ° 

Auf den obigen Brief Bonhominis gab Joachim diesem unterm 
24. August 1579 eine nicht besonders freundliche Antwort: 

Bezüglich des Kloster Tänikon war mein Anteil an der Visitation 
nur gering. Der Schultheiß Pfyffer ist hier besser informiert. Die 
Schweizer sind dort Herren. «Was mein Kloster anbetrifft, sind viele 
meiner Untertanen Häretiker, besonders gibt es in meiner Landschaft 
Toggenburg, wo ich gegenwärtig weile, viele Prädikanten. Der ordent- 
liche Nuntius kennt mich und mein Kloster. Wollen Euer Gnaden 
recht behutsam sein, damit nicht gegen mein Kloster, das sich jetzt 
großer Ruhe erfreut, oder gegen die katholische Religion, welche mit 


1 Steffens und Reinhardt, a. a. O. Nr. 331. 
3 St. u. R. Nr. 399. 

3 St.-A. Rubr. 38, Fasz. 5. 

° St.-A. Rubr. 38, Fasz. 5. 

5 St.-A. Bd. 306, S. 425. 


mir viele gute Männer im stillen beschützt haben, ein Aufruhr entstehe, 
denn wir sind nicht in Italien und auch nicht in den fünf Kantonen. 
Ich habe in meinem Gebiet noch etwa zwanzig Konkubinarier unter 
den Geistlichen, die andern, deren Zahl groß war, habe ich vertrieben ; 
auch die noch vorhandenen werde ich verjagen, sobald mir andere 
Priester zur Verfügung stehen. Auch der Bischof von Scala (Ninguarda) 
hat mir hiezu seine ganze Hilfe versprochen. Übrigens gibt es hier, 
außer dem meinigen, wenige Klöster, und diese unterstehen in den 
weltlichen Dingen fast ausschließlich den Schweizern. Das meinige 
ist den großen Kosten, die ihm besonders durch Gäste verursacht 
werden, fast nicht gewachsen. Joachim, Abt, Vasall des Reiches. » ! 

Während dieser Brief auf dem Wege war, erhielt Joachim das 
Antwortschreiben von Ninguarda und sandte nun sofort den folgenden, 
in mehrfacher Hinsicht höchst interessanten Brief am 28. August 1579 
nach St. Gallen ?: «Von Ninguarda vernehme ich, daß Bonhomini 
wirklich rechtmäßiger Nuntius sei, daher habe ich meine Auffassung 
vollkommen geändert und nehme ihn gern als Visitator auf. Ich hoffe, 
sein Kommen werde der katholischen Sache zum großen Nutzen sein. 
Der Nuntius möge bis zu meiner Ankunft nichts machen, wenn möglich. 
Empfanget ihn als einen mir angenehmen Gast. Wenn er visitieren 
will, zeige er sein Vollmachtsschreiben, damit meine Privilegien nicht 
verletzt werden. Ich fürchte, das Kloster, das sich bis anhin eines 
tadellosen Rufes erfreute, könnte Schaden leiden. Denn ich weiß, daß 
das Volk Priester und Mönche wenig liebt. Meine Toggenburger, 
Katholiken und Neugläubigen sind bereits in Aufregung ; sie boten 
mir sogar Waffen an; sie wünschen keine Visitation ; doch der 
Gehorsam gegen den Papst ist mir höher und wichtiger. Mündlich 
mehr. Sage dem Dekan, er möge den Konvent ermahnen, daB keiner 
haretische Bücher in seiner Zelle behalte, sondern sie unverzüglich in 
die Bibliothek bringe. Sie sollen auch überlegen, was sie bezüglich 
des Geldes, das sie zu eigen haben und anderer Gegenstände ?, dem Visitator 


I St.u. R. Nr. 395. Wohl nicht ohne bestimmte Absicht unterschrieb sich 
Joachim « Vasall des Reiches». Der Kardinal Hohenems, Bischof von Konstanz, 
hatte an den Kardinal von Como zu Handen des Nuntius in der Schweiz die 
Warnung geschrieben, im Vorgehen gegen die Äbte dieser Gegenden, die reichs- 
unmittelbar sind, vorsichtig zu sein, sonst könnten sie sich gemeinsam gegen 
den Visitator auflehnen. St. u. R. S. sıs, Nr. 415. 

8 St.-A. Rubr. 38, Fasz. s. 

® Diese zwei Mahnungen lassen darauf schließen, daß Joachim doch nicht 
alles dem scharfen Auge des Visitators offenbaren möchte. Man sieht hier auch, 


— 126 — 


sagen wollen. Ich habe dem Nuntius ziemlich scharf geschrieben. 
Du wirst mich deshalb entschuldigen und auf eine Antwort von mir 
verweisen. » 

Das mit den letzten Worten angedeutete Entschuldigungsschreiben 
schickte Joachim schon am 30. August noch von Rietbad aus an 
Bonhomini, zugleich auch als Antwort auf dessen gereizten Brief vom 
27. August 1579 aus Wislikon (bei Zurzach), welcher folgendermaßen 
gelautet hatte: ! «Ich hatte gehofft, daß der Abt von St. Gallen, von 
dessen frommen Seeleneifer und größter Ergebenheit gegen den 
Apostolischen Stuhl ich mir das Höchste versprochen hatte, mit 
wahrer Freude meine Hilfe annehmen werde. » Die wenig würdige 
Antwort des Abtes hat ihm diese Illusion genommen. DBetreflend 
Tänikon verzichtete er auf die Hilfe des Abtes in der Visitation dieses 
Klosters. Weniger geduldig vermag er die Mahnung hinzunehmen, 
Vorsicht zu üben, «da wir nicht in Italien sind ». Er weiß nicht, was 
er dazu und zu dem kalten Briefe des Abtes überhaupt sagen soll. 
«Hätte Papst Gregor XIII. vielleicht einen so unvorsichtigen und 
unklugen Mann nach Deutschland geschickt, der das Kloster St. Gallen 
umstürzen und gegen die katholische Religion Aufruhr erregen würde!» 
Der Abt möge die angebotene Hilfe nicht zurückweisen, sonst könnte 
ihn die Strafe treffen, daß ihm im Notfalle nicht einmal Hilfe zuteil 
würde. 

Joachim also entschuldigt sich in seinem Briefe vom 30. August 
an den Nuntius, dessen Schreiben er eben an diesem Tage um ıo Uhr 
erhalten habe: Wegen sehr schwacher Gesundheit könne er beinahe 
nicht schreiben ; es sei ihm ein tiefer Schmerz, den Nuntius erzümt 
zu haben ; wie gut er gesinnt sei gegen den Papst, dafür rufe er Gott 
zum Zeugen an, auch der Nuntius Ninguarda könne das bestätigen ; 
mit höchster Freude nehme er den Visitator auf und werde vor ihm 
nichts verbergen ; über sein vergangenes Leben scheue er keine 
Rechenschaft. ? 

Inzwischen hatte sich Bonhomini am 29. August durch die 
Vermittlung des hl. Karl Borromäus direkt an Papst Gregor XII. 


daß die Mönche das Armutsgelübde nicht beobachteten, wenigstens nicht in 
seiner vollen Strenge. Die Sucht nach häretischen Büchern war damals stark 
verbreitet, daher auch das strenge Vorgehen der Kirche gegen solche Druck- 
Erzeugnisse. 

1 St. u. R. Nr. 399. 

2 St.-A. Rubr. 38, Fasz. 5. 


— 127 — 


gewandt, und dieser erließ am I4. Oktober 1579 sogar ein Breve an 
Abt Joachim, worin es heißt, wie wünschenswert es für den Abt sein 
müsse, sich mit dem so erfahrenen und tüchtigen Nuntius zu beraten. 
Der fromme Abt werde den Besuch gewiß zu schätzen wissen. ! 

Das Breve wurde dann aber vom Nuntius zurückbehalten, da 
sich inzwischen die Differenzen gehoben hatten. * Zwar schrieb 
Bonhomini am I. September von Konstanz aus nochmals einen sehr 
scharfen Brief an den Abt von St. Gallen, worin er dessen Ent- 
schuldigungen als lächerlich und schwächlich hinstellt. ® Da aber legt 
sich Ninguarda, der mit Bonhomini in Konstanz weilte, ins Mittel, 
wie er dem Abte am 2. September schreibt. Er rühmte den St. Galler 
Abt beim neuen Nuntius in hohem Maße und brachte als Entschul- 
digungsgrund für dessen anfängliche Haltung vor, der Abt habe es 
vielleicht empfunden, daß Bonhomini in der Churer Bischofsangelegen- 
heit von Joachim abgegangen * sei. Bonhomini sei nun beruhigt ; 
auch habe ihn ein letzter Brief des Abtes gefreut und günstig gestimmt. 
Dieser möge daher seine bisherige große Liebe gegen Ninguarda auf 
den neuen Nuntius übertragen, der alle Klöster der Schweiz zu 
visitieren habe, während Ninguarda weiter ziehe. ° 

Nun stand dem Kommen des Visitators kein Hindernis mehr 
entgegen. Am Io. September 1579 erschien Bonhomini in St. Gallen 
und vollzog seinen feierlichen Einzug. Weil aber der Abt zum Kur- 
gebrauch noch immer abwesend war und durch ein Bittschreiben 


I St.u. R. Nr. 403. 

2 St.u. R. Nr. 521. 

3 St.-A. Rubr. 38, Fasz. 5. 

* Ninguarda hatte mit großem Eifer die Wahl Abt Joachims zum Weih- 
bischof von Chur betrieben, sodaß Papst Gregor XIII. im Konsistorium vom 
30. Januar ı579 in einem für Joachim sehr ehrenvollen Aktenstück diesen zum 
Weihbischof mit dem Rechte der Nachfolge ernannte. Dabei hatte der Papst, 
den Weigerungen Joachims gegenüber, den Ausspruch getan : pereat monasterium, 
Noreat episcopatus. S. Zeitschr. f. Schweiz. Kirchengesch. XII. S. 155. St. A., 
Stipplin, Collectanea, Bd. 193, S. 613 u. 614. Über die Koadjutorie von Chur, 
gegen welche Schwyz und namentlich Luzern aufs heftigste ankämpften und 
gegen die dann auch Bonhomini, wohl von Schultheiß Pfyffer beeinflußt, ent- 
schieden Stellung nahm, siehe R. u. St. an manchen Stellen, besonders Nr. 357. 
Vielleicht war Joachim im Innersten für Annahme des Churer Bischofsitzes, aber 
wegen der Opposition von verschiedenen Seiten doch eingeschüchtert. Ob die 
Stellungnahme Bonhominis gegen das von Ninguarda so lebhaft betriebene Projekt 
einen Grund zur Spannung zwischen Joachim und diesem Nuntius legte, läßt 
sich aus unsern Quellen nicht herauslesen. 

5 St.-A. Rubr. 38, Fasz. 5. 


— 12183 — 


um Aufschub der Visitation ersucht hatte !, begann der Nuntius zwar 
dieselbe, beendigte sie aber noch nicht. 

Am 12. September 1579 ist Bonhomini in Wil und schreibt von 
dort an Carlo Borromeo : «Der Abt von St. Gallen ist diesen Abend 
angekommen, während ich draußen zur Visitation war ; er hat sich 
noch nicht gezeigt, unter dem Vorwand, daß er vom Reiten sehr müde 
sei. Ich glaube aber, er verberge sich aus Scham wegen seinen und 
meinen Briefen. Immerhin habe ich nun schon einen großen Teil 
seines Gebietes visitiert ; die Visitation des Klosters ist begonnen, 
aber noch nicht vollendet. » ® 

Von einer Visitationsreise im Thurgau kam Bonhomini am 25. oder 
26. November 1579 neuerdings nach St. Gallen, um die daselbst 
begonnene, aber wegen der Abwesenheit des Abtes unterbrochene 
Visitation durchzuführen, die nun, dank der Güte und Freundlichkeit 
des Abtes, glücklich vorgenommen wurde. Nach einem ersten Auf- 
enthalt daselbst geht der Nuntius nach Appenzell, dieser «vera 
catholicorum cella », wo seit 100 Jahren kein Bischof mehr erschienen 
war, und wo der Nuntius die besten Eindrücke empfing. Auf Samstag, 
den 28. November, kehrte er nach St. Gallen zurück, um an diesem 
Tage dort im Stifte eine feierliche Versammlung der Geistlichen, eine 
Art Synode zu halten. Tags darauf, Sonntag, den 29. November, ist 
er wiederum in Appenzell. Am ı. Dezember finden wir ihn zu Wil, 
wo eine zweite Versammlung der st. gallischen Geistlichkeit stattfand. ? 

Über das, was der päpstliche Nuntius im Kloster St. Gallen 
Tadelnswertes fand und wofür er Reformen verlangte, sind wir nicht 
direkt durch einen der sonst bei Visitationen üblichen Rezesse, wohl 
aber durch verschiedene Briefe Bonhominis an Abt Joachim unter- 
richtet. 

Von besonderer Wichtigkeit ist hier das umfangreiche Schreiben, 
welches der Nuntius bereits am 3. Dezember 1579, also unter dem 
frischen Eindruck der kurz vorher abgeschlossenen Visitation, von 


I St.u. R. Nr. 410. 

®? St. u. R. Nr. 432. 

8 St.u.R.Nr. 5sıo. Vgl. Anmerk. 5, S. 661. Über den Empfang in Appenzell, 
s. Nr. sı2. Es scheint, daß der Nuntius durch die äußeren Eindrücke in Appenzell 
sich zu sehr einnehmen ließ, wie seine Visitationen überhaupt in allzu großer Eile 
vorgenommen wurden und darum nicht immer ganz zuverlässig waren. St. u. R. 
Nr. 432. Die Decreta et Constitutiones Nuntii sacerdotibus et clericis in territorio 
S. Galli constitutis, s. St.-A. Rubr. ı3. Fasz. ı8. Sie sind mitgeteilt in Zeitschrift 
f. Schweiz. Kirchengesch. XII, S. 141-144. 


Tänikon aus, an den st. gallischen Abt gerichtet hat. Zwei Punkte 
werden in diesem Schreiben einer scharfen und einläßlichen Kritik 
unterzogen, nämlich der zu freie Eintritt von Frauen im Kloster und 
die Zulassung von Mönchen zu Profeß und Weihen vor dem kanonisch 
zulässigen Alter. 

Über den ersten Punkt lesen wir folgendes : Was wir schon beim 
Eintritt ins Kloster St. Gallen mündlich berührt haben, glaubte ich 
hier auch schriftlich festlegen zu müssen, damit in einer Sache von 
solcher Wichtigkeit, worüber die Päpste Pius V. und Gregor XIII. 
die Euch bereits übergebenen scharfen Konstitutionen erlassen haben, 
ganz deutlich feststehe, was zu tun und zu lassen sei. In erster Linie 
also erklären wir nach dem Wortlaut der päpstlichen Konstitution, 
daß keine Frauen in die Klausur des Klosters (in monasterii claustrum, 
quod ecclesiae ipsi coniunctum est), die an die Kirche direkt anstoßt, 
eintreten, noch auch über jene engen und dunkeln Stiegen, über welche 
die Mönche täglich zum Gottesdienst in die Kirche hinabgehen, auf- 
oder abgehen dürfen. Deshalb sollen die Türen zur Klosterklausur 
wie zu den Stiegen so mit einem angehängten Gewicht versehen 
werden, daß sie nach Öffnung sich von selbst wieder schließen. Den 
Schlüssel zur Stiegentüre sollen alle Mönche immer bei sich haben, 
den Schlüssel zur Klosterklausur nur jene, die der Dekan hiefür 
bezeichnet. 

Da es aber zu schwierig wäre, vornehme Frauen, die mit ihren 
Männern die Gastfreundschaft des Klosters in Anspruch nehmen, 
abzuweisen, ja, da ein solches Vorgehen den Unwillen der Herren 
Eidgenossen erwecken und dadurch Gefahren für das Kloster verur- 
sachen könnte, so gestatten wir, vermöge einer besondern päpstlichen 
Vollmacht, daß solche Frauen in die Gastwohnungen (in hospitum 
domicilia) aufgenommen werden, und daß die Klostermägde sie 
bedienen dürfen ; zugleich verbieten wir aber diesen Mägden jeden 
sonstigen Eintritt in die genannten Gastwohnungen (in dictas hospi- 
tales domos) nach dem 20. Tag dieses Monats Dezember, und zwar 
unter den in der päpstlichen Konstitution für Eintretende wie den 
Eintritt, Gestattende festgesetzten sofort zu inkurrierenden Strafen. 
Da für die Mägde aber gegenwärtig keine andere passende Wohn- 
gelegenheit besteht, als die bei der kleinen Pforte neben der Kusterei 
(quae ad parvulam custodiae portam jacet), so gestatten wir ihnen, 
jedoch nur nach Anbringung eines festen hölzernen Gitterabschlusses, 
der die Türe des Gasthauses abschließe (cancellis ligneis, qui dictae 


REVUR D'HISTOIREB ECCLESIASTIQUE 9 


— 1370 — 


domus januam excludant, constructis), innert diesen Abschluß hinein- 
zugehen, aber wie bereits erwähnt, nur zum Dienste genannter Frauen: 
Doch auch diese Lizenz soll sich nur auf 8 oder höchstens Io Monate 
erstrecken, bis der Abt, was er bereits mit kluger Bereitwilligkeit 
versprochen, passendere Gastgemächer außerhalb der Klausur errichtet 
hat. ! 

Was dann die Klostergebäude in Wil und Rorschach betrifft, 
ist mir nicht klar, ob sie Klöster genannt werden müssen ; doch scheint 
mir auch dort das Eintreten oder Wohnen von Frauen verboten zu 
sein, ich will aber im Vertrauen auf den Abt hierüber noch nichts 
entscheiden, sondern erst die Antwort von Rom abwarten. 

Bezüglich des Alters der Profeß- und Weihekandidaten enthält 
der Nuntiusbrief folgendes: Ich wollte zuerst, gestützt auf das 


‚2 Quod tamen eousque tantum licere volumus, nempe octo vel ad summum 
decem mensium spatio quoad Reverentia Vestra, quod jam pie prudenterque 
statuit, sedulo exequatur atque hospitalibus iis domibus concessis relictis (nach 
Räumung der für den kurzen Termin noch zugestandenen Gastwohnungen), alia 
pro hospitibus recipiendis extra claustrum parentur commodiora hospitia. 

Joachim ist nie dazu gekommen, das hier von Bonhomini geforderte Frauen- 
gasthaus zu bauen, und er entschuldigte sich mit der finanziellen Unmöglichkeit 
eines solchen Baues. Das in dieser Zeitschr. XII, S. 148, Gesagte, ist hierin zu 
korrigieren. Doch gab sich Joachim Mühe, im Rahmen der bestehenden Raum- 
verhältnisse die Klausur durchzuführen. Wir können uns uicht so leicht ein Bild 
davon machen, wie die « Verriegelung » des Klosters und der «dunklen Stiegen » 
ausgesehen hat und wie weit damit eine wirkliche Klausur geschaffen wurde. 
Dafür müßten wir eine genauere topographische Kenntnis der Klostergebäude 
aus damaliger Zeit besitzen. Hardegger, Die alte Stiftskirche und die ehemaligen 
Klostergebäude in St. Gallen, gibt S. 61-64 eine Beschreibung und zwischen 
S. 56-57 einen Situationsplan ; doch kann man auch hieraus keine völlige Klarheit 
gewinnen. Jedenfalls ist die Bezeichnung « Frauenhaus » auf dem Situationsplan 
von anno 1570 nicht zutrefiend. Ob und wann Abt Bernard ein solches erstellt 
hat, können wir mit Sicherheit nicht sagen. Wir sind aber mit Müller, « Karl 
Borromeo », S. 40, der Ansicht, daß in der ganzen Angelegenheit eine verschiedene 
Auffassung über die unter die Klausur fallenden Gebäulichkeiten obwaltete. Was 
Bonhomini vorläufig verlangt hatte und was darum wohl das Wesentliche der 
Klausur bedeutete, eben jene « Verriegelung » des eigentlichen Klosters und der 
«dunklen Stiegen » und die damit verbundene Fernhaltung der Frauen, scheint 
Joachim durchgeführt zu haben, wie die erbitterten Klagen widerspenstiger 
Mönche im Jahre 1590 (s. unten) über « karthusische » Strenge, neue Klausuren 
und « Verriegelung der Kirche » wohl deutlich zeigen. Bis zum Jahre 1590 stand 
auch unser Abt beim Papst und bei der römischen Kurie in ungeschmälertem 
Ansehen. Vom Jahre 1590 an scheinen dagegen dem schwer kranken Abt die 
Zügel mehr und mehr entglitten zu sein, so daß eine zweimalige Intervention 
von Seiten der Kurie (wegen der rebellischen Konventualen und des Glasers 
Seybrand) notwendig wurde, was naturgemäß zu einem Umschlag der Stimmung 
führte. 


— 1311 — 


Zeugnis des Abtes, die Berichte meines Sekretärs über zu frühe 
Zulassung von Kandidaten auf sich beruhen lassen, da ich aber vom 
gleichen Sekretär vernahm, einer der von ihm Gefragten habe immer 
und immer wieder beharrlich versichert, er sei erst ıg Jahre alt und 
bereits Subdiakon, und ein anderer in Wil, Gehilfe des Statthalters, 
habe vor dem gesetzlichen Alter die Priesterweihe empfangen, so gebe 
ich dem Abt die Fakultät, sie von der Suspension und Irregularität 
zu absolvieren, jedoch mit Auflegung der folgenden Buße : 4 Monate 
lang haben sie jeden Freitag bei Wasser und Brot zu fasten und 
während der gleichen Zeit jede Woche den Marianischen Rosenkranz 
zu verrichten. 

Jene aber, die nach Schluß des Trienter Konzils nun vor voll- 
endetem 21. Jahr Profeß getan haben, müssen diese nochmals ablegen, 
da zufolge des Tridentinischen Dekretes eine solche Profeß null und 
nichtig ist. ! 

Wie sehr dem Nuntius die st. gallische Angelegenheit, besonders 
bezüglich des oben berührten ersten Punktes am Herzen lag, zeigt 
ein weiterer Brief, einen Monat später, den er unterm I2. Januar 1580 
von Luzern an Abt Joachim sandte und worin er schreibt : 

Ich möchte nicht dem Papste mitteilen, daß sozusagen einzig 
im Kloster St. Gallen, das in der Schweiz das weitaus mächtigste ist, 
seine strenge Konstitution über den Eintritt von Frauen nicht 
angenommen worden sei. Die Wertschätzung des Abtes würde dadurch 
beim Papste stark leiden. Ich werde aus Rücksicht die in den 
Konstitutionen angedrohten Zensuren bezüglich der Gastgemächer 
(hospitalia domicilia) noch zurückhalten und auch dem Papste davon 
nichts sagen, bis der Abt den Termin für den Bau des neuen Gast- 
hauses in der von mir bezeichneten Art festgelegt hat. — Bezüglich 
der Klausur und der dunkeln Stiegen (de claustro et obscuris scalis) 
aber kann ich ruhigen Gewissens nichts nachlassen, da gilt nur ab- 
soluter Gehorsam des Abtes. ® Betreffend das Haus in Wil, will ich 


 1St.-A. Bd. 306, S. 393-395. 

3 Diese Worte bestätigen und erhärten wohl die oben ausgesprochene Ansicht, 
daß mit diesen Vorschriften des Nuntius das streng Wesentliche der Klausur 
gegeben war, daß also Abt Joachim durch deren Vollführung die Klausur wirklich 
einrichtete, auch ohne den Bau eines Frauengasthauses. Bei dieser Annahme 
erklärt sich auch leichter, was Florin Flerch auf der Diözesansynode zu Konstanz 
vorbrachte, Abt Othmar habe mit dem Abt von Einsiedeln über eine schärfere 
Einhaltung der Klosterklausur beraten und die bezüglichen Beschlüsse zum Teil 
bereits durchgeführt. S. Constitutiones et decreta synodalia ; Acta synodi f. 261 b. 


— 12 — 


der Interpretation des Abtes mich fügen, wiewohl nach dem Wortlaut 
der Konstitution eine andere Meinung richtiger scheint. ! 

Nochmals kommt Bonhomini auf die ihm so sehr am Herzen 
liegende Sache zurück, als er im Begriffe steht, die Schweiz zu verlassen. 
Aus Konstanz schreibt er am ı. November 1581 nach St. Gallen ?: 
Im Begriffe, nach Wien zu reisen, hätte er gerne den Abt noch besucht, 
aber keine Zeit mehr gehabt. Joachim möge ihm mitteilen, was er 
für den Ausschluß der Frauen vom Kloster unternommen habe. 
Schon zwei sehr ertragreiche Jahre seien nun vorüber, seit der Abt 
fest versprochen hatte, ein vom Kloster gesondertes Frauengasthaus 
zu errichten. 

Dieses kleine Brieflein bekundet, daß sich Joachim wegen des 
Nichtbauens mit der schlechten Finanzlage des Klosters entschuldigte, 
eine Entschuldigung, die, wie wir noch sehen werden, einige Jahre 
später neuerdings wiederkehrte. 

Der St. Galler Abt erwiderte auf das Schreiben aus Konstanz 
am 15. November 1581, der Nuntius möge sich in Wien beim Kaiser 
verwenden, daß die dort anhängigen st. gallischen Angelegenheiten 
eine rasche Erledigung finden, was bisher den Bemühungen der zwölf 
Kantone noch nicht gelungen sei. Wenn der Abt schadlos wegkomme, 
verspreche er, sofort die verlangte Gebäulichkeit zu errichten. Wenn 
er bisher nicht entsprochen habe, möge der Nuntius nicht aus- 
gestreuten Gerüchten (de me sparsis rumoribus) Glauben schenken, 
sondern überzeugt sein «talem me esse qualem futurum spopondi ». ® 


Zutritt von Frauen zu den Gastquartieren in der Mitte des Klosters mußte noch 
nicht notwendig eine Verletzung der Klausur involvieren, es konnte auch bloß 
den Schein einer solchen Verletzung erwecken oder eine Gefährdung derselben 
sein, was die Worte Bonhominis indirekt bestätigen. Der Nuntius mußte aber 
kraft seines Amtes und nach dem Geiste des Tridentinums auch die Gefahr zu 
bannen suchen. Auch der entschiedene Reformabt Bernard Müller hat nicht 
sofort das Frauengasthaus gebaut, aber dennoch die Klausur durchgeführt. 

Es ist mit der Klausur ganz ähnlich gegangen wie mit andern Reform- 
postulaten, z. B. dem Armutsgelübde und dem Alter der Profeß- und Weihe 
kandidaten. Schon Abt Othmar hatte unter dem Einfluß des vom Tridentinum 
neu angefachten Reformgeistes all diesen Forderungen seine Aufmerksamkeit 
zugewendet und sie nach Möglichkeit zu verwirklichen gesucht ; das gleiche tat 
Joachim ; allein der noch stark vorherrschende Zeitgeist einer früheren Epoche 
und manche bald stärker, bald schwächer auftretende innere wie äußere 
Hemmnisse bewirkten, daß jede dieser Reformen nur ganz allmählich und nicht 
ohne gelegentlich eintretende Rückschläge sich durchsetzen konnte. 

I St.-A. Bd. 306, S. 551. 

2 St.-A. Bd. 306, S. 593. 

3 St.-A. Bil. 306, S. 303-306. 


} 


Im nämlichen Schreiben bemerkt der Abt, er habe nach der Abreise 
des Nuntius seine Weltpriester viermal berufen und sie zur Frömmigkeit, 
Bescheidenheit, Keuschheit und zu einem schönen Gottesdienste auf- 
gemuntert, sowie auch scharfe Maßregeln gegen Konkubinen und 
verdächtige Weiber angedroht. Dann führt er wörtlich fort: 

«Ein vom Kloster entferntes Gebäude für Frauen ist noch nicht 
gebaut, wird aber gebaut werden, sobald es finanziell möglich ist. 
Obwohl nämlich die zwei verflossenen Jahre eine ziemlich gute Wein- 
und Getreideernte gebracht haben, so ist das Geld durch die in den 
verflossenen Jahren angewachsenen Schulden und durch nötige Zurück- 
stellungen für die Zukunft so ziemlich erschöpft. Vom Bauen hält 
mich auch ab eine bei den Luzernern zugunsten des Grafen Ulrich 
von Montfort eingegangene Bürgschaft von 12,000 Gl., wofür ich 
jährlich den Luzernern 600 Gl. zu bezahlen habe. » 

In einem ausführlichen Antwortschreiben vom ı2. Januar 1582 
aus Wien drückt Bonhomini seine Freude darüber aus, daß die 
Reformdekrete beim Klerus der Stiftspfarreien beobachtet werden ; 
möchte, so fügt er mit Nachdruck hinzu, auch bei den Mönchen das 
gleiche der Fall sein bezüglich des Armutsgelübdes und der Fern- 
haltung von Frauen. «Den Bau eines Frauenhauses hast Du länger, 
als ich erwartete, verschoben. Ob der Papst hiemit zufrieden sei, 
weiß ich nicht, da er so strenge auf diesen Dingen besteht. Bezüglich 
falscher Gerüchte, wodurch Du in Rom verklagt worden, weiß ich 
nicht, was sagen. Ich rate Dir, einen möglichst unbescholtenen Lebens- 
wandel zu führen, nur Gott und den Seelen zu dienen, damit jene 
Gerüchte Lügen gestraft werden. Was könnte ich Deiner Person für 
ein Zeugnis ausstellen, da ich seit fast zwei Jahren keinen Brief von 
Dir erhalten, während ich Dir mehrere geschrieben habe. Meine frühere 
Zuneigung kennst Du. »! 

Die folgenden Jahre vernehmen wir in dieser Angelegenheit weiter 
nichts mehr. Dagegen finden sich verschiedene andere Dokumente, 
die über den innern Stand des Klosters einiges Licht verbreiten. 


(Schluß folgt.) 
I St,-A. Rubrik 38, Fasz. 5. 


Portraits d’ecclesiastiuues _ 
peints par Wyrsch 


Par GEorses BLONDEAU 
(Suite et fin.) 


Une replique du Portrait de l’abbe Pfyffer de Saint-Urban fait partie 
de la collection de tableaux de Wyrsch dependant de la succession 
de M. Meyer Am Ryn, qui appartient a M. Georges Meyer, archiviste, 
& Lucerne. Elle est signee et datee de 1778. 

M. Alphonse Meyer de Schauensee, ingenieur, ä Soleure, posstde 
un Portrait de Benoit Pfyffer d’Altishofen, date de la m&me anne, 
qui parait @tre le second original peint par Wyrsch, car il offre quelques 
variantes par rapport & celui du musee de Lucerne!!. 

La tante de M. Alphonse Meyer, Mm® veuve Mohr, n&e Meyer de 
Schauensee, a en sa possession, & Lucerne, une replique du m&me 
Portrait de Dom Pfyfer, lequel etait le frere de l’arriere-grand’mere 
de cette dame ?. 

Une bonne copie du Portrait du prince-abbe Benoit de Saint-Urban 
se trouve chez M. Alphonse Pfyffer d’Altishofen, & Lucerne. Mme la 
baronne Louis de Pfyffer-Heidegg possede aussi un Portrait de l’abbe 
Pfyffer d’Altishofen, qui orne l’un des salons de son chäteau de Heidegg, 
pres de Gelfingen *. On nous a signale, au chäteau de Schauensee, un 


! Haut. 0,75, larg. 0,60. Toile. Inedit. 

Le prince-abb£ est vu de ?/, & droite, la figure de face, legerement & gauche, 
sur un fond brun-noir. Ses cheveux paraissent moins gris que dans le premier 
tableau original, ses yeux plus vifs. La carnation est toujours fortement accentu®e. 
Le devant de la robe blanche est dissimul& en partie par un large et long scapu- 
laire de drap noir. 

Les armoiries, sur blason ovale, sont egalement surmontees de la crosse 
et la mitre, et &cartel&es. Les poissons accol&s du 19 et 49 sont accompagn&s de trois 
fleurs de lys. Les 2° et 3° sont chevronnes d’or et de sable. Sous le blason on lit: 
Aetatis 47. A(nn)o 1778, sans signature. 

2 M&mes dimensions. Toile. Inedit. 

Ce tableau est la r&plique exacte du pre&c£dent. Il porte la m&me inscription 
et le m&me blason. 

3? M&mes dimensions. Toile. Inedit. 
| ® Replique exacte des deux precedents, portant &galement la date de 1773. 
Toile. Inedit. 


mw Pre u ag: u Er Sr EEE EA eEeErGgeGgEaGEgRge Te a TEE Seifen SEE Ton u 


autre Portrait de Dom Pfyffer, abb& de Saint-Urban, lequel fait peut- 
&tre double emploi avec l’un des precedents. | 

Enfin, lors de la dispersion des tableaux qui se trouvaient au 
chäteau de Koenigshof, pres de Soleure, une Replique du Dom Pfyfer 
devint la propriete de M. Zecker, antiquaire, a Bäle. Nous ignorons 
le possesseur actuel de cette toile, ainsi que des autres repliques des 
deux originaux, peints par Wyrsch, du m&me prelat. 

Durant la m&me annee 1778, Wyrsch peignit le Portrait dw doyen 
Kiss !, cur de Zug, qui se trouve dans la nouvelle &glise Saint-Michel 
de cette ville. Ce tableau denote, chez l’artiste, le developpement de 
son talent dans la presentation d’un sujet pr@tant peu & l’originalite. 
M. Aschwanden, instituteur & Zug, possede une replique reduite du 
Portrait du cur& Hess ?. 

Dans le salon de reception de l’abbaye d’Engelberg, au milieu 
des tableaux qui forment la galerie des portraits des abbes qui ont 
gouverne cet antique monastere A travers les siecles, on remarque 
une toile qui depasse toutes les autres par sa valeur artistique. C’est 
le vivant Portrait de Dom Leodegar Salzmann, qui fut abb& dans la 
deuxitme moitie du XVIIIme siecle 3. Cette toile, l’une des bonnes 
productions de Melchior Wyrsch, fut peinte a Engelberg, en 1778. 


! Haut. 0,80, larg. 0,60. Toile dans un beau cadre en bois dor& et sculpte 
de ’epoque. Inedit. 

Le doyen est vu & mi-corps de “1 dans son costume ecclesiastique. Dans 
sa main droite, il tient un crucifix. Au revers de la toile, on lit : Wyrsch pinx(it) 
1778. | 

Clement-Damian Hess, ne & Zug, le 16 mai 1726, devint cur& de Zug et mourut 
en cette ville le 2ı avril 1791. — GUILLAUME-JOSEPH MEYER, Biographies et necro- 
logies de Zug, 1915. 

? Haut. 0,40, larg. 0,36. Toile ovale dans un cadre simple & baguette. Inedit. 

Le sujet est le m&me que dans le portrait pr&ec&dent, sauf que le cur& Hess 
est vu ici en buste. La main et le crucifix ne sont point apparents. Le verso de 
la toile porte ces mots : Wyrsch pinx(it) 1778. 

® Haut. 0,80, larg. 0,64. Toile. 

L’abb& Salzmann est vu & mi-corps de ?/, & droite. La figure, de face, un peu 
tournee vers la gauche, est rude, les traits accentues. Les cheveux rares et les 
sourcils tr&es arqu&s commencent & grisonner. Les yeux sont vifs et intelligents; 
celui de gauche louche tres legerement. Le modele porte un camail de drap noir, 
avec petit faux-col en toile blanche. De la rangee des boutons, entierement ferme&s, 
sortent quelques anneaux d’une chaine en or supportant une riche croix, de m&me 
metal cisele, sertissant six grosses pierres de couleur, et terminee en haut et en bas 
par un pendentif &galement en or cisele. Le bras droit, seul visible, est repli& vers 
la gauche sur le camail; la main, bien dessinee, porte & l’annulaire une bague 
en or ornee d’un gros rubis et s’appuie sur un livre debout, dont on voit le dos. 

A la partie sup£rieure de la toile, se trouve un blason ovale somme de la 


— 1 — 


La famille Salzmann, dont la descendance mäle est &eteinte, poss&de 
un portrait de l’abb& d’Engelberg ; mais il n’est pas certain qu’il soit 
de la main de Wyrsch. 

Avant ou apr&s ses vacances de 1778, Wyrsch peignit, A Besancon, 
une toile non moins remarquable que la precedente. Le Portrait du 
chanoine de Montrichard represente un prelat, äge d’environ 50 ans, 
dans le somptueux costume des chanoines de l’abbaye de Baume- 
les-Messieurs (Jura). Le bras droit est &tendu, la main ouverte et 
accueillante est artistement traitee. Le bras gauche rephe s’appuie 
sur un livre place, avec des papiers, sur le marbre d’une console de 
style Louis XV. La main gauche, finement dessinee, porte & l’auri- 
culaire une bague d’or ornee d’une pierre precieuse. La majeste du 
personnage n’exclut pas l’aisance de la pose ni la souplesse de la touche ; 
ces qualites s’allient & la richesse et & l’'heureux effet du coloris !. 


mitre, de la crosse et du bäton, insignes des hautes dignites abbatiales. L’ecu 
est coupe par une bande d’argent, avec, en chef, une clef renversee, en forme de croiz, 
en pointe, une grappe de raisins. Ce blason est orne de deux chutes de lauriers 
et d’un double feston, sous lequel on lit : Leodogarius Salzmann elect(us) 1769, 
obiit 1798. Au dos de la toile se trouvent la signature de Wyrsch et la date de 1778. 
-— J. AMBERG, Lexikon. 

Ne & Lucerne, le 22 fevrier 1721, Leodegar Salzmann fit profession & l’abbaye 
benedictine d’Engelberg, le 2 novembre 1738. D’abord prieur du couvent, puis 
cur& administrateur & Sins (Argovie), il fut &lu abb& le 5 juin 1769. L’abb& Salzmann 
fonda une bonne Ecole dans cette commune. Durant son regne, il abolit la men- 
dicite, introduisit l’industrie dans la valleEe d’Engelberg et specialement la manu- 
facture de la soie. Il fut un p£re et un bienfaiteur pour ses administres. Apres 
sa mort, arrivee le 14 mai 1798, son siege demeura vacant pendant cing ann£es, 
en ex&cution d’un decret du Directoire Helvetique. — VON MULINEN, opere citato, 
tome I, p. 85. 

! Haut. 0,98, larg. 0,76. Toile dans un beau cadre dor& de l’eEpoque Louis XV. 
Inedit. 

Le chanoine de Montrichard est vu assis, & mi-jambes, de ®/, & droite. La 
figure, de face, longue et osseuse, est encadree dans une volumineuse perruque 
blanche & plusieurs rangs de boudins superpos£&s. Les yeux, dont le regard est dirige 
vers la gauche, offrent cette particularite qu’un faux trait, dans celui de gauche, 
donne l’'impression d’un leger strabisme ou de la perte de la vue. 

Le prelat est rev&tu d’un rochet de mousseline, dont les plis sont harmo- 
nieusement drapes sous un camail de soie violette ferm& par un rang de boutons 
rouges, et un rabat d’etamine noire lisere de blanc. Sur la poitrine s’&tale un 
ruban de moire noire bord& de jaune, supportant la croix & huit branches du 
chapitre de Baume. 

Ce tableau a &t& rentoil& vers le milieu du XIXme siecle, ce qui ne permet 
plus de voir la notice inscrite au revers de la toile primitive. Cependant, on en 
a reproduit, sur la nouvelle, les mots suivants : Peint par Wyrsch 1778. 

Les genealogistes font remonter l’anciennete et la noblesse de cette famille 
au XIVme siecle et indiquent que, des le siecle suivant, un Jean de Montrichard 


Nous avons relate dans quelles circonstances Wyrsch recut d’impor- 
tantes commandes du chanoine Charles-Joseph Quirot, prevöt de 


etait religieux A l’abbaye des moines de Baume. Plusieurs membres de cette maison 
furent inscrits & la Confrerie de Saint-Georges, en Franche-Comte, & partir de 
cette Epoque. 

Au XVIme sjecle, Gerard de Montrichard et, au siecle suivant, son fils Roland 
etaient gouverneurs de Nozeroy pour les princes de Chalon. L’un des fils de ce 
dernier entra au monastere de Baume-les-Moines ; mais il en sortit, se maria 
et it souche d’une branche &teinte depuis. 

Nicolas- Jean-Baptiste de Montrichard, au profit de qui la terre de Frontenay 
fut Erigee en marquisat, en 1747, eut, de son mariage avec Suzanne de Visemal, 
dıx enfants. L’un de ses fils, Pierre- Joseph, se maria en 1740 avec Jeanne-Charlotte 
de Rougrave et en eut plusieurs fils. 

Au cours des vingt annees qui suivirent 1759, date de la secularisation de 
l'abbaye de Baume, par une bulle du pape Clement XIII, trois membres de la 
famille de Montrichard furent, en m&me temps, chanoines de Baume-les-Messieurs, 
apres avoir fait preuve de seize quartiers de noblesse. 

1° Pierre-Louis-Bonaventure de Montrichard, qui Etait probablement l’un 
des fils de Nicolas- Jean-Baptiste cite plus haut, et qui parait &tre le modele peint 
par Wyrsch en 1778, d’apres l’äge accuse par le portrait que nous avons decrit. 

2° Jacques-Paul, deuxieme fils de Pierre- Joseph de Montrichard et de Jeanne- 
Charlotte de Rougrave, n& entre 1742 et 1747. Labbey de Billy le dit chanoine 
trefoncier de Liege. 

3° Henri-Gabriel de Montrichard, non cite par le m&me auteur, fils cadet 
des prec&dents, ne au chäteau de St-Martin, pres Voiteur, le 2ı septembre 1748. 
Docteur en th&ologie, chanoine lu de Baume le 28 janvier 1767, vicaire general 
de Mgr de Rohan, & Bordeaux, puis & Cambray, doyen du chapitre de Baume 
en 1780, abbe d’Andres au dioc&se de Boulogne en 1788. 

Le chanoine Henri-Gabriel de Montrichard &migra en Suisse au moment 
de la Revolution frangaise et se fixa & Fribourg. Il y fonda, dans l’&tablissement 
de la Commanderie de l’Ordre de Malte, une &uvre charitable, en faveur des pretres 
deportes et des &migres francais, qui distribua & ceux-ci 140,000 livres de secours 
de 1794 & 179. 

A cette date, l’invasion des arme&es frangaises obligea le chanoine de Mont- 
Tichard A se retirer en Baviere et il ne rentra en France qu’apres le Concordat. 
En 1804. le pape Pie VII le felicita de son d&vouement envers ses compatriotes 
et, le 22 juillet 1816, une ordonnance de Louis XVIII le nomma archeväque de 
Besancon. Le prelat ne prit point possession de son siege ; il mourut deux jours 
apres sa nomination d’une attaque d’apoplexie. 

Des renseignements qui pr&cedent, il r&sulte que les deux derniers chanoines 
de Montrichard ne peuvent &tre, ni !’un ni l’autre, le modele du portrait peint 
en 1778, en raison de la non-concordance de leur äge & cette Epoque, avec celui 
du prelat qui se fit portraiturer par Wyrsch en 1778. 

Ce beau tableau appartient au comte Charles de Montrichard, au chäteau 
de la Chasseigne, pres Nevers, qui possede la croix et le cordon canoniaux de son 
grand-oncle, exactement reproduits sur la toile de Wyrsch. — Dunop, Histoire 
du Comt& de Bourgogne. — GUICHENOoN, Histoire de la Bresse. — LABBEY DE BiLLY, 
Histoire de I’ Universite... op. cit.,tome II, p. 122 ä 131.—GASToN DE BEAUSEJOUR, 
Mimoires de la famille de P’abbE Lambert, publies par la Societe d’histoire contem- 
poraine, Paris, Picard, 1894, p. 146 et 147, note. 


— 13 — 


Saint-Anatoile de Salins, directeur spirituel de I’'Hötel-Dieu de cette 
ville !. 

L’annee m&me (1780) oü le maitre de Buochs peignit son magni- 
fique Christ en croix destine par le donateur au retable de la chapelle 
de cet höpital, il fit aussi un vigoureux Portrait en buste dw chanoine 
Quirot. Dans cet ovale, on voit le Mecene salinois drap€ dans un ample 
camail d’hermine demouchetee, aux tons harmonieusement rendus, 
sur lequel est place un rabat noir bord& de blanc. La figure, d’une belle 
carnation, aux yeux bruns exprimant la bonte et la douceur, est enca- 
dree dans une large perruque & marteaux ?. 

Tres satisfait de l’ex&cution de cette peinture, le genereux chanoine 
en commanda plusieurs copies & son portraitiste. Trois d’entre elles 
furent offertes A l’archeväque de Besancon, Mgr Raymond de Durfort, 
qui en fit placer une dans la galerie des portraits des prelats, dans 
son palais. Ces copies ne sont point parvenues jusqu’& nous. 

Cependant, nous connaissons d’autres Repliques dw Portrait du 
chanoine Charles- Joseph Qwirot. Elles sont aussi de forme ovale et de 
dimensions approximativement &gales A celles de l’original. Le prevöt 
de Saint-Anatoile y est represente dans son m&me costume et avec 
la m&me pose ; pourtant, dans certaines toiles, « la touche parait moins 
vigoureuse, le modele de la figure plus delicat, les details de la perruque 
et de l’hermine plus fouilles », parfois m&me le coloris est moins chaud 
et moins brillant ®. 

Le portrait en buste de son bienfaiteur servit & Wyrsch pour 
l’execution d’une grande toile commandee & la m&me &poque par le 
riche prelat. Le Portrait de Ch.-]. Quirot, bienfaiteur de lhöpilal de 


I Melchior Wyrsch peintre d’histoire. Ses Christs en croix et au tombeau. Revue 
de lhistoire ecclesiastique suisse, 1927. 

® Haut. 0,62, larg. 0,53. Toile dans un beau cadre dor& et sculpte de l’&poque 
Louis XVI. 

Au dos de cette toile, qui decore la salle des deliberations du Conseil muni- 
cipal de Salins, on lit, de la main du peintre : Charles Joseph Quyrot chanoine 
et pr&vost de l’insigne chapitre de St Anatoile de Salins, ne le I9 mars I70g Ad Salıns, 
peint plar) Wyrsch 1780. 

® La meilleure de ces r&pliques (0,650 X 0,545) a &t€ donn&e par M. Alexandre 
de Lurion au mus£e de Salins et orne actuellement le cabinet de travail du maire 
de cette ville. Sa notice au dos est la m&me que celle de l’original, sauf qu’elle se 
termine par ces mots : peint par Wyrsch 4 Besangon I780. 

Une autre r&eplique (0,60 X 0,48) appartient & M. de Beaujeu, & Villers-Farlay 
(Jura) ; elle porte le m&me texte que la toile originale. 

Enfin l’höpital de Salins possede une copie, en mauvais &tat (0,77 X 0,63), 
de ce portrait, laquelle n’est ni dat&e ni signe&e. 


== 139, = 

Salins, place autrefois dans l’une des salles de malades de cet etablis- 
sement, voisine maintenant avec le grand Christ en croix, dans le salon 
du rez-de-chaussee. Le pr&vöt, qui avait fait A l’'höpital une importante 
dotation, est represent€ en pied, debout en habit de chaur, dans une 
attitude A la fois simple et majestueuse. Le visage et le haut du corps 
sont semblables & ceux du portrait en buste. Le rochet en mousseline, 
sans dentelles, n’est garni que d’une petite ruche plissee aux manches ; 
le grand manteau d’hermine, rejete en arriere, tombe sur le dossier 
d’un fauteuil place A cöte d’une console Louis XVI. Le bras droit est 
replie, la main porte une barette noire avec un volumineux pompon. 
Le bras gauche est allonge, la main ouverte indique une petite scene 
que l’on apercoit plus bas & droite, sous les plis d’un grand rideau 
rouge qui forme le fond du tableau. 

« Cette scene represente une salle d’höpital ol trois malades sont 
couches dans leurs lits. L’un d’eux absorbe une cuillere de potion que 
lui presente une religieuse. Les autres regardent le groupe principal 
ou l’on voit un malade assis dans un fauteuil et soutenu par deux reli- 
gieuses v@tues de robes bleues avec tablier et voile blancs. Le patient 
presente sa jambe & un chirurgien qui, un instrument & la main, se 
prepare A faire une incision. 

«a Au-dessus de cette scene, dans un replis du rideau, on apercoit 
un petit cartouche oü est represente le traditionnel pe@lican qui se 
perce les flancs, allusion & l’inepuisabje charite du venerable chanoine !. » 

Les largesses du prevöt de Saint-Anatoile s’etendirent non seule- 
ment & l’'höpital de Salins, mais encore & plusieurs couvents de cette ville. 

Vers 1775, un incendie, provoque par la foudre, avait detruit une 
partie du monastere des ‘Ursulines. Ces religieuses, ayant fait recons- 
truire le bätiment incendie, se trouverent bientöt hors d’etat de payer 
leurs dettes et menacees d’&tre expulsees de leur paisible beguinage. 
Le chanoine Quirot leur donna les fonds necessaires pour s’acquitter 
vis-a-vis de leurs cr&eanciers. De plus, il offrit & ces religieuses un grand 
tableau allegorique, rappelant le souvenir de cet heureux Evenement, 
dont il avait fait la commande & Wyrsch, en 1781. 

La composition, bien ordonnee, de cette peinture comporte trois 
scenes distinctes, reliees entre elles par une idee commune. Au centre 
du premier plan, le chanoine Quirot, debout dans son costume eccle- 


1 G. BLONDEAU, Ch. J. Quirot bienfaiteur de la ville de Salins et ses portraits 
peints par Wyrsch. Memoires de la Societ& d’ Emulation du Jura 1917. 


siastique de ville, le bras droit allonge, la main accueillante, appuie 
la main gauche contre le mur du couvent dont les assises disjointes 
annoncent la ruine prochaine. L’une des pierres & demi descell&e porte 
ces mots : Dixit sta et stetit. 

En haut et & gauche du tableau on voit, agenouillees dans les 
nuages, sainte Anne de Xaintonge et sainte Ursule, patronne et fonda- 
trice de l’Ordre des Ursulines. Elles implorent la pitie du Pere Eternel 
vu, avec sa grande barbe blanche, & mi-corps, dans la nue, tout en 
haut et & droite du tableau. Celui-ci, le bras droit allonge, designe 
de l’index le pieux donateur et semble rassurer les deux saintes sur 
le sort, desormais assure, de leur communaute salinoise. Un ange adulte 
et deux ravissants angelots ailes contemplent, dans les nuages, cette 
scene desormais historique !. 

La toile representant Ch.-J. Quirot, protecleur dw couvent des 
Ursulines de Salıns, a conserve& toute la fraicheur premiere de son coloris; 
elle peut @tre rangee parmi les bons ouvrages du maitre de Buochs, 
dans le genre de la peinture d’histoire. Le genereux donateur mourut 
l’annee suivante (21 decembre 1782), trop töt pour notre artiste, & 
qui il n’aurait pas manque de faire de nouvelles et aussi importantes 
commandes, s’il avait vecu encore quelques annees, tout au moins 
jusqu’au retour de Wyrsch en Suisse. 

L’archev&que de Besancon, & qui le chanoine de Saint-Anatoile 
avait offert des copies de son portrait, ainsi qu’on l’a vu plus haut, 
sinteressa, A son tour, au directeur de l’Ecole de peinture de sa ville 
episcopale et posa devant son chevalet. Le Portrait de Mgr de Durfort 
parait avoir ete detruit pendant la Revolution francaise. Cependant, 
on en conserve le souvenir par une gravure' qui le reproduit au fron- 
tispice d’un volume renfermant le Missel, V’Antiphonaire et le Rituel 
du diocese de Besancon. Cette auvre, assez bonne, porte au bas et 
a gauche les mots : Wirsch (sic) del(ineavit). Michault sculp(sit). La 
lettre de la gravure indique le privil&ge de l’imprimeur Le&pagney, de 
Besangon, et la date 1781. On voit, dans cette image, le prelat, assis 
dans un fauteuil, revetu de son costume &piscopal et, A cöte& de lui, 
ses armoiries ?. 

! La toile, de 2 m. de haut sur ım2o de large, est sign&e sur une grosse pierre 
en bas et & gauche du premier plan : Wyrsch f(ecit) 1781. Elle appartient actuel- 
lement & la famille de Lurion, & Salins. — G. BLONDEAU, op. cit. 

2 Abbe PAUL BRUNE, Dictionnaire des artistes et ouuriers d’art de la France. 


Franche-Comte, p. 1874. — JULES GAUTHIER, Dictionnaire des graveurs franc- 
comtois, verbo Michault. 


Il existe, dans le salon de l’höpital Saint-Jacques, A Besancon, 
une toile repreEsentant Mgr de Durfort !, qui est l’oeuvre de Jourdain, 
l'un des meilleurs &leves de Wyrsch ?. 

Dans les premiers mois de l’annede suivante, l’archev@que de 
Besancon exprima le desir de conserver devant ses yeux le souvenir 
de ’un de ses vicaires generaux qui venait d’etre &leve A la dignite 
€piscopale. Celui-ci posa, lui aussi, devant Wyrsch et offrit l’oeuvre 
de l!’artiste a Mgr de Durfort. Le Portrait de Mgr de Clermont-Tonnerre 3, 
eveque de Chälons, peint en demi-teintes bien soutenues, reproduit 


! Raymond de Durfort-L&obard, ne au chäteau de La Roque, en Guyenne 
le 10 octobre 1725, fils de Frangois-Gilles de Durfort, baron de L£obard, et de 
Jeanne de Mareully, fit ses &tudes theologiques au Seminaire de Saint-Sulpice, 
a Paris. Il fut nomme& abbe commandataire de l’abbaye de Vieuville, en 1750, 
et exerca, pendant dix ans, les fonctions d’archidiacre du chapitre de Tours et 
celles de vicaire general de ce diocese. Aumönier du roi Louis XV en 1761, il fut 
nomme eveque d’Avranches en 1764 et archeveque de Besancon en 1774. 

Au debut de la R&volution frangaise, Mgr de Durfort fut l’un des prelats 
de France qui se montrerent, sinon favorables, du moins bienveillants & l’egard 
des idees nouvelles. Mais il refusa le serment constitutionnel et se retira & Soleure 
en 1791, oü il mourut le ı9 mars 1792. Le journal revolutionnaire La Vedette, 
redige par l’abbe Dormoy, ne craignit pas de faire son &loge apres sa mort. — 
Sauzay, La Dersecution religieuse pendant la Revolution dans le Departement du 
Doubs. — Abbe BESsson, Oraison funehre de Mgr de Durfort, archeveque de Besangon, 
suivie de la relation de ses obsäques d Soleure et 4 Besangon, 1792-1368, 2me edition, 
Besancon, Turbergue, 1868, de 71 pages in 8°. 

% PauL BRUNE, op.cit., p. 1496. 

° Haut. 0,68, larg. 0,55. Toile ovale dans un cadre de style Louis XIV, en 
bois dore et sculpte. Inedit. 

Le prelat est vu en buste allonge, de ’, a droite. L’ovale delicat et gracieux 
de son visage, vu de face, est d’une belle carnation ; les yeux bruns, sous des sour- 
cils chätains, sont vivants ; les cheveux chätains et legerement poudres se relevent 
en un seul rang de boudins ; les leEvres, dont la commissure est un peu arqu£e, 
Paraissent souriantes. 

Il porte un camail de soie violette & liseres et boutons rouges et petit capu- 
chon, dont les plis, artistement drapes sur le bras droit, laissent apercevoir, sous 
la doublure en soie rouge du camail, un coin de la dentelle qui orne la manchette 
du rochet. Un large ruban, place sous un rabat noir bord& de blanc, soutient une 
croix latine en or cisele. 

Au dos de la toile, lepeintre a Ecrit: Anne Antoine Jules de Clermont Tonnerre 
nomme a l’eväche de Chalon (sic) sur Marne le 253 X (decem)bre 1781. Peint par 
Wyrsch 1782. 

Un portrait de ce prelat, en cardinal-archeveque de Toulouse, se trouve 
4 larchev&che de cette ville. Il en a et& tir& deux lithographies, l’une par Noel 
et ’autre par Hersent, dessinee par Villain. Son portrait, vu de profil en medaillon, 
a et grav& par Labbadye dans la Collection des Constituants. — Abbe AURIOL, 
L’ipiscopat frangais depuis le Concordat jusqu’a la Separation (1802-1905), grand 
ın 4°, Paris, 1907, p. 622. 


avec habilete les traits fins et aristocratiques du modele. Les yeux 
sont d’une vivacite qui denote le caractere independant du jeune 
prelat, en m&me temps que l’activite, la bonte, la generosite et la fer- 
mete dont il fit preuve durant son exil et au cours de sa longue carriere 
episcopale et archiepiscopale !. Lorsque Mgr de Durfort partit en 


ı Issu de l’illustre maison de Clermont, en Dauphine, et fils de Charles- 
Henry-Jules, duc de Clermont-Tonnerre, marquis de Vauvillers, et de Marie- 
Anne-Julie Le Tonnelier de Breteuil, Anne-Antoine- Jules de Clermont-Tonnerre 
naquit & Paris le ıe? janvier 1749. Son oncle, Jean-Louis-Aymard de Clermont- 
Tonnerre, &tait le c&lebre abbe commandataire de Luxeuil (1743-1804). 

Apres avoir regu le bonnet de docteur en Sorbonne, il fut nomme& grand 
vicaire du dioc&se de Besancon. Recu & l’Acad&mie de cette ville le 24 mars 1779, 
en remplacement de Mgr de Lezay-Marnesia, dont il sera parl& ci-apres, il devint 
president de cette Compagnie le 3 janvier 1781. Le 25 d&cembre de la m&me annte, 
le roi le nomma &v&que de Chälons, peu de temps apres qu’il füt pourvu de l’abbaye 
de Moutierender, dans ce diocese. Il fut sacr& le 14 avril 1782. 

Depute du clerg&E aux Etats-Generaux de 1789 et membre de la Constı- 
tuante, il signa le manifeste des &v&ques, refusa le serment constitutionnel et 
se retira en Belgique. Revenu dans son diocese en 1792, il dut bientöt Emigrer 
en Hollande, sejourna en Suisse et se fixa & Altona. Rentre dans sa patrie en 1798, 
il signa V’Instruction des &väques sur les alleintes 4 la religion, refusa d’adherer 
au Concordat et demissionna en 1801. 

En 1814, Louis XVIII nomma Anne-Antoine-Jules de Clermont-Tonnerte 
Pair de France et, en 1817, de nouveau Ev&que de Chälons. Mais ce siege n’ayant 
pas &te retabli par le Saint-Siege, il fut promu & l’archev&che de Toulouse en 1820 
et en prit possession le 16 octobre de la m&me anne£e. Aussitöt, il s’eflorga d’eteindre 
les restes de l’ancien schisme constitutionnel et de ramener la concorde dans 
son clerge. Il fit construire le Grand Seminaire de Toulouse et fonda, dans le 
couvent des Re&collets de cette ville, une maison de retraite pour les pr&tres. 

Mgr de Clermont-Tonnerre fut cr&& cardinal par Pie VII en 1822 et prit part 
aux conclaves de 1823 et 1829. C’est lui qui harangua Charles X & la c£r&monie 
du sacre. (Il figure sur le celebre tableau de Gerard au pied de l’autel, & cöte de 
Mgr de La Fare.) A la suite de son mandement de 1827, il fut traduit devant le 
Conseil d’Etat et condamne comme d’abus. Le ı®e" aoüt 1828, il signa, au nom 
des &v&ques de France dont il etait le doyen, le Memoire au Roi, au sujet des 
Ordonnances du 16 juin et, le 8 octobre suivant, il adressa une lettre de reproches, 
restee celebre, au ministre, Mgr de Feutrier, oü il revendiquait la devise de sa 
famille : Sı omnes, ego non. II mourut & Toulouse le 2ı fevrier 1830. 

«C’etait un homme d’infiniment d’esprit, tres grand seigneur, d’une gene- 
rosite qui se deploya avec Eclat lors de la terrible inondation de 1827. Il ne manqua 
jamais de se prononcer avec franchise sur la situation faite & la liberte de l’Eglise. » 
— Le Pere AnsELME, Histoire gendalogique et chronologique de la maison royal 
de France, des grands oficiers de la couronne et de la maison du Roy, 1712, tome II, 
p. 1589 et ss. — POTIER DE CourcY, Les continuateurs du Pöre Anselme. Nouvelle 
edition, tome VIII, p. 149, 909 & 916. — Abbe DE Mac-CARTHY, Oraison funebre 
de Mer de Clermont-Tonnerre. — Abbe CayRE, Histoire des &vöques de Toulouse, 
1873, dans L’Ami de la Religion, tome LXIII, p. 84. — R. P. JEAN, Les duögquwes 
et archev&ques de France de 1682 d I80oI, Paris, 1891, p. 321. 


emigration, & Soleure, il fit cadeau & son medecin et ami le docteur 
Rougnon de ce portrait qui existe encore dans la famille de celui-ci!. 

Deux annees avant de portraiturer l’ev&que de Chälons, le maitre 
de Buochs avait travaillE pour un autre prelat comtois, en peignant 
le Portrait de Mgr de Lezay-Marnesia ?. Ce tableau a disparu ; mais 
il en reste une reproduction dans un petit dessin conserve & la Biblio- 
theque municipale de Besancon ®. 

On ne connaissait aucune effigie authentique d’un historien com- 
tois, dont le nom et les oeuvres ont acquis une certaine notoriete. Le 
Portrait dw chanoine Labbey de Billy*, que Wyrsch peignit en 1781 


1 G. BLONDEAU, Les portraits du docteur et de Mm® Rougnon peints par Wyrsch. 
Mimoires de la Societ&E d’Emulation du Doubs, 1926. 

ı La famille de Lezay est originaire des hautes montagnes du Jura, oü elle 
possedait la prevöte de Grandvaux et la terre de Lezay, dans la Grande Judicature 
de St-Claude. Sa noblesse remonte au XIIIme siecle et a &t& prouve&e & la Confrerie 
de Saint-Georges au XVIIme siecle. 

Claude-Humbert de Lezay, chevalier de Saint-Louis, brigadier des arm&es 
du roi Louis XIV, seigneur de Marne&sia, Lezay et autres lieux, fit Eriger cette 
derniere terre en marquisat par lettres-patentes de 1721 et 1724. De son mariage 
avec Claude-Francoise de Poligny, il eut trois fils qui se distinguerent, eux et 
leurs descendants, dans les armes, l’administration et le clerge. Le second, peint 
par Wyrsch, Claude-Louis-Albert de Lezay-Marnesia, naquit & St-Julien-les- 
Orgelet (Jura) en 1717. D’abord abb& de Bellevaux, il fut regu chanoine de l’Eglise 
metropolitaine de Lyon, charge qui lui confera le titre de comte de Lyon, et devint 
le doyen de ce Chapitre. Nomme& &v&que d’Evreux en 1759, il demissionna en 1773 
et se retira & Lons-le-Saunier, oü il mourut le 4 juin 1790. Il avait &te &lu membre 
de ’Academie de Besancon le ı7 janvier 1772. — CHEVALIER, Notes historiques 
sur la ville et la seigneurie de Poligny, tome II, p. 376 et 377. — LABBEY DE BILLY, 
Histoire de P Universite du comse de Bourgogne, tome II, p. 362 & 367. — L. PınGAup, 
Documents pour servir A l’histoire de l’ Acadtmie de Besangon. Bulletin de l!’ Academie, 
1892, p. 246. 

® Haut. 0,13, larg. 0,10. Ovale sur papier au crayon noir, rehausse d’encre 
de Chine, dont l’auteur est inconnu. 

Le prelat est vu en buste, de face, la t&te coiffee d’une perruque blanche 
4 plusieurs rangs de boudins. Il porte la mosette &piscopale en soie avec liser&s et 
boutons, sur laquelle on voit une croix d’or cisele. — AuG. CAsSTAnN, Inventaire 
des richesses d’art de la Bibliothöque de Besangon, p. 51. 

* L’auteur de l’Histoire de V’UniversitE du comie de Boursoens a €crit les 
annales de sa famille avec une complaisance facile, commune & la plupart des 
gentalogistes de son &poque. Il fait remonter les Labbey au temps de Duguesclin 
et leur donne pour berceau Neufchätel, en Normandie. 

Ce qui est certain, c’est qu’un Jean-C&sar Labbey, seigneur d’Autrey, docteur 
en droit, fut regu citoyen de Besangon en 1668. Son petit-fils Jean-Claude ‚Epousa, 
en 1715, Gabrielle, fille de Jean Baquet, avocat general au Parlement de Franche- 
Comts, et de Frangoise de Billy. Le fils de celui-ci, Jean-C&sar-Nicolas Labbey, 
seigneur de Sauvigney, &tait conseiller au Bailliage pr&sidial de Vesoul. De son 


—_— I4 — 
et qui se trouve dans une collection particulitre a Besancon !, est un 
document interessant pour l’art et l’histoire. Le jeune predicateur de 
la Cour est represente dans son costume ecclesiastique qu’il a abandonne 


mariage, celebr& en 1746, avec Claire, fille de Louis Melcot, docteur en droit, et 
de Beatrix Vuilleret, il eut trois fils, dont Nicolas Labbey, peint par Wyrsch, 
qui ajouta & son nom patronymique celui de de Billy. 

Ne & Vesoul le 29 mars 1753, Labbey de Billy entra, & ı5 ans, & l!’Ecole mili- 
taire du Ge£nie et en sortit pour &tudier, A Besancon, la th&ologie qu’il abandonna 
bientöt pour l’&tude du droit. Recu avocat, il quitta le barreau pour reprendre ses 
etudes theologiques A Paris. Il revint A Besangon prendre place comme chanoine 
au chapitre metropolitain et accepta les fonctions de conseiller de ville. Ordonne 
pretre en 1782, il pr&cha avec succes devant la Cour en 1786. Sauzey dit de lui: 
Si on vantait son Eloquence, on parlait peu de sa piete. 

Nicolas-Antoine Labbey de Billy etait, depuis 1789, grand vicaire de Mgr de 
la Luzerne, ev&que de Langres, lorsqu’il prit la route de l’&migration en Suisse, 
avec ce prelat, apres avoir refuse le serment constitutionnel. Il visita ensuite 
V’Allemagne et l’Italie d’oü il rapporta 4 Besancon une quantit& de livres pre&cieux 
et d’incunables. Nomme professeur d’histoire & la Faculte& des lettres de Besangon, 
il y professa de 1803 & 1817. Il Etait entre & l’Acade&mie de cette ville le ı5 octo- 
bre 1806 et faisait partie de celle de Florence. Labbey de Billy mourut dans sa mai- 
son & Besangon, le 2ı mai 1825. 

Sa riche bibliotheque fut vendue aux encheres en mars 1826, par sa saur 
Anne-]Josephine-Alexandrine, femme de Nicolas-Gabriel Aymonet de Contreglise: 
mais une partie des incunables avait Et& r&servee et fut leguee & la Bibliotheque 
de Besangon par le neveu du de cujus, Charles-Francois Aymonet de Contreglise. 
mort en 13863. 

Labbey de Billy a publie, outre son Histoire de P UniversiteE du comte de Bour- 
gogne (1814, 2 volumes in 4°), des Sermons €crits avec Elegance et divers ouvrages. 
— AuG. CaSTAN, Catalogue des incunables de la Bibliotheque de Besangon, p. 6, 
note. — Chanoine SUCHET, L’&loquence religieuse. — SAauzaY, Histoire de la perst- 
cution revolutionnaire dans le departement du Doubs, tome I, p. 10 et 57. — SUCHAUX, 
Biographie de la Haute-Saöne. 

! Haut. 0,385, larg. 0,305. Toile ovale dans un cadre dor& & raies de caur 
de l’eEpoque Louis XVI. Inedit. 

Vu en buste, de®/, & droite, la figure de face, les cheveux blonds, legerement 
poudr&s et roul&es en un seul rang de boudins, Labbey de Billy porte une soutane 
violette, avec liseres et boutons rouges, serr&e ä la taille par une ceinture de soie 
violette ; sur ses &paules, on apergoit le col carre d’un manteau de ville. Sous 
un rabat noir borde de blanc et un faux-col de toile blanche, est place un large 
ruban de moire violette & bordure jaune, soutenant la croix en argent et mail 
blanc, & huit pointes, conc&edee au chapitre metropolitain de Besangon par 
Louis XVI en fevrier 1779. 

Vers le haut de la toile et & gauche, sur un fond brun, sont peintes les armoiries 
des Labbey : d’argent au sautoir de sinople, accompagne£es en chef de leur devise : 
Sine labe. Au dos de la toile, le peintre a &crit : Nicolas Antoine Labbey de Billy 
docteur en droit civil et canonique, dge de 28 ans. Peint par Wyrsch 1781. 

Ce tableau faisait autrefois partie de l’interessante collection de M. de Beaujeu. 
decede A Port-Lesney (Jura) en 1913, p&re de Mme Charles Jeannerot qui le possede 
actuellement. 


— 145 — 
vers la fin de son existence agitee. Ses yeux noirs, sous des sourcils 
peu arques, ses paupieres tailllees en amande, son nez retrousse, ses 
pommettes saillantes et ses l&vres &paisses donnent & sa physionomie 
un caractere quelque peu asiatique. Il est curieux de rapprocher ce por- 
trait de jeunesse de celui, egalement inedit, qui represente le m&me 
personnage en 1810, sous le costume civil des academiciens de 
Besangon }. 

A l’automne de 1783, Wyrsch, qui devait abandonner definitive- 
ment la direction de son Ecole de peinture & la fin de l’annde scolaire 
suivante, vint passer ses dernieres vacances au pays natal. Sa vue 
&tait deja fatigude, mais il ne continuait pas moins & travailler sans 
reläche. C’est alors qu’il peignit notamment le Portrait de Dom Martın 
Balthasar, prince-abb& de Saint-Urban. Ce tableau, qui fait pendant, 
au musee des Beaux-Arts de Lucerne, & celui de l’abb& Pfyfier d’Altis- 
hofen, son predecesseur, decede deux ans auparavant et que nous 
avons vu portraiturE par Wyrsch en 1778, est d’une bonne facture, 
mais d’une valeur artistique quelque peu inferieure & ce dernier portrait ®. 


I Dessin rond, de 6 centimetres de diametre, au crayon noir grav&, de profil 
& gauche, les cheveux boucl&es, ramen&s sur le front et les tempes suivant la mode 
du temps. La physionomie grave du professeur, & 57 ans, ne rappelle que de loin 
la figure €veill&e du jeune chanoine de 1781. Labbey de Billy est v&tu d’une redin- 
gote de drap & haut col, ouvert sur un col de chemise & pointe et une cravate de 
batiste terminee par un Elegant jabot plisse de m&me £&toffe. Sous le revers de 
!'habit, on voit une decoration en argent compos£&e de deux palmes de laurier r&unies 
en forme de couronne, qui est l’insigne de l’Academie de Florence. 

Autour du cercle de la gravure, on lit : Er I8ro. Des(sine) et gr(ave&) p(ar) 
Chrötien inv(enteur) dw Physionstrace rue St Honore en face de l’Oratoire N® 142 
4 Paris ; et en bas, & la lettre : N(icolas) A(ntoine) Labbey de Billy. 

Ce dessin fait partie de la belle collection du docteur Bourdin, membre de 
Academie de Besangon, possesseur de trois portraits de M. et Mme de Lacore 
et du duc de Randan, peints par Wyrsch. 

? Haut. 0,90, larg. 0,60. Toile. N® 158 du catalogue du mus£e des Beaux-Arts. 

L’abbe Martin Balthazar est vu & mi-corps, de ®/, A droite, la figure de face, 
assez pleine, le nez busqu&, les yeux bruns, les cheveux et les sourcils gris. Il porte 
une robe de flanelle blanche sous un camail de drap noir garni d’un petit capuchon 
de m&me £&toffe. La t&te est coiffee d’une calotte de drap noir. Au milieu de la 
poitrine est suspendue, par une chaine aux anneaux d’or, une croix ciselee de 
meme metal, dans laquelle sont serties des pierres de couleur. Le bras droit, seul 
visible, est repli&. La main, traitee avec moins de finesse dans le dessin que celle 
du portrait de l’abb& Pfyffer, tient des feuillets de papier ; l’auriculaire est orn& 
d’une bague en or garnie d’un rubis. 

En haut et ä droite est peint un blason surmonte d’une crosse et d’une mitre; 
!’&cu porte : d’azur d trois triangles d’or assembles un et deux avec, dans le centre 
de chacun d’eux, une dtoile de möme metal. 

Au dos de la toile, on lit l’inscription suivante de la main du peintre : 


REYUE D’HISTOIRE ECCLÄSIASTIQUE 10 


La collection Meyer Am Ryn, & Lucerne, renferme une Rödligue 
du portrait de l’abbe Martın Balthazar !, faite par Wyrsch l’annee sui- 
vante, c’est-A-dire apres l’installation de l’artiste dans cette ville. 

Au mois d’octobre de la m@me annde 1783, Melchior Wyrsch se 
rendit de Buochs & Altdorf. Il regut, des Peres Capucins de cette localite, 
la commande d’un tableau destine & figurer aux fetes de la b£atification 
du Pre Laurent de Brindisi, autrefois provincial de la Suisse et general 
de l’Ordre des Capucins. L’un de ces religieux, Appolinaire Morel, 
posa devant le chevalet du peintre dans le but de representer le nouveau 
Bienheureux. Notre artiste reproduisit exactement les traits du visage 
de son modele. C’est ainsi que ce tableau devint, en re&alite, le Portrait 
du Pere Appolinaire Morel, qui fut l’une des victimes de la Revolution 
frangaise 2. 

Durant ce sejour & Altdorf, Wyrsch peignit, pour la chapelle du 
m&me couvent, le Christ en croix que nous avons &tudie precedemment ?, 
ainsi que plusieurs autres tableaux et portraits pour divers particuliers. 

Revenu & Besancon & la fin du mois d’octobre 1783, pour sa der- 
niere annee de professorat, le maitre de Buochs, dont la brillante clientele 
n’avait cesse d’augmenter depuis seize ans et dont le talent de por- 
traitiste etait arriveE A son apogee, regut de la famille de Camus la 
commande .de trois tableaux. Apres avoir portraitur& le president 
a mortier Beatrix de Camus et son fils, le lieutenant de vaisseau, 
Wyrsch fit, en 1784, le Portrait du chanoine de Camus *, dans une gamme 


Reverendissi(m)us D(ominus) Martinus Balthasar abbas monasterii S(anc)ti Urbanı 
natus 1736, professus 1752, sacerdos I759, electus 1781 die II Juny. Wyrsch 
pinzit 1783. 

1 M&mes dimensions approximatives que le precedent. Toile. 

Elle porte la date de 1784 et la signature de Wyrsch, au revers. — J. AMBERG, 
Schweizerisches Künstler Lexikon. 

Ne & Lucerne le 3 mai 1736, Martin Balthazar fit profession le 29 novem- 
bre ı752 & l’abbaye de Saint-Urban. D’abord bibliothecaire, puis sous-prieur et 
administrateur adjoint & Herdern (Thurgovie), il devint prieur de l’abbaye en 1777 
et en fut Elu abbe le ıı juin 1781. Il se retira & la Chancellerie de Herdern, pour 
raison de sant£, le 2ı juin 1787, et mourut le 17 juin 1792. — VON MULINEN, opert 
cıtato, tome I, p. 199. 

2 D' P. ADELHELM JANN, O.Min.Cap., Der selige Apollinaris Morel, Märtyrer 
aus der Schweiz. Annuaire du College Saint-Fidel, 4 Stans, 1926-27. Hans von 
Matt, Stans 1927, p. 9. 

8 C$. Wyrsch peintre d’histoire, ses Christs en croix et au tombeau. Op. cit. 

* Second des fils du president & mortier au Parlement de Besangon, Maurice 
de Camus, et de Frangoise-Bonaventure Chappuis de Rosieres, Jean-Antoine- 
Frangois de Camus naquit & Besangon le 28 septembre 1731. Il succeda & son 


harmonieuse de demi-teintes. On remarque dans ce vivant portrait, 
«avec la correction du dessin, la pose simple et sans aucune recherche 
du modele, son attitude digne, sans raideur ni morgue ». 

Le prelat, assis dans un fauteuil, porte la soutane bleu-violette 
garnie d’une ceinture violette, un rabat de mousseline noire liseree 
de blanc avec un large ruban violet päle borde de jaune soutenant 
la croix & huit pointes des chanoines de l’illustre chapitre metropolitain 
de Besangon. Le centre de cette croix est orne d’un medaillon en Email 
sur lequel sont peintes les figures des saints Ferreol et Ferjeux, patrons 
de la Franche-Comte. La manche droite de la soutane est garnie d’un 
volant de mousseline plissee ; la main, admirablement dessinee, porte 
un anneau au petit doigt et tient une plume d’oie, dont la pointe est 
appuyee sur une feuille de papier placee sur une table. 

Cette toile, qui est encastree dans l’une des boiseries du chäteau 
de Montmirey-la-Ville (Jura), appartient au baron Andre d’Aligny 
et porte, au dos, les noms et qualites du modele, avec la date de 1784 
et la signature de Wyrsch'!. 

Le docteur Ledoux, auteur d’une interessante etude sur plusieurs 
tableaux de Wyrsch ?, decede a Besancon il y a quelques annees, posse- 
dait un bon tableau de notre peintre : Le Portrait de Dom Fleury, Prieur 
de Sainte-Marie, date de 1784. Cet amateur d’art faisait & cette peinture 
un reproche qui ne nous a point paru me£rite. Il estimait que la tete du 


oncle Gabriel-Antoine-Ignace de Camus en qualit& de chanoine de l’&glise metro- 
politaine de Besangon, le 23 octobre 1748. Mais comme il n’avait alors que 17 ans, 
ne prit possession de son canonicat que le ı2 fevrier 1762. Nomme archidiacre 
de Gray, il fut choisi comme vicaire general du diocese de Besancon par Mgr de 
Durfort, dont nous avons signal& plus haut le portrait peint par Wyrsch. 

Pendant la p£riode revolutionnaire, le chanoine de Camus &migra en Suisse 
4 la suite de son archev&que et le seconda jusqu’& sa mort. A ce moment, Mgr de 
Lenzbourg, &v&que de Lausanne, et le plus ancien des suffragants du prelat decede, 
prit la direction du diocdse de Besancon et, par acte donn& & Fribourg le ı0 avril 
192, nomma douze vicaires generaux pour l’aider dans cette administration. 
Le chanoine de Camus fut maintenu dans ses fonctions et ne rentra en France 
qu’& la fin de l’annee 1795. Il se retira dans son hötel, A Besangon, et y mourut 
le 27 novembre 1802. Elu membre de l’Acade&mie de cette ville en 1762, ilen avait 
ete elu deux fois vice-president et, en 1788, president. Orateur de talent et poete 
moraliste, il fit plusieurs communications & cette societe savante. — L. PınGAUD, 
Documents pour servir... op. ci. — GASTON DE BEAUS£JOUR, Memoires de famille 
de Fabbe Lambert, op. cit., p. 311. 

1G. BLonDEAu, Les portraits de la famille de Camus peints par Wyrsch. 
lemoires de la Societe d’A griculture, Letires, Sciences et Arts de la Haute-Saöne, 1919. 

2 Les zuvres du peintre Melchior Wyrsch au musee du Louvre et en Suisse. 
Allmoires de la Societ d’Emulation du Doubs, 1900. 


—_— 48 — 


modele &tait un peu grosse par rapport au corps de celui-ci. Nous pen- 
sons que cette disproportion est un effet d’optique produit par la pers- 
pective et la ligne des Epaules qui se profile en raccourci, la tete etant 
vue de face et les &paules de trois quarts. Au surplus, comme on sait 
que Wyrsch faisait ses portraits tr&s ressemblants, on peut en deduire 
que l’abbe, au visage des plus pacifiques, avait naturellement la t&te 
‘un peu forte, sans Etre « une forte täte »!. 

Nos recherches dans differents couvents de l’Ordre des Fran- 
ciscains ne nous ont point permis de retrouver la trace du Portrait du 
Pere Tiburce Prost, execute par Wyrsch, en 1784 ; son existence est 
cependant certaine. Il eüt ete interessant de connaitre, autrement 


1 Haut. 0,48, larg. 0,37. Toile ovale dans un cadre & raies de caur et perles 
rondes dor&es de l’Epoque Louis XVI. Inedit. 

Le prieur est vu & mi-jambes, de ?/, & droite, assis dans un fauteuil recouvert 
d’etoffe verte. Il porte la robe en drap blanc-jaune de son Ordre, dont le devant 
est recouvert d’une large bande de drap noir, en forme de scapulaire, serree & 
la taille par une ceinture de m&me £&toffe noire. Le bras gauche est &tendu, la 
main non visible. Le bras droit est repli& et s’appuie sur un gros livre dont on voit 
le dos et la tranche rouge, plac& sur une table recouverte d’un tapis vert. 

La figure de Dom Fleury est vue de face, assez grasse et color&e, le nez fort, 
les yeux bruns, les sourcils gris, le front d&couvert et coiffe d’une calotte ronde 
en drap noir, les cheveux blancs roul&s sur les tempes. 

Au dos de la toile, on lit ces mots : D(om) Fleury Prieur de Sainte-Mart 
äge de 62 ans, peint par Wyrsch 4 Besangon en I784. 

L’abbaye de Mont-Sainte-Marie, de l’Ordre de saint Bernard de Citeaux, 
dont la fondation remonte au XIIIme siecle, Etait situ&e dans les montagnes du 
Doubs, entre le lac de Remorey et celui de St-Point. Ses vastes bAtiments, vendus 
aux encheres pendant la R&volution frangaise, furent entiörement detruits; il 
n’en reste qu’une petite chapelle. 

On possede peu de renseignements sur Dom Fleury. Ne en 1722, il succ&da, 
comme prieur, & dom de Farjonel en 1783. Lors des premiers troubles r&volution- 
naires en 1789, les habitants de la seigneurie de Sainte-Marie se r&unirent et for- 
cerent les portes de l’abbaye. Un officier civil du monastere, qui &tait & la tete 
des mutins, exigea la remise des titres constatant les redevances dues aux religieux 
par les censitaires du pays. Dom Fleury dut c&der devant la force et remit une 
partie des archives du couvent, qui furent incendiees. Bientöt il quitta lui-meme 
son abbaye, c&dant la place 4 Dom Denizot, qui pr&ta le serment constitutionnel 
en 1792. Apres s’&tre tout d’abord retire A Besangon chez sa saur, femme de 
Jean-Baptiste Forestier, dom Fleury &migra & Fribourg. On ignore s’il rentra 
en France et & quelle date il mourut. 

Le tableau de Wyrsch resta dans la famille Forestier et, par succession, 
passa dans celle des Branche, puis des Ledoux. — BARTHELET, Recherches sw’ 
Mont Ste Marie, Pontarlier, Simon, 1858, p. 154.— Chanoine SUCHET et J. GAUTHIER. 
L’abbaye de Mont Ste Marie et ses monuments. Me&moires de I’ Academie de Besamot. 
1883. — Sauzay, Histoire de la persecution revolutionnaire... Op. cit., tome 1, 
p- 34, et tome III, p. 114. 


— 149 — 
que par son buste de Boiston, la figure de cet &Ecrivain sacr& et de ce 
savant mindralogiste et ornithologiste !. 
Avant de quitter la capitale de la Franche-Comte, qui venait 
de lui decerner, en r&ecompense de ses services, le titre de citoyen 


I Ce tableau a &t& signale, pour la premidre fois, par Ch. Weiss, bibliothecaire 
de Besangon. En recherchant les manuscrits du savant Capucin, il trouva, dit-il, 
«un portrait remarquable du P. Tiburce, de Wirselz (sic), artiste de beaucoup 
de talent, qui l’a fait en 1784. Au bas de cette peinture, on lit : Pater Tiburtius 
Prost, a Jussero, aelatis 50. Conventus Bisuntini Capucinorum musoeum ervexit ». 
Il convient de remarquer que le Pere Tiburce n’avait alors que 48 ans. 

Joseph Boiston £&tait le fils et l!’&leve de Philippe Boiston, qui avait essay& 
de fonder, de 1756 & 1761, une &cole de peinture et de sculpture & Besancon. Pen- 
sionnaire de ’Acad&mie de Rome, il modela ce superbe buste, qui est signe : 
Boiston fils, fait d Rome 1789. — ARMAND MARQUISET, Quelques venseignements 
sur le P. Tiburce et le statuaire Boiston. Journal de la Haute-Saöne, du 25 octo- 
bre 1851. — AUG. CasTan, L’ancienne Ecole... Op. cit., p. 97 et la note. — 
J. GAUTHIER, La sculpture sur bois en Franche-Comte du XVme au XVIIIme siöcle. 
Reunion des Societes des Beaux-Arts des Departements, XIXre session. Paris, 
Imp. nat., 1895, p. 814. 

Le Pöre Tiburce, Prost de son nom patronymique, naquit & Jussey (Haute- 
Saöne) en 1736. Le 24 juin 1750, il entra comme novice chez les religieux fran- 
ciscains de Faucogney. En 1754, il fit profession et alla &tudier la philosophie 
au couvent des Capucins de Besangon. Elu, en 1770, suppl&ant au delegue du 
chapitre de son Ordre, & Paris, il fut choisi, en 1774, par le chapitre provincial, 
comme Custode, c’est-A-dire delegu& de la Province au chapitre general des Capu- 
ans, Rome. Definiteur &lu en 1777 et 1783, puis Provincial de 1786 & 1788, 
il fut nomme, en 1789, Definiteur general et Procureur general charge de traiter 
les aflaires de l’Ordre aupr&s des Congregations romaines. 

Rentre en France, il refusa le serment constitutionnel et se retira & Corre. 
Etant retourne & Rome, il fut, en 1796, r&tabli par Pie VI dans ses fonctions de 
Definiteur general qu’il conserva jusqu’& sa mort, arrivee en 1804. 

Le Pere Tiburce consacrait ses loisirs & l’&tude des sciences naturelles 
durant ses voyages en Franche-Comt£& et en Italie. Il a r&uni une quantit& de 
mineraux et de fossiles qui formerent le noyau du mus&e d’histoire naturelle 
de son couvent, & Besancon. Il est l’auteur d’un Panegyrique de St Louis, 
hı & l’Academie de Besancon, le 24 avril 1785, et de divers ouvrages de 
pomique religieuse. 

ll a laisse en manuscrits de nombreux sermons, &tudes scientifiques, journal 
de voyages, etc., qui furent vendus en 1818 & un brocanteur de Langres, & 
qui Ch. Weiss essaya vainement de les arracher. Ces manuscrits sont actuellement 
la propriet€ de M. Feuvrier, professeur au college de l’Arc, & Dole, qui en a donne 
le catalogue. — Abbe MorEY, Les capucins en Franche-Comie, Paris, Poussielgue, 
1882. — Pre UBaLd, Etudes franciscaines, janvier 1903. — GASSER, Me&moires 
de la Soci&t& d’ Agriculture de la Haute-Saöne, 1903, p. 19, 20, 26 et 27. — JULIEN 
FEuUVRIER, Le Sundgau en 1785. Revue d’Alsace, novembre et decembre 1903. 
— IDem, Un naturaliste franc-comtois. Memoires de la Societe d’ Agriculture de 
la Haute-Saöne, 1926, p. 77 & 89. 


— 150 — 


d’honneur, Melchior Wyrsch peignit encore le Portrait de l’abbe Varin, 
chevalier de Malte!. 

A peine rentre dans sa patrie, le maitre de Buochs trouva, comme 
autrefois, une brillante client&le dans la haute societe. Ses demiers 
tableaux et surtout ses portraits sont, pour la plupart, des chefs-d’&uvre. 
Parmi ces derniers, nous ne connaissons pas de portraits d’ecclesiastiques?. 


ı Haut. 0,46, larg. 0,36. Toile ovale dans un cadre dor& de l’&poque. Inedit. 

Le chevalier Varin est represente en buste de face, dans un habit de drap noir 
a la frangaise, ouvert sur un gilet de satin de m&me couleur. Sur le cöt& gauche 
de la poitrine, est fixce la croix de Malte & huit pointes. Autour du cou, un large 
ruban, pass€ sous un rabat noir lisere de blanc, soutient une croix en &mail blanc 
& huit pointes surmontee d’une couronne royale, qui est la decoration des 
chanoines de Saint-Antoine. 

La figure de face, legerement tournee vers la droite, est empreinte & la fois 
de majeste, de noblesse et de simplicite. Sous des sourcils noirs abondants, de 
grands yeux expriment la douceur du caractere. Le nez fort, la bouche arquee, 
le menton gras ct Ic front haut sont encadr&s par une perruque poudree & plusicurs 
rangs de boudins. 

On lit au dos dc la toile, de la main du peintre : Claude Auguste Victor 
Varin ne en 1732, chevalier de Malte, cy devant chan(noin)e reg(uli)er de St Anton, 
peints (sic) par Wyrsch 1784. Ce vivant portrait appartient a M. Jean Varin d’Aın- 
velle, au chätcau de Servas, par Alais (Gard). , 

Les registres de la municipalite de Besangon signalent des Varin parmı 
les notables et les co-gouverneurs de la cit&, depuis le XIIIme jusqu’au XVII»® siecle. 
Cette famille donna naissance & plusieurs branches. 

Antoine Varin &tait recteur de l’Universit@ de Dole en ı585. Frangois Varın 
(1636-1720) etait conseiller au Parlement de Besangon en 1689. De son mariage 
avec Frangoise Vuillin de Thurey, dame de Solmon (1639-1735), il eut un fis, 
Jacques-Antoine Varin. Ne ä Besancon en 1676, mort & Paris en 1769, celui-i 
fut nomme conseiller au Parlement de Besancon le 27 juillet 1736 et requt 
l’honorariat le 28 mai 1753. 

De son mariage avcc Marie-Charlotte, fille de Claude-Frangois WVaceret, 
greflier en chef de la Cour des Comptes, il eut douze enfants. Deux de ses fils 
devinrent conseillers au Parlement de Besangon, Francois Varin d’Ainvelle et 
Charles Varin du Fresne, ce dernier, ainsi que sa femme furent egalement peints 
par Wyrsch en 1784. 

Trois autres fils entrerent dans les Ordres. L’un d’eux, Claude-Auguste- 
Victoire Varin, ne A Besancon en 1732, fut d’abord chanoine de Saint-Antoine: 
il quitta l’e&tat ecclesiastique et devint chevalier de Malte. Au moment de la 
Revolution frangaise, il se refugia & Neuchätel, puis entra au service des allics 
en 1797 et servit dans l’arm&e de Cond£. Il mourut en &migration & une date qu! 
nous est inconnue. — LABBEY DE Bırı.y, Histoire de l’ Universite... Op. cit., tome Il, 
p. 378 & 380. — Castan, Notes sur l’administration municipale de Besancor. 
pP. 498. — Archives d&epartementales du Doubs, serie B, Ns 616, 618 et 619. 

?2 C’est par suite d’une erreur que le beau portrait de Frangois- Jacqurs- 
Joseph zur Gilgen, signal& dans le Schweizerisches Künstler Lexikon, a pu 6tre 
pris pour celui d’un chanoine. Ce magistrat de la ville de Lucerne, qui porte, 
dans son portrait, une robe noire et un rabat blanc, &tait charg& de l’administration 
des bles. 


— 1I — 


En m&me temps, gräce au concours de la municipalite de Lucerne, 
Vartiste, avec une ardeur toute juvenile, organisa dans cette ville une 
ecole gratuite de dessin et de peinture, sur le mod£le de celle qu’il avait 
fondee a Besancon et qu’il venait de laisser en pleine prosp£rite. Mais 
deux ans apres, sa vue s’affaiblissant de plus en plus, il etait atteint 
de la cataracte et le peintre aveugle se retirait dans le pays oü il avait 
vu le jour. 

La liste des portraits de prelats, prötres et religieux peints par 
\yrsch, qui sont & notre connaissance et que nous venons d’etudier, 
nest vraisemblablement pas compläte. Cependant, elle est suffisante 
pour donner une idee de la faveur avec laquelle le talent du maitre 
de Buochs etait apprecie, dans les milieux ecclesiastiques tant en 
Suisse qu’en France, depuis les premitres annees jusqu’& la fin de 
sa longue et laborieuse carriere artistique. 


REZENSIONEN. — COMPTES RENDUS. 


Isobel A. Knowles. Vom Fögfür. A treatise on Purgatory by Tschudy, 
edited from the original manuscript in the Abbey Archives of St. Gall 
with a grammatical commentary, notes and a glossary by —. Mit einer 
Schriftprobe Aegid Tschudis. xv und 252 S. Kommissionsverlag Rudolf 
Geering, Basel 1926. Preis broschiert 8 Fr. 


Die Herausgabe von Aegid Tschudis theologischem Traktate « Vom 
Fegfeuer » die hier vorliegt, ist eine germanistische Dissertation der 
Universität Glasgow. Miss Knowles wurde durch Professor Dr. James 
M. Clark, der von St. Gallen nach Glasgow berufen worden war, auf das 
Manuskript Tschudis aufmerksam gemacht und hat die große Mühe der 
Herausgabe nach Schwarz-Weiß-Photographien auf sich genommen, die 
Herr Stadtbibliothekar Dr. T. Schieß für sie anfertigte. Diese erstmalige 
Herausgabe eines Tschudi-Manuskriptes in Tschudis Originalsprache und 
nach seinem Autograph ist gewiß sehr erfreulich und aller Unterstützung 
wert. Aber so durchschlagende Entschuldigungsgründe in der Entfernung 
von allen schweizerischen bibliographischen Hilfsmitteln und in der Ein- 
stellung auf eine philologische Dissertation liegen mögen, darf eine erbetene 
Besprechung den Historiker doch nicht über die Mängel hinwegsehen lassen, 
die, wie ich in der Schweiz. Rundschau, Bd. XXV, p. 177, andeutete, dieser 
Ausgabe anhaften. 

Zunächst ist das Mißverständnis richtig zu stellen, daß das Manuskript, 
Band XX der Bibliothek des Pfäferser Archives, im Stiftsarchiv St. Gallen, 
wie Knowles im Vorwort p. IV bemerkt, mit Kap. X auf f. 134 abbreche, 
da, wo diese Ausgabe ebenfalls Schluß macht. Das Manuskript zählt, 
wie schon Wegelin (in Archiv £. Schweiz. Gesch. VI, p. 188 f., und darnach 
Vogel, Aegidius Tschudi, p. 311) angab, 304 beschriebene und von Tschudi 
numerierte Seiten, enthält alle ı9 im Inhaltsverzeichnisse (p. ı9 f der 
Ausgabe) angeführten Kapitel, gibt dazu auf S. 302-304 mit dem Titel: 
a Vom irrthumb abston ist loblich » eine Schlußermahnung an die Prote- 
stanten, um mit der Anführung aus Ambrosius epistolarum, 1. 5, c. 31, 
zu endigen:«..... Es sol sich keiner schämen, das besser anzunämmen. > 
Der Traktat, den Tschudi (p. ı8 der Ausgabe) mit dem Titel « Vom 
Fegfur » bezeichnete, liegt damit zweifellos im Originalmanuskript voll- 
ständig und abgeschlossen vor. Dagegen hat die Herausgeberin darin 
recht, daß das, was sie auf p. xımı-xı und 1-17 ihrer Ausgabe wiedergibt, 
nicht direkt zum « Fegfeuer » gehört ; sie hat auch darin richtig gesehen, 
daß Tschudi mit der Bemerkung : «stat hievor am 79. blatt» (p. 4) auf 
verloren gegangene Ausführungen verweist, die vor dem Anfange des 
jetzigen Manuskriptes gestanden haben müssen. Doch hat schon die im 


XVII. Jahrhundert angefertigte Kopie, Cod. 808 der Stiftsbibliothek 
St. Gallen, nicht mehr vor sich gehabt als heute das Original umfaßt. 

Knowles hat gut gelesen ; unnötig war die Tafel der wenigen, leicht 
auflösbaren Abkürzungen wie die Hervorhebung derselben im Texte. Ich 
notierte wenige Verlesungen, so p. 21, Z. 4, natürlich ecclesiae anstatt des 
unerklärlichen Entae. Dagegen wurde das Manuskript leider mit allen.sich 
wiederholenden Seitentiteln, mit seiner Orthographie, sogar mit seinen 
großen und kleinen Buchstaben und Interpunktion wiedergegeben. Im 
Glossar gehen die Seiten- und Zeilenzahlen nicht auf die Paginatur des 
Druckes, sondern auf jene des Manuskriptes. Das hätte unbedingt 
geändert werden müssen. Die große Mühe, die nach p. ııı aufgewendet 
wurde, die vielen Väterstellen zu identifizieren, deren Tabelle mit den 
Verweisen auf Migne dann aber doch wegblieb, ist aller Anerkennung wert. 
Sie hat auch zur Auffindung eines terminus post quem geführt, zur Postille 
Johann Wild’s im Kölner Druck von 1560, sofern wirklich keine frühere 
Ausgabe der Postille existiert. Für den Theologen und Historiker wäre 
es wahrscheinlich aber ertragreicher gewesen, wenn den katholischen 
Kontroversisten nachgegangen worden wäre, aus denen Tschudi schöpfte. 
Am Schlusse des Manuskriptes, p. 301, nennt er, von Emser und Eck 
angefangen, die ganze Reihe bis auf Staphylus und Canisius ; daß er den 
besonders hervorgehobenen Hosius nicht als Kardinal bezeichnet, könnte 
eventuell die Zeit der Abfassung kürzer umgrenzen. Die meisten der 
Väterstellen werden vermutlich in den benützten Kontroversisten zu 
finden sein. Hätte wirklich Tschudi selbst sie zusammengelesen, müßte 
man seinen Fleiß bestaunen und seine theologische Bibliothek für ihre 
Zeit als eine außerordentliche betrachten. Ganz hinweggegangen ist die 
Herausgeberin auch über die Frage, ob eine und welche der damaligen 
gedruckten Bibelübersetzungen im « Fegfeuer » vorliegt. Nur ganz all- 
gemein wird in den Bemerkungen über die Sprache Tschudis ausgesprochen 
{p. 230 ff.), daß ihre Formen jene des damaligen ostschweizerischen Deutsch 
seien. Schon germanistisch hätte ein Vergleich mit der Zürcher Bibel 
vorgenoımmen werden sollen. Für die inhaltliche Übersetzung ergab eine 
Stichprobe, daß die Stellen 2 Thess. 2 u. 3 (p. xıı1) eher mit der Zürcher 
Bibel, die Hauptstelle über das Fegfeuer, ı Cor. 3 (p. 27 f.), ebenso Gen. IX 
(p. 69), eher mit der katholischen Übersetzung Dietenbergers übereinstimmt. 
Es stand mir hiezu zur Verfügung die Zürcher Quartausgabe von 1534 
und Dietenbergers verbesserte Mainzer Ausgabe von 1540. 

Bezüglich der Abfassungszeit von Tschudis « Fegfeuer », die Knowles 
mit Berufung auf den angeführten Druck Johann Wild’s von 1560 allgemein 
gegen das Lebensende Tschudis verlegt (p. vı), habe ich in der Schweize- 
rischen Rundschau, p. 177 f., die bezüglichen Stellen aus Vogel, Aegidius 
Tschudi, p. 71 f., 87, 90 f., 213, 231 verwertet. Ihnen ist beizufügen, daß 
das « Fegfeuer » vor der « Fürbitte der Heiligen » geschrieben wurde, da 
Tschudi es im Original des letzteren, Cod. 807 der Stiftsbibliothek, p. 109, 
anzieht. Wahrscheinlich ist das « Fegfeuer » 1560-1561 verfaßt worden. 
Zweifel vermag nur das von Vogel, p. 9ı, Anm. 33, angegebene späte 
Datum der Gegenschrift Landammanns Paul Schulers, 5. Januar 1571, 


— 4 — 


zu erwecken. Sollte ein I.ese- oder Druckfehler vorliegen, oder sollte, da 
Schuler von dem « büchli » Tschudis spricht, später ein Auszug angefertigt 
worden sein ? 

Möchte die Herausgabe des « Fegfeuer » durch Miss Knowles, die trotz 
ihrer Mängel eine sehr begrüßenswerte und für eine Erstlingsarbeit aller 
Anerkennung und Unterstützung würdige Tat ist, die historische Forschung 
auf die bisher vernachlässigte Seite der theologischen Schriftstellereı 
Tschudis hinlenken. Daß auch für die Kenntnis der damaligen kirchlichen 
Zustände manches sich ergäbe, wird ein Durchblättern der pp. 169-220 
der Ausgabe zeigen, in denen die Verteidigung des Gebetes in der Kirche, 
der Festtage, der kanonischen Tagzeiten, des Lateins als Kirchensprache, 
sowie das Kapitel der Beanstandung der mangelhaft gebildeten Priester 
und der gereimten Kirchengebete wiedergegeben wurde, soviel auch hier 
wieder die Zitate der Väterstellen Platz beanspruchen. Eine spätere 
eventuelle Ausgabe des übrigen Teiles des Manuskriptes für historische 
Zwecke würde alle diese Väterzitate streichen können, um auf bedeutend 
geringerem Raume Tschudis’ Anschauung und Meinung als Beitrag zu den 
kirchlichen Zuständen jener Zeit zur Verfügung zu stellen. 


St. Gallen. Joseph Miller. 


Dr. P. Otmar Scheiwiller 0. 8.B. Annette von Droste-Hülshoft in 
der Schweiz. (272 S. mit 5 Einschaltbildern.) Benziger & C°. Einsiedeln 
(1926). Brosch. 7 Fr. 50; gebd. 8 Fr. 75. 


Ein köstliches Buch hat der gelehrte Einsiedlerpater dem Andenken 
Deutschlands größter Dichterin gewidmet. Das in Biographien, Brief- 
sammlungen und Einzeluntersuchungen zerstreute Material hat er mit 
neuem aus der schweizerischen Lokalforschung zusammengetragen, und 
so einen wertvollen Beitrag zur Erklärung ihrer Eigenart und auch zur 
Schweizergeschichte jener Zeit geliefert. Der Dichterin Aufenthalt in der 
Schweiz war zeitlich und räumlich beschränkt. Er dauerte vom August 
1835 bis in den Herbst des folgenden Jahres bei ihrem Schwager Laßberg 
auf Schloß Eppishausen bei Erlen. Sie ist kaum über den Thurgau und 
das Appenzellerland hinausgekommen. Später kam sie nie mehr in die 
Schweiz. Mit dem Blicke auf die fernen Schweizerberge ist sie am 
ı9. Mai 1848 auf Schloß Meersburg am Bodensee gestorben. 

Der Aufenthalt in unserem Lande hat ihr nicht behagt. Im « Abschied 
von der Schweiz » nennt sie es ein « ungeliebtes Land », ein « Land, wo 
ich keine Nachtigall und keine Liebe fand». An diesen Klagen war vor 
allem die Glaubensverschiedenheit — sie vermißte «das einträchtige, 
friedliche Wohnen unter Glaubensgenossen » —, die politische Unsicherheit 
und der ihr unverständliche Schweizerdialekt schuld. Dazu fühlte sie sich 
vereinsamt ; mit dem grundverschiedenen Laßberg kam sie in keinen 
innern Kontakt ; das Volk war ihr fremd ; Verkehr hatte sie wenig oder 
nicht zusagenden. Wohl schrieb sie über die Schweizernatur einen herrlichen 
Brief, worin sie den Schönheiten des Landes und der Alpen ihren Tribut 


— 155 -- 


zollt ; aber einige herrliche Gedichte, darunter die Säntislieder, sind fast 
der einzige dichterische Niederschlag ihres Schweizer Aufenthaltes geblieben. 
Eine gerechte Beurteilung des Volkes, das damals von einer großen 
demokratischen Welle heimgesucht wurde, blieb dem ganz anders gearteten 
westfälischen Freifräulein versagt. Die Schweizer hat sie nicht geliebt, 
«der Menschenschlag gefällt mir im ganzen gar nicht»; die Schweiz ist 
nie ihre Heimat geworden. Und doch ist der Aufenthalt im Thurgau 
für die Entwicklung der Dichterin überaus bedeutungsvoll, indem sie 
gerade hier « zur künstlerischen Selbstbesinnung gelangte und sich ihrer 
poetischen Sendung, Westfalens Sängerin zu sein, bewußt wurde ». 

Aber nicht nur diese literarische Seite des Buches ist wichtig. Auch 
dem Historiker bietet es einen wertvollen Beitrag, und die Schilderungen, 
die die Dichterin in ihren Briefen von den Kreisen entwirft, in denen sie 
lebte und verkehrte, werfen oft überraschend trefisichere Streiflichter auf 
Land, Leute und politische Verhältnisse. Wie köstlich schildert sie ihren 
Schwager, den etwas sonderlingshaften Freiherrn Josef von Laßberg, der 
als «der alte Sepp von Eppishausen » in den Germanisten- und Dichter- 
kreisen als großzügiger Mäzen und unermüdlicher Handschriftensammler 
wohlverdientes Ansehen und Liebe genoß. Auf seinem Schlosse kamen 
die « Prophetenschüler », wie Annette die Germanisten nennt, zu eigent- 
lichen Philologenkongressen zusammen, die die Dichterin mit feinem 
Humor und Satire zu zeichnen versteht. Hart, aber nicht ganz unwahr 
sind die Worte, mit denen sie den Thurgauer schildert : « Die Schweizer, 
auch die vornehmen, sind so; sie laufen vier Meilen bergan, um sechs 
Kreuzer zu verdienen, aber umsonst strecken sie nicht den Finger aus, 
um Dir zu zeigen, daß Dein Haus brennte. Ausnahmen gibt’s freilich 
auch hier, aber dies ist der Volkscharakter.» (S. 123 f.) Die ideal ver- 
anlagte Dichterin fühlte sich durch die allen höhern Interessen unzugäng- 
liche, materialistische Gesinnung, durch die Habsucht, Profit- und Geld- 
gier, die sie ringsum wahrzunehmen glaubte, abgestoßen. In dem gelobten 
Lande der Demokratie kommt ihr vor, «daß die freien Schweizer, die 
keinen Rang anerkennen wollen, die ärgsten Sklaven des Geldes sind, daß 
reiche Bauern in den Dörfern unbeschränktere Herren und schlimmere 
Tyrannen darstellen, als je der Unterschied des Ranges dergleichen hervor- 
gebracht hat ; anderwärts mögen Konnexionen manches bewirken, hier tun 
sie alles, Geld und Nepotismus sind die einzigen Hebel». (S. 100.) 

Daß die politischen Verhältnisse ihre Abneigung erregten, ist begreiflich ; 
sie waren aber auch unerquicklich genug. In ihren und Laßbergs Briefen 
kommen sie zu trefflichem Ausdruck. Einst war Laßberg in die Schweiz 
als das Land der Freiheit gekommen ; jetzt fragt er bitter : wo ist Freiheit ? 
Er sieht nichts als politische Leidenschaft, Parteihader und -haß, die ihm 
schließlich den Aufenthalt so verärgern, daß er Eppishausen verkauft 
und nach Meersburg zieht. Auch hier verfolgen die Laßbergs und Annette 
die politische Entwicklung in der Schweiz mit lebhaftem Interesse. Die 
Dichterin ist ganz auf Seite des Sonderbundes. « Gott schütze das Recht I», 
Sagt sie in einem Briefe an die Mutter. « Hier in Baden gibt’s nur eine 
Stimme, für den Sonderbund, und zwar von Unfrommen wie von Frommen, 


— 156 — 


da die armen kleinen Kantone ebensowohl für ihre Freiheit wie für ihren 
Glauben fechten, und die Jesuitenfrage von den großen offenbar nur vom 
Zaune gebrochen ist, um bei dieser Gelegenheit die kleinen einzuschlucken. » 
(S. 113.) Das ist die Stimmung des Kreises. Ihre Mutter schrieb kurz 
nach der Niederlage des Sonderbundes aus Westfalen, sie hoffe, Onkel 
August hetze in Berlin den König gegen das miserable Schweizervolk auf. 
Zu jener Zeit befand sich die Dichterin bereits auf dem Sterbelager, und 
die Ereignisse in der Schweiz und die badische Revolution von 1848 haben 
ihre letzten Stunden umdüstert und gequält, da sie bei ihrer kränklichen 
Erregung doppelt darunter litt. 

Ein Beispiel ihrer treffenden Charakteristik mag noch angeführt sein: 
Wessenberg, der einstige Konstanzer Generalvikar und Bistumsverweser. 
«Seine Persönlichkeit ist jetzt [1842] weder angenehm noch bedeutend ; 
indessen habe ich ihn zu spät kennen gelernt, da er offenbar schon sehr 
stumpf ist.» «Zudem scheint er mir unbegrenzt eitel ; jede Miene, jede 
Kopfbewegung hat etwas Gnädiges ; sein Gespräch ist durchspickt mit 
Hindeutungen auf seine literarische und kirchliche Stellung, erlebten 
Verfolgungen, und er bringt, passend oder unpassend, überall seinen 
intimen Freund, den Erzbischof Spiegel [von Köln], an, dem er sich auch 
so genau im Äußern nachgebildet hat, daß die Ähnlichkeit wirklich frappant 
ist, nur daß der angeborne unnachahmliche schlaue Blick in Jenes Gesicht 
in diesem sich fast lächerlich ausnimmt, weil die natürlichen Züge 
dagegen protestieren. Kurz, ich meine, diese große Eitelkeit und die all- 
zeit damit verbundene Kleinlichkeit und Schwäche müssen Wessenbergs 
Bedeutendheit doch immer sehr geschadet haben, und ich kann mich, 
seit ich ihn gesehen, nicht enthalten, weit mehr diese für das Motiv seiner 
auffallenden Schritte zu halten als irgend etwas anderes. » (S. 97.) 

Die Ausstattung, die der Verlag dem inhaltsreichen Buche gegeben 
hat, verdient Anerkennung ; der Einband ist geschmackvoll und die 
Einschaltbilder zeigen die handelnden Hauptpersonen und den Ort ihres 
Aufenthaltes. Dagegen ist der von vielen Buchhändlern geübte Trick, 
kein Erscheinungsjahr anzugeben, besonders bei wissenschaftlichen Büchern 
ernstlich zu rügen. 

Karl Schönenberger. 


Durrer Robert. Die Schweizergarde in Rom und die Schweizer n 
päpstlichen Diensten. Band I. Luzern, Räber & Cie. 1927. xılı und 432 $- 
8°. Broschiert 22 Fr. 


Dieses Buch sollte zum Jubiläum des Sacco di Roma, 6. Mai 1927, 
erscheinen ; allein wenn es auch erst einige Monate später herauskam, so 
dürfte es doch nicht weniger willkommen sein als eine seines Verfassers 
würdige Leistung in vornehmer und geschmackvoller Ausstattung, die dem 
feinen Kunsthistoriker wie auch dem Verleger alle Ehre macht. Dadurch 
daß der Verfasser auch die Schweizer in päpstlichen Diensten mit in seinen 
Rahmen einbezog, berührt und kreuzt es sich mit den älteren Werken von 
Charles Kohler, Les Suisses dans les guerres d’Italie de 1506 & 1512, 


Geneve-Paris 1897, und meiner Abhandlung über Kardinal Matthäus 
Schiner, Freiburg 1923, während Ernst Gagliardi, Der Anteil der Schweizer 
an den italienischen Kriegen, ı. Bd. 1494-1509, Zürich 1919, zwar noch 
in dieselbe Zeit sich erstreckt, im übrigen aber kaum das gleiche Thema 
streift. 

Verf. hat der Schweizergarde, diesem einzigen Überbleibsel, « einer 
nimmer wiederkehrenden Vergangenheit », von 421 Jahren, die mit der 
Geschichte des Papsttums und seinen welchselvollen Geschicken aufs 
engste verflochten ist, ein glänzendes Denkmal gesetzt und zugleich ein 
Meisterwerk der Geschichtschreibung von seltener Beherrschung des weit- 
schichtigen, zum großen Teil entlegenen und fremdsprachlichen Quellen- 
materials und einer ungewöhnlichen Darstellungskunst, welche die Lektüre 
auch für weitere Kreise zu einem Genuß werden läßt. Dabei legt er stets 
großes Gewicht auf die kulturhistorischen Gesichtspunkte, auf die sach- 
verständige Würdigung des Milieu und auf die Charakterisierung der oft 
wenig bekannten Persönlichkeiten, die an Hand sorgfältiger und oft mühsam 
herangezogener Personalien hier vielfach zuerst ihre richtige Würdigung 
erhalten. Doch wird diese Fundgrube an trefflichen Einzelheiten erst 
durch ein Register am Schlusse des zweiten Bandes völlig erschlossen 
werden, wo auch eine übersichtliche Zusammenstellung der Quellen und 
Literatur dem Forscher sehr erwünscht wäre. Interessant und beachtens- 
wert scheint mir des Verf. Urteil über die Reformation als eine « germanische 
Schulmeisterpedanterie », was ungefähr der Auffassung der Humanisten 
entspricht. Nicht schmeichelhaft, aber auch nicht unrichtig ist es, wenn 
er schreibt: « An die Stelle altehrwürdiger mystischer Zeremonien trat 
das Idol des « Wortes», das «lautere Wort Gottes» und das Wort der 
Prediger ! » 

Neu und beachtenswert ist die Verfolgung der päpstlichen Soldrück- 
stände bis in die werdende Reformation hinein und die dadurch beeinflußte 
Haltung Roms wie Zürichs, die der Verf. ein « Versteckspielen » nennt ! 
Vor allem aber soll hier hervorgehoben werden die Feststellung (S. 337), 
daß man die Bezahlung des rückständigen Soldes der Zürcher Truppen vom 
Piacenzer Zuge bis heute unrichtig dargestellt hat und dabei übersehen hat, 
daß 1524 bereits die Hälfte davon ausgerichtet wurde, die andere Hälfte 
aber schon Ende 1524 hätte erhoben werden können, wenn man gewollt 
hätte und daß erst später, da man das päpstliche Angebot nicht angenommen, 
sie beiderseits mit der religiösen Frage verquickt wurde, zuletzt, erst 
nach der Niederlage von Kappel, indem Filonardi es noch einmal versuchte, 
durch das Versprechen der noch schuldigen Restzahlung die Zürcher wieder 
zur Umkehr zu bewegen, was damals nicht aussichtslos erscheinen mochte. 
Ferner, daß Zwingli bei seiner Neuerung (ähnlich wie Calvin in Genf) sich 
hauptsächlich auf ausländische Emigranten, wie Leo Jud, Pellikan, ferner 
Berchtold Haller, Franz Kolb und Oekolompad stützte, die alle ziemlich 
wegwerfend als «a Schwaben » bezeichnet werden. Auch was von Joachim 
am Grüt und seiner Rolle im Glaubensstreit gesagt wird (S. 344), verdient 
alle Beachtung ! 

Als ein großes Verdienst möchte ich es auch ansehen, daß Verf. die 


— 158 — 


nur in einem seltenen Basler Druck erhaltene Leichenrede Joh. Fabers 
auf den Gardehauptmann Kaspar von Silenen, der bei Rimini Anfang 
August 1518 gefallen war, ganz wieder abdruckt. Eine große Zahl wohl- 
gelungener und geschmackvoll ausgewählter Abbildungen liefern den 
reichen illustrativen Schmuck : Siegel, Wappen, Porträts, Münzen, Ge- 
schenke, Glasscheiben, Buchverzierungen, liturgische Gewänder, Zeich- 
nungen und Holzschnitte, ja Freskobilder, Manuskripte, darunter große 
Seltenheiten, aus entlegenen, schwer zugänglichen Fundstellen und viel- 
fach auch erstmalige Wiedergaben, stets wertvoll wegen ihrer Beziehungen 
auf den Inhalt des Buches, dessen Fortsetzung mit großer Spannung 
erwartet wird ! 

Noch wären einige Kleinigkeiten und Berichtigungen für eine eventuelle 
Neuauflage oder Übersetzung ins Italienische oder Französische hier 
anzufügen. Auf S. 4, Anm. 8, wäre von Dierauer, Geschichte der Schweiz. 
Eidgenossenschaft, Bd. II, die 3. Aufl. von Ig2o statt der ersten von 1892 
zu zitieren. (S. 7.) Für Durrers Vermutung, daß eine schweizerische Palast- 
wache bis in die Zeit Sixtus’ IV. hinaufreichen dürfte, spricht auch der 
Umstand, daß der Einsiedler Dekan Albrecht von Bonstetten von seiner 
Descriptio Helvetiae, dieser glänzenden Reklame für schweiz. Söldnerwesen, 
dem Papste Sixtus IV. unterm 22. Mai 1480 ein Exemplar widmete, zu- 
gleich mit seiner Beschreibung des Burgunderkrieges und des Liber de 
provisıone vacantis Burgundie, alle drei in lateinischer Fassung. 

Über Peter von Hertenstein (S. 14) sind jetzt die besten biographischen 
Angaben zu finden bei Imesch, Das Domkapitel von Sitten zur Zeit des 
Kardinals Matthäus Schiner, in Blätter aus der Walliser Geschichte VI, 
S. 90-92. Es ist Verf. entgangen, daß ich dem Sturz des Bischofs Jost von 
Silenen und dem in Rom gegen ihn geführten kanonischen Prozeß in 
meiner Schinerbiographie zwei ganze Kapitel (S. 26-59) gewidmet habe. 
Über die Gebrüder Kaspar, Jost und Albin von Silenen findet sich außerdem 
viel aufschlußreiches Material bei /mesch, Walliser Abschiede, Bd. I, in 
meiner Schiner-Korrespondenz, Bd. I, sowie in meinen « Urkunden und 
Akten zur Walliser Geschichte des XV.-XVI. Jahrhunderts », in Blätter 
aus der Walliser Geschichte, V. Bd. Eine fatale Verwechslung ist Verf. 
passiert in bezug auf seine Angaben über meine Schinerbiographie und 
die von mir edierte Schiner-Korrespondenz (S. 45, Anm. 24). Während 
von der Biographie nur der ı. Bd., 1923, erschien, dagegen von der 
Korrespondenz 2 Bde (1920-25), zitiert D. 2 Bde. der Biographie (1923-26) 
und von der Korrespondenz nur den I, Bd., ein Beweis, daß er den 2. Bd. 
jedenfalls nicht eingesehen hat. Daraus erklärt es sich auch, daß er zahl- 
reiche Briefe und Urkunden nach den Originalen zitiert, während sie in 
der Schiner-Korrespondenz bereits gedruckt sind. So z. B. das Breve 
Julius’ II. vom 22. April 1506 (Sch-K., Nr. 83), auf S. 38, A. 5; ferner 
der Brief Krummenstolls an Freiburg vom 24. Juli auf S. 50, A. 37 
(s. Sch.-K. II, 530, Nr. 1242) ; ferner Breve Julius’ II. an Schiner vom 
4. September 1510, auf S. 61, Anm. 24 (vgl. Sch.-K., Nr. 133). Das 
Schreiben Peter Falks an Freiburg, 29. Mai 1512 (s. Sch.-K., Nr. 188), 
S. 129, A. 73, Schiner an die Hauptleute in Villafranca vom 30. Mai ebda. 


(s. Sch.-K., Nr. 189). Das Schreiben von Leonhard Holzhalb an Jakob 
Stapfer (s. Sch.-K., Nr. 771), gehört weder ins Jahr 1520, wie das Original 
angibt, noch ins Jahr 1512, wie Durrer meint (S. 131, A. 75), sondern ins 
Jahr 1521, wie ich es eingereiht habe ! Ferner Schreiben Peter Falks aus 
Pavia an Freiburg, 19. Juni 1512, auf S. 141, Anm. 101 (s. Sch.-K., Nr. 203) ; 
Lienhard Grieb an Basel, Lodi, 2. November 1512, auf S. 164, Anm. 183 
ivgl. Sch.-K., Nr. 277), Peter Falk an Freiburg, ı4. März 1513, Sch.-K., 
\r. 292), ist bei Durrer S. 171, A. 211, falsch datiert zum 2ı. März ebenso 
5.173 und 174, A. Ferner Schreiben Schiners an Zürich, Rom 9. Juli 1522, 
auf S. 323, A. 23 (vgl. Sch.-K., Nr. 836). 

Von Caspar Wirz hat Verf. auf S. 39, Anm. 5, die falsche Archivsignatur 
des päpstlichen Breves vom 22. April, T 29 statt 24, übernommen ! Auf 
5.71, A. 6, sind unter den Vertretern Schiners, den Kaplänen Herr Walter 
und Herr Peter, sehr wahrscheinlich Walter Sterren, Domherr, und Peter 
Empchen, Hofkaplan des Bischofs, zu verstehen. Supersaxos’ und Schiners 
Rechtschriften werden auf S. 76, A. 20, ferner S. 79, A. 31, noch nach der 
älteren, fehlerhaften Ausgabe von Caspar Wirz zitiert, statt der neuen und 
besseren, in Blätter aus der Walliser Geschichte VI, 2. v. J. 1923, wo auch 
ein gutes Namenregister hinzugefügt ist nebst vielen erläuternden Fuß- 
noten! Zum Arsent-Prozeß in Freiburg (S. 76) wurde die eingehende und 
neueste Behandlung, der in meiner Schinerbiographie, Bd. ı, 232 ff., ein 
eigenes Kapitel gewidmet ist, gänzlich übersehen ! 

Wenn Durrer S. 79, A. 31, einer Erhebung Schiners zum Kardinal in 
petto gestützt auf das Tagebuch Paris de Grassis jede Tatsächlichkeit 
bestreitet, so steht dieser Behauptung doch verschiedenes entgegen : Die 
erste Andeutung auf diese Beförderung findet sich in einer undatierten 
Instruktion Jörgs auf der Flüe vom Juni 1509 (s. Sch.-K. II, Nr. 1122), 
wo es heißt : « Cesar peciit dudum, quod d. noster Sedunensis in ordinem 
cardinalis assumeretur » (ferner Bl. a. W. G. V, 292), und etwas später, 
Anfang Juli 1509, stellt Schiner selber dies Begehren in seinem Schreiben 
an den Kaiser (s. Sch.-K., Nr. 113, S. 88) mit den Worten : « Darnach .... 
wollen gnädiglich bey dem hl. Vatter und Stuhl zu Rom umb den kardinal- 
hut .... mich vorwenden » etc. Jörg in seiner Rechtfertigung vom 
20. November 1513 bestätigt dies (Bl. a.d. W. G. VI, 136) bei der 
Erzählung seiner Audienz bei Julius II. Ende Juni 1509 rühmend :» ego..... 
fogavi, ut persona vestra honore cardinalatus honoraretur » und erhielt 
darauf einen gütigsten Bescheid. Dann heißt es weiter in der oben genannten 
Instruktion : «si contra mentem S. D. N. non fuerit et si nunc non publi- 
cetur, fiat tamen de eo nominatio et electio ad cardinalatum, prout fides 
et devotio sua, quam Sedi Apostolice gerit, bene meretur. » Daraus ergibt 
sich doch allermindestens, daß man im Sommer 1509 eine Ernennung 
Schiners zum Kardinal dem Papste nahe legte! Gut dazu paßt es, wenn 
d’Amboise unterm 20. August 1510 an den Großmeister in Mailand meldet, 
der Papst habe dem Bischof von Sitten das Kardinalat verheißen, damit 
er die Eidgenossenschaft aufwiegle (Imesch, Absch. I, 159). Auch die 
Anspielung Schiners in seiner Rede vom 5. Januar 1514: « licet [d. n. cardi- 
nalis Sed.] a proxime exactis [sc. annis] citra ad cardineum apicem assump- 


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tus permanserit ejusdem ecclesie Sed. administrator » (s. Sch.-K., Nr. 353, 
S. 515) kann nur so verstanden werden, daß er vor Neujahr 1510 bereits 
Kardinal geworden war! Auch Sanuto (XI 185) weiß im August 1510 
zu berichten, der Papst habe einem Schweizer Bischof versprochen, ihn zum 
Kardinal zu machen. 

Warum zitiert Verf. das Schreiben von Heini Erb an Uri vom 18. Juni 
1512, (S. 133, A. 80,) nicht nach seiner eigenen Ausgabe im Urner Neujahrs- 
blatt XIX, S. 43, Beilage ? Auch das Breve Julius’ II. vom 6. Januar 
1510 (S. 48, A. 30) ist nach einer ganz mangelhaften Abschrift zitiert, statt 
nach der guten Wiedergabe von E. Wymann im Urner Neujahrsblatt 1922, 
S. 15. Dort lautet die Adresse: « Dilecto filio Amano (statt Romano) 
Beroldingen, Primario (statt Amanus) de Urania.» Ebenda, am Ende des 
Absatzes, zitiert Verf. die deutsche Übersetzung eines Breves Julius’ Il. 
an die Urner von 1510, während Wymann das lateinische Original im 
Urner Neujahrsblatt ı913 veröffentlichte. Das Schreiben Burkards von 
Erlach an Bern vom Pfingstabend 1512 (auf S. 127, Anm. 60) findet sich 
abgedruckt im Schweizer. Geschichtsforscher I, 216. Zu den Vorgängen in 
Rimini (S. 195) s. ferner Anshelm IV, 224, 229, und Petrus Martyr, Epistolae 
CXXXV'. An Druckfehlern sind mir aufgefallen S. 143, A. 106, der 29. 
(statt 19.) Juni; S. 312, Z. 6 der Anm. 302, soll es heißen : samer statt 
sumer ; S. 148, A. 27, lies XVI stuck hauptbuchsen statt hauptstuck- 
buchsen. 

Albert Bücht. 


Fribourg. — Imp. de I’CEuvre de Saint-Paul. 28. 


Zeitschrift 


Sehweizerische Kirchengeschichte 
Ren #listoire Ecclösiastique Suisse. 


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4 


HERAUSGEGEBEN VON PUBLIGE PAR 


Auserr BÜCHI, . ‘Jon. Perer KIRSCH 


0. d. Professoren an der Universität Freiburg (Schweiz) 
N Sr r . \ t , 


| ‚UND _ \ ! 
Low WI/EBER, . = 
| Chanoine, prof au Grand Seminaire, Fribourg. 


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EN 
XXI. JAHRGANG, 1}. HEFT. — 22” ANNEE, FASC. ll. 


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Erscheint viermal jährlich. — Paraft lass fols par an. 


FERNE : 8Fr. — Prix de l’abonnement : 4 ei 


STANS 1928. 


‚ Hans. von Matt, VERLAGSHANDLUNG. 


Inhaltsverzeichnis — Sommaire. 
R AR 

Hans Dommann. — Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt des neuen 
Bistums Basel (1828-1838) (Fortsetzung). Me BE ee 0 

Ant, v, Castelmur. — Fragmente eines Churer Missale aus der Mitte 
| des XI. Jahrhunderts . . . . Me A Br a | “0. 18 
. J. Al. Scheiwiler: — Die Reform im Kloster St. Gallen (F ortsetzung) 198 
Kleinere Beiträge. — Mölanges . ». . 2 200. 218 
Rezensionen. — Comptes rendus . . . 2: 2 0. Den 2 223 


GRÖSSERE BEITRÄGE, TRAVAUX 


welche für die nächsten Nummern que la Revue publiera 
in Aussicht genommen BUTOEN: ae 


Arnold Winkler, Gestein und die Aurkuer Klosterfrage. — Rudolf 

Henggeler, Der Äbte-Katalog von Fischingen, Rheinau und St. Gallen. — 
K.E. Winter, Bachofen und die Romantik. — Fridolin Segmüller, Geschichte 
des Kollegsvon Ascona. — Schlumpf, Quellen zur Biographie der sel. Rachild. — 
L. Waeber, Lettres de Rome, de Sebastien Werro (1590-1593). — 'Le m&me, 
.. Un projet de la France, de transferer A Soleure le sitge episcopat de Lausanne 
(1714). — Georges Blondeau, Tableaux d’autel, peints par Wyrsch. — 
H. Bastgen, Vatikanische Aktienstücke zur aröndung des Jesuitenkollegs ın 


‘ 


Schwyz. 


N, 


NB. — Alle für die Zeitschrift für schweiz. Kirchengeschichte bestimmten 
"Rezensionsexemplare sind an die Redaktion, Freiburg, zu adressieren. — 
 Tous les ouvrages destines @ recevoir un compte rendu dans la. Revue 
. d’Histoire ecclesiastique suisse doivent etre envoyes BUS EDEN a la Redaction, 
Fribourg. ; 


Die Zeitschrift 0 LA REVUE 
für Schweizerische Kirchengeschichte D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE SUISSE 
erscheint 4 Mal jährlich. . parait par fascicules trimestriels. 


Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt 
des neuen Bistums Basel (1828-1838). 


Nach Briefen des Bischofs Jos. Anton Salzmann, 
des Schultheißen Jos. Karl Amrhyn und anderer. 


Von Hans DOMMANN. 


(Fortsetzung.) 


Am ıo. März büßte das Gericht in Altishofen den Pfarrer mit 

4 Franken ; die Regierung appellierte, trotzdem sich mehrere Bitt- 
schriften für Huber verwandten. Das Appellationsgericht aber er- 
klärte am 5. April den Beklagten für schuldlos und überband der 
Regierung die Kosten. Trotzdem mußte Huber weiter in der Gefangen- 
schaft bleiben. Die Erklärung dafür liegt in der Antwort, die 

' Amrhyn dem Bischof auf dessen Schreiben vom ıı. Januar erteilt 
hatte: «Der einmal geschehene und von nun an für die Regierung 
unwiderruflich gewordene Schritt war getan, und mochte ich auch in 
Hinsicht der Form über die Einleitung zur Entfernung des Pfarrers 
Huber nicht ganz einverstanden gewesen sein, so blieb mir als 
Standeshaupt von nun an nichts anders übrig, als den Ausspruch der 
Regierung zu handhaben und ihre Würde und Konsequenz zu bewahren. 
Das ihr streitig gemachte Recht, einen Geistlichen von seiner Pfründe 
zu entfernen ; die sonach öffentlich gewordene Anfeindung dieses 
Rechts ; die wahrheitslose, böswillige Verdächtigung der Handlungen 
der Regierung ; die aufreizende Entstellung des Hergangs der Sache ; 
die damit eingeflochtenen Fragen über die wichtigsten Verhältnisse 
zwischen Kirche und Staat und zudem im freien organisierten Staate 
...: alles dieses hat mich dann vollends in die durch Eid gebundene 
Stellung gedrängt, auf dem Rechte des Staats, dem unverjährbaren 
Erbteile der Väter (die die Päpste demungeachtet die Beschützer der 
heiligen Religion nannten) standhaft und — ich sage es offen — aus 
Überzeugung zu beharren. ... Mißbrauch und der dadurch hervor- 
gerufene innere Drang zum Bessern, das sittliche Lebensprinzip des 
nach höherer Bestimmung in geheiligter Stunde anstrebenden Menschen, 


REVUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE 1 


— 162 — 


hat den Kampf der Zeit, die Revolution herbeigeführt. Selbstsucht 
und Ehrgeiz haben sich mit blendender Arglist dieser heiligen Flamme 
bemächtigt ; der Staat sank unter dem Lobgesange über die Volks- 
herrschaft ; die Kirche sinkt durch die Herrschaft ihrer Glieder. Die 
Revolution ist auch in diese übergegangen. Die Regierungen stehen 
ohne Achtung, ohne Zutrauen und Würde da, dem öffentlichen Spotte, 
der Verhöhnung preisgegeben ; der Bischof verlassen von der Geist- 
lichkeit, die ihn zu beherrschen versucht ist: beide im bittersten 
Kampfe um die wichtigsten, heiligsten Interesse[n] der Menschheit — 
jene um Ruhe, gesetzliche Ordnung und Sicherheit, diese[r] um innern 
Frieden und heilige Einigkeit. Allein um das Unglück der Welt zu 
vollenden, sollten diese leitenden Weltorgane — ohne deren ein- 
verstandenes, liebevolles Zusammenwirken keine Erlösung möglich — 
sollten auch diese einander entfremdet werden, einander feindselig 
gegenübertreten. ... Die Regierungen, wenn sie die ihnen entrissene, 
für sie so unerläßliche Wirksamkeit wieder gewinnen wollen, haben 
einen einzigen Weg noch, um dazu zu gelangen, und dieser besteht 
im redlichen Festhalten an den politischen Grundlagen, die vorhanden ; 
in ernster, konsequenter Behauptung der darin gegründeten Rechte 
gegen jeden Angriff — möge er auch kommen, woher es immer sei — 
und in dem mutvollen Entschlusse, eher zum Abtreten, als von dieser 
Bahn abzugehen sich nötigen zu lassen, und um diese Notwendigkeit 
erst auf den äußersten Fall eintreten zu lassen, zwar alle im eids- 
genössischen Bunde liegenden Schutzmittel aufzubieten. Ein entgegen- 
gesetztes Handeln würde nur den Feinden jeder Ordnung neue Siege 
vorbereiten, müßte nur zu neuen Stürmen und am Ende zur schmach- 
vollen Selbstzernichtung führen. — E. b. Gn. mögen nun selbst 
urteilen, was der Regierung von Luzern nach ihren Vorschriften gegen 
Hrn. Pfarrer Huber ... — der allem Anscheine nach zum erkiesenen [!] 
Vorfechter der zunächst kirchlich-revolutionären Anmaßung, vorzüglich 
der Geistlichkeit des Landkapitels Willisau gegen die Landesregierung 
dienen soll — ihre Stellung sein und bleiben muß. Diese Anmaßung, die 
jede Schranke — auch des gewöhnlichsten Anstandes — überschnitt, 
selbst lieblos die Absichten der Regierung verdächtigte, wo sie ihren, 
zunächst unter das Volk aufreizend geworfenen drohenden Forderungen 
nicht entsprechen sollte, hat über Pfarrer Huber den Stab gebrochen ; 
hat die Ansicht erzeugt und erzeugen müssen, daß es ihm [und] dieser 
Geistlichkeit in ihrer Mehrheit um nichts Geringeres zu tun sei, als 
die kirchliche Ordnung der Dinge zu untergraben und die Regierung 


— 103 — 


zu stürzen. — Jedes weitere Widerstreben seiner Entfernung kann 
daher nur diese Ansicht noch mehr bestärken, führt die Regierung 
zur traurigen Notwendigkeit : das Volk über diese ihm drohende Gefahr 
aufzuklären, es vor derselben zu warnen und zur Seite geeignete Sicher- 
heitsmaßregeln zu treffen, die bei der dadurch herbeigeführten all- 
gemeinen Aufregung nicht mehr der freien Wahl der Regierung anheim- 
gestellt bleiben werden. — Kann übrigens die bischöfliche Stelle die 
Entheiligung des Tempels Gottes ununtersucht lassen, die Pfarrer 
Huber unter dem vorgeschützen Rechte des Staatsbürgers durch die 
Verlesung eines Zeitungsblattes — und sei es nun auch die Kirchen- 
zitung — in der Kirche zu Uffikon verübt hat, und wodurch 
jedem Laien das gleiche Recht — und noch für Schlimmeres — ein- 
geräumt wird ? Darf es ihr gleichgültig sein, daß ohne ihr Vor- 
wissen und ihre Mitgenehmigung von anderwärtigen kirchlichen Be- 
hörden kommende Verordnungen usw. inner den Kirchen der Diözese 
verlesen werden ? ...»! 

Dieser Rechtfertigungsversuch, der vom Mißtrauen gegen die 
kirchlich gesinnte Geistlichkeit ausging, mochte auf den Bischof einen 
schmerzlichen Eindruck machen. Amrhyn aber war vom Rechte des 
Staates überzeugt, wenn er auch mit der Art des Vorgehens nicht 
einverstanden war. Er schrieb seinem Sohne: «Über die Art, wie 
man bei der Abberufung zu Werke geschritten, war ich nicht der 
Ansicht der Regierung, sondern hätte vielmehr gewünscht, es würde 
der Bischof unter der Androhung dafür angegangen worden sein, 
dafür die Einleitungen zu treffen, daß Pfarrer Huber von seiner 
Pfrinde abtrete, ansonst die Regierung dessen Abberufung aus- 
sprechen würde. Indessen, nachdem die Rechte der Regierung und 
mittelbar jene des Staats angestritten werden wollen und die 
Regierung kompromittiert, so werde ich — auf meine gehabten 
Ansichten verzichtend — die Hauptsache : das Recht des Staats, aufs 


! 10. Febr. 1834 ; St.-A. L. — Der bischöfliche Kommissär Waldis schrieb 
am Iı. Febr. an Amrhyn, der ihm das Schreiben Salzmanns vom 9. Febr. an die 
Regierung mitgeteilt hatte: «e... Sie können versichert sein ..., daß ich nach 
Meiner mir aufliegenden Pflicht alles anwenden werde, um — wenn möglich — 
den Bischof zu stimmen, zum Frieden des Staates das Seinige beizutragen. Gott 
gebe meinem schwachen Worte sein Gedeihen !» — F.-A. A. IV. D. 83. — In 
den Großratsverhandlungen vom 19. April erwähnte Amrhyn scine vertrauliche 

Orrespondenz mit dem Bischof und drohte : wenn das Vaterland noch in größere 
Gefahr kommen sollte, werde er dessen Schreiben mitteilen. — Schweiz. Kirchen- 
zeitung 1834, Nr. 19. 


—- 4 — 


entschiedenste verteidigen. ... Die Regierung kann und darf nicht 
zurückweichen — und wenn sie auch selbst zu weit gegangen wäre — 
wenn sie nicht sich selbst und zugleich die gute Sache auf immer auf- 
geben will.»! Die Furcht vor einem Umsturzversuch und vor der 
Kritik des Großen Rats erweckte in Amrhyn die Absicht, dem Kleinen 
Rat die Resignation in corpore vorzuschlagen. ? Dazu kam es aller- 
dings nicht, da im Großen Rat zwar das Vorgehen der Regierung 
scharf mißbilligt, aber von der Mehrheit auf Antrag Kasimir Pfyffers 
am 19. April die Absetzung Hubers gutgeheißen wurde. 

Am 25. April 1834 wurde Pfarrer Huber endlich aus der Gefangen- 
schaft entlassen, doch mit der Bedingung, daß er seine Pfründe nicht 
mehr betrete und innert 14 Tagen das Pfarrhaus räume. Huber 
weigerte sich, das zu tun, mit Berufung auf seine kanonische Ein- 
setzung. Am 5. Mai erneuerte der Bischof seinen Protest, erklärte 
sich aber zur Verständigung bereit. Er schrieb an den Kleinen Rat: 
« Auf Ihr verehrtestes Schreiben vom 25. April ... habe ich die Ehre 
zu erwidern, daß auch ich innigst bedaure, in der Huberschen 
Angelegenheit mit Hochdenselben nicht übereinstimmende Ansichten 
hegen zu können, und nur in der beruhigenden Überzeugung, wie 
Hochsie von meiner Ehrfurcht und Ergebenheit gegen die h. Regie- 
rungen und von meinem unzweideutigen Bestreben zur Beförderung 
des allgemeinen Friedens auf die strenge Notwendigkeit meiner 
beobachteten amtlichen Handlungsweise schließen werden, etwas Trost 
finde. Es gibt wirklich in den Verhältnissen zwischen Kirche und 
Staat gewisse Saiten, welche besser unberührt bleiben, damit kein 
Anlaß zu Dissonanz gegeben werde, und ich ließ es mir bisher immer 
angelegen sein, in dergleichen Punkten nur im Einverständnis mit 


1 14. März ; 17. April 1834 :e... Es handelt sich von beiden Extremparteien 
um eine neue Revolution, um eine Gestaltung des politischen Zustandes des 
Kantons. Die Extreme vereinigen sich. Die einen stürmen auf einen Verfassungs- 
rat, die andern auf einen sonstigen Umsturz der Verfassung hin. ...» — Vergl. die 
Briefe Chorherr Geigers an K.L. von Haller, hrg. von E. Reinhard, in der a Schweiz. 
Rundschau », 25. Jahrg., ı2. Heft, 1926. 

2 ı7. April. — Kanzler Amrhyn äußerte die Befürchtung, man wolle die 
Geistlichen zu Dienern des Staates herabwürdigen. Sein Vater erwiderte ihm: 
«a Darum war es nicht zu tun, und es dahin kommen zu lassen, wird auch Dein 
Vater niemals gestatten. ... Allein, daß sich die Geistlichkeit von den Staats- 
verhältnissen emanzipiere, über den Staat erhebe, wohl gar als die Propheten 
einer Contrerevolution sich hervorstelle : dagegen werde ich mich immerfort und 
aus allen Kräften stemmen. Zur Stunde war es noch darum zu tun, dem Staat. 
der vollziehenden Gewalt das ihr zustehende ius supremae inspectionis et cavendi 
zu entziehen. ...» (20. April.) 


— 15 — 


den betreffenden h. Staatsbehörden zu handeln. Diesem Grundsatz 
werde ich auch künftighin huldigen. Da ich übrigens durch meine 
zwei Schreiben vom ıIı. Jänner und 9. Hornung meine Amtes- 
pflicht mit gewissenhafter Bedachtsamkeit vollzogen habe, bin ich in 
jedem Falle und also auch in dem vorliegenden bereit, unter Vorbehalt 
aller kirchlichen Rechte alles Mögliche beizutragen, jeden Stoff unheil- 
bringender Zwietracht und Unruhe zu entfernen, zu welchem Zwecke 
unter heutigem Datum zwei Briefe — der eine an meinen hochw. Herrn 
Kommissar Waldis, der andere an den wohlehrw. Hrn. Pfarrer Huber 
— von mir erlassen werden. Damit aber das beabsichtigte Ziel erreicht 
werde, ist Hochdero Mitwirkung unumgängliches Bedürfnis. Erlauben 
Sie mir, Ihnen in dieser Hinsicht den wohlehrw. Hrn. Huber, der 
vierzehn Wochen lang gelitten hat, nachdrucksamst zu empfehlen. » — 

Die Regierung nahm im Juni durch Amrhyn die Unterhandlung 
mit dem Bischof während seiner Anwesenheit in Luzern wieder auf. Da 
Huber aber in der Pfarrei Dagmersellen pastorierte und die Dekanate 
Luzerns und die Bürger von Uffikon sich für ihn beim Oberhirten 
verwandten, verlangte der Staatsrat am 28. Juni, daß der Bischof 
dem Pfarrer den «gemessenen Befehl» erteile, sich künftig jeder 
Berührung mit den Pfarrkindern zu enthalten. Die Regierung sehe 
dem Einschreiten «mit Ungeduld » entgegen, «um nicht notgedrungen 
zur eigenen Kraft ihre Zuflucht nehmen zu müssen. »! Salzmann 
erwiderte am 4. Juli, er habe dem Pfarrer von Dagmersellen « unter 
schwerer Verantwortlichkeit » verboten, Huber dort «irgend eine 
priesterliche Verrichtung tun zu lassen », und er werde auch Huber 
in diesem Sinne schreiben. Er fügte bei: «Was übrigens die ganze 
Hubersche Sache betrifft, leidet niemand mehr darunter als gerade 
der Bischof — und was ich zur Herstellung des Friedens getan habe 
und immerfort tue, könnte Ihnen der hochw. Hr. Kommissar Waldis 
vollkommenen Aufschluß gewähren. » 

Huber übernahm dann vorübergehend die Pfarrei Root. Aber 
auch dort blieb er nicht unbehelligt. Amrhyn wandte sich am 
15. Januar 1835 an den Bischof mit der Klage, Huber biete in 


! Entwurf mit Ergänzungen von Amrhyns Hand im St.-A. L. — Öffentliche 
Erklärung Hubers gegen den Bericht des Kleinen Rats, Schweiz. Kirchenzeitung, 
Nr. 30.— Über die Schritte wegen Dagmersellen : Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 31; 
Eidgenosse, Nr. 58: «Es wäre zu wünschen, daß — wie beim Udligenswilerhandel 
— auch hier die Nuntiatur sich offen ins Geschäft mischte ; vielleicht könnte 


Luzern dann ebenso energisch wie Portugal verfahren, was eben kein Schade 
wäre. » 


— 166 — 


Root «gleichsam der Regierung Trotz», und diese müsse ermnstlich 
einschreiten. Der Staatsrat fordere, daß Huber «als Mietling der 
Feinde unseres so sehr gepriesenen Vaterlandes » nicht nur von Root 
entfernt, sondern überhaupt im Kanton Luzern nicht mehr zur 
Ausübung der Seelsorge zugelassen werde. Am folgenden Tage schon 
beantragte die Polizeikommission der Regierung, Huber von Root 
zu entfernen, da zwischen ihm und dem Kaplan «feindselige Auf- 
tritte» in der Sakristei stattgefunden haben und die Uneinigkeit die 
Ruhe der Gemeinde bedrohe. Amrhyn stellte dem Bischof ein Ulti- 
matum.* Dieser gab darauf dem Kommissär Waldis den Auftrag, 
für die Entfernung Hubers zu wirken. Wenn das nicht gelinge, — 
schrieb er Amrhyn konfidentiell — möge die Polizei nach ihrem 
Belieben einschreiten ; der Bischof könne es nicht hindern. Er fügte 
bei: «Hr. Huber hatte in Uffikon wirklich gefehlt ; doch nicht 
in dem Grade, daß sich an eine Deposition auch nur denken ließe. 
Deswegen vermochte mein mündliches und schriftliches Zusprechen 
nichts über ihn, und er bestund hartnäckig auf dem Verlangen, 
der Bischof soll einen geistlich richterlichen Spruch fällen. Die meisten 
Ruralkapitel empfahlen mir angelegentlichst und dringend dieses 
Verlangen des Herrn Huber. Jüngst erst erhielt ich von der Gemeinde 
Uffikon eine neue Supplik zu Gunsten des Hrn. Huber. Würde ich 
nun eintreten in diesen Prozeß, so könnte (auch wenn ich die Prozeß- 
akten auf was immer für eine katholische Universität in Deutschland 
oder Frankreich zur Begutachtung schicken würde) keine andere 
Sentenz erfolgen, als eine temporäre Bestrafung Hrn. Hubers, zugleich 
aber auch seine Wiedereinsetzung in die Pfarrei Uffiikon. Dadurch 
würde jedoch der h. Regierung am allerwenigsten gedient sein. Des- 
wegen glaube ich, die Sache auf sich selbst beruhen lassen zu müssen. 
Um der Ruhe willen verbot ich zwar dem Hrn. Huber das Vikarisieren 
in der Nachbarschaft Uffikons ; weiter aber darf ohne ein neues, 
schweres Vergeh[e]n desselben mein Verbot sich nicht erstrecken. 
Auf einen bloßen Rat oder Warnung aber nimmt er, wie ich ihn 
kennen lernte, keine Rücksicht. ... Mit strenger Behandlung wird 
nichts verbessert. Das Übel kommt nicht von ihm, sondern einenteils 
von den radikalen Schmähschriften gegen unsere Religion, welche jeden 
wahren Christen empören, andernteils von den sogenannten katho- 
lischen Zeitungsblättern, welche unter den Augen der Regierung alle 


1 16. Jan. 1835. 


— 17 — 


ihre Beschlüsse verdächtigen, verhöhnen und gleichsam öffentlich Auf- 
ruhr predigen. Alles bleibt unbestraft. Ferner in den zwei Vereinen : 
dem Schutzverein und dem Katholischen Verein, welche das Eingeweid 
ihres eigenen Vaterlandes zerfleischen. Ach! wie herzlich bedauere . 
ich Ihro Exc., in solchen Stürmen leilden zu müssen]. Aber auch Sie 
werden mich bedauern, der ich — wie Sie — zwischen Hammer und 
Amboß liege. ... »t — Pfarrer Huber lebte dann im Kapuzinerinnen- 
kloster zu Luzern. Er wurde erst von der neuen konservativen Regierung 
durch Beschluß vom 7. Juli 1841 in seine Pfarrei wieder eingesetzt. ? 

Neben diesen luzernischen Angelegenheiten bereitete dem Bischof 
in den ersten dreißiger Jahren auch der Verfassungseid der katholischen 
Berner Geistlichen schwere Sorge. Er genehmigte schließlich auf das 
Drängen der Berner Regierung eine weniger bedenkliche Eidesformel 
nach dem Muster des Eides von 1818. Doch weigerten sich auf Ver- 
anlassung des Provikars Cuttat alle Pfarrer, mit Ausnahme von drei, 
der protestantischen Regierung den Eid zu schwören und appellierten 
an den Apostolischen Stuhl. Bischof Salzmann schrieb darauf dem 
Nuntius, daß er den Eid genehmigen möchte, und bat am 25. Februar 
1832 Amrhyn um seine Vermittlung, mit der Bemerkung : «Wenn 
die bischöfliche Autorität nicht aufrecht erhalten wird, werde ich 
resignieren. »® Auch Regierungsrat Anton von Tillier verwandte sich 
im gleichen Sinne bei Amrhyn. * Die jurassische Geistlichkeit sandte 
an den Nuntius eine Deputation ; sie wies auf die ominöse Bedeutung 
des Wortes « Prätre jure » hin, erklärte aber feierlich, der Weisung des 
Heiligen Stuhles zu gehorchen. Der Nuntius ermahnte zum Gehorsam, 
zur Unterwerfung unter den bischöflichen Willen. ®° So kam endlich, 
nachdem Rom den Eid mit einem Zusatz bewilligt hatte, die Eidleistung 
zustande. Die Haltung Cuttats aber war eine Ursache zu seinem 


1 18. Jan. 1835. F.-A. A. — Kl. Rats-Protokoll, 30. Jan. 1835. 

2 Am 2. Mai 1836 beklagte sich Amrhyn beim Bischof wegen des von Pfarrer 
Huber verfaßten Gebetbuches : « Perlen aus der Vorzeit oder Gebete der Heiligen » 
und schickte ihm dieses. Man suche durch seine Verbreitung im Volke die Befürch- 
tungen wegen Religionsgefährdung zu erhalten. In der Vorrede zeige sich «der 


verwerfliche, lieblose, wie selbstsüchtige Grund ..., warum dasselbe herausgegeben 
ward. ...» Der Bischof schrieb deswegen dem Kommissär Waldis. 

3 St.-A.L. Fach 9, Fasz. ı2 : Bischof, Domstift und Domkapitel. — Hurter, 
3. 369 fi. 4 Bern, 27. Febr. 1832. 


5 Der Nuntius an Amrhyn, 2. März 1832 ; Amrhyn an Tillier, 5. Mai 1832. 
— In der Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 2, 1832, erschienen die Statuten des 
«Vereins der Katholiken am Jura zur Erhaltung der Rechte der Kirche », unter- 
zeichnet von Cuttat als Präsidenten. 


— 18 — 


spätern Sturze. Schon jetzt entsetzte ihn der Bischof auf Verlangen der 
Berner Regierung seiner Stelle als Provikar. 

Den ersten schweren Konflikt mit der radikalen Aargauer 
Regierung brachte der Wohlenswiler Handel.! Pfarrer Stockmann, der 
sich weigerte, ohne kirchliche Dispens die Ehe zweier Geschwister- 
kinder einzusegnen, und vom Bischof entsprechende Weisung eingeholt 
hatte, wurde am 23. Februar 1832 von der Regierung abgesetzt und 
ein anderer Geistlicher polizeilich installiert. Der Bischof aber erklärte 
die Ehe als ungültig. Angesichts der lebhaften Erregung in Volk und 
Presse wandte er sich am 20. März an die Regierung. Er protestierte 
gegen die Gewaltmaßnahme mit den Worten : «Gehören Sakramente, 
Meßopfer nicht als wesentliche Bestandteile in das Bereich der Kirche, 
so weiß ich nicht mehr, was in ihre Sphäre gehören könnte. » Und als 
die Regierung dann einem andern Geistlichen die Pfarrverrichtungen 
übertrug, anerkannte der Bischof auch diese einseitige Maßnahme 
nicht. 35 Gemeinden des Freiamts richteten Petitionen an den Großen 
Rat. Pfarrer Stockmann nahm zwar eine entfernte Kaplaneipfründe 
an, und der Staatsgeistliche Borner bezeigte dem Bischof die Reue 
über das gegebene Ärgernis ; aber der Konflikt zwischen Regierung 
und Bischof kam zu keinem deutlichen Entscheid. * Allgemeinere 
Streitpunkte beanspruchten bald das öffentliche Interesse. 


III. Die Badener Konferenz 
und der Kampf um die 14 Artikel (1834-1835). 


Die Badener Konferenzbeschlüsse und ihre nähere Umschreibung 
auf der Konferenz in Luzern bedeuteten den Höhepunkt im Staats- 
kirchentum der dreißiger Jahre und die größte Schwierigkeit im Wirken 
Bischof Salzmanns. ® Schon der sog. Langenthaler Gesamtvertrag 


I Hurter, S. 599 fl.; Heer, S. 37 fl. 

2 G. J. Baumgartner, II. 32 fl. ; Hurter, S. 599 ff. ; Schweiz. Kirchenzeitung, I. 
1832, S. 4 ff. (Schreiben des Bischofs vom 20. März), S. 70 ff., 135 ff., 194 fl. 
259 fl.; 1833, S. 738 ft. 

8 St.-A. L. Fach 9, Fasz. 21; F.-A. A. II. 36 (Drucksachen, betr. Badener 
Konferenz), I. 237 (Notizen Amrhyns). Baumgartner G. J., Die Schweiz in ihren 
Kämpfen und Umgestaltungen, II. 54 fl. ; Baumgartner Alex., G. J. Baumgartner, 
S. 103 fl.; Hurter, Die Befeindung der katholischen Kirche, S. 268 ff., 611 fl.; 
Henne Ant., Geschichtl. Darstellung der kirchlichen Verhältnisse, III. 82 ff.; 
Feddersen P., Gesch. der Schweizerischen Regeneration, S. 188 ff.; Tillier A. v.. 
Gesch. der Eidgenossenschaft während der Zeit des sogeheißenen Fortschrittes, I. 
247 f., 330 fl. ; Siegwart-Müller, Der Kampf zwischen Recht und Gewalt, I. 141 f.: 


— 19 — 


vom 28./29. März 1828 und die Diözesankonferenz von 1830 hatten 
die ersten Schritte zur Fixierung des Staatskirchenrechts getan ; sie 
hatten u. a. die Reduktion der Feiertage, die Staatsaufsicht über das 
Priesterseminar und das Plazet gefordert, waren aber zu keinem 
Abschluß gekommen. Die Verwerfung der Bundesurkunde, die 
Konflikte zwischen Bischof und Regierungen und die Bistumsverhält- 
nisse im Kanton St. Gallen veranlaßten 1833 die Wiederaufnahme jener 
Pläne. — Die Väter der folgenschweren Konferenzbeschlüsse von Baden 
waren Eduard Pfyffer, G. J. Baumgartner, Prof. Christoph Fuchs und 
Prof. J. A. Federer in Baden. ® Fuchs, der damals mit den kirchlichen 
Behörden im Streite lag, regte schon am 8. Oktober 1833 in einem 


Ratsherr Leu, S. 42 fl. ; Bluntschli J. K., Der Sieg des Radikalismus, S. 92 ff., 
484 fl.; Pfyffer Kas., Gesch. des Kts. Luzern, II. 5oı fl.; Heer, Das aarg. Staats- 
kirchentum, S. 39 fl. ; Zschokke E., Gesch. des Aargaus, $. 249 fl. ; Derendinger, 
Gesch. des Kts. Solothurn von 1830-1841, S. 343 fl. ; Vautrey, Il. S. 539 ; Lauter A., 
Die Idee eines schweizer. Erzbistums nach der Badener Konferenz, Kath. Schweizer- 
Blätter, N. F. XII. 1896, S. 361 ff. ; «Die Badener Artikel vom Jahre 1834 », 
Schweizer-Blätter f. kath. Wissen und Leben, Luzern 1871, S. 193 fl. ; Karli Alb., 
Die Badener Konferenz, Kath. Schweizer-Blätter, N. F. XIV. 1898, S. 439 ft. ; 
Schnyder F. L., Kurze Gesch. des Ursprungs der Badener Konferenzartikel, Luzern 
1841 ; Schweiz. Kirchenzeitung, Luzerner Zeitung, Waldstätterbote, Eidgenosse, 
1834, 1835. 

1 St.-A. L. Fach 9, Fasz. ıı. Konferenzakten. — Die Protokolle wurden 
teils von Amrhyn selbst abgefaßt, teils die Entwürfe des Sekretärs Friedr. von 
Roll von ihm ergänzt und korrigiert. — Auch G. J. Baumgartner (II. 57) sagt: 
die Badener Artikel seien « nichts anderes als eine Fortsetzung und Verallgemeine- 
rung der Solothurner Beschlüsse von 1830 ». 

2 Schultheiß F. L. Schnyder schreibt in seiner « Kurzen Geschichte » (1841) 
das « Hauptverdienst » Christoph Fuchs zu : « Ihm gebührt bei dem großen Werke 
das größte Verdienst. Er ist gleichsam der Schöpfer und Vater der gedachten 
Artikel. ...» — Baumgartner schrieb am 27. Okt. 1834 an Dr. Karl Schnell: 
«Ich kann Sie versichern, daß Eduard [Pfyffer] am wenigsten schuld an den 
Badener Konferenzbeschlüssen ist: sie sind größten Teils aus meinem Kopf und 
meiner Feder hervorgegangen ; insoweit aber weder das eine noch das andere 
der Fall wäre, sind sie Folge der guten Räte Federers, der in diesen Materien 
außerordentlich bewandert ist.» (Beitrag z. St. Galler Geschichte, 1904, S. 137 f., 
mitget. von G. Tobler.) — Kas. Pfyfjer bezeichnet in seiner Kantonsgeschichte 
(S. 501 £.) — auf Grund eines Briefes vom 2. Nov. 1833 — den St. Galler Baumgartner 
als Initiant ; ebenso Feddersen (S. 190). Baumgartner aber erklärt (« Die Schweiz 
in ihren Kämpfen und Umgestaltungen », II. 55 f.): Eduard Pfyffer habe am 
31. Okt. den Anstoß gegeben. Und P. Alex. Baumgartner bestätigt diese Behaup- 
tung in seiner Biographie (S. 104) mit dem Wortlaut des erwähnten Briefes 
Pfyffers, in dem dieser schrieb : « Wenn mit Erfolg der sich darbietende Moment 
benutzt werden soll, so dürfen die Kantone nicht einzeln handeln, sondern die- 
jenigen, die gemeinsame Interessen zu wahren oder zu fördern haben, müssen Hand 
in Hand wandeln. Vorzüglich sollten nun Luzern, Solothurn, St. Gallen, Aargau 
und Thurgau sich verständigen. ... Der Moment ist vielleicht günstiger als je. ... » 


—- 70 — 


Briefe an Eduard Pfyffer freundschaftliche Besprechungen einiger 
Gesandten an der Tagsatzung an, da er den Zeitpunkt für günstig 
erachtete. Anfang November schrieb er Pfyffer : « Ganz teile ich Ihre 
Ansicht, daß sich die katholischen Kantone mit regenerierten Ver- 
fassungen für kirchliche Emanzipation vom Joch der Nuntiatur und 
römischen Kurialistik vorberaten und einigen sollten. ... Lieber gar 
nichts, als nur etwas Halbes ; bei halben Maßregeln gewinnt und über- 
listet — Rom. »! Pfyffer sah die Bedeutung und Gefahr des Schrittes ; 
er schrieb Baumgartner : « Die Sache ist wichtig und heikel ; auch hier 
muß sich Kraft mit Besonnenheit paaren. ... Wir haben im ganzen 
einen unwissenden, unvaterländischen Klerus, an dessen Spitze 
schwache, der Nuntiatur dienstbare Bischöfe stehen ; wir haben in der 
katholischen Schweiz ein tiefstehendes, vorurteilsvolles, abergläubisches 
Volk. ... Gegenüber steht das eigensinnige, an seinen Anmaßungen 
starr hangende, aller Niederträchtigkeit fähige Rom. ...»? Fuchs 
und Baumgartner unterstützten die Absicht des Luzerners. Am 
23. November beantragte Franz Ludwig Schnyder — wohl auf 
Pfyffers Veranlassung — dem Luzerner Großen Rate, den Kanton 
St. Gallen nach dem Tode des Bischofs Karl Rudolf von Buol- 
Schauenstein (23. Okt. 1833) für das Bistum Basel zu interessieren 
und darüber, wie über die kirchlichen Verhältnisse überhaupt, eine 
Besprechung zu veranlassen. Der Große Rat gab in diesem Sinne 
dem Kleinen Rate Weisung. Am 4. Dezember wandte sich dieser 
mit der Anregung an die Stände Bern, Solothurn, Baselland, Zug, 
Aargau, Thurgau und St. Gallen. Er ordnete gleichzeitig zu münd- 
licher Vorbesprechung Eduard Pfyffer an die Regierungen ab.’ 


I F.L. Schnyder, Kurze Geschichte. 

4 11. Nov. 1833. Al. Baumgartner, G. ]J. Baumgartner, S. 104. — Baum- 
gartner hatte einige Zeit vorher (13. Febr. 1833) von Pfyffer geschrieben : « Eduard 
ist der gefährlichste Flicker, den man sich denken kann, und furchtsam ...' 
(St. Gall. Analekten, V. 29). 

8 Schreiben und Antworten im St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı. Der Entwurf 
für das Schreiben an St. Gallen stammt von Amrhyn. Es heißt darin: «In uns 
lebt die Überzeugung, [daß] wenn die höhere kirchliche Einrichtung — wie die 
Wiedererlangung eines Metropolitanverbandes, wodurch die Kircheninstitutionen 
für die Schweiz im kirchlich-nationellen Sinne ihre Vollendung erhalten — eine 
feste, heilbringende Begründung hindern soll, es durch gemeinsames, einver- 
standenes Anstreben geschehen müsse.» — Der « Eidgenosse » (1833, Nr. 99 f.) 
berief sich in einer einleitenden Betrachtung auf die Vergangenheit: «Die alte 
Zeit ist reich an großen Taten und Lehren. Sollten wir uns nicht bemühen, diese 
Taten und Lehren hinsichtlich der Kirchensachen auch in unsern Tagen wieder 
anfzufrischen. ... ?» 


—- yDIı — 


Am 30. Dezember erging die Einladung zur Konferenz in Baden. ! 

Luzern gab seinen Gesandten — auf Pfyffers Wunsch — nur 
allgemeine Instruktionen. Deutlichere Richtlinien aber zeichnete 
Christoph Fuchs dem Konferenzpräsidenten Pfyffer in seinen «An- 
sichten» vom 26. Dezember, die er mit den hochtönenden Worten 
einleitete : «Sie haben eine höchst wichtige Stellung und streben etwas 
an, wo mit der Wohlfahrt gesamter löbl. Eidgenossenschaft Ihr Name 
unsterblich werden wird.» Fuchs leitete das Recht für normierende 
Konferenzbeschlüsse aus der «Idee der katholischen Kirche » (dem 
Rechte der Laien zur Organisation der kirchlichen Gemeinden), aus 
der Übung alter und neuer Zeit und aus der Idee des Staates selbst 
ab. Er behauptete, es handle sich «durchaus um nichts in und an 
sich Neues, weder in Sachen des Glaubens noch in Sachen der Sitte. » 
Als Grundlage der gemeinsamen Festsetzung der staatskirchlichen 
Rechte durch die Konferenzstände bezeichnete er Balthasars « Jura 


circa sacra». Dann schlug er — auch für eine künftige Bundes- 
verfassung — vor: die Nuntiatur zu beseitigen und einen Metropolitan- 
verband zu gründen ; den Metropoliten — mit den Rechten eines 
Patriarchen — durch die Bischöfe aus einem Dreiervorschlag der 


Stände mit bloßer Bestätigung durch den Papst wählen zu lassen ; alle 
drei Jahre durch den Metropoliten ein Provinzialkonzil und alljährlich 
durch den Bischof eine Diözesansynode halten zu lassen, bei denen 
der Staat mit Vorschlagsrecht vertreten sein sollte ; die Domkapitel 
als nutzlos aufzulösen ; Gleichförmigkeit des Gottesdienstes, der Fest- 
und Fasttage einzuführen ; die Aufnahme ins Seminar oder Noviziat 
von einem Examen vor Geistlichen und Laien abhängig zu machen ; 
die Klöster und Dombherrenstifte «zweckmäßig » umzuwandeln oder 
aufzuheben und jedenfalls alle Klöster dem Diözesanbischof zu unter- 
stellen. All diese radikalen, nationalkirchlichen Maßnahmen sollten 
gegen den Protest Roms durchgeführt werden ; das Volk müsse 
darüber aufgeklärt, der Katholische Verein bekämpft werden. Der 
jetzige Moment sei günstiger als die Zeit des Kaisers Joseph II., der 


! Amrhyn an seinen Sohn, 26. Dez. : « Eduard Pfyffer ist versucht, um die 
Kirchenstürmer von St. Gallen und damit seinen Liebling [Christoph Fuchs], 
den er bei uns zur politisch-kirchlichen Taufe getragen hat, zu retten, die kirch- 
lichen Angelegenheiten an sich zu reißen. ...» — Aargau gab am 19. Dez. die 
Zusage, « damit einerseits einem schweiz. Episkopat eine selbständigere, wirksamere 
und nationalere Grundlage gegeben werde und anderseits ... der in den 
kanonischen Vorschriften der Schweiz noch mangelnde Metropolitanverband ins 
Leben trete.» — St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı. 


Emser Punktation und der Pistojer-Synode. Der gerade damals von 
der Luzerner Regierung zum Theologieprofessor ernannte Kirchen- 
reformer schreckte auch vor der letzten Konsequenz nicht zurück: 
«Im äußersten Fall haben wir ein Beispiel an Utrecht », sagte er.! 

Am 20. Januar 1834 begannen die Verhandlungen der Vertreter 
von Luzern, Solothurn, Bern, Baselland, Aargau, Thurgau und St. Gallen 
unter dem Vorsitz Eduard Pfyffers, der in seiner Eröffnungsrede u. a. 
erklärte: «Nicht nur politisch, auch kirchlich frei sei das öffentliche 
Leben in der Eidgenossenschaft. Nie wären die Väter wahrhaft frei 
geworden, wenn sie nicht, wie auf den Schlachtfeldern den Leibem 
der feindlichen Krieger, so in den Ratssälen den Anmaßungen der 
Klerisei zu widerstehen gewußt, und dies selbst dann, als Europa in 
Roms Fesseln gelegen. » 

Amrhyn, der mit Pfyffer seit den zwanziger Jahren die Kirchen- 
politik Luzerns geleitet hatte, nahm an dieser wichtigsten Beratung 
nicht teil. Er bekam aber vertraulichen Einblick in ihren Gang 
durch die Briefe des Solothurner Konferenzabgeordneten Louis 
von Roll. Als er vernahm, daß der Mitkommissär in den Bistums- 
verhandlungen auch in Baden mitraten werde, wandte er sich an 
ihn mit der freudigen Erwartung, nun von zuverlässiger dritter Seite 
Nachricht zu erhalten. Er schrieb : «Um eine solche vertraute, nur 
unter uns gekannte kurze Mitteilung ist es mir zu tun, damit ich bei 
den künstlichen Bewegungen der Parteien desto klarer und bestimmter 
einsehen und beurteilen könne, um was es zu tun sei und wie weit 
man in der Sache zu gehen versucht sei. — Über die Frage: ob der 
Augenblick zu einer solchen Konferenz über und zum Behuf der höheren 
Kircheneinrichtungen und der festen Begründung der staatskirchen- 
rechtlichen Verhältnisse in der Schweiz glücklich gewählt sei, erlaube 
ich mir keine Bemerkungen ; sie würden ohnehin zu spät sein. Nur 
trifft auch hier, wie bei unsern früher versuchten politischen Um- 
[ge]staltungen dieses unselige Haschen und Treiben ein, das weder 
Ziel und Maß zu halten versteht, und wo jede Partei, jeder Zeitheld — 
ferne von sorgsamer Berechnung über die Möglichkeit des Gelingens 
— alles auf den äußersten Punkt treibt und nur von seiner Persönlichkeit 
abhängig zu machen, sich dienstbar zu erwirken sucht. Ein solches 
Übertreiben der Sache läßt befürchten, daß wir — wenn nicht umsichtig 


ı F.L. Schnyder, Kurze Geschichte. — Am 17. Dez. 1841 verwarf dann 
Fuchs die Badener Artikel und alles, was er gegen die Lehren der katholischen 
Kirche geschrieben hatte. 


zu Werke geschritten wird — besonders bei der Befangenheit weitaus 
des größern Teils des Volkes eher rückwärts als vorwärts schreiten 
werden, und doch sollte — da die Sache nun einmal angeregt steht — 
etwas getan werden ; denn nichts beschließen, nichts verabreden, müßte 
unsern Gegnern eine Unbehülflichkeit, eine Kraftlosigkeit von unserer 
Seite verraten, die sie ganz natürlich zu unsern und der Sache (um die 
es sich handelt) Ungunsten benutzen würden, und wodurch ein noch 
größerer Vorschritt zur Abhängigkeit der Regierungen herbeigeführt 
werden müßte. ... — Daß dieser Briefwechsel den Augen der hiesigen 
Gesandtschaft entzogen bleiben müsse, werden Euer Hochwohlgeboren 
sich bald überzeugen können. Sie können ebendaher auch umso 
unbedingter auf meine Verschwiegenheit zählen. »! Staatsrat von Roll 
teilte mit Amrhyn die Abneigung gegen das schroffe Vorgehen. ® Er 
gab ihm sofort nach den einzelnen Sitzungen Nachricht über ihren 
Verlauf und über die gefaßten Beschlüsse. ® 

Durch die Luzerner Gesandtschaft vernahm Amrhyn offiziell, was auf 
der Konferenz geschah. Nach der Lektüre ihres ersten Berichts schrieb 
ervon Roll: «Alsich den Traktanda-Küchezettel von 15 Punkten sah, 


l ıg. Jan. 1834. F.-A. A. IV. D. 63. — Er bat von Roll, den Briefwechsel, 
«auflauernden Augen und förschelnden Ohren zu entziehen » und die Briefe durch 
die eidg. Kanzlei auszutauschen. Seinem Sohne, dem Kanzler, aber schrieb er 
gleichen Tags : « ... Besonders hüte Dich, es wahrnehmen zu lassen, daß zwischen 
Herrn von Roll und mir ein Briefwechsel bestehe. » Diese Vorsicht bezog sich 
in erster Linie auf den Regierungskollegen Ed. Pfyffer, von dem er am 31. Dez. 
1833 gesagt hatte: « Schultheiß Pifyffer ... sucht der Held des Tages zu werden, 
worüber ich ihn mindestens nicht beneide. » | 

2 An Amrhyn, 22. Jan. 1834: «... Je vous avoue franchement ... que 
je ne puis jusqu’& ce moment me convaincre de l’utilite de cette conference. Si 
les Hauts Etats envisagent l’etablissement d’un me&tropolitain suisse comme 
tres important, pourquoi veut-on traiter dans le m&me moment d’autres objets 
Qui nous conduiront & des difficultes avec le Saint-Siege, et qui rendroient les 
negociations du principal objet tres difficil ou m&me impossible ; je crois par ces 
Taisons que l’on devroit simplement s’occuper dans ce moment du metropolitain ; 
Pouvons-nous obtenir un archeve&que suisse, alors tous les cantons se r&uniroient 
pour les autres difficultes avec Rome, ce qui donneroit beaucoup plus de forces, 
Ou si nous etions soumis & l’archev&que de Fribourg en Brisgau, alors nous obtien- 
drions bien plus facilement ce que l’on a deja accord& aux Etats allemands et 
nous serions soutenus probablement par ce me£tropolitain m&me. Je crois que 
Plusieurs d&putes commencent & s’apercevoir que nous nous sommes engages 
dans une fausse route... » 

° 5 Bricfe vom 22. bis 26. Jan. 1834. Die Angaben decken sich mit denen 
des Konferenzprotokolls. — Zum letzten Bericht bemerkte von Roll: « L’esprit de 
moderation a prevalu jusqu’ä la fin; je crois que cette voie est la meilleure ; nos 
Peuples ont encore trop de pr&ejuges & pouvoir marcher dans les reformes ecclesias- 
tiques avec un pas pre£cipite. ... » 


— 174 — 
mit welchen sich die Konferenz zu befassen haben soll, so dachte ich 
bei mir: fürwahr des Guten zuviel für den ersten Anfang! Dann 
bedauerte ich die Unzeitigkeit der Anregungen in den $$ ı und 15 
über die künftigen Verhältnisse der Nuntiatur und die Wahl des Erz- 
bischofes und der Bischöfe. Sobald man sich für die Aufstellung eines 
Metropolitanverbandes im Geiste der katholischen Urkirche entschließt, 
so liegt darin mittelbar schon nicht nur das Verhältnis der päpstlichen 
Nuntien, sondern dasjenige dieser zu jenem, auch die Stellung der 
Klöster und Stifte ausgemittelt und festgestellt. Entweder kennt man 
diese primitiven Kircheneinrichtungen nicht oder man will sie nicht, 
oder dann will man auf eine — die Folgen nicht berechnende — Weise 
großtuerisch in die Zeit hineinschreien und verschmäht damit den 
zärtern Weg, auf welchem einmal zum Ziele vorgeschritten werden 
muß, wenn man selb[es] auf katholisch-kirchlichem Wege erreichen will, 
den Gesetzgebungen der Kantone und ihren Regierungen die Zu- 
mutungen machen : die großen staatskirchenrechtlichen Fragen der 
Emser-Punktation zur eigenen Sache zu machen, sich in das Feld der 
französischen Gesetzgebung zu wagen und die Kircheninstitutionen 
eines Kaisers Joseph und Leopold nach ursprünglichem Geiste und 
Tendenz sich anzueignen, heißt meines Erachtens: diese Gesetz- 
gebungen in unzeitige Versuchung und die Regierungen in offenen 
Kampf mit ihrem Volk zu führen, statt sachte vorwärts, vielmehr rück- 
wärts schreiten. Übrigens bin ich zum Glauben versucht, man wolle 
die Konferenzverhandlungen vom Jahr 1830, die über manchen der 
angeregten Punkte bereits entschieden haben, in [den] Hintergrund 
stellen und als neue, selbst schaffende Zeitleuchte hervortreten, ohne 
sich eine reine Anschauung gegeben zu haben über die Möglichkeit, 
wie weit man zu kommen vermöge. Ich wünsche für mein Vaterland 

. ein Fortschreiten zum Bessern, aber mit Umsicht und möglichster 
Zartheit, die sich die dafür anzuwendenden Mittel dadurch dienstbar 
zu gewinnen wissen und sich diese nicht zum vorhinein feindselig 
machen. ...»! 

Wir brauchen hier das Ergebnis der Konferenzberatungen, die 
14 Badener Artikel, nicht anzuführen ; sie sind schon oft publiziert und 


1 26. Jan. 1834. — Am 13. März teilte von Roll den Beschluß des Solothurner 
Großen Rats vom ı2. März mit, der nur die bedingungsweise Geneigtheit zur 
Errichtung eines Metropolitanverbandes äußerte. Er fügte bei: « Generalement 
on a trouv& ce que j’avais aussi vu du premier moment: que le temps a £t£ bien 
mal choisi pour s’occuper d’une matiere aussi delicate ; surtout ce quiadonne de 


—- 75 — 

kommentiert worden. ! Das Urteil des Bischofs und des Papstes wird 
sie uns später vom kirchlichen Standpunkte aus beleuchten. Der Große 
Rat von Luzern nahm sie am ı8. April 1834 an, kurz darauf auch 
der Große Rat von Aargau, Baselland, St. Gallen, Thurgau und Zürich ; 
Graubünden trat nur bezüglich des Metropolitanverbandes bei, während 
Bern trotz der wiederholten Mahnung Luzerns bis am 20. Februar 1836 
zögerte und Zug ganz verwarf, weil die Artikel « zur Zeit unnötig (seien) 
und zu tief in die kirchlichen Angelegenheiten eingreifen ». ?2 Elf konser- 
vative Mitglieder erklärten im Luzerner Großen Rate zu Protokoll: 
sie werden die Artikel nicht genehmigen, bis der Bischof seine Zu- 
stimmung gegeben habe. Am 7. März erließ der Große Rat ein Gesetz 
über die Ausübung des landesherrlichen Plazets. 

Im Volke und in der Geistlichkeit Luzerns erregte dieser neue 
Anstand mit der Kirche — gleichzeitig mit der Berufung von Christoph 
Fuchs und der Absetzung Pfarrer Hubers — starke Erregung. Die 
Regierung ließ eine herumgebotene Bittschrift konfiszieren, die Polizei 
verstärken und Truppen einberufen. Am 8. März erließ der Große 
Rat eine Proklamation, in der er Fuchs als «Katholiken aus Über- 
zeugung, gelehrten Mann und vortrefflichen Kanzelredner » in Schutz 
nahm, die Badener Artikel als Sicherung der Staatsrechte und die 


la mehance, m&me parmi la plupart des deputes A Baden, £tait les dissensions 
existantes dans les Cantons de Lucerne et de St-Gall entre les Gouvernements 
et l’autorite ecclesiastique. ... » 

I Th. Curti z. B. sagt in seiner « Gesch. der Schweiz im XIX. Jahrhundert » 
(5. 453): « Die Badener Artikel machten großes Aufsehen. Da sie nicht nur 
schon bestehendes Staatsrecht zusammenfaßten, sondern auch neues enthielten 
und stark in das innere Leben der Kirche eingriffen, erschienen sie dieser als eine 
Herausforderung. ... » Die französische Zeitung « L’ami de la Religion » (N® 2242, 
1834) bezeichnete die Badener Artikel als « Anzeige eines Schismas, welches man 
in der Schweiz einführen möchte. ...» — Vergl. u. a. Kath. Schweizer-Blätter, 
N. F. XIV. 1898, S. 439 ff. (Alb. Karli) ; Henne, S. 95 fl. ; Bluntschli J. K., Der 
Sieg des Radikalismus ... S. 93 ff. Der « Waldstätterbote » schrieb in schärfster 
Tonart gegen die « Kirchen- und Bistumsreformatoren in der Schweiz » (1834, 
Nr. 5, 7, 9, ı2, 17 usw.). In Nr. ı2, 1834, druckte der « Eidgenosse » aus dem 
t Erzähler » die Beschlüsse ab. Er suchte in verschiedenen Artikeln das liberale 
Staatskirchentum am Beispiel Josephs II., des « Urchristentums », der Emser 
Punktation usw. zu rechtfertigen. (Nr. 23, 25, 28, von «einem Geistlichen ») 
Die Schweizer. Kirchenzeitung brachte den Wortlaut der Artikel in Nr. 6, 1834. 
Chorherr Franz Geiger würdigte sie in mehreren Artikeln (Nr. 6, 7, 13, 15 usw.) 
Vergl. auch andere grundsätzliche Ausführungen in Nr. 8 ff., ebenso die Vor- 
stellungsschrift aus dem Freiamt an den Aargauer Großen Rat (4. Mai 1834) in 
Nr. 22. — « Waldstätterbote », Nr. 88 ff., 1835. 

? Schreiben dieser Stände an Luzern im St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı. 


_ 176 — 


« ausgestreuten Besorgnisse über Gefahren für die Religion » als «leere 
Vorspiegelungen » bezeichnete. Der Staatsrat gab Prof. Fuchs den 
Auftrag, eine Urkundensammlung über das Verhältnis von Kirche und 
Staat aufzustellen, damit daraus gegebenenfalls die Verteidigung der 
Rechte des Staates geschöpft werden könne. ! 

In die wachsende Besorgnis und Erregung von Regierung, Klerus 
und Volk gibt der Brief Amrhyns vom 15. April 1835 an den Bischof, 
zwar einseitigen, aber lebendigen Einblick. Er schrieb u. a.: «Der 
große Sturm über — durch den Katholischen Verein angeregte — 
Bekümmernis wegen gefährdeter Religion beginnt — einverstanden mit 
dem, was diesfalls in andern Kantonen und benanntlich im nahen 
Aargau sich bewegt — im hiesigen Kanton. Hr. Chorherr und Domherr 
Widmer [der entlassene Theologieprofessor], dessen jesuitische Zwecke 
ich gleich bei einer lebhaften Unterredung, die ich im Spätjahre 1814 
mit ihm auf seinem Zimmer gepflogen, durchblickt ..., ebenderselbe, 
der mit äußerm Decorum und schlangenartiger Gewandtheit seinen 
Entschluß zur kirchenrechtlichen, wie zur politischen Umilge]staltung 
nicht etwa des Kantons [Luzern] allein, sondern der Schweiz selbst 
bei seinen Schülern unverwandt vorzubereiten und durchzuführen 
bemüht war : dieser Widmer durchläuft seit Jahr und Tag und besonders 
seit einigen Monaten den hiesigen Kanton in allen Richtungen und 
ist der eigentliche Missionär für Aufruhr und vorbereitenden Bürger- 
krieg. Das Predig[t]amt soll seine vorbereitenden Konventikeln mit den 
Reaktionsverschwornen bemänteln. Die jüngste Anwesenheit eines 
Brentano wurde zu Zusammenkünften mit den Geistlichen des Kantons 
benutzt. Eine solche Zusammenkunft hatte im Pfarrhofe zu Ruswil 
vor 4 Wochen und eine sogenannte Kapitelsversammlung vor Io Tagen 


1 St.-A. L. Fach 9, Fasz. 21, 25. Mai 1834. — Amrhyn an den Kanzler, 
9. März 1834: «Mich ... beschäftigte der Große Rat die ganze Woche hindurch 
unausgesetzt. Man ließ mich — wenn ich nur eine Stunde später kam — bitten, 
ich möchte doch bald kommen. Es machte mich recht lachen, wie die Großtuer 
der Zeit, die vorgreifenden Zeithelden meiner bedurften. ...» — 18. Mai: «Die 
letzte Reise Sch[ultheiß] Pf[yffers]) war eine geheime Sendung an [den] Bischof und 
Rumigny [den franz. Gesandten]. ... » — Im Dez. 1834 starb Ed. Pfyffer uner- 
wartet rasch, von einem Kapuziner mit den Sterbesakramenten versehen. (Amrhyn 
an seinen Sohn, ı2. Dez.) Dr. J. R. Steiger strebte nach seiner Stellung. Amrhyn 
kennzeichnete diesen radikalen Führer folgendermaßen : «Steiger ist ... ein 
höchst gefährlicher Mann, die Falschheit selbst, gewalttätig und jeder Handlung 
fähig. Er ist einer der Vorzüglichsten, der die Regierung und Ed. Pfyffer in den 
öffentlichen Blättern schamlos herabwürdigte und dagegen die hingebendste 
Freundschaft letzterm heuchelte.» (An den Kanzler, 26. Dez. 1834.) 


in Willisau, dem Sitze des Aufruhres und des trotzenden Ungehorsames 
gegen Regierung und Bischof, statt. Auch sind Berichte aus verschiedenen 
Kantonen vorhanden, daß Widmer unlängst einer Versammlung von 
Reaktionairs höhern Ranges — welcher selbst mindestens die Lokalität 
des Klosters St. Urban nicht fremd geblieben sein soll — beigewohnt, 
und bei derselben zwar vor einer gewaltsamen, bewaffneten Contre- 
revolution, die im Wunsche lag, abgemahnt, dagegen sie unter Mitteilung 
dessen, was durch die katholischen Vereine bereits vorbereitet stehe, 
ermuntert habe, ihren ganzen Einfluß, ihre ganze Wirksamkeit — und 
vorzüglich unter der beim gutmütigen Volke angescheu[e]rten Besorgnis 
der Gefahr für die Religion — auf die bevorstehenden Volkswahlen 
hinzuwenden und allda zur Versperrung des Wiedereintrittes der so- 
genannten Radikalen und Liberalen in die Regierung hinzuwirken, 
wodurch sie, wenn sie sich keine Mittel gereuen ließen, in wenig Jahren 
wiederum vollends und sicherlich zum Regiment gelangen würden. In 
Verfolgung dieses vaterlandsverräterischen Zweckes soll nun auch der 
hochwst. Bischof, sowohl durch die Geistlichkeit als durch die in 
Tätigkeit gesetzten Katholischen Vereine, bestürmt, bekümmert, selbst 
bedroht werden und das Anathema über die Badener Konferenz und 
die jüngsten Gesetze und Beschlüsse, welche das Staatsverhältnis zur 
Kirche mehr oder weniger regulieren, und mittelbar über die Regierungen 
aussprechen. Der große Katholische Verein im hiesigen Kanton, der 
zum gleichen Verrate am gesamten Vaterlande mithelfen soll, hatte 
letzten Sonntag in dem Amte Habsburg, in der Umgegend von Udligen- 
schwil statt, wo eine dringende Vorstellung an E. b. Gn., die Ein- 
reichung der Bitte beschlossen war[d], daß Hochdieselben über die 
schon so lange angefeindeten Beschlüsse der Badener Konferenz sich 
definitiv und öffentlich — verwerfend oder billigend — und förderlichst 
aussprechen möchten. ...» 

Diese einseitigen Vorstellungen veranlaßten den Bischof — in den 
Tagen, da er in einem Schreiben an die Aargauer Regierung die Badener 
Artikel verurteilte (ro. April) — zu einer bestimmten Erklärung an den 
verantwortlichen Staatsmann und Freund. Er schrieb am 17. April 1835 : 
t... Traurig sind fürwahr die gegenwärtigen Zeiten, in deren banger 
Voraussehung ich vor sechs Jahren das Episkopat zu übernehmen mich 
geweigert hatte undendlich nur dem Drang der Not gewichen war. Mein 
fester Vorsatz bestund und bestehet noch zu dieser Stunde, den Frieden 
aufrecht zu erhalten und zu bewahren und in allem Möglichen nach- 
_ zugeben. Und ich glaube auch, den h. Regierungen keinen Anlaß gegeben 


REVUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE 12 


— 738 — 


zu haben, mit meiner bischöflichen Haltung unzufrieden zu sein. 
Mein Betragen nämlich im sogenannten Wohlenschwyler Handel, in der 
Huberschen Angelegenheit und der Professur des hochw. Herrn Christoph 
Fuchs konnte unmöglich anders erwartet werden, weil es in der unnach- 
läßlichen Pflicht des Bischofs lag. Und dennoch erschienen die 
unglücklichen Badener Konferenzbeschlüsse, deren Grundsätze (ofien- 
herzig und vertrauensvoll gesprochen !) nicht neu sind: Pistoja und 
Ems und letztlich auch Frankfurt in seiner Pragmatik lieferten uns 
dieselben ; der allgemeine Glaube der katholischen Kirche aber sprach 
sich sogleich überall dagegen aus, und sie starben dahin wie Pflanzen, 
welche nicht von Gottes Hand waren gepflanzt worden. Dieser veraltete 
und verfaulte Kohl wurde in Baden wieder aufgetragen — mit dem 
Zusatze etlicher Koerzitivmaßregeln gegen den jedesmaligen Bischof von 
Basel, der — wenn eine derartige Beschränkung stattfände — weniger 
Ansehen und Gewalt, als was immer für ein Priester, als was immer 
für ein Laie behielte. Daß solche Artikel mich schmerzen mußten, 
können Ihro Exc. sich leicht vorstellen. Dennoch klagte ich nicht, 
sondern schwieg ; ich als Beteiligter wollte in meiner eigenen Sache 
das Wort nicht ergreifen ; ich schwieg, ungeachtet Parteiblätter mich 
meines Stillschweigens halber schmähten und lästerten, ja ungeachtet der 
mannigfaltigsten Zuschriften aus verschiedenen Kantonen. Da jedoch 
im Großen Rate des Standes Aargau von einem Mitgliede öffentlich 
behauptet wurde, der Bischof habe diese Neuerungen gutgeheißen; 
da liberale Zeitungen dem Publikum weißmachen wollten, der Bischof 
habe alles adprobiert ; da jüngst ein Schreiben aargauischer Katholiken 
mir überbracht wurde, worin einenteils ausgedrückt steht, die Beförderer 
der geschehenen Neuerungen sagen durch den ganzen Kanton Aargau, 
es geschehe mit meiner Genehmigung, andernteils die Aufforderung sich 
befindet, mich über besagte Badener Beschlüsse amtlich auszusprechen : 
konnte ich unmöglich länger schweigen, sondern schrieb an den 
h. Kleinen Rat des Kantons Aargau, daß ich sowohl die Badener 
Artikel als auch den jüngst gefaßten Großratsbeschluß, laut welchem 
die Lehrbücher über den Religionsunterricht in den katholischen Schulen 
von der Regierung auf den Vorschlag des Kantonsschulrates im Ein- 
verständnis mit dem Kirchenrate (ohne Zustimmung des bischöflichen 
Ordinariats) eingeführt werden sollen, mißbillige und den Bischof und 
desselben Jurisdiktion und Rechte dagegen verwahre. Worauf der 
h. Kleine Rat unterm 13. April mir die erfreuliche Rückäußerung 
zukommen ließ, Hochselber werde meinen Wünschen gemäß meine 


Mitteilung der obersten Landesbehörde seiner Zeit zur Kenntnis bringen. 
— Ihre Exc. wissen besser als ich die Gesetze, welche in Luzern Schlag 
auf Schlag erlassen wurden, nicht anders, als wollte man im Sturm- 
schritt alles Bestehende niederreißen. Man griff tief ins Herz und 
Leben des Volkes hinein, setzte sich über sämtliche Suppliken der 
Katholiken hinweg und ließ dagegen den frechsten Tagesblättern freien 
Spielraum. Gott weiß, daß ich nicht leidenschaftlich gesinnt bin, es 
mit keiner Partei halte — weil ich auf keiner Mäßigkeit und Recht 
finde — die Zeitungen aller Farben höchstens mißbillige, auch Ansichten, 
die von den meinigen abweichen, zu dulden und zu ehren weiß: aber 
unmöglich kann ich mich enthalten, zu sagen, daß — da der « Wald- 
stätterbot[e] » und Konsorten einerseits den regenerierten Kantonen 
durch die niederträchtigsten Artikel eine Wunde über die andere schlägt 
— der Surseer « Eidgenoß » andrerseits durch gotteslästerliche Inserate 
noch vollends seiner h. Regierung alles Anschen untergräbt und ihr 
den eigentlichen Todesstoß versetzt. Die Katholischen Vereine sind 
das konsequente Produkt der Schutzvereine. Per quod quis peccat, 
per idem punitur et ipse. Das jus talionis tritt immerdar über kurz 
oder lang ein. Und gerade diejenigen, welche den Ausdruck der Volks- 
souveränität mißbrauchten, werden dieselbe bitter bereuen müssen. — 
Leicht ist es möglich, daß ich wegen der fatalen Badener Konferenz- 
artikel auch von den Luzerner Katholiken gedrängt und zu einem 
Ausspruch gleichsam gezwungen werde. In diesem Fall kann ich nichts 
anderes als die Wahrheit sprechen, wie ich sie im Herzen trage : nämlich 
die Sache an die h. Regierung Luzerns referieren und — die Artikel 
amtlich mißbilligend — mich und des Bischofs Jurisdiktion und Rechte 
gegen dieselben verwahren. Wohl zu beherzigen bleibt es, daß die ganze 
Klerisei der sieben h. Diözesanstände und mit ihr das ganze katholische 
Volk die berüchtigten Badener Konferenzbeschlüsse verwirft. Die 
wenigen Ausnahmen sind rari nantes in gurgite vasto. Wie mir gestern 
zufälligerweise hinterbracht worden ist, hat auch der löbl. Kanton 
Thurgau nun weislich besagte Beschlüsse unterdrückt. Möchte doch 
der b. Stand Luzern, in Erkenntnis des Vox populi, vox Dei gleich- 
falls einlenken und die Zuneigung und Liebe der Landesangehörigen 
durch Willfahrung ihrer frommen Wünsche von der h. Regierung 
gewonnen werden ! Wahrlich, es tut not. ...»1 


! Nachschrift: « Diesen Augenblick erhalte ich ein weitläufiges Schreiben 
der löbl. drei Kuratkapitel. Was Ihro Exc. mir erwähnten, ist also zum Teile 


— I8&6. — 


Als Amrhyn dieses energische Schreiben erhielt, ließ er dem 
bischöflichen Kommissär Waldis eine vertrauliche Warnung zugehen 
und lud ihn ein, « die Gegenvorstellungen der vaterländischen Geistlichen 
sofort abgehen zu lassen».! Waldis hatte ihm schon am 14. April 
geschrieben : « Der katholische Verein wird nächster Tage eine dringende 
Adresse an den Bischof eingeben. Es ist so notwendig als zeitgemäß, 
daß diesem Schritte ein andrer entgegengesetzt werde. Eine Adresse 
an den Bischof : auszuhalten auf dem einmal betretenen Wege, von 
Geistlichen anderer Gesinnung entworfen, liegt im Wuıfe. ... » Seinem 
Sohne, dem eidgenössischen Kanzler, schrieb Amrhyn in diesen Tagen: 
«Der gute, sonst vaterländische Bischof, bei dem ich mit meiner 
Warnung um sechs Tage zu spät gekommen bin, läßt sich durch 
religiöse Heuchler mißbrauchen und hat in seiner unglücklichen 
Täuschung den unberechneten Brief vom Io. dies an die Regierung 
von Aargau erlassen, welchen der «Schweizerbote » seiner letzten Zeitung 
auf für andere unbegreifliche Weise beilegte..... Ich werde — des 
ersten fehlgeschlagenen Versuches ungeachtet — aus Liebe und Hoch- 
achtung für ihn fortfahren, ihm die Augen zu öffnen. .... »3 

Nach einigem Zögern wandte Amrhyn sich in längeren Ausführungen 
wieder klagend an den Bischof. Er wies auf verschiedene Flugschriften 
hin, die durch Beauftragte der Katholischen Vereine im Kanton ver- 
breitet worden seien, u.a. auf Chorherr Geigers Schriftchen « Über den 
Aufruhr ». «Diese Schrift, in Fragen und Antworten eingekleidet », 
schrieb Amrhyn, «führt dem Volke mit theologischer Spitzfindigkeit 
die unerläßliche Gewissenspflicht vor Augen, unter allen möglichen 
Umständen und Verhältnissen an den bevorstehenden Volkswahlen 
teilzunehmen ». Die Schrift warne vor jenen, die « vielvon Abänderungen 
im kirchlichen Wesen, von Aufhebung der Klöster und Stifte, von 
Verwendung des Kirchengutes zum Besten des Staates sprechen, die 
die Badener Artikel rühmen und dazu raten, dieselben anzunehmen, 
die dem Papst und den Bischöfen die ihnen von Jesus übergebene 
Macht, sowohl über die Geistlichen als über die übrigen Gläubigen, zu 
entreißen und der weltlichen Regierung in die Hände zu legen suchen. »' 


gekommen. » — Das Schreiben des Bischofs vom ıo. April im Wortlaut in der 
Schweiz. Kirchenzeitung, Nr. 17, 1835, in der Luzerner Zeitung, Nr. 32, und in 
der Allg. Kirchenzeitung, mit Kommentar. 

1! Randbemerkung Amrhyns zum obigen Schreiben Salzmanns. 

2 F.-A. A. IV D. 83. 

® 20. April. 

% F.-A. A. Drucksachen. 


— 131 — 


Die hauptsächlichsten Verbreiter dieser und anderer «zum Aufruhr und 
rohen Fanatismus aufreizenden » Flugblätter seien die Geistlichen 
des Dekanats Willisau, behauptete Amrhyn. Mit dem Hinweis auf diese 
Agitation verband der Schultheiß Betrachtungen über den Geist der 
Katholischen Vereine. Diese seien nicht, wie der Bischof meine, Folge 
der politischen Schutzvereine. Sie bestehen besonders in der Stadt 
Luzern schon seit 1816. Allerdings zeigen sie sich seit der Gründung 
der Schutzvereine öffentlicher und werden seit anderthalb Jahren mit 
Gewissenszwang verbreitet. Ihre Versammlungen finden zur Nachtzeit 
statt. Die Eintretenden müssen einen Eid für Geheimhaltung der 
Verhandlungen leisten und dürfen nur solchen stimmen, die ihnen 
bezeichnet werden. Die Folge dieser «religiösen Despotie » seien 
betrüibende moralische Erscheinungen, besonders Beängstigung der 
Gewissen. Am feindseligsten benehmen sich besonders jene Geistlichen, 
«deren geheimere Lebensverhältnisse für die Moralität des Volkes die 
gefährlichsten » seien. «Wenn ich je die Besorgnis in mir tragen 
könnte », schrieb der Denunziant weiter, «daß dem Menschen gegen seinen 
Willen die Religion entzogen, geraubt werden könnte, so müßte es zur 
Stunde sein, wo man unter dem Scheine und Wortkram von Religion 
sich das Frevelhafteste gegen das Vaterland erlaubt. ... Der katholische 
Verein hat sein[en] heutigen Stützpunkt in unsichtbaren römischen 
Agenten, in Bayern, in Würzburg, in den Jesuiten. ...» Nach diesen 
unbewiesenen, vom Argwohn ausgehenden Verdächtigungen ging 
Amrhyn auf das Schreiben des Bischofs an die Aargauer Regierung 
über und trat ihm mit einer Reihe leidenschaftlicher Anschuldigungen 
und Verdächtigungen entgegen. «Das Urteil des «Schweizerboten » 
darüber, die Urteile aller Zeitungen, die in den reformierten und paritä- 
tischen Kantonen nachfolgten, und die aufreizende Art, mit welcher 
der « Waldstätterbote » — dieses Blatt des Aufruhrs und des frechsten 
Verrates am Vaterlande, der schamlose Mietling der Feinde der freien 
und unabhängigen Schweiz — des Bischofs Schritt für seine teuflischen 
Zwecke benutzte, haben in mir tiefe Besorgnisse erweckt. ... Nehmen 
mir E. Gn. es nicht übel, wenn ich offen bemerke: der von Hoch- 
derselben ... getane Schritt hat — in Verbindung mit der von Rom 
aufgedrungenen Wahl des Hrn. Bossi als Bischof von Chur und 
St. Gallen ... eine Wichtigkeit genommen, die — ich besorge es nicht 
ohne Grund — weit aussehende Folgen nach sich ziehen wird und 
bereits in den reformierten und paritätischen Kantonen die Besorgnisse 
über unmittelbare Anfeindung ihrer Religion, über neue Anfeindung 


— I — 


derselben von Seite Roms und seiner Anhänger aufs neue angeregt hat. 
Hierüber entwickelt sich seit fünf Tagen eine nicht zu verachtende 
Aufregung unter dem reformierten Teil des ohnehin schon tiefbewegten 
Kantons St. Gallen. Die Sache wird als ein politisch-religiöser Kampf von 
der Geistlichkeit gegen die Regierungen — und zum Teil nicht ohne 
Grund — angesehen und aufgenommen werden, der mittelbar zur 
gegenseitigen Schutzgewährung aufruft. Dabei findet der am Glauben 
der Väter und ihren ausgeübten Rechte[n] in kirchlichen Sachen mit 
eigener Ehrenhaftigkeit hängende Magistrat durch die vorläufige, 
unerörterte Verdammung der Badener Konferenzverhandlungen ihre 
Religiösität im Grabe angetastet. Diese Erscheinung führt die Erinne- 
rung an die von Rom seit Papst Klemens XIII. (1769) unternommenen 
und von Papst Pius VII. am 29. Heumonat 1815 wieder angefeindeten 
Rechte und Privilegien der Schweizer in Kirchensachen, [die] durch 
frühere Päpste — wo nicht anerkannt — doch geduldet [wurden], 
zurück ; ruft ins Gedächtnis zurück den bittern Kampf, den die 
Regierung des Standes Luzern seit 1806 im Geleite von vielfach 
versuchten politischen Veränderungen wegen seinen mit dem Bischof 
beredten verbesserten kirchlichen Einrichtungen mit Rom und seinem 
Agenten zu bestehen hatte ; die Gewalt, die man gegen die Grundsätze 
des Kirchen-, wie des Staatsrechts ... im Jahre 1819 auch am Kanton 
Luzern zu verüben versucht war, als man ihn unbegrüßt dem Hirten- 
stabe von Chur unterwerfen wollte ; das Verdammungsurteil, das Rom 
gegen die Regierung des Standes Luzern infolge oben erwähnter neuen 
kirchlichen Einrichtungen zu schleudern versucht hatte ... ; erinnert 
an den übermütigen Trotz und die drohende Sprache, mit welcher die 
Dekane der luzernischen Kuratkapitel im Frühjahr 1816 vor dem 
Staatsrate erschienen, der dieselben zu einer belehrenden Unterredung 
eingeladen hatte; an die Umtriebe im Kanton Nidwalden, unter 
Leitung eines bischöflichen Kommissärs Käslin, vom Frühjahr 1813 
gegen die dasige Regierung. ... Ich kenne die geheime Geschichte 
unseres Vaterlandes zu gut, die Umtriebe, die in demselben seit 1803 
gleichsam unterbrochen statthatten, zu deren Unterhandlung [Unter- 
haltung?] und Ausbildung im Spätjahre 1813 die überstürzende Ab- 
trennung vom Bistum Konstanz unternommen und im bewegten 
Jahr 1814 durch Fälschung der Akten mit dem Eintritt des Jahres 
1815 durchgeführt ward, und kann mich daher umsoweniger darüber 
aufhalten, wenn im schweizerischen Freilande sich auch immer mehr 
die Ansicht ausbildet : unsern innern Bewegungen, den Aufregungen 


— 13 — 


des Volkes gegen die Regierungen verleihe eine nicht bloß mißstimmte 
Geistlichkeit Nahrung ; sie trete seiner freisinnigen Ausbildung entgegen, 
ist Feind derselben. Ein Leichtes ist, ein gutmütiges, ein noch gläubiges 
Volk mit dem Schreckensbilde gefährdeter Religion aufzuregen, störrisch, 
selbst feindselig gegen seine Regierungen zu machen, dessen Magistraten, 
wenn sie sich dadurch — so wenig als der treue Hausvater durch seine 
ungezogenen Kinder — von seiner Pflicht abschrecken lassen, seiner 
Wut preiszugeben, um aus dem sonst freundlichen Schweizerlande ein 
durch Rache und Verfolgung blutendes Spanien und Portugal umzu- 
[gelstalten. Aber diese Abirrung wird nicht lange andauern, und die 
gebrachten Opfer werden in kurzer Zeit — wenn schon in ihren 
Grabhügeln vielleicht — durch das aus seiner Betäubung ebenso furcht- 
bar zurückkehrende Volk ihre Auferstehung, ihre Rechtfertigung feiern 
können. — Die Klagestimme, die sich gegen die Badener Konferenz- 
beschlüsse aus allen Gauen der Schweiz durch die dasige Geistlichkeit 
zur Stunde erhebt, ist eine einverstandene, allein keine einstimmige. 
Ich kenne die Mittel, mit welchen solche Vorstellungen teils erschlichen, 
teils auf einfache mündliche Anregungen später ausgearbeitet oder wohl 
gar erst dann zur Sanktion und Mitteilung an die Kapitelsbrüder 
gebracht werden, wenn selbe bereits an ihre Bestimmung abgegeben 
worden. Auch erdringen kann man solche Beschlüsse, wie es mit den 
letzten im Kapitel Willisau vernämlich ergangen ist. Schon lange 
herrscht in den geistlichen Kapiteln des Kantons Luzern keine freie 
Beratung mehr. Das despotische Machtgebot des Vorstehers, in Ver- 
bindung mit einigen Wenigen, die mit ihm allein den Faden des 
Geheimnisses besitzen, gilt als Gesetz ; Einwendungen werden mit 
Kränkung und Hohn, mit Verfolgung und Verdächtigung zurück- 
gewiesen ; [keine] Erläuterungen, viel weniger Belegung gewagter 
Behauptungen werden gegeben, Bemerkungen keine angenommen. ... 
Es löse der Bischof der Geistlichkeit, den Verfolgten, den Verhöhnten 
aus ihnen den Mund, und er wird hören, er wird vernehmen, was er 
niemals als möglich zu sein glaubte. Ich bin zudem nicht der Meinung, 
daß die Geistlichen, welche an allen diesen Zeitstürmereien keinen 
Anteil nahmen, keinen Anteil nehmen wollten, so unbedeutend in 
Zahl, Einsicht und innerm Werte sei[en], [daß sie] keine Beachtung 
verdienen. Ich kenne solche, welche die Mäßigung des Bischofs, seine 
belehrende, seine heilende Liebe bewunderten, darauf ihre Hoffnung für 
die Zukunft setzen. Diese Geistlichen, welche den Ärger nicht noch 
größer machen wollen, die ihren geistlichen Vater lieben und verehren, 


—_— I4 — 


weinen im Stillen, daß man ihre Hoffnung in den leidenschaftlichen 
Strudel der Zeit — seiner eigenen Rettung willen — mithineinzureißen 
versucht. — Möge der Bischof nicht zu spät einsehen, auf welcher 
Seite der besonnenere, der salbungsvollere, der evangelischere Teil 
seiner Geistlichkeit stehe ! ... — Beinebens erlaube ich mir, zu zweifeln, 
ob der Bischof die nun verurteilten Konferenzialbeschlüsse von Baden 
ganz und vollständig kenne. Der Grundsatz über das Placetum regium 
— freilich etwas scharf durchgeführt — ist kein neuer. Er wird seine 
Nachweisungen in den Akten der Kantone, wie in den Staatsgesetzen 
anderer Völker und Staaten finden. Die Kantone der Schweiz, die 
ehemals zum Bistum Konstanz gehört haben, sind nur mit feierlichster 
Verwahrung ihrer Rechte und Freiheiten von diesem ab- und zu 
einem andern Diözesanverbande übergetreten ; sie haben sich diese 
Rechte urkundlich zu beschützen gelobt ; sie haben dieselben bei der 
Einweihung der neuen Domkirche in Solothurn am 28. Heumonat 1823 
im Angesichte des päpstlichen Exekutors der Circumscriptionsbulle in 
förmlichen Anspruch genommen. Dabei verüble man den Kantonen 
im Hinblick auf die vorangeschickte[n] geschichtlichen Tatsachen — 
sich erinnernd der Handlungen eines Bischofs Schiner im Wallis, der 
blutigen Auftritte zur Zeit der Reformation in dem Grauen Bunde — 
die Vorsicht nicht, mit welcher sie ihre verjüngten Kircheneinrichtungen 
zu umgeben suchten. Nicht immer ist der gleich milde Geist vor- 
herrschend bei jedem Bischof, und ein vorhandener vermag — aller 
seiner Hingebung und äußersten Anstrengungen ungeachtet — nimmer 
Bürgschaft für seinen Nachfolger zu geben. Der Staat beratet sich 
über die Gründung seiner Rechte und was zu ihrem Schutz gedeihen 
soll, so wenig als die Kirche über die ihrigen und die Gegenstände der 
Glaubenslehre mit der ihm gegenüberstehenden koordinierten Behörde ; 
Sachen, die in beider Wirksamkeit übergreifen, ... vorbehalten. So 
verhält es sich über Ehesachen, über Verminderung der Feiertage, die 
mitwirkende Oberaufsicht des Staats über die Priesterhäuser, über die 
Bildung der Kandidaten zum geistlichen Stande, die fortwährende 
[Kontrolle ?} der bereits in diesen Stand Über[ge]tretenen und die 
Erwahrung ihrer Fähigkeit. Über zwei dieser Gegenstände ist die 
Unterhandlung mit dem Bischof bereits seit der Konferenz in Solothum 
vom Jahr 1830 angeba[h]nt. — Die Unterstellung der Klöster und Stifte 
der Jurisdiktion des Bischofs kann diesem am wenigsten nach den 
Grundsätzen der Urkirche zum Ärgernis gereichen; zudem haben die 
Diözesankantone bei der oben in Erinnerung gebrachten Einweihung 


— 135 — 


der Domkirche die bischöflichen und erzbischöflichen Rechte für ihr 
Vaterland in ihrer ganzen Ausdehnung in Anspruch genommen. Für 
die Wohltätigkeitsübungen der geistlichen Korporationen sollte es 
gemäß ihrer Entstehung keine[r] Anordnung mehr bedürfen : kurz, die 
Kantone fordern nicht mehr, als was auch andern Staaten gewährt 
ist, zusteht, und was mit gleichem Rechte auch ihnen gebührt. Sie 
suchen nicht Kampf ; sie wollen Ruhe und Friede und werden mutvoll 


-. sich diesen und ihrem Volke zu erringen wissen. Wären doch die 


Verleumder und lieblosen Verdächtiger, Entsteller aller Klassen ferne 
von uns, schon lange wäre Ruhe im Vaterland eingetreten ! — Wie nun 
aber die Sachen liegen, muß der Staat die ihm angefeindeten Rechte 
durch freie öffentliche Diskussion mit Vorführung der Geschichte, die 
ihre Notwendigkeit begründet, aufs neue verfechten, erörtern und 
behaupten. » 1 


(Fortsetzung folgt.) 


13. Mai 1835. 


Fragmente eines Churer Missale 
aus der Mitte des XI. Jahrhunderts. 


Von Ant. v. CASTELMUR. 


Das bischöfliche Archiv in Chur birgt eine Reihe von Fragmenten 
alter Handschriften, die im XVI. und XVII. Jahrhundert als Ein- 
bände für Rechnungsbücher dienten. Die meisten Stücke sind belang- 
los. Erwähnung verdienen ein Doppelblatt aus den Tuscul. Ciceros 
in schöner karolingischer Minuskel des X.-XI. Jahrhunderts, wie sie 
damals in St. Gallen gebraucht wurde, sowie einige Bruchstücke einer 
Bibel in Folio zu zwei Kolonnen (IX.-X. Jahrhundert), die ein Pracht- 
stück gewesen zu sein scheint. 

Neben diesen Fragmenten sind noch einige Pergamentblätter vor- 
handen, die sich bei näherer Untersuchung als Bruchstücke ein und 
desselben Missale’s von Chur ergaben. Der Codex hatte das ursprüng- 
liche Format von Igo X 255 mm. Der Schriftraum beträgt 145 x 
200 mm, und die Linienzahl pro Seite ist 23-24. Die Schrift selbst 
ist eine schöne karolingische Minuskel in schwacher Neigung nach 
rechts. Die Tinte ist tiefschwarz. Titel und Initialen sind meist in roter 
Uncialschrift geboten, jedoch kommen auch Überschriften in schwarzer 
Capitalis rustica vor. 

Die einzelnen Worte sind in der Regel gut getrennt. Praepo- 
sitionen sind manchmal mit dem folgenden Worte verbunden. Ab- 
kürzungen sind nicht sehr häufig. Für das Wörtchen et kommt nur 
die Ligatur und nie die tironische Note vor. Der Umlaut ae kommt 
vereinzelt vor, manchmal steht das geschwänzte e und oft ist nur ein- 
faches e geschrieben. Das runde s am Schlusse ist der Handschrift 
fremd. Trennungszeichen kommen keine vor und für w steht immer 
ein doppeltes u. Als Interpunktionszeichen für kürzere und längere 
Pausen (Komma und Punkt) wird nur ein Punkt in mittlerer Buch- 
stabenhöhe verwendet. 

Alle Indizien sprechen dafür, daß die Handschrift um die Mitte 
des XI. Jahrhunderts entstanden ist. _ 

Ein glücklicher Zufall hat uns die Hauptbestandteile des Ordo 
Missae erhalten. Folio ı ist ein loses Pergamentblatt und enthält die 


—- 17 — 


Praeparatio ad missam (Folio ı"). Auf die leere Vorderseite wurde 
‘ eine Urkunde von 1084 niedergeschrieben, die den terminus post quem 
. der Entstehungszeit des Codex bietet!. Das zweite Fragment, ein 
“ Pergamentbogen, schließt direkt an Folio ı® an. Das erste Blatt ist 

am Rande rechts um 2-2 %, cm beschnitten, sodaß der Text von 

Folio 2 und Folio 2° in eckigen Klammern nach anderen Quellen ergänzt 

werden mußte. Das dritte Bruchstück ist wieder ein gleichbeschnittener 

Bogen und führt den Text von Folio 2° fort. Nach Folio 3° fehlt min- 
‘ destens ein Bogen, da Folio 4 uns direkt in den Canon Missae versetzt. 
Es fehlt also der Schluß der Opferungsgebete, wohl ein Bild zu Beginn 

des Canons, sowie der Anfang desselben. 

Dom Germain Morin O.S.B., dem der Verfasser die Fragmente 
unterbreitete, riet zu deren Veröffentlichung, da sie manch Churerisches 

enthalten. Besonders wichtig ist das «Libera nos» in dem die in 

Chur speziell verehrten Heiligen: Stephanus, Laurentius, Luzius, 
Florinus und Felix erwähnt werden. Diese Fragmente sind somit 
ein Kronzeuge für die weit zurückreichende Verehrung der Bistums- 
patrone Luzius und Florinus, ehe sie als Schutzheilige der Kathedrale 
von Chur urkundlich genannt werden. Auch sonst bieten diese Bruch- 
stücke des ältesten, nunmehr bekannten Missale’s von Chur Merk- 
würdigkeiten. Erwähnt sei nur das Vorkommen der «confessio quam 
sacerdos solus dicat», ehe der Priester zum Altare tritt. 

Die meisten Gebete kommen auch in anderen liturgischen 
Quellen vor. Viele treffen wir in der berühmten Messe des Flaccus 
Ilyricus an, die im Mittelalter sehr weit verbreitet war. 2 Das Churer 
Missale ist aber nicht etwa nur eine Copie irgend eines andern 
Missale's. Es ist beinahe ein Mittelding zwischen dem fränkischen 
Sacramentarium Gelasianum in alamanischer Überlieferung ® und dem 
Inkunabeldruck des Churer Missale’s von 1497. 

Im Bistum Chur war lange kein einheitliches Missale im Gebrauch. 
Um diesem Übelstande abzuhelfen ernannte Bischof Heinrich VI. 
v. Höwen eine Kommission, die er mit der Herausgabe eines neuen 


! Diese Urkunde wird Gegenstand einer eigenen Publikation sein. 

3 Die wichtigste Handschrift ist der Codex Helmst. ıı5ı der Bibl. Wolfen- 
büttel. Er wurde gegen 1030 für den Bischof Sigebert v. Minden geschrieben 
und war Gegenstand einer Publikation des Jesuiten Jos. Braun. Freundl. Mitteilung 
von Dom G. Morin. 
®cfr. P. Kunibert Mohlberg, «Das fränkische Sacramentarium Gelasianum 
in alamanischer Überlieferung » (nach Cod. Sangall. 348) in Liturgiegesch. Quellen. 
Münster i. Westf. 1918. 


—_— 138 — 


Meßbuches beauftragte. Ihr gehörten die Domherren Johann v. Wolfray, 
Magister Heinrich Gabertul und Johann Fer an. Sie studierten alte 
Handschriften und als Frucht ihrer Bemühungen konnte 1497 das 
neue Missale bei Radtolt in Augsburg gedruckt werden. ? Unsere Frag- 
mente und dieses Missale sind die ältesten bekannten Meßbücher des 
Bistums Chur. Sie zeigen, wie der Meßritus durch Jahrhunderte hin- 
durch verschiedene Wandlungen durchgemacht hat, sodaß diese Publi- 
kation für manchen Freund der Liturgie vielleicht nicht wertlos ist. 

Der Verfasser ist auf diesem Gebiete kein Fachmann, beschränkt 
sich deshalb hauptsächlich auf genaue Textwiedergabe und auf Hin- 
weise auf ähnliche oder analoge Stellen in anderen liturgischen Quellen. 

Zum Schlusse soll noch der angenehmen Pflicht Genüge geleistet 
werden, meinen hochw. Freunden, Dom Germain Morin und bischöf- 
lichen Archivar J. Battaglia, für weites Entgegenkommen und gewohnte 
Liebenswürdigkeit bestens zu danken. 


Incipit Ordo qualiter sacerdos se preparare ad missam debeat. Cum 
manus laval dicat oralionem 

Largire sensibus nostris, omnipotens pater, ut sicut exterius ab- 
luuntur inquinamenta manuum, sic a te mundentur interius pollutiones 
mentium et crescant in nobis augmenta sanctarum virtutum. Per.? 


Ad humerale 
OQuam dilecta.®? Benedixisti. * Inclina.® Credidi. © Miserere.’ 
Humeros meos et pectus meum spiritus sancti gratia domine renesque 


I Hain, Repert. bibl., Nr. 11287. — Vergl. auch J. G. Mayer, Geschichte 
des Bistums Chur, I. Bd. Stans 1907, p. 522, der die Namen der Dombherren aus 
dem Vorwort des Missale’s mit Wolfray, Gubertal und Her unrichtig wiedergibt. 
Ein unvollständiges Exemplar des Missales befindet sich im bischöflichen Archiv; 
ein vollständiges in der Bibliothek des Priesterseminars St. Luzi in Chur. Bei 
diesem Exemplare ist der Canon Missae in prächtigen Lettern auf Pergament 
gedruckt. Zum Vergleiche mit unserem Texte wurden sie herbeigezogen. 

%2 Das gleiche Gebet ist zu finden: ı. in der Messe des Flaccus Illyricus 
(zitiert Illyric.), ed. Edmund Martene, De antiquis ecclesiae ritibus libri tres. 
Benützt wurde die Antwerpner Ausgabe v. 1763, p. 177 ; 2. im Pontificale von 
Salzburg, Martene, l. c., p. 207, im Ordo des Klosters S. Gregorii in Valle 
Gregoriana dioc. Basileensis, l. c., p. 235, im Missale eccl. Catalanensis l. c., p. 127. 
Ganz ähnlich lautet das Gebet im Missale Curiense des Bischofs Heinrich VI. 1497. 

8 Ps. 83. 4 Ps. 84. 5 Ps. 85. 

e Ps. 115. ” Ps. so. 


— 19 — 


meos vitiis omnibus expulsis precinge tibi ad sacrificandum deo viventi 
in secula seculorum amen. ! 


Ad albam 

Indue me domine vestimento salutis et circumda me lorica 
fortitudinis. ® 

Ad Zonam 

Circumcinge lumbos meos domine zona iusticie et circumcide vitia 
cordis et corporis mei. ? 

Ad stolam 

Stola iusticie circumda domine cervicem meam et ab omni 
corruptione peccati purifica mentem meam. # 


Ad casulam 

Indue me domine ornamento humilitatis et caritatis et pacis, ut 
undique munitus virtutibus possim resistere viciis et hostibus mentis 
et corporis. ® 

Ad manıpulum 

Da mihi domine sensum rectum et puram vocem, ut implere 
possim laudem tuam. ® 

Preces Exurge domine ; Faciem tuam ; Deus tu conversus’?; 
Östende nobis ; Ne intretis in ; Domine exaudi orationem. 


I cfr. Illyric, 1. c. p. 177. Ganz ähnlich Missale Cur. 1. c., worauf aber noch 
das Gebet : Fac me queso omnipotens deus ita iustitiam indui, ut in sanctorum 
tuorum etc. cfr. unseren Text: «ad manipulum. » [Ant. nach « Preces ».] 

2 Pontif. v. Salzburg, Martene, 1. c. 207. Bei Illyric. steht das Gebet unter 
dem Titel « Ad subtile». 1. c. p. 177 ; Missa Catalanensis, Martene, l. c. p. 127. 

® Illyric. unter dem Titel: «ad cingulum », 1. c. p. 177. Miss. Curiense 1497: 
«ad zingulum » : Precinge me domine zona iustitie et constringe me virtute 
castitatis et pudicitie Per.... 

* Illvric. 1. c. p. 177. Pont. Salzburg, l. c. 207. Missale Ambros.v. 1560, 
Martene, 1. c. Ordo III. Ganz ähnlich im « Sacramentorum libro eccl. Turonensis », 
Martene, 1. c. p. 126, sowie im Missale Bellovacensi, I. c. p. 127, sowie Miss. Cur. 
l. c., wo noch als Anhang folgt : Quia tu dixisti apostolis tuis: jugum enim meum 
suave est et onus meum leve Per. 

5 Illyric. 1. c. 177. Salzburg, 207. Missale eccl. Catalanensis, l. c. p. 127. 
Missale Cur. 1497 ist wörtlich genau bis pacis. Dann folgt: et da michi protec- 
tionem contra hostem insidiatorem, ut puro corde et mundocorpore valeam laudare 
nomen tuum gloriosum in secula seculorum. Per. Dann folgen noch einige 
Psalmen und das Staffelgebet, aber mit Abweichungen vom heutigen Texte des 
Missale Rom. 

® Salzb.,1.c. 207. Miss. Cur. hat das «ad manipulum » vor dem « ad casılam » 
mit der Abweichung «ut valeam adimplere » etc. 

? Diese 3 Gebete sind in margine links zugefügt. 


— 190 — 


Rogo te, Deus altissime, pater sancte, ut me tunica castitatis accin- 
gere digneris et lumbos meos baltheo tui amoris ambire ac renes cordis 
et corporis mei tue caritatis igne perurere, ut pro peccatis meis possim 
intercedere et adstantibus veniam peccatorum promereri atque paci- 
ficas singulorum hostias immolare, me quoque audacem accedentem 
non sinas perire sed dignare lavare, ordinare, leniter suscipere, pater 
sanctissime, qui cum filio. ! 

Ant. Fac me, queso omnipotens deus, ita iustitia indui, ut 
sanctorum tuorum merear exultatione letari, quatinus emundatus ab 
omnibus sordibus peccatorum, consortium adipiscar tibi placentium 
sacerdotum meque tua misericordia a vitiis omnibus exuat, quem reatus 
proprie conscientie gravat. Per? Ant. Aures tue pietatis, mitissime 
deus, inclina” precibus meis ® [et gratia sancti] * spiritus illumina cor 
meum, ut tuis mysteriis digne ministrare [atque aeterna charitatis 
diligere te merear Per]. ® 


Confessio quam sacerdos solus dicat 

Suscipe confessionem meam [unica spes salutis meae, domine Deus 
meus, quia gula, ebrietate, fornicatione, libidine, tristitia, accidia, 
somnolentia, negligentia, ira, cupiditate, invidia, malitia, odio, detrac- 
tione] 5 perjurio, co[gitatione] 5 locutione, actione atque omnibus sen- 
sibus extinctus sum, ® [qui iustificas] 5 impios et vivificas mortuos, 
iustifica 7? me et resuscita me [Domine Deus meus amen] 5. 

Domine Iesu Christe, redemptor mundi, propitius esto mihi pecca- 
tori [omnibusque] 8 modis in peccatis ® iacenti, quia tu solus, Domine 


I Illyric. 1. c. 177. 

2 ]Illyric. l.c. 178 ; vergl. Miss. Cur. 1497 «ad humerale » und Anm. 7. 

3 Hier bricht fol. ı ab. 

* Ergänzt nach lllyric. I. c. 178 und Miss. Cur. da Fo. 2 vom Wasser stark 
beschädigt und zudem am Rande rechts um 2 % cm beschnitten ist. 

5 Die ganze Stelle ist durch Wasser derart verdorben, daß einzelne Worte 
nur in der Durchsicht des Pergamentes gegen eine starke Lichtquelle zu ent- 
ziffern sind. Das in [] Gesetzte ist nach Illyric. l. c. 178 und dem Ordo missae 
v. St. Denis « circa tempora Caroli magni exarato » ergänzt. Martöne, ]. c. p. 187. 
In beiden Messen steht aber das Gebet nach der Opferung nach der Oratio pfo 
semetipso. Unser Text bringt kleine Varianten. 

® Ordo v. St. Denis: extintus, sed tu qui .... 

? St. Denis: vivifica. 

8 Nach dem Ordo v. St. Denis, I. c. p. ı88 ergänzt. Nach dem Pontificale 
v. Salzburg wurde dieses Gebet vom Zelebranten gebetet, während das Gloria 
gesungen wurde. Martene, 1. c. p. 207. 

® St. Denis: peccato. 


— II — 


Deus noster, inmort[alis es et]! sine peccato. Indulge mihi miserrimo 
presumenti accedere ? ad [sanctum altare] ? tuum et invocare te, quia 
peccavi ab infantia mea [usque nunc] ! coram te et ® omnibus sanctis 
tuis, sed per illorum intercessionem trilbue mihi] ! divinam clemen- 
tiam veniamque peccatorum ? meorum et doce me [facere] ! volun- 
tatem tuam omnibus diebus vite mee. Qui vivis et regnas. 


Pergendo in ecclesiam sive ad altare [sacerdos dicat] 5 

Introibo ad altare Dei et cant. humiliter I.... 5 

Ego peccator. Seguitur Converte nos deus salutaris noster et 
av[erte iram tuam a nobis] ®. Deus tu conversus vivificabis nos, et pleps. 
OÖstende nobis domine m[isericordiam tuam] ® et salutare. Domine 
exaudi orationem meam et clamor. 

Intervenientibus pro nobis istis et omnibus sanctis aelectis dei 
aufer .... 5 domine iniquitates nostras, ut ad sancta sanctorum puris 
mereamus men[tibus accedere]. 

Omnipotens sempiterne Deus, misericordiam tuam nobis ostende 
supplicibus, ut qui .... 5 qualitate difidimus non iudicium tuum 
sed .....5 .... am® sentiamus Per. 


De osculando altare dicat 

.... domine ut per mentem ....”? sunt .... ” dominus deus 
indulgere mihi digneris propitius peccata mea Per. ....s? per evvan- 
gelum suum tradidit. 


Osculando evvangelium 
.... ? et corda et corpora nostra in vitam eternam. Per. 


Gloria in excelsis deo. Et in terra pax hominibus bone voluntatis. 
Lauda[mus te] ®. Benedicimus te. Adoramus te. Glorificamus te. 
Imnum [canimus ti ?)bi®, Gratias agimus propter magnam gloriam 


! Nach dem Ordo v. St. Denis, I. c. p. 188 ergänzt. Nach dem Pontificale 
v. Salzburg wurde dieses Gebet vom Zelebranten gebetet, während das Gloria 
gesungen wurde. Martene |. c. p. 207. 

3 St. Denis: stare. 

3 St. Denis wiederholt coram statt et. 

% St. Denis : delictorum. 

5 Das Blatt ist am Rande rechts beschnitten. 

® beginnt fo. ıb, das am Rande links um c. 2 % cm. Text beschnitten ist, 
sodaß 7-8 Buchstaben fehlen. 

? Die ganze Stelle ist vom Wasser sehr beschädigt, sodaß nur mehr einzelne 
Worte gelesen werden können. 

® [] ergänzt, da das Blatt am Rande links beschnitten. Es fehlen maximal 
9 Buchstaben. 

® Fehlen etwa ıo Buchstaben. 


— 192 — 


tuam. Domine deus, rex [celestis] pater omnipotens. Domine fili 
unigenite Jesu Christe. Domine Deus, agnus Dei [filius patri]s. Qui 
tollis peccata mundi, miserere nobis. Qui tollis pec[cata munldi, 
suscipe deprecationem nostram. Qui sedes ad dexteram patris, [miserere) 
nobis. Quoniam tu solus sanctus, tu solus dominus, tu solus altis'simus 
Jesu] Christe. Cum sancto spiritu in gloria Dei patris amen. 


Ponens incensum in turibulum 
In nomine domini benedicatur [incensum istud et accepta]! bie 
fiat in odorem suavitatis. 


Benedictio diaconi 

[Dominus sit in c]Jorde tuo et in labiis tuis ut nunties competenter 
evvangellium paci]s ?. 

Prelectur evvangelium ; deosculando dicat 

Per istos ser[mones sancti] ? evvangelii indulgeat nobis dominus 
universa delicta nostra. 


Credo ? 


Sacerdos stans ante altare ante quam offerlorium dicat 

Ante conspectum divine maiestatis tue reus assisto, qui invocar.e 
nomen] * sanctum tuum presumo. Miserere mihi domine homini pecca- 
tori, ign[osce indig] *no sacerdoti per cuius manus hec oblatio videtur 
offerri. P[arce mihi Domine delic]torum ® labe, pre ceteris capitalium 
[polluto et non intres in judicium cum ser] *vo tuo, quia non iustifi- 
cabitur in c[onspectu tuo omnis vivens: scilicet] ? vitiis ac voluptatibus 
carnis adgravati sumus. R[ecordare domine quod] * caro sumus®, 
in tuo conspectu etiam celi mundi non sunt [quanto magis] * nos 
homines terreni immundi” sicut pannus menstrulatae. Indimi; ' 
sumus, Domine [Jesu Christe, ut simus] ® viventes, sed tu qui non 


ergänzt nach Mart£ne, 1. c. p. 212 (Salzb.). 
ergänzt nach pontif. Salzb. l. c. 207. 

® Das Credo stimmt mit der Form des Missale Romanum beinahe wörtlich 
überein, weshalb vom Abdruck abgesehen werden kann. Nur 2 Varianten kommen 
vor: es fehlt hier das ef zwischen .... scripturis und ascendit in celum. Ferner 
hat unser Text im Schlußsatz .... «et vitam /ufuri seculi amen » statt venturi. 
Eine spätere Hand jedoch setzte venturi darüber. 

* [] ergänzt nach Illyric. 1. c. p. 182. 

5 Illyric. hat: Parce mihi, Domine, prae ceteris capitalium criminum labe etc. 
Da aber am Rande höchstens 10-15 Buchstaben fehlen und das .... torum in foig. 
I.inie klar ist, wurde die Lücke wie ober ergänzt. 

6 Jllyric. nur sum. 

? Tllyric. hat Singular. 


A 
ar 


— 193 — 
[vis mortem] ? peccatoris ?, da nobis [veniam in carne] ! constitutis, 
ut per poe[nitentie] labores vita eterna [perfrui merean] !ur in celis. 
Per te Jesum Christe 3. 

[Folgt ein total verwaschener und unleserlicher roter Titel in 
Uncialen]. Tibi domino creatori meo hostiam offero pro remissione 
omn[ium peccatorum) * meorum et cunctorum fidelium tuorum. 


Sacerdos acc....® 

[Suscipe sancta] ® trinitas oblationem, quam tibi offert famulus 
tuus, et presta, [ut in con] ®spectum tuum tibi placens ascendat. Accep- 
tabilis sit Deo omnipotenti [oblatio t] ua. Memor sit Dominus sacrificii 
tui et holocaustum tuum pingue [fiat]. 

„... Sacerdos Suscipe sancta trinitas hanc oblationem, quam tibi 
ego [peccato]r ” et indignissimus offero in memoriam incarnationis, 
nativitatis, pa] *ssionis, resurrectionis, ascensionis domini nostri Jesu 
Christi et in honorem [sanct] forum tuorum, qui tibi placuerunt ab 
initio mundi et eorum, quorum [hodie f] $estivitas celebratur Nomina 
eorum dicat et quorum reliquie [et nomin]®a hic habentur, ut illis proficiat 
ad honorem, nobis autem ad salu[tem, ut] ® illi omnes pro nobis inter- 
cedere dignentur in celis, quorum memoriam faci[mus in ter] ®ris. 


Pro semetipso 

Suscipe sancta trinitas hanc oblationem, [quam tibi] ® offero pro 
me peccatore et miserrimo omnium hominum pro meis [peccatis 
inn] *umerabilibus, quibus peccavi coram te in dictis, in factis, in 
[cogitationibus, ut preterita mihi dimitt] $as et de futuris me custodias 
[et pro sanitate corporis et anime mee et pro] ® gratiarum actione de 
tuis bonis, quibus [quotidie utor] ®. 


[Pro 5] *alute vivorum 
Suscipe sancta trinitas hanc oblationem [quam tibi offero] ® pro 
salute famulorum tuorum, quatenus te donante, percepta [venia 


I [] ergänzt nach Illyric. l. c. p. 182. 

3 [llyric. hat nach peccatoris «sed ut convertatur et vivat, mihi veniam 
in carne constituto ....» 

® Jilyric.: statt Per .... «(Qi vivis etc.» 

* f] ergänzt nach Pont. Salzb., 1. c. p. 203. 

5 Am Rande rechts beschnitten. Hier endet Fo. 2. fo. 2b ist am Rande links 
beschnitten. 

° [] ergänzt nach Illyric. 1. c. p. 183 der mit dem Ordo v. St. Denis, 1. c. 
p- 189 übereinstimmt. 

? [] von mir ergänzt. Illyr. : hanc oblationem quam tibi offero .... 


REYUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE 43 


peccat] !orum vite quoque sempiterne im[mensa] ! gaudia percipere 
[mereantur] !. 


Pro infirmis 

Suscipe [sancta trinitas]  hanc oblationem, [quam tibi]! offero 
pro infirmo famulo t[uo ?, ut me] !ntis et corporis sa[nitate rec] tepta, 
in ecclesia tua tibi laudes referat et de tuo verbere [premia pro] Isequi 
mereatur ? eterna. Per. 


Pro defunctis 

Suscipe [sancta trinitas hanc] ! oblationem, quam tibi offero pro 
animabus famulorum [famularumque] ! tuarum illis *, ut requiem eternam 
dones eis inter santos [electos, ut in illorum consortio vita perfruantur 
aeterna. Per etc] !. 

[Hier endet Folio 2, und mindestens ein Blatt fehlt nun ganz. 
Folio 3 versetzt sogleich in den Canon missae, und zwar mit den 
Schlußworten des Gebetes: Hanc igitur. .... Per Christum.) 


QOuam oblationem tu Deus in omnibus quesumus benedictam‘, 
asscriptam ®, ratam ®, racionabilem acceptabilemque facere dignens, 
ut nobis corpus® et sanguis® fiat dilectissimi filii tui domini nostn 
Jesu Christi. Qui pridie quam pateretur accepit panem in sanctas ac 
venerabiles manus suas elevatis oculis® ad te Deum patrem suum 
omnipotentem, tibi gratias agens, benedixit ®, fregit, dedit discipulis 
suis dicens : accipite et manducate ex hoc omnes. Hoc est enim corpus 
meum. Simili modo postquam cenatum est accipiens et hunc prec- 
larum calicem in sanctas ac venerabilis manus suas : item tibi gratias 
agens benedixit 5, dedit discipulis suis dicens : accipite et bibite ex eo 
omnes. Hic est enim calix sanguinis mei, novi et eterni testamenti, 
mysterium fidei, qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem ' 
peccatorum. Hec quotiescumque feceritis, in mei memoriam facietis. 


1 [) ergänzt nach Illyric. . c. p. ı83 der mit dem Ordo v. St. Denis. c. 
p. 189 übereinstimmt. 

%2 Darüber die Pluralendungen .... is. 

3 Über mereatur ein übergeschriebenes n für Pluralbildung. 

4 jllis mit durchstrichenen 1l. 

5 Darüber ein rotes +. 

6 Incunabel v. 1497: oculis in celum wie heute. Ebenso im Sacrament. 
Gelasianum (fränkisches) ed. P. Kunibert Mohlberg, « Das fränkische Sacramen- 
tarıum Gelasianum in alamanischer Überlieferung. (Cod. Sangall. Nr. 348) in 
Liturgiegeschichtl. Quellen. Münster i. Westf. 1918. 

° Darüber ein schwarzes + von späterer Hand. 


— I5 — 

Unde et memores Domine, nos tui! servi? sed et pleps tua sancta 3 
Christi filii tui Domini nostri, tam beate passionis necnon ab inferis 
resurtectionis sed * et in celos gloriose ascensionis : offerimus preclare 
maiestati tue de tuis donis ac datis hostiam ® puram, hostiam 5 sanctam, 
hostiam ® immaculatam, panem sanctum vite eterne et calicem ® salutis 
perpetue. Supra que propitio ac sereno vultu respicere digneris et 
accepta habere, sicuti accepta habere dignatus es munera ® iusti tui 
Abel et sacrificium patriarche nostri Abrahe, et quod tibi obtulit summus 
sacerdos tuus Melchisedech, sanctum sacrificium, immaculatam hostiam. 
Suplices te rogamus, omnipotens Deus, iube hec perferri per manus 
sancti ” angeli tui in sublime altare tuum in conspectu divine maiestatis 
tue, ut ®, quotquot ex hac altaris participatione sacrosanctum filii tui 
corpus ® et sanguinem ® sumpserimus, omni benedictione celesti et 
gratia repleamur. ! 


Memento mei queso domine et miserere licet hec sancta indigne 
tibi, sancte pater omnipotens, eterne Deus, meis manibus offerantur 
sacrificia, qui nec vocare sanctum ac venerabilem nomen tuum dignus 
sum, sed quum in honore, laude et memoria gloriosissimi filii tui Domini 
nostri Jesu Christi tibi offeruntur, sicut incensum in conspectu divine 
maiestatis tue in odorem suavitatis accendantur. 


Memento etiam Domine et eorum nomina, qui nos precesserunt 
cum signo fidei et dormiunt in somno pacis. Ipsis et omnibus, domine, 
in Christo quiescentibus locum refrigerii, lucis et pacis ut indulgeas 
deprecamur. Per eum qui. 


Nobis quoque peccatoribus famulis tuis de multitudine miserationum 
tuarım sperantibus aliquam partem et societatem donare digneris cum 1! 
sanctis apostolis et martyribus necnon et confessoribus 1? cum lohanne, 


! Titel in « Capitalis rustica », schwarz. 

2 heute servi tui. Das Sacr. Gelas. stimmt mit unserer Version überein. 

® Das Missale Cur. v. 1497 hat wie heute sancta eiusdem. .... Das Sacr. 
Gelasianum stimmt mit unserem Text überein. 

* im Miss. Cur. v. 1493 fehlt das sed. 

5 Darüber ein rotes +. 

® Heute, im Sacr. Gel. und im Miss. Cur. v. 1497 folgt auf munera : pueri. 

’ Im Sacr. Gel. fehlt das « sancti ». 

8 beginnt Fo. 3b. 

® Darüber ein schwarzes -- von späterer Hand. 

10 Im Sacr. Gel. u. heute folgt noch das Per. .... Im Sacr. Gel. fehlen die 
Kreuze bei Corpus und Sanguinem, also ursprünglich wie unser Text. 

Il heute cum tuis sanctis. 

12 Im Sacr. Gcl., wie heute, feblt der Passus « necnon et confessoribus ». 


Bee 196 — 
Stephano, Mathia, Barnaba, Ignatio, Alexandro, Marcellino, Petro, 
Felicitate, Perpetua, Agatha, Lucia, Agna!, Cecilia, Anastasia et 
omnibus sanctis tuis: intra quorum nos consortium non estimator 
meriti, sed venie quesumus largitor admitte. 


Per quem hec omnia domine semper bona creas, sanctificas ?, vivifi- 
cas? benedicis ? et prestas nobis. Per ipsum et cum ipso et in ipso 
est tibi Deo patri omnipotenti in unitate spiritus sancti omnis 
honor et gloria. Per omnia secula seculorum amen. Oremus preceptis 
salutaribus moniti et divina institutione formati audemus_ dicere: 
Pater noster qui es in celis? etc. 


Libera nos quesumus Domine ab omnibus malis preteritis, presen- 
tibus et futuris et intercedente beata et gloriosa virgine Dei genitrice 
Maria et sanctis® apostolis tuis Petro, Paulo atque Andrea et sanctismar- 
tiribus vel confessoribus tuis Stephano 5, Laurentio ®, Lucio ?, Florino ®, 


I heute Agnete. Im Sacr. Gel. steht « Agne ». 

%2 Darüber ein schwarzes 4 von späterer Hand. 

$ beginnt fol. 4. Das Pater noster stimmt genau mit der heutigen Version 
überein. 

* Im Sacr. Gelas., wie heute, statt «et sanctis» = «cum beatis». 

5 St. Stephanus stand in Chur in hoher Verehrung. Sein Fest wurde mit 
Oktav begangen (Necr. Cur., el. W. v. Juvalt, Chur 1867 (p. ı). Die « Dedicatio 
eccl. S. Stephani» wurde am 27. Juni gefeiert. Die Kapelle stand neben dem 
heutigen Priesterseminar St. Luzi, hinter der Kantonsschule. Sie dürfte vielleicht 
auf römischen Ursprung zurückgehen, denn beim Bau der Kantonsschule fand 
man dort römische Mosaikreste, die zum Teil in der Kathedrale und zum Teil 
im Rätischen Museum aufbewahrt werden. Im XIV. Jahrhundert und später 
hieB der Weinberg, der bei genannter Kapelle lag «Sant Steflans wingart 
(z. B. 1371, Mohr, Cod. dipl. III. 238 etc.). 

% Eine St. Laurentiuskirche stand im bischöflichen Hofe, dort, wo nunmehr 
der Brunnen steht. Das Necrol. Cur. erwähnt auf den 10. Aug. (« Laurentii mart. :) 
die « Dedicatio eius templi in civitate Curie v. Diese Eintragung deutet auf sehr 
hohes Alter. Sie muß zu einer Zeit entstanden sein, wo man noch die Civitas 
vom vicus zu Chur unterschied. Die civitas war der bischöfliche Hof. Auch die 
Wiedergabe des Ortes « Curie» mit der Dativform des Substantives weist auf 
hohes Alter hin, da später (wohl schon im XI. Jahrhundert) gewiß eine adjekti- 
vische Konstruktion Platz gegriffen hätte. Die St. Laurentiuskapelle wird im 
XIV. und XV. Jahrhundert noch mehrmals erwähnt. Das Fest des hl. Laurentius 
wurde in Chur mit Vigilia und Oktav gefeiert. Über die einstige Wichtigkeit 
der Laurentiuskapelle auf dem Hof in Chur vergl. Farner, Die Kirchenpatrozinien 
des Kantons Graubünden, in Jahresb. der bist. Ant. Ges. Graub. 1924, p- 34 t. 

Bischof Lucius Iter ließ die Kapelle niederlegen und 1546 eine andere 
Laurentiuskapelle an das südl. Seitenschiff der Kathedrale anbauen. 

° Der hl. Luzius ist der erste Patron des Bistums Chur. 

8 Der hl. Florinus ist der zweite Patron des Bistums Chur. 


—- Iy7 — 

Felice! cum istis et omnibus sanctis da propitius pacem in diebus 
nostris, ut ope misericordie tue adiuti et a peccato simus semper 
liberiet ab omni perturbatione securi. Per dominum. Per omnia 
secula seculorum. Pax Domini sit semper vobiscum. Et cum spiritu 
tuo. Agnus Dei. ? 


1 Wieso St. Felix, dessen Fest laut Necrol. Cur. am 14. Jan. gefeiert wurde, 
in Chur so spezielle Verehrung genoß, daß er mit den Patronen der ältesten (?) 
Churer Kirchen, sowie den Bistumsheiligen in den Canon Missae aufgenommen 
wurde, ist mir noch unerklärlich. Der Kult der Thebäer herrschte zwar in Chur, 
denn schon 1365 wird die St. Regula-Kirche zu Chur erwähnt. (Mohr, C. D. III. 
Nr. 124.) Sollte die Kirche ursprünglich nicht etwa den Hl. Felix und Regula 
gemeinsam geweiht gewesen sein ? Diese Annahme, in Verbindung mit unserem 
Texte, würde auf sehr hohes Alter der Kirche deuten. 

% Hiemit endet der Ordo missae. Es folgen keine Kommuniongebete, sondern 
direkt jene Gebete, die an der « Dominica prima de adventu » verrichtet werden. 
Die zu singenden Texte sind in kleineren Buchstaben geschrieben. Darüber stehen 
Punkt und Strichneumen (deutsche Neumen) des XI. Jahrhunderts. Die folgenden 
Stücke sind dermaßen fragmentarisch, daß von einer Wiedergabe abgesehen 
werden kann. 


a7 


Die Reform im Kloster St. Gallen. 


Von Dr. J. Ar. SCHEIWILER. 


(Fortsetzung und Schluss.) 


Am 25. Oktober 1587 muß Bruder Othmar von Altstätten, 
« gewesener Laienbruder im St. Othmarsspital des Gotzhus St. Gallen » 
Urfehde schwören, da er «nach vielen väterlichen Mahnungen des 
Gnädigen Herrn » sich nicht gebessert, sondern «etlich vil Stücke, 
als Öl, Wachs, lichter, Zwechlen und sonderlich etlich Gsang- und 
Kilchenbücher aus dem Münster » entwendet und an einen Appenzeller 
«um etlich Geld» verkauft hatte. Deshalb hat der Gnädige Herr 
« mir den Orden abnehmen und mich auf 101 Jahre aus seinen Gerichten 
verweisen lassen », bei Strafe der Hinrichtung, wenn er noch im Lande 
bliebe. ! 

Am 2. April 1577 entsetzte Abt Joachim die « Frau Mutter Anna ı 
im Wiboradaklösterchen zu St. Georgen ihres Amtes, da sie aus Geiz 
und Härte ihren Schwestern zu wenig Speise und Trank gab. ? 

Unter den auf Abt Joachim bezüglichen Schriften findet sich 
auch ein Zeddel mit Reformbestimmungen, die zwar keine Zeitangabe 
tragen, aber nach Form und Inhalt ganz dem Geiste dieses Abtes 
entsprechen. ® Der Konventual (offenbar ist der Pfarrer von St. Georgen 
gemeint) meide das Haus der Klosterschwestern, außer wenn er dort 
Messe lesen muß, was selten und nur im Notfall geschehe. 

Er meide auch müßiges Herumschwatzen in den Nachbarhäusern. 
Er meide nach Möglichkeit Gespräche und Vertraulichkeiten mit 
Frauen, was nicht erbaut, aber vieles zerstört. 

Wenigstens drei- oder zweimal wöchentlich wohne er den in der 
St. Othmarskirche gesungenen Vigilien bei, wenn das nicht möglich, 
bete er sie andächtig zu Hause. Man wird feststellen, wie oft er im 
Kloster essen dürfe. Er meide auch das Schwatzen an jenen Orten 
des Klosters, wo er nichts zu besorgen hat. 

Von besonderem Wert ist eine noch erhalten gebliebene Bestallung 


1 St.-A. Bd. 303, S. 49-51. 
2 St.-A. Bd. 850, Fol. 95-99. 
3 St.-A. Bd. 303, S. 315. 


für den Altvater der Laienbrüder im sogenannten St. Othmarspital. ! 
' Sie beginnt mit den Worten: «Meniglichen sei kundgetan, daß der 
_ hochw. Fürst Herr Joachim, Abt des Gotzhus St. Gallen (von späterer 
Hand ist Joachim gestrichen und darüber geschrieben Bernhardt), den 
Bruder Hans Jakob Prinerer (Peierer ?) aus der Reichenau (letzteres 
ist durchgestrichen und darüber von der gleichen Hand wie « Bernhardt » 
geschrieben Mathis Lütenegger von Bichelsee) in St. Othmars Spital 
zu einen Altvater gesetzt, folgendes zu halten : Er soll dafür sorgen, 
daß die Brüder nach alter Ordnung in die Kirche gehen, zu Amt, 
Vesper und Komplet, ihre Gewänder in den zugewiesenen Kästen 
haben, zur Matutin in ihren Ständen .bleiben, rechtzeitig erscheinen, 
«das man nit stetig klenken (d. h. in ihr neben dem Kloster gelegenes 
. Haus hinüberläuten) oder sonst lang warten und umlaufen müsse ; 
sie sollen andächtig zur Messe dienen, bei Festen schöner zieren und 
Lichter usw. richten. 

Der Altvater soll zu allen Kammern der Brüder Schlüssel haben 
und sie des Nachts visitieren. Nach altem Brauch haben die Brüder 
ihre Tischlesung und nach dem Essen eine freie Stunde, um etwas 
zu lesen oder zu arbeiten ; alle Monate sollen sie beichten und 
kommunizieren. Sie sollen sich nicht mit Stadtleuten einlassen vor 
ihrem Haus, rechtzeitig zur Ruhe gehen, die Gewissenserforschung 
machen und «mit gebogenen Knien » ihr Nachtgebet verrichten. Der 
Altvater sorge, daß ein jeder Bruder an Sonn- und Festtagen einer 
ganzen Messe beiwohne und nicht im Turm herumstehe oder in der 
Stadt herumlaufe, und daß keiner außer dem Kloster übernachte und 
keiner « Schlattrünke » annehme. 

Der Altvater soll die Türen gegen den Kreuzgang, den Chor und 
die Apsiden fleißig schließen ; er lasse keine fremden Leute durch 
die Kirche, besonders über die Stiegen bei der Kusterei oder beim 
Tormente, in den Konvent hinein. Namentlich lasse er keine Frauens- 
personen in die Apsiden, in denChor, noch viel weniger in den Kreuzgang 
oder Torment hinein (Schlafsaal). Wenn solche Personen einem Pater 
etwas zu sagen haben, rufe der Bruder denselben oder jener gehe in die 
Kirche hinunter, um rasch die Sache zu erledigen. Die Brüder sollen 
stets ihre Kappen tragen. 

Das Schriftstück trägt die Unterschrift : Joachimus, Abbas S. Galli 
(Autograph) und darüber den Vermerk : Actum, den 17. Mai a. 1597. 


1 St.-A. Bd. 303, S. 535-545. 


Es stammt also von Abt Joachim her, ist aber unter seinem Nach- 
folger unverändert für einen andern Altvater wieder verwendet worden. 
Die Mahnung betreffend das fleißige Abschließen von Chor, Kreuzgang 
usw. beweist, daß sowohl dem Abte Joachim wie seinem Nachfolger 
die Sorge für die Klausur am Herzen lag, daß aber wohl die Auffassung 
von der Klausur noch eine etwas schwankende und nicht allzu 
rigorose war. 

Mit dem Nuntius Paravicini stand Abt Joachim in regem freund- 
schaftlichem Verkehr. 1 In einem Briefe vom 5. Februar 158g *® spendet 
der Nuntius dem Abte (catholicae religionis adeo benemerito) hohes 
Lob wegen seiner eifrigen und erfolgreichen Tätigkeit bei den Appen- 
zellern. «Ich hoffe, daß durch Deine eifrigen Predigten, durch Dein 
Ansehen und Dein Beispiel der Katholizismus in jenen Gegenden 
wie auch im Toggenburg bald wieder hergestellt werde ; über Deine 
Frömmigkeit und Deine Tugenden werde ich dem Heiligen Vater 
Bericht erstatten. Ich muß oft wiederholen, daß ich in meinem Amte 
als Nuntius bei den Schweizern besonders zwei Männer als Stützen 
der Religion betrachte, nämlich den Bischof von Basel, Blarer von 
Wartensce, und den Abt von St. Gallen, wobei Du der noch erfahrenere 
bist. Möge Gott Dir nur immer mehr Kraft verleihen.» In einem 
weitern Schreiben rühmt der Nuntius besonders die Klugheit des 
Abtes im Vorgehen gegenüber den Appenzellern, die er durch Predigten, 
Gebete, ja selbst durch Gastmähler zu gewinnen wußte. ® Von Papst 
Sixtus V. erlangte er ihm eine Reihe wichtiger Privilegien für das 
Kloster St. Gallen. ® 

Im Jahre 1590 brach zwischen Abt Joachim und seinem Konvent 
ein scharfer Zwist aus, der vom August bis in den Dezember hinein 
viel Unruhe brachte und selbst den Nuntius in die Schranken rief. 
Es ist ein Analogon zu dem fast genau 200 Jahre später zwischen Abt 
Beda und seinen Konventualen entbrannten Streit. 

Jener Zwist wirft auch mancherlei Licht auf die Reform- 
bestrebungen des Abtes und auf den innern Geist seiner Kloster- 
familie. 5 


1 Maver, II, S. 156. 

2 St.-A. Bd. 303, S. 156-157. 

® St.-A. Bd. 303, S. 107 f. 

% St.-A. Bd. 303, S. 146 u. 147. (Brief vom ıo. November 1588.) 

5 Alle auf diesen Streit bezüglichen Akten siehe Staatsarchiv Luzern, 3. Fas- 
zikel über Abt Joachim Opser. 


ER: a ih ale Mei einen m Beisitzer mn 


— 20I — 


Schon am 6. Juni des Jahres 1590 hatten die Konventualen ihrem 
Abt eine Bitt- oder Beschwerdeschrift eingereicht, worin sie um einige 
Erleichterungen im klösterlichen Leben baten. Als ihnen keine 
Antwort zuteil wurde!, machten sie einen zweiten und schärferen 
« Fürtrag » (undatiert), worin besonders betont wird, St. Gallen «sei 
laut Stiftung und löblichen Freiheiten nicht ein beschlossenes, ver- 
mauertes Nunnen-Kloster, sondern geistlichem Stand unbeschadet ein 
offen unverrigeltes Gotshaus». Daher die dringende Bitte an Joachim, 
«die jetzt eingeführte neue verdrießliche unnotwendige, mißtrauliche 
und brüderlicher Liebe und Einigkeit wenig förderliche Clausuras und 
Verrigelung (was, wie wir oben gesehen, der Abt auf ausdrücklichen 
Befehl des Visitators Bonhomini angeordnet hatte) sunderlich under 
dem Gottesdienst und Zelebrieren abzuschaffen ». Auch in bezug auf 
Geld, auf Essen und Fasten, sowie Erleichterung beim Beichten meldet 
der «Fürtrag» Wünsche der Konventualen an, 

Auch diesmal erfolgte keine Antwort vom Abt. Da wandten 
sich die Bittsteller am 26. September 1590 in einem längern Schreiben, 
das 18 eigenhändige Unterschriften der Konventualen trägt, an den 
Schirmort Luzern, mit nicht weniger als 27 zum Teil allerdings fast 
identischen Beschwerdepunkten. 

In diesem Schreiben werden die Äbte Franz und Diethelm gerühmt 
und dann gesagt, Joachim habe vor und nach der Wahl versprochen, 
die Mönche bei ihren Freiheiten zu belassen (eine kirchenrechtlich 
unstatthafte Wahlkapitulation).. Nun folgen die wichtigern Klage- 
punkte: Sie hätten schier weder Kleider noch Essen und Trinken 
und seien so arm, daß sie selbst Schulden machen müssen, besonders 
jene, denen die Ihrigen nicht Hand zu bieten vermögen. Der Abt 
sei ganz prächtig gekleidet in Sammethosen, mehr weltlich als geistlich ; 
wenn ihm eine Speise nicht schmecke, werfe er sie zum Fenster hinaus ; 
er sei den Lastern der «Hurerei, des Spielens und Suffens vast 
ergeben», «gebe Katholischen und Sektischen viel Ärgernis»; er 
verschwende das Einkommen des Gotteshauses, verschenke es den 
Seinen und den Ratgebern, die werden reich, das Gotteshaus arm ; 
er habe dieses in Schulden gebracht ; es sei eine solche Zwietracht 
im Kloster, daß der Untergang drohe ; er rühme sich seiner « Gelerti », 
es sei keiner gelehrter ; «hatt dem Gotzhus 5000 Gl. verstudirt » 


 _* Das Schriftstück trägt die Nachschrift von Joachims Hand: «habe ces 
Dicht gut aufgenommen. » 


— 202 — 


und will jetzt das übrige auch noch «durchrichten » ; er unterstehe 
sich, den Gottesdienst zu ändern wider den Willen des Konvents; 
mit den Speisen halte man keine rechte Ordnung, man koche so 
unsauber als sollte man es den Hunden vorstellen, ähnlich mit dem 
Getränk ; was die Diener nicht mögen, gebe man den Mönchen ; ihre 
jährlichen gestifteten Pensionen und Gnadengelder gebe man ihnen 
auch nicht ; den Konventualen sollte man erlauben, daß sie zu ihrer 
Ergötzung auch die Ihrigen besuchen und von denselben Besuche 
annehmen dürfen ; das Bauen werde vernachlässigt ; die jährlichen 
Zinsen an den Statthalter, Dekan und das Bruderhaus seien seit 
7 Jahren nicht mehr ausgerichtet worden ; der Abt habe strenge 
geboten, daß keiner ohne Erlaubnis aus Zelle oder Konvent sich 
entferne ; Beicht und Absolution werden ihnen erschwert ; wenn einer 
im Münster zelebrieren will, schließe man vor- und nachher die Türen, 
also daß einem Priester niemand zu Hilfe käme, «was ihm auch 
zufiele » ; während sie Mangel haben, habe der Abt auch an Fast- 
tagen Überfluß ; er lasse «sechs oder acht Trachten » unversucht, 
ja sich oftmals bis zu 30 « Trachten » vorsetzen ; oft werde für ein 
Essen ein Kessel Schmalz und vieles andere gebraucht ; vor den andern 
zeige er große Heiligkeit, Abstinenz und Andacht, nachher ziehe er 
sich in sein heimliches Gemach zurück zu «seinen schönen Nayeren », 
schicke die Diener fort und lasse sich «heimlich wol spysen und 
tränken » bis über Mitternacht ; er gebe den ersten im Konvent ganz 
verächtliche Namen ; er liefere viel Geld an die Jesuiten in Dillingen ; 
er erhalte einige zwinglische Kinder der Stadt St. Gallen ohne Willen 
des Konvents ; in kurzer Zeit sei das Gotteshaus «um 100,000 Gl. 
ärmer worden ». 

Auf Grund dieser Klageschrift kamen Delegierte der Schirmorte 
Schwyz und Luzern am 6. Oktober 15go in Küßnacht zusammen und 
richteten an den st. gallischen Konvent ein beruhigendes Schreiben. 

Unter dem ı8. Oktober sandte der päpstliche Legat aus Uri einen 
Brief sowohl an den Abt wie an den Konvent, worin er seinen Schmerz 
ausdrückt über die unerquicklichen Zustände in St. Gallen und zu 
einer Zusammenkunft in Einsiedeln auffordert. Auch an Oberst Pfyffer 
in Luzern schrieb der Nuntius, es möge die Angelegenheit genau 
untersucht werden «all italiana » ; Joachim sei bei allen Kardinälen 
in Rom vorteilhaft bekannt und er habe gedroht, den Nuntius selbst 
in Rom zu verklagen (offenbar ein dem Nuntius zugetragenes Gerücht). 

Abt Joachim schrieb am 27. Oktober an die beiden Schirmorte 


“Ol ie mer ui GEHT ui nn Ei m 


| 


— 203 — 


Luzern und Schwyz, er sei ganz einverstanden damit, daß die Sache 
vor den Nuntius gebracht werde als die zuständige Behörde, nur 
darüber sei er befremdet, daß man den Unzufriedenen sofort geglaubt 
habe. 

Gleichzeitig richtete er an den Nuntius ein in jeder Hinsicht 
klassisches Schreiben, wie sie diesem Abte eigen waren : Von Uneinig- 
keit und Streit zwischen mir und meinen Mönchen weiß ich nichts, 
außer man wollte den Ungehorsam nicht aller, sondern einiger, 
Zwiespalt und Streit nennen. Nicht gegen mich in erster Linie, 
sondern gegen die Gelübde und gegen die Regel des hl. Benedikt geht 
ihr Kampf. Ich weiß wohl, was für Klagen gegen mich vorgebracht 
worden, wer sie aber geschrieben hat, weiß ich nicht. Ich vermute, 
es seien keine besonderen Freunde der Reform (non magni refor- 
mationis amici). 

Zur Beilegung der Schwierigkeiten ist aber kein Ort geeigneter 
als unser Kloster St. Gallen selbst, umsomehr als der größere und 
besonnene Teil meiner Mitbrüder, welche Gelübde und Reform hoch- 
halten, auf meiner Seite steht. Darum bitte ich, der Nuntius möge, 
wenn sich die Mönche nicht durch die Mahnungen und Briefe desselben 
zur monastischen Disziplin und Reform nach den Forderungen des 
Konzils von Trient bewegen lassen (nil aliud peto, nulla alia falsorum 
rumorum causa), möglichst bald hieher eilen. Sollte der Nuntius 
gesundheitshalber nicht erscheinen können, so werde ich unbescholtene 
Männer senden, die über unsere religiösen, familiären und auch zivilen 
Verhältnisse genauesten Aufschluß geben. Aus ganz wichtigen Gründen 
will der Abt nicht nach Einsiedeln. Wie ich mich je und je ganz Gott 
dem Herrn und unserm Erlöser Jesus Christus geweiht habe, so weihe 
ich mich aufs neue gänzlich der katholischen Kirche und der Reform 
meiner Brüder. Darum nochmal die inständige Bitte an den Nuntius, 
doch zu kommen. 

Die beiden katholischen Schirmorte suchten in taktvoller Weise 
den Streit zu schlichten, ohne den dritten Schirmort Zürich mit der 
Sache zu behelligen ; letzteres hörte aber doch von der Angelegenheit, 
die viel Staub aufwirbelte und richtete eine Anfrage an die beiden 
Mitstände, worauf Luzern den Zürchern eine ruhige, objektive Dar- 
stellung des Handels unterbreitete. Von den Mönchen kamen unter- 
dessen neue, noch heftigere Korrespondenzen. Insbesondere zeigten 
sie sich nervös, da einige aus ihrer Mitte zum Abte «abfielen », nach 
ihrer Darstellung, weil sie gute Stellen bekamen. Auch den «aman 


tissimum Patrem Ludovicum », den berühmten Kapuziner P. Ludwig 
von Sachsen, Guardian in Appenzell, beriefen sie als Vermittler. 

Vom Nuntius kam nochmals ein Schreiben am 25. November 1500 
an Joachim, es werde ja immer ärger in St. Gallen wegen der großen 
Strenge des Abtes. Er sende nun seinen Sekretär Cornelius Pozzo 
mit Vollmacht, um die Sache zu erledigen. Der Abt möge in allem 
vertrauensvoll gehorchen. 

Am ı. Dezember begann Pozzo, von dem Kapuziner P. Ludwig 
unterstützt, im Kloster St. Gallen die Untersuchung, welche sechs 
Tage dauerte. Zunächst wurden vier Mönche vom Konvent bestimmt, 
mit dem Abt zu sprechen. Nach dreistündiger Unterredung kamen 
sie zurück mit der Meldung, sie haben alles anders gefunden als sıe 
gemeint, es sei alles auf guten Wegen zur Besserung. Der Abt 
entlastete sich dann vollständig von den ihm vorgeworfenen Klagen. 
Er wies die Rechnungsbücher vor und Pozzo stellte fest, sie seien 
«di anno in anno diligenti ben tenutiv. Der Abt erklärte die 
Behauptung, er habe das Gotteshaus einem Lutherischen versetzt, als 
Lüge ; Ursache der aufgelaufenen Schulden seien fünf Fehljahre, 
übrigens wolle er beweisen, daß sich die Schulden nicht höher belaufen 
als 40,000 Gl., wovon der größte Teil noch aus der Zeit, ehe er Abt 
gewesen ; er habe alle Zinsen bis auf diesen Monat abbezahlt, die an 
Luzern schuldigen 12,000 Gl. habe er bereits ablösen wollen, dann 
aber zum Wiederaufbau des durch Blitzschlag zerstörten Turmes und 
der Glocken gebraucht, des «Gebüwes halb habe er nüt gebaut, denn 
die Küche zu Notwendigkeit des Konvents » (also kein Frauenhaus, 
wie Bonhomini verlangt hatte). Das Geld nach Dillingen sei nur 
Tischgeld für die dort Studierenden, «laßt sehen in synem Schrib- 
täffelin, das er uff derselben reis (nach Dillingen) gar wenig verzehrt ». 
Der Kommissär fragte, warum so viele Laien Klosterverwalter seien, 
da auch die Konventualen solche Ämter versehen könnten. Joachim 
antwortet, er müsse jene halten wegen der weltlichen Angelegenheiten 
und besonders wegen den Malefizsachen, den Mönchen gebe er schon 
die Ämter, die für sie passen ; an Dienstleuten und Reiterei habe er 
um die Hälfte minder als andere Prälaten. 

Der Näherinnen halber im Kloster, seien dieselben seit vielen 
Jahren dagewesen, um die Kirchen- und Klostergewänder zu nähen, und 


1 S, Scheiwiler, P. Ludwig von Sachsen, Ein Beitrag zur Gegenreformation. 
Diese Zeitschrift, Jahrgang 1916, S. 241-274. 


— 205 — 


. zwar ohne allen Argwohn (wieder ein Beweis für die etwas schwankende 
und weitere Auffassung von der Klausur), als er aber gesehen, daß 
man etwas Argwohn nehme, «habe er sie geurlobet ». Wegen unsau- 
berem Kochen und «schlechtlich traktiren », trage er keine Schuld, 
ahabe den Koch und Amtslüt oft übel darum gehandlet». Der 
Kommissär ging dann selbst etliche Mal unvermutet zum Essen und 
fand es sehr reich, ja «ihrer Regel nach zu vil, man gebe 6 oder 
7 Trachten und jedem sin Maß wyn übers mal ». 

Der Prälat stellt entschieden in Abrede, daß er Neuerungen ein- 
führe, außer der Reformation «und Gelobung der Regel und des 
Ordens». Auch habe er den Mönchen so viel Geld gegeben als für 
Nahrung und Kleidung nötig war, und bei diesem Standpunkt werde 
er bleiben und nichts nachlassen. « Des gewöhnlichen Gotzhus Almosen 
halb fahre er der gewöhnlichen alten Ordnung nach ». 

Joachim betonte auch, es fließe aller Unwille «von wegen der 
Reformation und Anstellung des Haltens der Regel, so er angefangen, 
und wären allein ihrer 3 oder 4, welche um ihres ärgerlichen Lebens 
gestraft worden, die jetzt unter dem Namen des Konvents diesen 
Lärm gemacht » (das wird noch im Detail ausgeführt). 

Die Artikel gehen nun an den Nuntius, der werde «alles erduren, 
was billig und gut blyben und bestäten». Ein italienisches Schreiben 
des Nuntius an Luzern mit der beigeschlossenen Relation Pozzos 
spricht den Gedanken aus, man sehe hier, daß es klug sei, nicht einem 
oder zwei Mönchen Glauben zu schenken, weil sie voll Leidenschaft 
seien, zwei oder drei verführen einen großen Lärm und tun, als ob 
sie im Namen aller handeln, und schließlich wissen die andern nichts 
davon. 

Am 29. Dezember 1590 kam ein Vergleich zwischen Abt und 
Konvent zustande. Man wolle sich gegenseitig alles verzeihen und 
nichts mehr nachtragen. Sodann solle das nach dem Tode Abt 
Öthmars geschlossene Übereinkommen (die seinerzeitige Wahlkapitu- 
lation) weiterhin Geltung haben ; demzufolge werde Joachim den 
Gottesdienst nicht gegen das alte Herkommen beschweren ; er wolle 
auch nichts bauen oder verändern gegen oder ohne Wissen des 
Konvents. Er werde ferner die Pfründen belassen, deren Zinsen 
bezahlen, die nötigen Kleider den Konventualen geben, die Kranken 
besorgen, was er an Klausur und neuen Bräuchen eingeführt, wieder 
fückgängig machen ; ererbtes Gut dürfen die Konventualen behalten, 
“niessen und bruchen », selbst verwalten und «mit unserm Wissen 


=; 206. 


den Verwandten übergeben ». Sollte der Abt resignieren, so sei das 
Kapitel vollkommen frei in der Wahl. Dieser Vergleich bedeutet eine 
völlige Kapitulation des Abtes vor den widerspenstigen Konventualen, 
aber auch den Verzicht auf Durchführung der von Bonhomini so strenge 
verlangten Neuerungen und die Zurücknahme der bereits angeordneten 
Reformen. Der päpstliche Nuntius legte denn auch in einem Schreiben 
vom 9. Januar 1ı5gı an den Schirmort Luzern Protest ein gegen die 
Zumutung, daß die Konventualen zeitliche Güter, Erbfälle und der- 
gleichen sich oder andern vorbehalten ; das sei ein grober Verstod 
wider das Armutsgelübde. 

In den Monaten Februar und März 1593 machte der Streithandel 
des Abtes Joachim gegen Jakob Seybrand, Glaser von Memmingen, 
viel von sich reden. Dieser Ausländer, der eine Zeitlang im äbtischen 
Gebiet wohnte, verfeindete sich einer unbedeutenden Sache wegen aufs 
bitterste mit P. Benedikt Pfister, Pfarrer in St. Georgen, und wurde 
dann aus dem Stiftslande verwiesen, worauf er in der halben Schweiz 
den St. Galler Abt und den Konventualen P. Pfister in gemeinster 
Weise schmähte und verleumdete, ja durch den Nuntius die Sache bis 
an den Papst zog. Abt Joachim schrieb am 13. März 1593 an Luzern, er 
sei bereit, sich vor dem Papst, wohin der Glaser den Handel gezogen, 
zu defendieren ; die überspannten Forderungen desselben könne er nicht 
annehmen, sei aber bereit, ihm ein Almosen von 30-40 Gulden zu 
geben, die wiederholt beschworene Urfehde müsse derselbe halten. 

Nachschrift : «Ich hab dem Glaser mein Lebtag kein Leid weder 
mit werken noch worten getan. So mir Gott helff. 

Joachim, Abbas S. Galli. » 


Unter dem 16. Januar 1593 erfolgte ein tadelndes Schreiben von 
Seiten Kardinals Paravicini, des früheren Nuntius in der Schweiz, 
an Abt Joachim, wozu Stipplin! bemerkt, Joachim sei von übel- 
wollender Seite (eben von Glaser Seybrand) in Rom verklagt worden ; 
wenn der Kardinal die Verhältnisse der Schweiz und des äbtischen 
Gebietes besser gekannt hätte, wäre wohl sein Schreiben anders 
ausgefallen. Der Kardinal mahnt in diesem Brief, Joachim solle seinen 
weltlichen Räten nicht zu viel Vertrauen schenken ; und denselben 
einschärfen, daß sie auf jede Weise dem katholischen Glauben in den 
Gemeinden der Stiftslande Vorschub leisten, die Häretiker dagegen 


1 St.-A. Bd. 194, S. 187. 


klein halten. Hemberg, Peterzell und Wattwil seien mit tüchtigen 
Seelsorgern zu versehen, dann werden noch fast alle Gemeinden des 
Toggenburg zum alten Glauben zurückkehren. Joachim soll nicht 
fragen, wer das alles dem Papst hinterbracht habe, er soll nur tat- 
kräftig seine Pflicht tun, auch für das Volk von Appenzell besser sorgen, 
«das in so großer Einfachheit lebt ». 

Nebst den großen Verdrießlichkeiten seitens der widerspenstigen 
Konventualen und des verleumderischen Glasers Seybrand hatte Abt 
Joachim in seinen letzten Lebensjahren durch anhaltende Krankheit 
viel zu leiden. Ein langwieriges Magenleiden quälte ihn Jahre lang, 


:- so daß er fast nichts mehr genießen konnte. ! Dieses schwere Leiden 


hat wohl auch die Energie und den die ersten Priester- und Prälaten- 
jahre kennzeichnenden Reformeifer des tüchtigen Abtes vorzeitig 
gebrochen und ihn vor den Widerständen erlahmen lassen. Mißwachs 
und schlechte Ernten stürzten die Abtei in schwere wirtschaftliche 
Not. Um 24,000 Gulden verkaufte Joachim den schönen Klosterbesitz 
zu Neuravensburg und Wangen. Die Nachwelt kennt nicht mehr die 
Gründe dieses Verkaufs, bemerkt Schenk in seiner Chronik ?, sonst 
würde sie vielleicht den Abt loben ; der Autor der Wiler Chronik, 
der genau die st. gallische Geschichte verfolgte, sagt, es seien große 
Schulden angewachsen, weil viele Jahre hindurch keine rechte Ernte 
einging ; sogar für den eigenen Hausgebrauch habe das Kloster Wein 
kaufen müssen, was seit Ioo Jahren nicht mehr erhört war. Diese 
mißliche ökonomische Lage des Stiftes hatte zur Folge, daß dem Abt 
vier Administratoren aus dem Konvent zur Seite gestellt wurden. ® 

Trotz all dieser großen Hemmnisse und Schwierigkeiten hat unser 
Abt den Reformgedanken bis zu jener unglücklichen Kapitulation vor 
seinen rebellierenden Mönchen nie aus dem Auge verloren, sondern 
für die von der Kirche verlangte Reform getan, was er in Anbetracht 
der Verhältnisse tun konnte, wie gerade die Anklagepunkte der unzu- 
friedenen Mönche mit aller Deutlichkeit bekunden. 

Zuerst mußte aber ein neues, ernster und kirchlicher gesinntes 
Geschlecht von Mönchen heranwachsen, ehe es gelang, die Tridentinische 
Reform erfolgreich durchzuführen. Unter den Äbten Bernard und 
Pius ward diese schwere Aufgabe gelöst. 


1 Schenk, Chronicon, Bd. 1240, S. 602. 
®: a.a. O. S. 604. 
® Diese Zeitschrift XII, S. 137. 


— 208 — 


Abt Joachim hat durch einen heldenhaften Tod seinem Leben die 
schönste Krone aufgesetzt. Während eine furchtbare Pest wütete und 
alles panikartig vor der Seuche floh, blieb er mit wenigen Mönchen 
im Kloster zurück und verkündete eifrig und unerschrocken das Wort 
Gottes. Bei dieser heiligen Handlung traf ihn ein Schlaganfall auf 
der Kanzel und gleichen Tages starb er als ein Opfer seiner freiwillig 
und herorisch übernommenen Pflicht. ! 


4, Die Reformtätigkeit Abt Bernards. 


Am 24. August 1594 war Abt Joachim gestorben, nachdem er 
17 Jahre, 6 Monate und 27 Tage regiert hatte. ? Nach dem Begräbnis 
am 27. August fand sofort die Abtwahl statt, in welcher der bisherige 
Dekan Bernard Müller von Ochsenhausen an die Spitze der Fürst- 
abtei berufen wurde. 

Die Abtwahl bekam noch ein bewegtes Nachspiel. Vom Kloster 
Weingarten aus schreibt der päpstliche Nuntius Hieronymus Portia 
am 28. Oktober 1594 an Bernard, er habe den Auftrag, einige Klöster 
in Deutschland zu visitieren und wolle mit St. Gallen, das den ersten 


Rang einnehme, beginnen. Schon im Jahre zuvor hätte das geschehen 


sollen, also noch unter Abt Joachim ; damals sei aber die Pest da- 
zwischen gekommen. ® Papst Klemens VIII. hatte unter dem 24. Sep- 
tember 1594 dem Nuntius Portia Auftrag zur Visitation erteilt mit 
der Motivierung *: «Quia non ignoramus multa in eodem monasterio 
esse, quae non mediocri reformatione indigeant. » 

Abt Bernard schrieb von Wil aus am 30. Oktober an den 
Nuntius 5, daß er durch den Brief teils erfreut, teils aber erschreckt 
worden sei. Es gehe nicht an, jetzt eine Visitation zu halten, es gebe 
zu viel Lärm, alles sei unsicher, man müsse zuerst die Leute an 
andern Orten daran gewöhnen, die Patres seien zudem zerstreut. 

Darauf erfolgte vom Nuntius (wie 15 Jahre früher von Bonhomini 
an Abt Joachim) eine sehr scharfe gereizte Antwort aus Sigmaringen 
(6. November 1594). .... «Ich hatte gehofft, der Abt werde eine 


Visitation freudig begrüßen als eine Gelegenheit, ut monasterium 4 


1 S, diese Zeitschrift XII, S. 156. 

2 S, Zeitschr. f. Schweiz. Kirchengesch. II, S. 89. 
8 St.-A. Bd. 194, S. 225. 

%a.a.0.S. 244 f. Vgl. St.-A. Tom. I, S. 604 f. 
5 St.-A. Bd. 194, S. 236 f. 


mala illa opinione liberaremus, qua tum apud Papam tum pene totam 
Curiam Romanam valde laborat. Wenn nicht ich eine bessere 
Meinung hätte und der Abt von Weingarten nicht diese bestätigte .... 
confirmaretur Papa in mala et inveterata illa de Sangallensibus opinione 
idque merito, wenn der neu Erwählte nicht einmal päpstlichen Mandaten 
gehorchen will. Der Abt solle auf den ır. November nach Konstanz 
kommen, ohne sich um das Geschwätz wenig religiöser Menschen zu 
kümmern. Sonst würden härtere Maßregeln folgen. » 

Sofort reiste Bernard nach Konstanz und gab dem Nuntius 
beruhigende Erklärungen. Zu Anfang des Jahres 1595 teilte der Abt 
seinem Kapitel die bevorstehende Visitation «suaviter et caute» mit. 

Am 25. Januar traf dann der päpstliche Nuntius in St. Gallen 
ein und hielt während fast drei Wochen, durch Abt Georg von Wein- 
garten, «viro bono, docto, insigni et sancto», unterstützt, die 
Visitation ab.! Der Visitationsrezeß wurde am 13. Februar 1595 
unterzeichnet und dem Konvent übergeben. ® Es ist ein Reformdekret, 
das mit großem Nachdruck die Beobachtung der klösterlichen Regeln 
und Pflichten einschärft und auf vorhandene Übelstände mit aller 
Schärfe, deren Sanierung fordernd, hinweist. In einem Breve vom 
18. März 1595 an Schultheiß und Rat von Luzern, «ecclesiasticae 
libertatis defensoribus », schreibt Klemens VIII. : Portia habe manches 
Reformbedürftige in St. Gallen gefunden : «refrigerato spiritus fervore 
et veteris observantiae nervis dissolutis, multa paulatim irrepsisse, 
quae professioni et votis monasticis minime consentirent, quaedam 
sustulit, mutavit, confirmavit. Helfet dem Abt, daß ihm: das Werk 
gelinge. Euere Rechte sind nicht verkürzt. »? 

Als besonders dringliche Reformen werden bezeichnet : « vitium 
proprietatis radicitus evellatur », und das Armutsgelübde sei in voller 
Strenge zu beobachten ; ferner, daß bei Profeß und Weihen das vom 
Tridentinum vorgeschriebene Alter genau innegehalten werde ; endlich, 
“ daß inter septa monasterii et clausurae fratrum nulla omnino mulier 
admittatur, auch in die Abtei darf keine Frauensperson hinein. * «Ja, 
weil selbst die Gefahr zu fliehen ist, verordnen Wir, daß jener Platz, 
der neben der Kirche offen steht, und den viele in übelster Weise und 


1 S, diese Zeitschr. II, S. 92. 

2 St.-A. Bd. 194, S. 246-256. 

3 St.-A. Tom. I, S. 626 f£. 

* Für vornehme oder den Konventualen verwandte Frauenspersonen wird 
verlangt : paretur illis in domo aliqua contigua extra septa monasterii hospitium. 


REVUE D'HISTOIRE ECCLESIASTIQUR 14 


— 210 — 


sogar mit Ärgernis mißbraucht haben, durch eine mit zwei Schlössern 
gut versehene Türe in der Nacht vollständig abgeschlossen, während 
des Tages aber nur auf Geheiß des Abtes oder Dekans geöffnet werde. » 
Auch in die Küche darf keine Frauensperson, nicht einmal eine Magd 
eintreten, da es wohl bekannt ist, was für Übelstände von jener Stelle 
herrühren, wo man von der Küche aus in das Refektorium hineinsehen 
kann. 

Kaum war die Visitation vorüber, als ein gewaltiger Sturm von 
seiten des Konventes gegen den neuerwählten Abt losbrach. Bereits 
am 2. April 1595 richtet Bernard einen flehentlichen Hilferuf an den 
Nuntius Portia : «gravissima mihi et stupenda accidunt » ; und schon 
wieder am 12. des gleichen Monats schreibt er nochmals an ihn von 
unglaublichen Schwierigkeiten, die seinen Mut brechen würden, wenn 
nicht Gott und gute Menschen ihn trösteten. Der Nuntius möge in 
Luzern für ihn eintreten, aber nicht merken lassen, daß er um das 
gebeten worden sei ; wenn die Luzerner den Rebellen helfen würden, 
könnte der Abt nicht mehr weiter sein Amt ausüben. ? 

Was war denn geschehen ? Eine ganz ähnliche Konspiration, 
wie sie gegen die Reformversuche Abt Joachims im Sommer 1590 
gearbeitet hatte, wurde fünf Jahre später gegen seinen Nachfolger 
inszeniert.® Während aber der durch finanzielle Sorgen und stete 
Kränklichkeit schwach und energielos gewordene Joachim vor seinen 
Gegnern kapitulierte, nahm Bernard den Fehdehandschuh entschlossen 
auf und setzte die von der Kirche geforderte Reform siegreich durch. 
Es ist bezeichnend für die Geistesverfassung gewisser Mitglieder des 
Konvents, daß sie ihrem Abt vorwerfen, er sei ein Fremder (Bernard 
war von Ochsenhausen) und «nit unserer Nation », er habe die Wahl- 
kapitulation (wie ihm befohlen worden) an den Nuntius ausgeliefert, 
und dieselbe sei kassiert worden, der Nuntius sei einlogiert worden, 


allen Stand des Klosters zu erkundigen, «on Inred des Abtes », sie 


dürfen gar kein Geld und keine Pretiosen mehr besitzen, « Nüwerung 
fallend täglich für mit irer höchsten Beschwärd », besonders in bezug 
auf den Gottesdienst. 

Der Abt stellt diesen Klagen gegenüber fest, daß ein oder zwei 


la.a.O.c. 64, non enim est ignotum, quae incommoda ex loco illo, quo 
ex culina in refectorium prospicitur, accidere possint. 

3 St.-A. a. a. O. S. 262. 

3 Die bezüglichen Akten, siehe Luzerner Staatsarchiv a. a. O. 


= 21 — 


a Brüeler » die Anstifter seien, die hinterrucks diesen Brief « gedichtet » 
und von den andern ein weißes Papier haben unterschreiben lassen, 
das sie dann mit dem Brief mitschickten. Im übrigen fällt es ihm 
nicht schwer, einen Punkt um den andern zu widerlegen. 

Schon am Io. September 1595 kann er dann auch dem Nuntius 
mitteilen, daß die Dinge ordentlich gehen ; es sei gut gewesen, daß 
er sofort nach der Visitation die wichtigeren Postulate in Angriff 
genommen habe. Die besseren Patres stellen sich gut ein.! Noch 
besseren Bericht kann er am 12. Januar 1596 geben : «Meine Brüder 
fangen langsam an, sich zu fügen, da sie sehen, daß sie bei den 
Weltlichen keine Hilfe finden ?; die Angelegenheit der Visitation und 
Reformation schreitet glücklich voran pro statu et conditione hominum 
quibuscum ago ; ich habe bereits die Hauptpunkte in Angriff genommen, 
und obwohl einige Konventualen noch halsstarrig sind, so geben sie 
doch gern oder ungern nach, weil sie sehen, daß ich in keinem Punkte 
markten lasse. » 3 

Mehrere Schreiben, sowohl vom Nuntius ®@, wie vom Papste selber, 
sprechen denn auch dem Abte Dank, Anerkennung und Ermunterung 
aus für seine eifrige und erfolgreiche Reformtätigkeit. 

Schon am 18. März 1595 hatte Clemens VIII. ein Breve an 
Bernard gesandt, worin er ihm schreibt, daß die Wahlkapitulation 
vernichtet sei, und daß nie mehr eine solche geschlossen werden dürfe ; 
«eine einzige Kapitulation sollt ihr hochhalten wie eure Vorfahren getan, 
nämlich die Regel des hl. Benedikt ; so wird euer Kloster wieder ein 
Paradies Gottes und gleichsam eine Werkstätte der Weisheit und 
Heiligkeit werden. Du aber, mein lieber Sohn, sorge dafür, daß die 
klösterliche Disziplin, quam valde in monasterio isto, quod dolenter 
commemoramus, collapsam esse audivimus 5, diligenter instauretur 
und daß die Statuten des Nuntius «inviolabiliter observentur ». Da- 
widerhandelnde sind unerbittlich zu strafen. « Meine lieben Söhne, ihr 


!a.a.0.S. 257. 

? Der Appell an weltliche Hilfe gegen geistliche Instanzen war damals bei 
Klerikern und Mönchen kein unbeliebtes Kampf- und Druckmittel. Ein klassisches 
Beispiel dieser Taktik haben wir an der Klageschrift des Waldstätterkapitels 
gegen Bonhomini. R. u. St. 16, 412. 

?a.2.0.S. 258. 

* St.-A. Rubr. 38 Fasz. 5. 

® Ganz ähnliche Worte brauchte der Papst in seinem Schreiben an den 
Nuntius, wo er diesen mit der Visitation von St. Gallen beauftragte. S. oben. 


= 212 — 


Mönche, Wir vertrauen auf euch, daß ihr alles genau haltet und dem 
Abt als eurem Vater gehorchet. »! 

Am 15. November des gleichen Jahres richtet Clemens VIII. an 
Abt Bermard ein in hohen Tönen des Lobes abgefaßtes Schreiben : 
Es sei dem Papst ein großer Trost in diesen trüben Zeiten, « dum zelum 
tuum et regularis disciplinae restituendae ac religionis catholicae conser- 
vandae et propagandae studium audimus. » ? 

Zwei Tage nach Abfassung des Visitationsrezesses hielt Abt 
Bernard mit den in St. Gallen anwesenden Mitgliedern des Konventes 
ein Generalkapitel, worin er eigens betont, er sei nicht die Ursache 
der geschehenen Visitation gewesen ; sie hätte gleichwohl statt- 
gefunden, auch wenn er nicht Abt geworden wäre, nur noch in 
strengerer Form ; dann ermahnt er die Brüder zum treuen Gehorsam 
gegenüber den Dekreten ; er werde als gütiger Vorgesetzter diese 
Gesetze in milder Weise durchführen ; alle mögen besonders den Kanon 
gegen das persönliche Eigentum strenge beobachten. 3 

Eine von Abt Johannes Jodokus aus Muri im August des Jahres 
1600 zu St. Gallen gehaltene Visitation fand nur noch weniges zu 
verbessern. Das römische Missale ist eingeführt ; dementsprechend 
sollen auch die Paramente sein; die Messen sind so zu verteilen, 
daß noch genügend Leute im Chor seien ; für die Kranken ist ein 
größerer Raum zu schaffen. Kelche, Korporalien und Purifikatorien 
scien allen gemeinsam ; das Stillschweigen ist noch genauer zu 
beobachten, auch bei den Horen alles Lachen, Schwatzen und Unruhe- 
stiften zu meiden ; gegenseitige Liebe, Flucht vor Müßiggang, Meiden 
jeder Trennung voneinander bei Ausgängen wird eingeschärft. ? 

Eine folgende Visitation von seiten des gleichen Abtes im Jahre 
1601 fügt nichts weiteres bei, sondern bestätigt das obige. ® 

Die vom päpstlichen Nuntius im Februar 1595 geforderte Reform 
war also im wesentlichen durchgeführt. Die Gründung der schweize- 
rischen Benediktinerkongregation, für die ein Breve Papst Klemens’ VIII. 
vom Io. August 1602 den Prälaten von St. Gallen, Einsiedeln, Muri 
und Fischingen freudiges Lob spendet ®, befestigte dann die begonnene 


1 St.-A. Tom. I. S. 617. 

2 a. a. O. S. 620. 

3 St,-A. Bd. 309, S. 80 ft. 
% St.-A. Bd. 309, S. 479 ft. 
5a.a.0.S. 48ı. 

6 St.-A. Tom. I. 624. 


Reform und machte sie, nicht bloß für St. Gallen, sondern für das 
ganze Gebiet der Schweiz erst recht wirksam. Das XVII. Jahrhundert 
sah denn auch nach mehr denn einem Jahrhundert des Niederganges 
oder schwächlicher Reformversuche einen mächtigen Aufschwung 
Benediktinischen Geistes und Benediktinischer Kulturkraft auf den 
verschiedensten Gebieten des Lebens und der Tätigkeit, einen Auf- 
schwung, der sich bis in die Mitte des XVIIl. Jahrhunderts zu einer 
wahren Hochblüte von Wissenschaft und Kunst, aber auch von 
aszetischem Eifer und vorbildlichem Tugendstreben entfaltete. Die 
Zeugen dieses Aufschwunges und dieser Kulturblüte sehen wir noch 
heute in den wunderbaren klösterlichen Barockbauten der Schweiz 
und Süddeutschlands, sowie in den reichen Bibliotheken der noch 
bestehenden wie der säkularisierten Benediktinerstifte diesseits und 
jenseits des Rheines. Auch dem altehrwürdigen Stamm des Benedik- 
tinerordens hat also das Konzil von Trient neue Lebenskraft eingeflößt 
und neuen Jugendglanz verlichen. 


Exkurs über Florin Flerch. 


Florin Flerch gehört zu den bedeutendsten Gliedern des schweize- 
rischen Klerus in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. 1 Auf 
die Reform im Kloster St. Gallen hat er wenigstens indirekt einen 
segensreichen Einfluß ausgeübt. 

Bei Hottinger, Glück und andern wird er Fleuch genannt ; in seinen 
eigenhändigen Akten nennt er sich Flerch, in den Konstanzer Synodal- 
akten von 1567 heißt er Flörch. ? 

Unter dem ı2. Mai 1553 bekennt Florin Flerch von « Lemgaw » 
mit eigenhändiger Unterschrift, daß ihm Abt Diethelm «uf mein 
bittlich ainhalten und erzaigte fürgschrifft » die Kaplanei der St. Jakobs- 
Pfründe «pro titulo priesterlichs ampts gnediglich conferirett und 
zugestellt lautt und inhalt ains sondern an meinen g(nedigen) fürsten 
und herrn bischoffen zu Costantz ausgangen brieffs » ; er verspricht 
dagegen, dem Abte auf der Kaplanei oder einem andern Benefizium 
«oder fürnemlicher uf ainer pfarpfrund » vier Jahre lang zu dienen. 
Wird ihm aber eine andere Pfründe als die St. Jakobspfründe über- 


15, H. Reinhardt, Nuntiatur-Berichte, Bd. I, Einleitung. 
3 Segesser, Rechtsgesch. der Stadt Luzern IV, S. 328, A. ı. 


geben, so wird er der letzteren freiwillig resignieren. Für ihn siegelt 
auf seine Bitte Hans Sayler, Burger zu St. Gallen, « Frytags vor auf- 
. fahrt Christi. »! 

Am 19. Juni 1553 richtet Abt Diethelm mit Florin Flerch von 
« Lemgenow », päpstlichem Notar, eine Bestallung auf: Flerch ist 
verpflichtet, « all lateinisch brieff, so im gotzhus Sant Gallen zü schreiben 
innfillind, muglichs fleiss zü concipieren und zü verfertigen, ouch wahin 
er gescheffthalb von minem gnedigen fürsten und herren geschickt 
würt, dasselbig flyssigklich und mit trüwen ussrichten », dagegen hat 
ihn der Abt beritten zu machen, ihm, wenn er allein irgendwohin 
geschickt wird, einen Diener mitzugeben und « fütter und mal, nagel 
und yssen all zit zutzallen ». Zur Vergeltung verleiht ihm der Abt die 
Pfründe der St. Jakobskaplanei auf St. Johannstag 1553. Dazu soll 
er den Tisch mit Essen und Trinken in dem Siechenhaus wie die andem 
Priester auf dem Liebfrauenamt haben. ? 

Am ı3. November und 16. Dezember 1555 ist Florin Flerch 
plebanus in Gossau, ist er procurator des Abtes in Konstanz betreffend 
die Union des Klosters St. Johann im Toggenburg mit St. Gallen, 
wobei Konstanz protestiert, und nach vollzogener Union Notar, wo 
er sich unterschreibt ex Lemmingen, Paderbornensis dioecesis ; er ist 
hier nur päpstlicher Notar. ? 

Vom ı9. Dezember 1556 datiert die Bestallung Florin Flörchs 
« von Lenngenow von bäpstlichem gwalt offner Notarius und Priester » 
als Pfarrer von Gossau : «Ich soll mich auch allein der pfarrpfruend 
güetter und derselben nutzung sampt dem jarzyttbuoch, was das 
innhalt benützen lassen». Dafür gibt ihm der Abt jährlich 100 fl. 
Nebstdem steht er in des Abtes Dienst, um für ihn lateinische Briefe 
zu schreiben und zu andern ähnlichen Funktionen, erhält dafür alle 
Jahre ein Fuder Wein und 30 fl. ? 

Dieser Florin Flerch war, bevor er als Pfarrer installiert wurde, 
schon während drei Jahren Pfarr-Vikar von Gossau. ® 

Flerch erscheint als päpstlicher und kaiserlicher Notar, sowie als 
Protokollführer der Prälatenversammlung in Rapperswil betreffend 
Beschickung des Konzils von Trient am 26. Januar 1562. 5 


1 Papier-Original mit wohl erhaltenem Oblatensiegel ; Autograph Flerchs- 
St.-A. Rubr. ı3, Fasz. 16. 

2 St.-A. Rubr. 13, Fasz. 16. 

3 Abgedruckt bei Ruggle, Geschichte der Pfarrgemeinde Gossau, S. 212-214. 

%a.a.0.S5. 214. 5 5. Meyer, Konzil von Trient I, 46. 


— 215 — 


Er wurde dann von dem Einsiedler Abt Joachim Eichhorn zum 
Begleiter an das Konzil gewählt. Die Pfarrei Gossau soll ihm mit allen 
Rechten vorbehalten bleiben ; sein Stellvertreter an Sonn- und Feier- 
tagen erhält für jedesmal ıı Batzen.! Er ist auch am 29. Januar 1562 
Begleiter des Abts Joachim auf dem Tage der V Orte zu Luzern. ? 

Im März 1562 begleitete Flerch von Uri aus den Einsiedler Abt 
als Sekretär, Theolog und Redner nach Trient, wo er bei der Begrüßung 
in lateinischer Sprache antwortete ® und die Abgeordneten der Eid- 
genossenschaft dem Präsidenten des Konzils vorstellte. ® 

In der Rechnung Abt Joachims steht für Bekleidung des Sekretärs 
Florin Flerch 25 fl. 6 Batzen, Pferd für Flerch 25 fl. 6 Batzen. 8 

Im September 1562 schreibt Florin an die schweizerischen Gottes- 
häuser um Bezahlung der 2. Taxation von Montag nach Lätare 1562. ® 

Ägid Tschudi überschickte an Abt Joachim ein Manuskript «Col- 
lectanea »; der Abt möge die Schrift niemanden als dem Florinus 
mitteilen. ” Da er als Sekretär des wegen Erkrankung zurückgekehrten 
Abtes Joachim schreibt, 5. September 1562, scheint er auch nach 
der Rückkehr zeitweilig in dessen Diensten geblieben zu sein. Auch 
er war krank. ® 

Flerch erscheint wieder als Notar in der Beistimmungserklärung 
Abt Joachims von Einsiedeln zum Konzil von Trient (26. Januar 1564). 
Doch ist das Instrument nicht von Flerchs Hand geschrieben, was 
er extra anführt, wohl aber mit seinem Signat versehen. Er nennt sich 
apostolischer und kaiserlicher Notar, ex Lemmingen. 

Florin begab sich Ende August auf seine Pfarrei zurück. Weiterhin 
wird von einem Besuche Flerchs bei Abt Joachim Eichhorn in 
Pfäffikon gesprochen. Er blieb auch weiterhin mit dem Einsiedler Abt 
im Briefwechsel. 19 

Im November 1563 bittet Joachim den St. Galler Abt Diethelm 
um die Erlaubnis, daß ihn Flerch wieder nach Trient begleiten dürfe. 
Diese wurde am 23. November erteilt, unter der Bedingung, daß für 
die Pfarrei Gossau während der Abwesenheit Flerchs gesorgt werde. 11 


Il Mayer, a..a0.I. 48. 82 Mayer, I, S. 53. 

® Mayer, I, S. 57. % Mayer, 1, S. 58. 

5 Maver, 1. S. 63 A. 6 Mayer, I. 66. 

? Mayer, I, S. 69, cit. Archiv f. schweiz. Geschichte und Landeskunde I, 
I. 123 ff. 8 Maver, 1. S. 73 


? Abgedruckt bei Segesser, Rechtsgesch. IV, S. 346 (348), A. 2. 
1 Mayer. 1, S. 74 f. 76, A. ı. ıl Mayer, I, S. 78. 


— 216 — 


Der Abt verließ am 14. Dezember Einsiedeln ; am 13. erhielt er ın 
Feldkirch die Nachricht, daß das Konzil beendigt sei. ! 

Flerch fertigte eine Übersetzung der Konzilsakten an. Er nennt 
sich 1564 nur noch Priester und Notar und bittet um Verleikung 
einer Pfründe. 

Am 2ı. Juni 1567 erhält subiectissimus sacellanus Florinus Flerch ? 
von Abt Othmar die Pfarrpfründe Altstätten. Er will die Schwenk- 
felder Sekte bekämpfen, die damals in Altstätten und Umgebung auf- 
getreten war. Zur Besserung der Pfründe gibt ıhm der Abt jährlich 
90 fl., und da Flerch zugleich für die st. gallischen Dienste verpflichtet 
wird, noch 30 fl. und 30 Eimer Rheintaler dazu. ® 

Wie Flerch im Jahre 1562 den Abt Joachim von Einsiedeln zum 
Konzil nach Trient begleitet hatte, so begegnet er uns als Adlatus des 
St. Galler Abtes Othmar auf der Diözesansynode zu Konstanz Ende 
August und anfangs September 1567. * Die Prälaten der dritten, die 
Stiftsgeistlichkeit der vierten und der Ruralklerus der siebenten Klasse 
vereinigten sich zu einer Abordnung an den Diözesanbischof, Kardinal 
Markus Sittich, die aus Florin Flerch als dem Beauftragten der Prälaten 
und Georg Fink, Pfarrer in Baden, als Vertreter des Weltklerus bestand. 
Die Ansprache an den Kardinal, die offenbar von Flerch gehalten 
wurde und einen entschiedenen Reformwillen bekundet, weist darauf 
hin, wie die beiden Prälaten von St. Gallen und Einsiedeln innert 
Jahresfrist nach Veröffentlichung der Trienter Konzilsbeschlüsse zu 
einer Konferenz zusammengekommen seien und über die Reform, 
namentlich über eine strengere Klausur und andere die Klosterzucht 
betreffende Gegenstände, mit allem Eifer verhandelt und sie auch teil- 
weise durchgeführt haben. ® 

Florin Flerch hat auch den weitschweifigen Bericht verfaßt über 
die Wahl, Konfirmation und Benediktion des Abtes Othmar Kunz. ® 

Ebenso ist das Instrumentum electionis für Joachim Opser vom 


1 Mayer, 1, S. 78 f. 3 St.-A. Bd. 358, S. 218. 

3 Chronik von Altstätten, S. 154. 

* S, Constitutiones et decreta synodalia ; acta synodi f. 261 s. Acta quarti 
diei. S. dazu Reinhardt-Steffens, Die Nuntiatur, Einleitung, S. 139. 

5 Sedulo tractasse et eadem pro parte executos esse, 4.2.0. f. 261 bf. Mayer. 
T, S. 147, übersetzt pro parte mit den Worten « für ihren Teil » ; diese Übersetzung 
ist aber offenbar unrichtig ; pro parte heißt vielmehr, dem Text wie dem Sina 
entsprechend, « teilweise ». 

® St.-A. Bd. 358. Vgl. hiezu: J. Müller, Karl Borromeo und das Stift 
St. Gallen, ı ft. 


päpstlichen und kaiserlichen Notar Florin Flerch unterzeichnet. Bei 
den Ausgaben finden wir die Bemerkung : «Item hab ich H. Florino 
um sin gehapte mye in der election und insetzung ze Sant Johan 
verehrt XXX sonnen Kronen. » ? 

Endlich stammt die Urkunde über den Mauerbau, der das Kloster 
von der Stadt trennte, aus Florins Feder. ? Diese Mauer wurde am 
13. April 1569 vollendet durch Baumeister Kaspar Dietschi. 

Nachdem der vielverdiente Priester drei st. gallischen Äbten treu 
gedient hatte, fand er in Altstätten sein otium cum dignitate. 

Im Jahre 1584 schreiben die Altstätter dem Abt Joachim: Im 
verflossenen Herbst seien sie durch die Pest erschreckt worden ; sollte 
sie Gott wirklich mit dieser Krankheit heimsuchen, so möchte ihnen 
die Vakanz der beiden Pfründen, Frühmesserei und Sebastianspfründe, 
zum großen Nachteil gereichen, denn ihr Pfarrer Florin Flerch sei schon 
ziemlich betagt, manchmal auch unpäßlich. Wenn nun noch der die 
Mittelmeß versehende Kaplan krank würde, wäre man in großer 
Verlegenheit. * Sechs Jahre später bitten die Katholiken von Altstätten 
den Abt, ihre Frühmesserei wieder zu besetzen, weil Florin Flerch 
so alt und unvermögend sei. ® 


1 St.-A. Tom. I ecclesiasticus. 

8 St.-A. Tom. 306, S. 299. 

® Florinus ex latino raptim transtulit. St.-A. Bd. 1013, S. 237. 
* Chronik von Altstätten, S. 171. 

5 Chronik, S. ı75. 


KLEINERE BEITRÄGE. — MELANGES. 


La chapelle de Tercier. 


Filiale de l’eglise de Blonayv :Vaud , cette chapelle est sireee & lexıre- 
mite orientale du village de Tercier, & gauche de la route tesdant 4 La 
Chiesaz oü se trouve la paroissiale. Elle se compose d’une nef a p>ztraisa 
apparente, fermee au nord par un chmzur rectangulaire, voüte et de si 
gsthique. Le clocher, construit directement sur la nef, un peu en rerrait 
de la facade remanide au X\ IIme siecle, renferme une cloche et une horlaee. 

Quand et par qui la chapelle de Tercier a-t-elle ete fondee ? Un dax- 
ment conserve dans les archives de la commune de Vevey donne, ä cet 
€egard, quelques precisions utiles & noter. Il s’agit d’un « ıinventaire de 
« tiltres, lectres et aultres instrumens appartenant ä Noble Jean Franini 
de Cojonnav, seigneur de Saint Martın du Ch£ne..... lesquelles choss 
Noble et Puissant Henry de Cojonnay son frere promet de restituer au 
dit Noble Jean Francois de Cojonnay, toutes et quantes foıs il en sera 
requis. 

« Faitä Vevey, dans la maison du dit Noble Jean Frangoıs de Cojonnay, 
e le ı4 mars 1325. » ! 

Ce catalogue renferme une liste d’objets mobiliers les plus divers, 
ainsi que les analyses tres sommaires d’une grande quantite d’actes relatifs 
aux droits possedes par la famille de Cojonnay aux XV me et XV'Ime sıecles. 
A la page 6 et suivantes sont inscrits ceux qui concernaient la chapeile 
en question. Nous les resumons comme sult : 

1503 avril 5. Lettre de la Chapelle Saint-Antoine construite entre 
Tercier et Cojonnay, avec le consentement du Vicaire de Monseigneur 
l’Eveque de Lausanne et ceux du prieur et du cur& de Blonay. Acte reyu 
par Audet Richard, notaire. 

1504 mai ı8. Lettre de resignation du benefice de la dite chapelle, 
par Domp Antoine Michod, en faveur de Domp Humbert Cojonnay dit 
Chastellan. Acte recu par Legier Martignier, notaire. 

1505 juillet 8. Consentement et licence de Monseigneur l’eveque de 
Lausanne. Acte regu par Colleti, notaire. 

Deux autorisations de pouvoir faire sepulture en la dite chapelle, 
accord&es, l’une par le prieur de Blonay (acte recu Griffon, notaire), et 
l’autre par le Cur€ du m&me lieu (acte regu par Luysi, notaire). 


1 L’emplacement de cette maison, qui se trouvait au Bourg Bottonens, est 
occup& actuellement par l’immeuble portant le N® ı0 de la rue d’Italie, & Vevey. 


- nn nn — _ ur 


a PER 


1507 aoüt 10. Donation faite par Noble Nicod de Cojonnay & Domp 
Humbert Chastellan dit Cojonnay de certaines parcelles de vignes sises 
niere Tercier et Cojonnay, & charge par ce dernier de dire deux messes 
chaque semaine dans la chapelle de Bahyse, dont il est recteur, construite 
entre Cojonnay et Tercier. Acte regu par Jaques Martignier, notaire. 

1507 novembre 27. Concession accordee par Noble Nicod de Cojonnay, 
aux Syndic et communaute de Blonay, 
du droit de jouir des avantages et pri- 
vleges attaches & la dite chapelle. 
Acte regu par Jaques Martignier, notaire. 

1508 mai 6. Donation en faveur du 
pieur et du cur&€ de Blonay, par Noble 
Nicod de Cojonnay, d’une creance de 
15 livres. Inter&t annuel : ı 5 sols. Actes 


'sgus par le m&me Jaques Martignier, 
notaire, 


1509 juin ıo. Concession faite par 
le dit Noble Nicod de Cojonnay & Nicod 
Guey (sic) et A sa femme non denom- 
mee d’un droit de sepulture dans la 
dite chapelle. — Acte recu par Jaques 
Martignier, notaire. 

1522 juin 6. Reconnaissance de 
Messire Francois Ravenel, en vertu de Chapelle de Tercier. 

Iaquelle ce dernier confesse avoir recu 
en garde les ornements de la dite chapelle. Acte recu par Duchable, 
notaire, 

Dans le chapitre des meubles et utencilles de maison figurent quelques 
articles curieux, parmi lesquels nous citons : 

üne ymage saincte Barbe, sur toille, 

deux petites ymages Nostre Dame enchassees en bois, 

un sainct Jerosme sur parchemin, 

un tapis de Turquie pour une table, 

une grande couverture de lit en tapisserie, 

üne autre petite couverte de me&me, toutes deux en couleur, 

une petite colovrine portant son feu avec la charge, et autres artifices 

Necessaires, 

une robe de drap noir quasi usee, etc., etc. 

Chose regrettable, tous les documents cites plus haut semblent avoir 
dEfinitivement disparu. En effet, nous les avons vainement cherches, soit 
& Vevey dans le fonds, cependant tr&s riche, des archives de la famille de 
Cojonnay 1, soit dans celles de la commune et de la paroisse de Blonay, 
sit enfin aux Archives cantonales vaudoises. Force est donc de tirer parti 
des breves mentions parvenues jusqu’& nous. 


I Depose aux Archives communales : actes prives. 


— 220 — 


Malgre& leur laconisme, ces analyses d’actes renferment des indications 
sufisamment claires pour permettre de pr&ciser certains faits relatifs & 
l’origine de notre chapelle. 

Tout d’abord, il est &vident que celle-ci fut fond&e le 5 avril 1503 sous 
le vocable de saint Antoine, par Noble Nicod de Cojonnay avec le consen- 
tement du vicaire general de l’EvEeche de Lausanne, et ceux du prieur et 
du cure de Blonay. 

Cette fondation fut approuvee par Aymon de Montfaucon, &veque 
de Lausanne, le 8 juillet 1505, et, d’autre part, le fondateur et ses descen- 
dants obtinrent des autorites ecclesiastiques de la paroisse un droit de 
sepulture dans la chapelle nouvellement fondee. Auparavant, le caveau 
funeraire de la famille de Cojonnay se trouvait dans le ch&ur me£ridional 
de l’Eglise paroissiale oü l’on voit encore une pierre tombale portant leurs 
armoiries !. 

Par acte du Io mai 1509, un communier de Blonay nomme Nicod 
Guex, ainsi que sa femme, acquirent la faculte d’etre ensevelis dans la 
chapelle qui nous occupe. 

La chapelle de Tercier &tait pourvue des ornements ne&cessaires au 
culte, et son fondateur l’avait dotee d’un revenu sufhisant pour la cE£lebra- 
tion de deux messes par semaine. Ces offices &taient publics ; la population 
de Tercier et des hameaux voisins y assistaient de droit en vertu d’un 
privilege special accord& par Nicod de Cojonnay lui-m&me aux syndic et 
communaute de Blonay, le 27 novembre 1507. 

Enfin, les desservants €taient nomme6s par le fondateur, et apres le 
deces de celui-ci, par ses descendants. Le premier chapelain fut Messire 
Antoine Michod. Nomme en avril 1503, il resigna sa charge le ı8 mai de 
l’ann&e suivante en faveur de Domp Humbert Cojonnay, dit Chätelan ou 
Chätelain, originaire du hameau de Cojonnay, situ& dans la m&me paroisse. 

Ce dernier, qui €tait encore en fonctions en aoüt 1507, eut pour succes- 
seur, probablement mediat, Messire Frangois Ravenel mentionne dans 
un acte du 6 juin 1522. 

Quelques de&tails gen&alogiques sur la famille du fondateur de la chapelle 
dont il s’agit nous semblent & leur place dans cette notice. 

Au moyen äge, deux familles d’antique noblesse se partageaient les 
droits de fief et de juridiction sur la paroisse de Blonay. Ce sont, d'une 
part, les de Blonay qui comptent encore des repr&esentants dans le pays 
et, de l’autre, les de Cojonnay, leurs vassaux, &teints, sauf erreur, des le 
milieu du XVIme si&cle. Ceux-ci, qui remontaient & Henri Cojonnay, donzel 
et feudataire d’Oron en 1248, possederent des biens dans toutes les paroisses 
de la region (Blonay, Vevey-La-Tour, Montreux, Corsier, etc.) et meme 
jusqu’& Lausanne. 

La fin du XVme siecle marque pour eux l’apogee d’une periode parti- 
culierement brillante. C’est ainsi qu’en 1484 Nicod, le fondateur de la 


! Les de Cojonnay possedaient &galement, dans l’eglise de Saint-Martin, 
&ä Vevey, une autre chapelle qui, des le milieu du XVIme siecle, devint la propriet® 
de la ville de Vevey et servit de lieu de sepulture aux membres du Conseil. 


— 22I — 


chapelle de Tercier, acquit de Noble Jean d’Allinges, le chäteau et seigneurie 
de Saint-Martin du Chäöne. Plus tard, il exerga, & Lausanne, la charge de 
bailli &Episcopal (1500 & 1520). 

Il fut pere de : Henri, mort vers 1540, qui he£rita de la Terre de 
Saint-Martin. 

Jean Frangois qui eut sa part de biens paternels riere Blonay, et Jcan 
qui obtint la sienne riere Vevey et lieux circonvoisins. 

Noble Henri de Cojonnay, fils de Nicod, seigneur de Saint-Martin du 
Chene, fut l’un des chefs de la Confr£rie de la Cuillier (1520-1527), et acheta 
en 1538, de Noble Claude de Vergy, le chäteau et seigneurie de Montricher, 
pour le prix de 10,000 fr. de notre monnaie. 

Il fut pere de Gaspard, mort sans posteriteE en 1537; Rose, femme 
de Noble Charles de Saint-]Joire, seigneur de la Chapelle-Marin, pres Thonon, 
et Frangoise, mariee & Jaques de Geneve, seigneur de Boringe (Haute- 
Savoie). Actuellement, il n’existe plus, croit-on, aucun descendant m&me 
indirect de la famille de Cojonnay. 

Jusqu’& ce jour, la date de la fondation et le nom du fondateur de la 
chapelle de Tercier etaient completement ignores. En les faisant sortir de 
’oubli, nous nous sommes demande& s’il n’y aurait pas lieu de perpetuer 
le souvenir de l’acte de foi accompli il y a quatre siecles par Noble Nicod 
de Cojonnay. 

Notre proposition de faire apposer & l’interieur de l’Edifice une plaque 
comme&morative remplissant ce but a regu le meilleur accueil de la part 
des autorites civiles et ecclesiastiques interessees & la question. 

Ajoutons & titre de renseignements que la chapelle a &t& restauree 
en 1918 ; un magnifique vitrail repr&sentant des scenes de la Passion, don 
d’un particulier genereux, &claire le vieux sanctuaire. Depuis plusieurs 
annees, des cultes selon le rite anglican y sont c&lebres pendant l’ete et 
reEgulierement chaque dimanche des 1926. Le pasteur de la paroisse y 
preside egalement un culte le dernier dimanche de chaque mois & 9 h. en 
ete etä& 14 h. d’octobre & avril. 


F. RAOUL CAMPICHE, archiviste. 


Zur Entstehungsgeschichte 
des X. Gerichtenbundes in Graubünden. 


Die III Bünde, die den rätischen Freistaat, den heutigen Kanton 
Graubünden ausmachen, haben eine ganz verschiedene Entstehungs- 
geschichte. Der Gotteshausbund (1367) galt der Abwehr gegen das mächtig 
um sich greifende Österreich. Die zahlreichen Fehden, die im bündnerischen 
Oberlande und den daran grenzenden Tälern im XIV. Jahrhundert aus- 
gefochten wurden, ließen das Bedürfnis nach Ruhe und Rechtssicherheit 
mit solchem Ungestüm erwachen, daß sich Herren und Untertanen im 


— 222 — 


Obern oder Grauen Bunde verbanden (1424). Im Osten rätischer Lande 
hatte sich ein bedeutender Komplex von Tälern in den Händen derer 
von Toggenburg zusammengefunden, die schließlich Graf Friedrich VII, 
als letzter seines Stammes, in seiner Hand vereinigte. Es waren sowohl 
Allodial- als auch Leehensgüter, über die der mächtige Dynastin so reichem 
Maße verfügte. 

Das wichtigste Lehen, das Friedrich VII. in Graubünden besaß, war 
das Tal Schanfigg. Der eigentliche Landesherr war der Bischof von Chur, 
welcher das Tal s. Z. den mächtigsten rätischen Dynasten, den Freiherten 
von Vaz, zu Lehen erteilt hatte. 1 Mit dem Tode Donats von Vaz (zwischen 
1334 und 1338) erloschen diese Freiherren. In das reiche Erbe Donats 
teilten sich dessen zwei Töchter, Ursula und Kunigunde. Erstere war 
mit Graf Rudolf von Werdenberg-Sargans vermählt. Ihr fiel in der Erb- 
teilung das Schanfigg zu. 2 Im Jahre 1353 verkaufte sie jedoch das Tal 
an ihre Schwester Kunigunde und deren Gemahl Graf Friedrich V. von 
Toggenburg. ® Diesen Verkauf erneuerten zehn Jahre später (1363) Gräfin 
Ursula und ihr Sohn Johannes I. von Werdenberg. * Unabgeklärt ist es, 
wie Bischof Hartmann das Tal neuerdings (1393) den Söhnen des genannten 
Grafen Johann zu Lehen erteilen konnte. ® Sicher ist jedoch, daß das 
Schanfigg später toggenburgischer Besitz war, denn es tritt im Nachlasse 
Friedrichs VII. von Toggenburg auf. Am 30. April 1436 starb dieser 
mächtige Dynast, mit dem das gräfliche Geschlecht ausstarb. ® Was sollte 
mit dem reichen Erbe geschehen ? Zürich und Schwyz schlugen sich im 
alten Zürichkrieg um das schöne Gasterland und auch in Graubünden 
sah man den Dingen nicht müßig zu. Schon am 8. Juni 1436 hatten sich 
die currätischen Untertanen Friedrichs VII., im Einverständnis mit der 
Gräfin Witwe, zum Bunde der Gerichte vereint. Sie bekundeten als 
Zweck des Bundes ihren festen Willen, sich beim Herrschaftswechsel 
nicht an verschiedene Herren verteilen zu lassen. Ungeteilt wollten sie 
einem Herrn zufallen.? Die Gefahr einer Zersplitterung drohte nämlich, 
als die Intestaterben Friedrichs VII. dessen Testament nicht anerkennen 


1 Vergl. Castelmur, Maladers und die kirchlichen Verhältnisse im Schanfigg 
(Bündn. Monatsblatt, 1923, und separat), p. 2 f. 

2 Vergl. J. J. Simonet, Die Freiherren von Vaz. Ingenbohl o. D., p. 86 fl. 

® Mohr, Codex diplomaticus III, Nr. s2. 

4 Mohr Th. v., Codex diplomaticus III, Nr. 108. 

5 Quellen zur Schweiz. Geschichte X, Nr. ı11. 

® Moor C. v., Geschichte von Currätien und der Republik « Gemeiner drei 
Bünde» I, p. 353, Chur 1870. 

” 1. c., p. 354. Der Text des Bundesbriefes ist gedruckt bei: C. Jecklin, 
Urkunden zur Verfassungsgeschichte Graubündens, Nr. ı8 (Jahresbericht der 
hist. ant. Gesellsch. Graubündens, 1883). Das Einverständnis der Untertanen 
mit der Gräfin Witwe Elisabeth, geb. v. Mätsch, ergibt sich aus einer Urkunde 
von 1452 im Gem. Archiv Lenz: «.... und machtind ain verainung und ain 
bund mit ainander mit willen und raut da wolgebornen, miner gnädigen frowen 
von Tockgenburg. ....» Jecklin, 1. c., P. 32. 


— 223 — 


wollten, das allen Besitz an Allodial- und Lehensgütern der Gräfin 
Witwe zuerkannt hatte. ! 

Der erste Ansturm auf die geplante Einigkeit der currätischen Unter- 
tanen erfolgte aber nicht von den genannten Erben aus, sondern durch 
den Bischof von Chur, welcher das Tal als heimgefallenes Lehen für sein 
Bistum forderte. Da der neue Bund aber keine Zersplitterung der 
Gerichte zugeben wollte, wurden die Ansprüche des Bischofs von den 
Untertanen nicht anerkannt. Sie verweigerten den verlangten Treueid 
und schritten sogar zur Beschlagnahmung der Bistumseinkünfte im Tale. 
Bischof Johann von Chur, der mit seinen Untertanen in guten Verhältnissen 
stand, versuchte seine Ansprüche nicht mit Gewalt, sondern mit fried- 
licheren Mitteln zur Geltung zu bringen. Er wandte sich in einer Klage- 
schrift an das Konzil von Basel und bat die versammelten Prälaten, gegen 
das ihm zugefügte Unrecht einschreitend, die Leiter der Bewegung vor 
das Tribunal des Konzils zu beordern. Bischof Johann bestätigte seine 
Klagepunkte gegen die Schanfigger durch eidlich beglaubigte Aussagen 
mehrerer Zeugen. Das Konzil beauftragte den Dr. jur. Wilhelmus Hugonis, 
Erzdiakon von Metz, mit der Untersuchung des Falles. Dieser zitierte 
den Ammann, sowie die Bewohner des Tales vor seinen Richterstuhl. 
Das Zitationsdekret wurde u. a. auch an der Domkirche zu Chur und an 
der Pfarrkirche zu Zizers angeschlagen. Zu den verschiedenen anberaumten 
Rechtstagen, an denen niemand aus dem Schanfigg erschien, ließ sich 
der Bischof sukzessive durch Magister Johannes Urnut, Johannes de 
Ortenberg und Magister Albert Schiepal vertreten. Das bischöflliche 
Gesuch, eine Anerkennung der Lehensrechte durch das Konzil zu erlangen, 
wurde vom beauftragten Richter in contumaciam erfüllt. Am 1o. September 
1436 erklärte Wilhelmus Hugonis, der Bischof von Chur sei der wirkliche 
Herr des Schanfiggertales, dessen Hoheitsrechte die Bewohner des Tales 
anerkennen müßten. Für den Fall, daß sich die Untertanen diesem 
Richterspruche nicht fügen wollten, verhängte der Richter über den 
Ammann und die Bewohner des Tales den Bann. Dieses Banndekret 
mußte in den Diözesen Chur, Lausanne, Konstanz und Basel, also beinahe 
in der gesamten heutigen Schweiz verkündet werden. 2 

Das Einschreiten der Basler Synode zugunsten des Bischofs scheint 
von Erfolg begleitet gewesen zu sein, denn von Gewalttaten der Schan- 
figger gegen das Hochstift vernimmt man nichts mehr. Allerdings hatte 
sich auch die Lage der Dinge inzwischen zu verändern begonnen. Die 
Gräfin Witwe von Togenburg war des allseitigen Streites müde und trat 
am ıı1. April 1437 alle ihre Herrschaften an die Intestaterben ihres Mannes 
ab. In der nun folgenden Teilung kamen Schanfigg, Churwalden, Belfort, 
Davos und Klosters gemeinsam an Kunigunde, Graf Wilhelm von Mont- 
fort’s (Tettnang) und Catharina, Graf Johanns von Sax-Misox’ Gemahlinnen. 3 


I Moor, 1. c. 
® Vergl. Anhang. 
® Moor, 1. c. I, p. 356. 


Die meisten Gerichte des Bundes blieben somit unter einer Herrschaft 
vereinigt. Dies scheint die Gemüter im Schanfigg beruhigt zu haben, 
zumal auch auf eine friedliche Auseinandersetzung mit dem Bischof durch 
genannte Erben zu hoffen war. Der Bischof gab aber seine landesherrlichen 
Ansprüche nicht auf. Offenbar war es ihm daran gelegen, klar und nach- 
drücklich das Faktum zu betonen, daß das Schanfigg Lehen des Bistums 
und nach Lehensrecht dem Hochstifte zu freier Verfügung heimgefallen 
sei. Es handelte sich also um eine Lehensfrage, und solche wurden vom 
Pfalzgericht, d. h. von den bischöflichen Ministerialen und Lehensmannen 
beurteilt. Den Vorsitz des Pfalzgerichtes führte der Marschall des Bistums 
Chur. Das Marschallamt war ein Lehen im Besitze der Familie von 
Marmels. So sehen wir denn das Pfalzgericht unter Conradin von Marmels 
in der bischöflichen Pfalz oder Residenz Fürstenau am 19. März 1437 
zusammentreten. Vor dem Gerichte erschien der Bischof Johann von Chur 
mit seinem Anwalt Rudolf Schuler von Castelmur. Sie führten aus, wie 
das Schanfigg immer bischöfliches Lehen gewesen sei. Da nun Graf 
Friedrich VII. «än liberben layder abgangen und gestorben ist .... und 
mit schild und helm vergraben » worden seit, forderten sie den Heimfall 
des Lehens. Der Bischof erklärte aber, allfällige Rechte Dritter anzuerkennen, 

Es ist interessant, festzustellen, daß nicht die oben genannten Erben 
Friedrichs VII., sondern die Untertanen aus dem Schanfigg vor das Pfalz- 
gericht, das ein ausgesprochenes feudales Standesgericht war, als Gegenpart 
zitiert worden waren. Offenbar hatte man erkannt, daß die Nachfolge- 
frage in der Talschaft nicht über die Köpfe der Untertanen hinweg gelöst 
werden konnte. Als Vertreter der Schanfigger, war deren Ammann Hans 
Conrad erschienen. Conradin von Marmels forderte ihn auf, namens seiner 
Auftraggeber zur bischöflichen Forderung Stellung zu nehmen. Hans 
Conrad teilte dem Gerichte aber nur mit, sein Auftrag sei nur « zu losen» 
und sich nicht in Verhandlungen einzulassen. Aus dieser Stellungnahme 
scheint der oben angedeutete Schluß zulässig, daß die hauptsächlichste 
Opposition der Talschaftsleute gegen den Bischof gebrochen war, denn 
sonst hätten sie gewiß eine andere Stellung eingenommen. Offenbar waren 
Verhandlungen zwischen dem Bischof und den Erben Friedrichs VII. 
denen das Schanfigg zugeteilt worden war, vorausgegangen, wonach der 
Bischof diese mit dem Tale belehnen werde. Der Vereinigung der Gerichte 
drohte auf diese Art keine Gefahr und die Oberhoheit des Bischofs war 
auch anerkannt. So läßt sich die Haltung des Landammanns von Schanfigg 
zu Fürstenau erklären. 

Da gegen die Forderung des Bischofs keine Einsprachen erhoben 
worden waren, urteilte das Pfalzgericht : Schanfigg sei ein heimgefallenes 
Lehen. Der Bischof wurde zwar verpflichtet, allfällige berechtigte An- 
sprüche Dritter zu respektieren. ® Offenbar faßte man eine Belehnung 


I cfr. Castelmur, Conradin v. Marmels und seine Zeit, p. 5ı (Freiburgef 
Dissertation 1922). 

2 Orig. Perg. Gemeindearchiv Langwies. Druck, J. G. Mayer und F. Jecklin, 
Der Katalog des Bischofs Flugi vom Jahre 1645. Anhang, Nr. 18. (Jahresbericht 
der hist. ant. Gesellsch. Graubünden 1901.) 


— 235 — 


der Erben Friedrichs VII. schon damals ins Auge. Doch diese erfolgte 
noch nicht, da die Handänderungen noch nicht abgeschlossen waren. Graf 
Johann von Sax und seine Gemahlin traten nämlich ihren Anteil an den 
sechs Gerichten (darunter auch Schanfıgg) ums Jahr 1438 an Graf Wilhelm 
von Montfort-Tettnang ab, sodaß nun die sechs inneren Gerichte des 
Bundes tatsächlich in einer Hand vereinigt waren. Nun erst erfolgte 
die bischöfliche Belehnung mit dem Tale. Am 24. Oktober 1439 erteilte 
Bischof Johann dem Grafen Heinrich, dem jüngsten Sohn des Grafen 
Wilhelm ven Montfort-Tettnang, das Schanfiggertal als Lehen. 2 

Dadurch war die ganze Bewegung zu einem friedlichen Abschluß 
gelangt. Der Bund der Gerichte hatte einen schönen Erfolg errungen, 
und das Bündnis, das ursprünglich nur die Unteilbarkeit der Gerichte 
bezweckte, hatte sich bewährt und wurde sukzessive zu einem ewig 
dauernden Bunde. 


Archidiacon Guillermus Hugonis spricht namens des Basler-Konzils auf 
Ansuchen des Bischofs Johann von Chur den Bann aus gegen alle 
Amisleute und Bewohner des Schanfiggs und belegt das Tal mit Sus- 
pension, da es gegen den Bischof von Chur rebellierte. 


1436 Sept. 10 Basel’ 


Guillermus Hugonis legum doctor, archidiaconus Metensis, judex et 
commissarius causarum et cause ac partibus infrascriptis a sacrosancta 
venerabili synodo Basileensi in spiritu sancto congregata, universalem 
ecclesiam representante specialiter deputatus, universis et singulis dominis 
abbatibus, prioribus, prepositis, decanis, archidiaconis, scolasticis, cantoribus, 
custodibus, thesaurariis, sacristis, tam cathedralium quam collegiatarum 
canonicis, parrochialium ecclesiarum rectoribus ac locatenentibus eorumdem, 
plebanis, viceplebanis, capellanis, curatis et non curatis, vicariis perpetuis, 
altaristis ceterisque presbiteris, notariis et tabellionibus publicis quibus- 
cumque per civitates et dioces. Curiensem, Lausanensem, Constantiensem, 
Augustensem ac alias ubilibet constitutis et cuilibet eorum insolidum ac 
illi vel illis, ad quem seu quos presentes nostre littere pervenerint, salutem 
in domino et mandatum nostris [litteris] ymo verius dicte sacrosancte 
sinodi firmiter obedire. 

Noveritis quod pridem dicta sacrosancta synodus quandam commis- 
sionem seu supplicationis cedulam nobis per certum suum cursorem 
presentari fecit, quam nos cum ea qua decuit reverentia recepimus huius- 
modi sub tenore : Reverendissime pater : recurrit ad hanc sanctam synodum 


I Moor, 1. c. I, p. 357. 

% Mayer und Jecklin, 1. c., 87, Anhang, Nr. 20. 

® Orig. Pergament, bisch. Archiv Chur, ist in sehr kleiner Schrift geschrieben 
und sehr umfangreich. Deshalb sollen hier nur die wesentlichen Stellen geboten 
werden, unter Weglassung aller Wiederholungen und der Formeln. 


REVUE D’HISTOIRE ECOLESIASTIQUE . 8 


— 226 — 


Basileensem devotissimus ecclesie filius Johannes episcopus Curiensis non 
sine gravi querela humiliter exponendo, quod licet terra vallis Schanfisz 
Curiensis diocesis, sic vulgariter nuncupata et appellata, pleno iure ad 
ecclesiam ac episcopum pro tempore Curiensem spectasset, pertinuisset, 
etiam per tantum tempus, citra memoriam hominum in contrarium non 
existat, ac sic fuerit et erat prout prefatus dominus Johannes, modemts 
episcopus esse deberet in eiusdem vallis et eius dominii possessione seu 
quasi pacifica et commota absque hoc, quod aliquibus aliis et presertim 
adversariis infrascriptis in dicta valle juribusque et pertinentiis eiusdem 
jus proprietatis sive dominium aliquod competivisset aut se de illis intro- 
misissent aut aliquo titulo intromittere potuissent, saltem legitime ad 
aliquem sic unquam spectasset prout nec spectat de presenti. Nichilominus 
tamen offhitiales sive ministri inhabitatoresque et incole ac tota communitas 
dicte vallis, quo spiritu ducti nescimus, se ab obediencia dicti domini epis 
copi subtrahere et contra eum insurgere bonaque et jura dicta episcopatus 
sibi usurpare ac cum gravi iactura ipsius domini episcopi et ecclesie sue 
locupletari et sequestrari querentes homagium sive fidelitatis iuramentum 
prefato domino episcopo dari, solutum prestare recusant ac denegant, 
ymmo quidem deterius etiam fructus, redditus et proventus exinde quo 
modolibet provenientes, temere et de facto dampnabiliter eis imbursare 
non verentur, dictum dominum episcopum illis privando et spoliando, in 
animarum suarum grave periculum, ipsiusque domini episcopi et ecclesie 
sue, iuriumque suorum preiudicium non modicum dampnum et gravamen. 

Dignetur igitur P.V.R. omnes et singulas causam et causas, quam 
et quas prefatus dominus Johannes episcopus movet seu movere vult 
contra et adversus ofhciales sive ministros incolasque et inhabitatores a 
communitatem predictos dicte vallis Schanfigg, prefate Curiensis diocesis, 
de et super dicta valle, iuribus et pertinentiis eiusdem ac eorumdem 
omnium spoliatorum et privatorum ac homagii sive fidelitatis iuramenti 
prestatione, devertatione et recusatione necnon expositione et interes® 
rebusque aliis occasione alicui ex venerabilibus viris dominis huius sancte 
synodi causarum judicibus commissionem audiendi, cognoscendi, et size 
debito terminandi cum omnibus et singulis suis mergentibus, incidentibus 
et dependentibus cum potestate etiam citandi officiales, ministros incolas- 
que et inhabitatores ac totam communitatem dicte vallis necnon omnes 
et singulos interesse putantes coniunctim et divisim et in execution®, 
citatione nominandi ac etiam per edictum, ad eos tutus non pateat accessu3 
necnon illis et quibuscumque aliis tam ecclesiasticis, quam secularıbus 
personis sub ecclesiasticis penis et censuris in hoc loco sacri concilii extf4 
et ad partes inhibendi totiens quotiens opus erit, non obstante quod cauS& 
seu cause huiusmodi non sint in eodem sacro concilio de juris necessita!? 
tractande neque finiende ac aliis in contrarium forsan faciendi non ob- 
stantibus quibuscumque in dicte commissionis sive supplicationis cedul2 
scripte erant. 


Volgen die 3 verschiedenen Citationen der Schanfigger, zu denen 
sie nicht erschinen, worauf als Urteil gefallt wurde :) 


Nos tunc dictos citatos non comparentes reputavimus merito, prout 
caute exigenda justitia, contumaces et in eorum contumaciam in ultimo 
predictorum termino omnes officiales sive ministros ac inhabitatores et 
incolas in scriptis excomunicavimus ac comunitatem vallis Scaffig ex ad- 
verso principales predictos ob multiplicem eorum contumaciam a divinis 
suspendimus, prout excomunicamus et suspendimus presentium per tenorem. 
.... Omnes et singulos officiales sive ministros, inhabitatoresque et incolas 
excomunicatos necnon comunitatem vallis Scafliıgg ex adverso principales 
predictos a divinis suspensos per vos ut premittitur in vestris ecclesiis, 
monasteriis et capellis singulis diebus dominicis et festivis ac alias, ubi, 
quando et quotiens opus fuerit et ut prefertur fueritis requisiti seu 
requisitus ex parte nostra, ymmo verius dicte sacrosancte synodi publice 
alta et intelligibili voce nuncietis et publicetis ac ab aliis, quantum in 
vobis fuerit, ita nunciari et publicari faciatis et procuretis, tamdiu et donec 
et quousque a nobis vel superiori nostro meruerint a sententiis predictis 
absolutionis beneficium obtinere ; absolutionem vero omnium et singu- 
lorum, qui prefatam nostram excommunicationis sententiam incurrerint seu 
incurrerit quoquo modo, nobis vel superiori nostro tantummodo reser- 
vamus. etc. etc. 

Datum et actum Basilee in ambitu conventus fratrum Minorum etc. 
sub anno a nativitate domini millesimo quadringentesimo tricesimo sexto, 
indicione quartadecima, die lune decima mensis Septembris, pontificatus 
sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Eugenii divina pro- 
videntia pape quarti anno sexto etc. 

(Das Siegel des Guillermus Hugonis hängt gut erhalten.) 

S. T. Ego Johannes Bernardi de Gheffon, clericus Leod. dioc. publ. 

apostolica et imperiali auctoritate notarius etc. 


Orig. Perg. bisch. Archiv, Chur. 
Ant. v. Castelmur. 


REZENSIONEN. — COMPTES RENDUS. 


Staehelin Ernst. Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Zum 
400-jährigen Jubiläum der Basler Reformation, herausgegeben von der 
theologischen Fakultät der Universität Basel, bearbeitet von —. Band Il. 
1499-1526. Leipzig, Eger und Sievers 1927, xvıı und 627 S. 8°, broschiert 
50oM. 


Diese mit einem gelungenen Bild des Reformators samt eigenhändiger 
Unterschrift, einer sehr dankenswerten Zusammenstellung der gedruckten 
Quellen und wichtigern Literatur nebst einem trefllichen Namenregister 
versehene Publikation, erscheint frühzeitig als Festschrift zur Durch- 
führung der Reform in der Stadt Basel (1529) und ist dem unbestrittenen 
Führer der Bewegung, Johann Oekolampad, gewidmet, die erste Ausgabe 
der Briefe und Akten dieses Mannes. Vorangestellt ist ein Geleitwort der 
Fakultät, welches über die Veranlassung zu dieser Textausgabe handelt, 
während der Bearbeiter, Inhaber des Lehrstuhles für neuere Kirchen- 
geschichte an der dortigen theologischen Fakultät, über die Gesichtspunkte, 
nach denen die Auswahl der aufgenommenen Stücke getroffen wurde, 
und die Grundsätze für die Herausgabe selber Auskunft gibt. Darnach 
wurde keine Gesamtausgabe der Werke von Oekolampad beabsichtigt, 
was bei der schriftstellerischen Fruchtbarkeit dieses Mannes, und fügen 
wir hinzu, auch dem nicht genügenden Interesse an einer solchen, kaum 
gerechtfertigt wäre, sondern eine Auswahl in zwei Bänden getroffen, wobei 
der gesamte Briefwechsel, alle Dokumente, in denen sich Sinn und 
Umfang seiner Publikationen wiederspiegeln, und endlich auch alle jene, 
die über sein Leben und seine Tätigkeit Aufschluß geben, Aufnahme fanden. 
Diese weise Beschränkung, die vor allem dem Briefwechsel zugute kommt, 
der heute noch das allgemeinste und über die theologische Wissenschaft 
weit hinausreichende Interesse beansprucht, ist nur zu billigen ; nur hätte 
der Preis des Buches nicht eine für viele Interessenten unerschwingliche 
Höhe erhalten sollen, zumal bei einer Festschrift ! Ebenso verdient die 
chronologische Folge der Stücke nurLob, und umdiese feststellen zu können, 
hat Herausgeber bei den zahlreichen undatierten Stücken keine Mühe 
gespart. Ganz besondere und sehr verdienstliche Arbeit verlegte er aber 
auf die in Fußnoten angebrachten erläuternden Anmerkungen, die von 
vielen nicht hinreichend, von Kennern aber um so höher geschätzt zu 
werden pflegen, und wodurch der vielseitige Inhalt der meist lateinisch 
abgefaßten Stücke vielfach erst verständlich und auf alle Fälle dem Leser 
leichter vermittelt wird. Auch wünschenswert wäre es gewesen, jedem 
Stück noch ein knappes Spitzregest voranzustellen und die Eigennamen 
im Texte durch Sperrdruck hervorzuheben, was das Nachschlagen an 


Hand des Registers sehr erleichtert hätte. So wird das um so zeitraubender 
und umständlicher, als im Register die Stücknummer statt der Seiten- 
zahlen angegeben wird, was bei längeren Stücken zur Geduldsprobe aus- 
wächst. 

Daß die Dokumente in der Regel in vollem Umfang wiedergegeben, 
und von dieser Regel nur beim Zwinglibriefwechsel und den Basler Refor- 
mationsakten eine Ausnahme gemacht wird, ist nur zu billigen. Dagegen 
hätte in den Typen noch größerer Wechsel stattfinden dürfen : alles, was 
sich auf Herkunft und Fundort der Stücke bezieht, wäre wohl besser von 
den übrigen Anmerkungen ausgeschieden und eingeklammert, einfach an 
den Schluß der Stücke angefügt worden, wenn man es nicht an die Spitze 
stellen wollte. Während über die Normierung der lateinischen Stücke 
wenigstens einige, aber nicht vollständige Winke gegeben werden, fehlt 
jede Angabe über die Herstellung der deutschen Texte, Frage der Ab- 
kürzungen, Auslassungen und dgl. 

Unter den Persönlichkeiten, die öfter vorkommen, sind zu erwähnen: 
Erasmus, Johann Fabri, Ludwig Ber, Reuchlin, Urban Rhegius, Ulrich 
Zasius, Joh. Froben, Ulrich von Hutten, Luther, Zwingli, Caspar Hedio, 
Leo Iud, Melanchton, Pellican, Tilmann Limpurger, Ludwig Hätzer, Farel, 
Froschauer, Jakob Meli, Joh. Lüthard, also in erster Linie Reformatoren 
und Humanisten, während die Politiker und Staatsmänner ganz zurück- 
treten. In den Nachträgen leitet Verf. den Namen Oekolampads von 
Huszgen = Häus’chen ab in einleuchtender Beweisführung. 

Diese Publikation verdient als eine wertvolle, zuverlässige, wissen- 
schaftliche Quellenausgabe zur Geschichte der Glaubenstrennung und 
des geistigen Lebens in jener Epoche alle Beachtung auch in katholischen 
Kreisen, wenn sie auch in erster Linie für den Protestantismus in Betracht 
kommt. 

Daß der Dominikaner Johann Faber nicht zu Freiburg in der Schweiz 
geboren wurde, wie auf S. 326, Anm. ı8, auf Grund älterer Annahmen 
gesagt wird, sondern zu Augsburg, hat bereits Nikolaus Paulus in seinem 
Buche : Die deutschen Dominikaner im Kampfe gegen Luther, Freiburg 
im Br. 1903 (S. 292), einwandfrei nachgewiesen, was Verf. offenbar 
entgangen ist. Im Register hat sich ein Versehen eingeschlichen, indem 
das auf S. 469, Anm. 2, erwähnte Freiburg unter Freiburg im Uechtland 
statt Freiburg i. Br. angeführt wird. Über Ludwig Läubli, Dekan zu 
Bern (S. 528, A. 5), finden sich gute biographische Angaben im HBLSch. III, 
705, sowie bei L. R. Schmidlin, Solothurns Glaubenskampf und Refor- 
mation, Solothurn 1904, S. 82. 


Albert Bücht. 


Bonjour. Die Schweiz und Savoyen im spanischen Erbfolgekrieg. 
Bern, Haupt, 1927. 149 S. S.-A. aus Archiv des Hist. Ver. Bern XXIX. 


Herr Edgar Bonjour in Bern hat uns eine interessante Arbeit ge- 
liefert, — ein farbenreiches Bild aus der Zeit der macchiavellistischen 


— 230 — 


Politik des angehenden XVIII. Jahrhunderts und der schweizerischen 
Söldnerdienste. So viel dankenswertes Material beigebracht ist, muß 
indessen doch gesagt werden, daß die Quellenbenutzung unvollständig 
und einseitig ist und daß die französischen Quellen höchst ungenügend, 
die schwyzerischen gar nicht zu Worte kommen. Deshalb ist der Charakter 
der schwyzerischen Lohntruppen und vorab des Führers Franz Johann 
Reding arg verzeichnet, und das nicht eben löbliche Verhalten derselben 
viel schwärzer dargestellt, als es schon in Wirklichkeit ist. Eine Arbeit, 
die von kompetenter Seite in Angriff genommen ist, wird dies klarlegen. 


F.S. 


A. v. Castelmur. Jahrzeitbuch und Urbare von Ruschein. S.-A- 
aus dem Jahresbericht der Hist.-Ant. Gesellschaft von Graubünden, 1923. 
xıı und 27 S. 


Aus dem Pfarrarchiv in Ruschein bringt der Verfasser Bruchstücke 
eines Jahrzeitbuches aus dem XIV. Jahrhundert, ein Urbar aus dem 
Jahre 1358, ein Urbarfragment aus dem XV. Jahrhundert, sowie ein Urbar 
von 1576 zum Abdruck. In einer sehr guten Einleitung umschreibt der 
Verfasser in wesentlichen Zügen zunächst die kirchenrechtliche Stellung 
der Kirchen zu Ruschein, Seth und Ladir, um uns darauf mit den vor- 
liegenden Quellen näher bekannt zu machen. Hervorzuheben ist, daß 
Verfasser für die Fälschung einer nicht unwichtigen Bulle Gregors \., 
in der zirka 998 die Besitzungen des Klosters Pfäfers bestätigt werden, 
neue Beweise liefert. (Vgl. dazu die Literaturangaben bei Brackmann, 
Helvetia Pontificia in Regesta Pontificum Romanorum, vol. II, Pars II, 
Berolini 1927, p. ıIIo-ıı2.) Das Urbar vom Jahre 1358 ist in sprachlicher 
Hinsicht wohl wertvoller als nach der historischen Seite. Die Edition ist 
sehr sorgfältig. Der Verfasser hat es nicht unterlassen, die Flurnamen 
soweit möglich zu bestimmen und ein zuverlässiges Register hinzuzufügen. 


Oskar Vasella. 


Straßer Otto Erich. Capitos Beziehungen zu Bern. Leipzig, Heinsius 
1928. xıı und I178S. (Quellen und Abhandlungen zur Schweiz. Reformations- 
geschichte VII.) 7 M. 2o Pfg. 


Zu den vom Bischof von Basel, Christoph von Utenheim, an die dortige 
Universität berufenen Gelehrten gehört auch Wolfgang Capito, Dr. med. 
jur. et theol., ein Humanist, Prediger am Dom, Mitarbeiter des Ersamus 
und trefflicher Hebraist, später Reformator von Straßburg und Gegner 
des gelehrten Augustinerprovinzials Dr. Konrad Treyer aus Freiburg im 
Uechtland. Verf. stellt auf Grund der Akten fest, daß C.s Auftreten an 
der Berner Disputation von 1528 wenig günstig zu beurteilen sei, indem er 
dort keine Hauptrolle gespielt habe, und polemisiert gegen die Vermutung 
Schuhmanns (Zeitschrift f. Schweiz. Kirchengesch. IV 94 ff.,) es möchte der 
unbekannte Jacobus Monasteriensis, der einen Bericht über das Gespräch 


— 231 — 


verfaßt hat, in Capito zu suchen sein, immerhin mit vorsichtiger Zurück- 
haltung und ohne dessen Meinung ohne weiteres zurückzuweisen, sondern 
im Gegenteil, indem er noch neue Argumente anführt, die zu Gunsten 
Schuhmanns sprechen. Dagegen spricht Str. mit Gründen, die sich hören 
lassen, die Vermutung aus, C. möchte der Urheber der Intervention 
Straßburgs zu Gunsten der Aufständischen im Oberland sein (1528). Sodann 
schildert Verf. eingehend C.s Auftreten an den Berner Synoden von 1532 
und 1537, wo die Abweichung in der Sakramentenlehre von Zwingli und 
vielfache Berührung mit Luther hervorgehoben wird, und wie er mit Bucer 
sich um eine Versöhnung zwischen Lutheranismus und Zwinglianismus 
und eine Unionsformel bemüht, so zwar, daß Capito und Bucer den 
Lutherischen auf der Berner Synode von 1537 den Vorrang verschaffen. 
Da C. auch, wie Bucer, eine Union mit den Altgläubigen anstrebte, die 
aber in der Schweiz Mißfallen erregte, so steht Verf. nicht an, ihn als 
edelsten Vertreter «einer evangelischen Katholizität» zu erklären. Mit 
Stähelin hält er nicht den Berner Unterschreiber, Thomas von Hofen, als 
Verfasser der Capito zugeschriebenen Schrift «Wahre Handlung », aber, 
abweichend von St., vielmehr den Drucker Wolf Köpfel. Als Beilage wird 
hier der Bericht Hallers über die Berner Synode von 1532 zuerst abgedruckt 
und auch ausgiebig verwertet. Die Abhandlung ist eine gediegene Leistung, 
sehr gründlich und rein sachlich, unter sorgfältiger und kritischer Verwertung 
eines reichen Quellenmaterials verfaßt und zeichnet sich außerdem aus durch 
sehr gute Literaturzusammenstellung und ein recht dankenswertes Personen- 
Tegister. 
Albert Bücht. 


Emil Ermatinger. Weltdeutung in Grimmelshausens Simplicius Sim- 
plieissimus. Verlag B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1925. 123 S. 8°. 

Als literaturwissenschaftliche Leistung ist das Buch in der ver- 
nichtenden Rezension Alewyns (Zeitschr. f. deutsche Philologie) und in 
der wohlwollenden Scholtes (Deutsche Literaturzeitung) hinlänglich ge- 
würdigt worden. Für die kirchengeschichtliche Forschung dürfte das 
Buch symptomatisch wichtig sein, denn mit seinen überaus fragwürdigen 
Deutungen des «Simplicissimus » macht es auf brennende Fragen auf- 
merksam, die von der Kirchengeschichte des XVII. Jahrhunderts noch 
keineswegs beantwortet sind. Erst wenn wir über die besondere Gestaltung 
des Moralismus, über den Anteil von Rationalismus und Voluntarismus an 
der kirchlichen Lehrdarbietung unterrichtet sind, wird es möglich sein, 
die Stellung Grimmelshausens, der, als er schriftstellerisch auftrat, 
erwiesenermaßen katholischen Bekenntnisses war, zu den geistigen 
Strömungen des Barockzeitalterss zu bestimmen. Daß Ermatingers 
Grimmelshausen-Deutung unhaltbar ist, läßt sich freilich schon jetzt 
feststellen. Es ist nur bei völliger Blindheit für geistige Strukturen 
möglich, Gr. in «jene Kette deutschen Denkens » einzureihen, «die von 
Luther und (!) Zwingli, Paracelsus und Böhme zu Leibniz, Hamann und 
Goethe führt». Die Unfähigkeit, einen « Text» sachlich zu lesen und zu 


interpretieren, bezeugt das ganze Buch. Ich verweise nur auf eins der 
schlagendsten Beispiele, die Ausführungen über die drei sogenannten 
höfischen Romane Gr.s, die fast mit jedem Wort den literarhistorischen 
Tatsachen Gewalt antun. 

Günther Müller. 


Rudol£ von Fischer. Die Politik des Schultheißen Johann Friedrich 
Willading (1641-1718), Bern, Stämpfli & C!e, 1927. x und 198 S. 5 Fr. 


Die Berner haben den Vorteil, nicht bloß ihr reiches Kantonsarchiv, 
sondern auch die Kopien der äußerst reichhaltigen französischen Bestände 
des Bundesarchivs mit aller Bequemlichkeit benützen zu können. Davon 
machte auch Verf. dieser Monographie umfassende Gebrauch, benützte aber 
nebstdem die Archive von Zürich, St. Gallen, Berlin, sowie Handschriften 
verschiedener Bibliotheken des Inlandes, und dies umsomehr, als ab- 
gesehen von den E. A. die gedruckten Quellen ihm wenig Ausbeute lieferten. 
Er stellte fast nur aus ungedrucktem Quellenmaterial diese in verschiedener 
Hinsicht recht aufschlußreiche und darum dankenswerte Arbeit mit großem 
Fleiß und guter Methode zusammen und befliß sich außerdem einer gefälligen, 
gut lesbaren Sprache und recht objektiver Haltung. 

Abgesehen von der Person Willadings, über die alles Nötige gesagt 
wird, erfahren wir manches Neue und Interessante über die vielen Phasen 
des Neuenburger Erbfolgestreites, den spanischen Erbfolgestreit und vor 
allem auch über den Toggenburgerhandel und zweiten Villmergerkrieg. 
Bezeichnend, aber wohl zutreffend sind seine Schlußfolgerungen über die 
Berner Politik im Neuenburger Erbfolgestreit : «Der Wunsch zur Größe 
bestand noch ; am Willen gebrach es und der Kraft.» Man gewinnt aus 
seiner Darstellung den Eindruck «einer großen Zerrissenheit des alten 
Bern, das Mühe hatte, seine Prestige zu wahren, von außen bedroht, im 
Innern uneinig ». 

Über das Toggenburger Geschäft wäre noch einige gedruckte Literatur 
anzuführen, wie J. Müller, Der Bau der Rickenstraße, Uznach ıgıo, und 
derselbe, Landweibel Jos. Germann, in Zeitschrift f. Schweiz. Kirchen- 
geschichte VIII. Der Briefwechsel Fidels von Thurn mit Willading wird 
zwar erwähnt; doch scheint Verf. ihn nicht verwertet zu haben! 
Dagegen erfahren wir, daß Zürich und Bern die evangelischen Toggenburger 
aus strategischen Gründen unterstützen mußten wegen der für den Fall 
eines Krieges so wichtigen Verbindung mit Sax, Rheintal, Werdenberg, 
eventuell Glarus und Graubünden. Recht interessant ist es auch, zu ver- 
nehmen, wie 1710 der französische Gesandte Du Luc als Vermittler Bem 
durch Aussicht auf Erwerb von Neuenburg, Valangin und einem Stück 
Freigrafschaft, Zürich durch Anbietung von Abtretung des Toggenburg 
und der Waldstätte für seine Absichten zu gewinnen hoffte | 

Beim zweiten Villmergerkrieg vertrat W. die scharfe angriffslustige 
Politik des Zusammengehens mit Zürich, während der Feldoberst Tschamer 
aus Gewissensgründen nicht einen ungerechten Krieg gegen die V Orte 
führen mochte. 4A. Büchi. 


Wind, P. Siegfried O.M.Cap. Geschichte des Kapuzinerklosters Wil, 


Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Kapuzinerprovinz. Nach 
meist ungedruckten Quellen. Im Selbstverlag des Klosters Wil. 1927. 
210 S. Mit ı8 Abbildungen. 


P. Siegfried Wind, O.M.Cap., schenkt uns in seiner Geschichte des 
Kapuzinerklosters Wil eine ganz interessante und eingehende Darstellung 
von Klosterbau und Klosterleben der Kapuziner aus der Mitte des 
XVII. Jahrhunderts bis in unsere Tage. Der Verfasser begnügt sich nicht, 
uns nur eine Klostergeschichte im engen lokalen Rahmen zu bieten, 
sondern überall versteht er es, das Lokale durch allgemein schweizerische 
Provinz-Verhältnisse und -Gebräuche zu beleuchten, wodurch das Ganze 
an historischem Wert und allgemeinem Interesse gewinnen muß. Überaus 
klar ist der Aufbau, schlicht und gemeinverständlich die Sprache. 

Wie sein früheres Werk, die Geschichte des Kapuzinerklosters Dornach, 
zerlegt er auch dieses in sechs große Kapitel, von denen schon das erste 
mit der geplanten Klostergründung in Lichtensteig sehr interessiert. So 
groß die Bemühungen des Fürstabtes Bernhard Müller von St. Gallen 
von 1598 an durch zwei Jahrzehnte hindurch auch waren, in Lichtensteig 
ein Kapuzinerkloster zu gründen, sie zerschlugen sich immer wieder. Erst 
das Jahr 1653 brachte die endgültige Klostergründung, und zwar in Wil. 
Wie bei vielen andern Kapuzinerklöstern der Schweiz, haben wir auch 
hier einen eigentlichen Klosterstifter, der die intensivste Anregung und 
zugleich auch die finanzielle Grundlage zur Gründung bot. Es ist dies 
in Wil der Reichsvogt Georg Renner. Nun stellt uns der Verfasser ein 
buntes Bild von Zusammenarbeit von Stadt und Land, von Abt und 
Regierung vor Augen. 

Die eigentliche Geschichte des Klosters teilt er in zwei größere Ab- 
schnitte vor und nach der französischen Revolution, und hier findet der 
Laie, sorgfältig aus dem großen und ganzen ausgeschieden und unter 
bezeichnende Titel gestellt, eine Fülle von kleinen Darstellungen, in denen 
sich nebst dem Klosterleben auch das Schaffen und Wirken des einzelnen 
Paters, sowie im kleinen die Tätigkeit der gesamten schweizerischen 
Kapuziner-Provinz wiederspiegelt. Wir schauen da ein friedliches Bild 
ruhiger Entwicklung, bis die Provincia Helvetica zu 60 Konventen anwuchs, 
so daß man im Jahre 1668 zur denkwürdigen Teilung schritt und das 
schwäbische Gebiet als oberrheinische Provinz abtrennte. Dieser wichtige 
Akt wurde auf dem großen Kapitel in der Stadt Wil vollzogen. Bald 
erfolgte eine zweite Abtrennung 1729, es war die des Elsaß. Einen eigenen, 
zwar kleinen Abschnitt widmet der Verfasser der Klostergeschichte in der 
Zeit der französischen Revolution, der Helvetik und der Mediation. Der 
fünfte Abschnitt des Buches beschließt die eigentliche Geschichte des 
Klosters mit der Darstellung des neuesten Umbaues. Mit einem gewissen 
Stolz zeigt uns der Verfasser das neue Bauwerk in Wort und Bild, als 
wollte er sagen, und er sagt es auch: das ist ein kleines Abbild vom zeit- 
lichen Segen, der über die 270-jährige Kapuzinerwirksamkeit in Wil und 
Umgebung niedergegangen ist, und ein Wahrzeichen der Dankbarkeit 


— 234 — 


des gläubigen Volkes und seiner Hirten für geistliche Hilfe im Leben und 
Sterben. 

Die wertvolle Monographie wird beschlossen mit einer chronologischen 
Nachlese, in der besonders das Verzeichnis der aus dem Klosterbezirke 
hervorgegangenen 136 Kapuziner interessieren wird. 


Appenzell. P. Adalbert Wagner O.M.Cap. 


Hans Dommann. Franz Bernhard Meyer von Schauensee als Staats- 
mann und Zeuge seiner Zeit (1763-1882). S.-A. aus Geschichtsfreund. 
Bd. LXXX und LXXXI (1925-26). Derselbe, Franz Bernhard Meyer von 
Schauensee als helvetischer Justiz- und Polizeiminister und als Politiker, 
S.-A. aus der Zeitschrift für Schweizerische Geschichte, VI. Jahrgang, 1926, 


Diese sorgfältige objektive und auf Grund eines reichen Aktenmaterials 
gedruckter und ungedruckter Briefsammlungen schweizerischer und aus- 
ländischer Zeitgenossen erstellte Biographie ist ein wichtiger und reich- 
haltiger Beitrag zur neueren Schweizergeschichte, speziell über Aufklärung 
und Revolution und eine Ergänzung zu der schönen Studie über Meiers 
Schwager, Vinzenz Rüttimann, die uns der gleiche Verf. geschenkt hat. 
Wertvoll nicht bloß zur Erkenntnis Meyers und seines Lebenslaufes, 
sondern vor allem wegen der reichlich eingestreuten Personalien von hervor- 
ragenden Zeitgenossen wie Lavater, Pestalozzi, Cesar Laharpe, Johannes 
von Müller und der Freimaurer Le Grand und Ochs, aber auch seiner 
Luzerner Freunde und Gesinnungsgenossen Balthasar, Alphons Pfyffer, 
Keller, Krauer, Chorherr Mohr, Thaddäus Müller u. a. mehr. 

M. war helvetischer Minister und Mitglied der Consulta, ein begeisterter 
Freund der französischen Revolution, die er aus nächster Nähe mitangesehen 
und trotzdem ein Gegner der Volksherrschaft, Feind des Fremddienstes, 
Anhänger der Enzyklopädisten und der Aufklärung, religiös ein morali- 
sierender Deist. Diese Anschauungen Meyers, sowie seine persönlichen 
Beziehungen finden ihre Erklärung aus seiner Zugehörigkeit zur Frei- 
maurerei, die den Schlüssel zu seiner Biographie bildet und zu seiner 
philosophisch-religiösen Einstellung. Manches Neue erfahren wir auch 
über die Absetzung Ig. Vital Troxlers, über den Keller-Prozeß, seine 
Stellung zur Bistumsfrage und seine Kirchenpolitik überhaupt, sowie sein 
Verhalten gegenüber dem Aufstande in Nidwalden. Trotz seiner Bewunde- 
rung für Frankreich, wollte er aber von seiner Einmischung in die Schweizer 
Verhältnisse nichts wissen. 

Im Anhang zur ersten Monographie sind zwei Briefe Fichtes an Meyer 
vom 19. und 28. April 1794 aus dem Familienarchiv Meyer hier zum ersten- 
mal abgedruckt ; ferner die Porträts der Schultheißen Krauer, Keller, 
Amrhyn und Eduard Pfyffer in Lichtdruckbildern beigegeben. Dagegen 
vermißt man ein Inhaltsverzeichnis, und wegen der vielen ungedruckten 
Briefauszüge, die so nicht genügend zur Geltung kommen, wäre sogar ein 
Namenregister erwünscht gewesen. In der Gesamtwürdigung Meyers dürfte 
Verf. das Richtige getroffen haben. 

Albert Büchi. 


Henri Naef, Fribourg au secours de Gendöve,. 1525-1526. Fribourg, 
Fragnieres 1927, 316 S. 5 Fr. Luxusausgabe 20 Fr. 


Das 500-jährige Jubiläum des Burgrechts der Städte Bern und 
Freiburg mit Genf vom 9. März 1526 hat Abhandlungen gerufen, die sich 
mit diesem Ereignisse in einläßlicher und gründlicher Weise befassen. 
Zunächst beleuchtete der Genfer Historiker Edouard Favre in seinem 
vortreflichen Buche «Combourgeois, Geneve, Fribourg, Berne 1526», 
Geneve 1926, die Frage vom Genfer Standpunkt aus, vor allem auf Grund 
des Genfer Quellenmaterials, während H. Naef nun dasselbe vom Freiburger 
Standpunkt und insbesondere mit Verwertung der Dokumente des Frei- 
burger Staatsarchivs unternimmt. Zwar hat schon Berchtold im Jahre 1858 
in einer Abhandlung « Fribourg et Geneve ou precis des relations de ces 
deux Etats jusqu’& la rupture de leur alliance» (Archives de la Societe 
d’historie du canton de Fribourg, IIme vol.) die Beziehungen zwischen 
Freiburg und Genf vom ersten Bündnis 1477 bis zur gänzlichen Loslösung 
von Genf, 1534, in seiner Art und in großen Zügen dargestellt, ohne das 
Problem in seiner ganzen Tiefe zu erfassen oder das vorhandene Quellen- 
material auch nur mit annähernder Vollständigkeit heranzuziehen und 
auszuschöpfen. 

Der Abschluß des Bündnisses von 1526 stellt sich dar als der zweite 
Akt des Dramas, das im Beginn des XVI. Jahrhunderts sich abspielt. 
Der erste Akt fällt ins Jahr 151g mit dem Burgrecht Freiburgs und seiner 
bewaffneten Hilfe zum Schutze Genfs gegen Herzog Karl III. von Savoyen, 
die durch Dazwischentreten der eidgenössischen Orte abgestellt wurde 
und die Auflösung des Bundes zur Folge hatte. Der dritte und Schlußakt 
endete mit dem Rücktritt Freiburgs aus dem Genfer-Bernischen Burgrecht 
infolge Annahme der Glaubensänderung durch die Genfer und Entfernung 
des Bischofs aus seiner Residenz. Wenn die Entscheidung Genfs bei dem 
durch den Übertritt Berns zur Reform bedingten Gegensatz Freiburg- 
Bern zu Gunsten des letztern ausfiel, trotzdem Bern in seinem Verhalten 
gegen Savoyen abweichend von Freiburg und zum Nachteil Genfs sich 
viel entgegenkommender zeigte, so sieht Naef den Grund hiefür weniger 
in der gewaltigen Übermacht Berns, die bessere Garantien zum Schutze 
Genfs bot als das kleine Freiburg mit einem eng begrenzten Gebiet und 
mehr moralischen als militärischen Machtmitteln, als vielmehr darin, daß 
Genf sich innerlich bereits Freiburg entfremdet hätte. Durch seinen 
Glaubenswechsel war Bern auch in Gegensatz zum katholischen Herzog 
von Savoyen gekommen und sind damit jene Rücksichten weggefallen, die 
bisher noch gegen dieses Haus zu nehmen waren. Das haben jene Elemente, 
die auch in Genf den Abfall vom katholischen Glauben energisch und ziel- 
bewußt betrieben, richtig erkannt, und darum mußte Freiburg trotz oder 
gerade wegen seiner vorwiegend idealen Politik, die es auf ein Zusammen- 
wirken mit dem glaubensverwandten Herzog hinwiesen, bei diesem 
Dilemma geopfert werden. 

Man kann natürlich das Bündnis vom Jahre 1526 nicht verstehen, 
ohne den Zusammenhang mit den früheren Bünden und namentlich mit 


— 23 — 


jenem von 1519, wo Freiburg allein beteiligt ist, stets im Auge zu behalten, 
und Herr Naef würde sich sehr verdient machen, wenn er auch dieses, 
das eigentlich vorausgehen sollte, mit der gleichen Gründlichkeit und 
demselben Ausmaß zum Gegenstand einer eigenen Publikation machen 
würde ! 

Allein auch damit sind die Beziehungen Genf-Freiburg noch nicht 
genügend erklärt; wenn man weiter zurückgeht, so begegnet man wirt- 
schaftlichen Relationen, aus denen sich dann die politischen fast mit 
Notwendigkeit ergeben. Schon Berchtold hatte diesen Zusammenhang 
erkannt und in der Entwicklung und Ausdehnung des Freiburger Tuch- 
gewerbes die Erklärung gefunden. Leider fehlt uns noch immer eine 
Monographie über die Geschichte des Freiburger Tuchgewerbes, die nach 
verschiedenen Richtungen sehr aufschlußreich werden dürfte. Dafür haben 
wir einstweilen einigen Ersatz in der eindringenden, gehaltvollen Studie 
von Hektor Ammann «Freiburg und Bern und die Genfer Messen » 
(Langensalza 1921), wo die Bedeutung des Genfer Marktes für den Absatz 
der Freiburger Tuchindustrie sehr zur Geltung kommt. Genf bildete den 
wichtigsten Markt für die Freiburger Tucherzeugnisse ; deshalb waren die 
Genfer Messen von größter Bedeutung für das Wirtschaftsleben Freiburgs 
und umgekehrt auch der Freiburger Handel für Genf. Daraus erklärt 
sich die politische Verbindung, die 1477 erst schüchtern und zögernd erfolgt 
und vor allem die Handelsfreiheit und gegenseitige Hilfe bezweckt, 1519 
aber erneuert wird nebst einer Garantie der Genfer Unabhängigkeit, ohne 
weiteres. In dem von Ludwig XI. entfesselten Kampf um Begünstigung 
der Lyoner Märkte auf Kosten Genfs hielt Freiburg stets und unentwegt 
zu Genf und im Gegensatz zu Bern, das bei seiner Annäherung an Genf 
stets durch die Rücksicht auf den mit ihm verbündeten Herzog von 
Savoyen stark gehemmt und zur Zurückhaltung gezwungen war, finden wir 
Freiburg konsequent in Verfolgung der einmal eingeschlagenen Richtung, 
unbedingt und rücksichtslos an der Seite Genfs, insbesondere als die wirt- 
schaftliche hinter der politischen Frage zurückzutreten anfıng und Genf 
zur Erhaltung seiner politischen Unabhängigkeit der Hilfe seiner Ver- 
bündeten dringend bedurfte. Während bei dem Bündnisse Berns mit 
Genf politische Ziele überwogen, hatten bei der Allianz Freiburgs die 
wirtschaftlichen und ethischen bei weitem die Oberhand | 

Naef weist auch zum ersten Mal und mit guten Gründen darauf hin, 
daß das Jahr 1526 der burgundischen Eidgenossenschaft, die auf dem 
Bündnisse der Städte Solothurn und Freiburg mit Bern beruhte, ein Ende 
machte ; aber das wäre auch ohne dieses Burgrecht, dem Solothurn fern- 
blieb, als eine unvermeidliche Folge des religiösen Gegensatzes zwischen 
den Alliierten notwendigerweise eingetreten. Der alte Zusammenhang läßt 
sich nur noch gelegentlich erkennen, und die Anlehnung an Bern ist bei 
Solothurn auch nachher noch mehr spürbar als bei Freiburg. 

Wenn Naef Freiburg die ursprüngliche Idee der Eroberung der Waadt 
zuschreibt, so vergißt er dabei, daß diese zu den alten Programmpunkten 
bernischer Expansionspolitik schon zur Zeit der Burgunderkriege gehörte, 
deren Durchführung am Widerspruch und der Interesselosigkeit der übrigen 


Orte aber vorher stets scheiterte. Dagegen ist Naef völlig im Recht, wenn 
er Freiburg bei Abschluß des Burgrechtes von 1526 die führende Rolle 
zugesteht. Und erst als Freiburg kühn vorausgegangen war, am 25. Januar 
1526, wagte auch am 7. Februar der Große Rat von Bern trotz Wider- 
spruchs des Kleinen Rates, ganz wie in Freiburg, den Vertrag zu genehmigen. 
Über die kühl berechneten Erwägungen der verantwortlichen Leiter der 
auswärtigen Politik hatte an beiden Orten das ungestüme Drängen und 
teilnahmsvolle Empfinden des Volkes gesiegt | Aber Freiburg kommt das 
ungeschmälerte Verdienst der Initiative zu, und ihm verblieb auch die 
militärische Führung des Unternehmens. 

Die deutschen Texte sind im allgemeinen recht gut wiedergegeben ; 
doch sollte zu besserer Lesbarkeit die Orthographie nach den üblichen 
Normen vereinfacht werden. An einigen Stellen sind mir noch Lese- oder 
Druckfehler aufgefallen. So sollte es S. 4ı in Anmerk. I « ver » statt « ved » 
heißen ; ferner S. 61, Anmerk. 3, gegen Schluß « niendret » statt des sinn- 
losen «mendret»; ebda. Anmerk. 4, Zeile 2, «den» statt «der» gutten 
willen und gegen Schluß lies: «eher» statt «hurer». S. 79, Anmerk. z, 
Zeile5: «erenn », statt airenn». S. 142, Zeile 3, ist « exporter » falsch über- 
setzt für das deutsche « vergandten », d. h. vielmehr « mettre aux enchdres ». 
5. 153, Anmerk. I, gegen Schluß sollte es heißen « under » statt « unden » 
und auf der folgenden Zeile von «ihm » statt « hin » gelesen werden. 

Die Zitate aus dem Berner Missivenbuche sollten stets im Original- 
wortlaut statt in neuhochdeutscher Übertragung gebracht werden. Verfasser 
könnte sich zwar für das von ihm eingeschlagene Verfahren auf die 
Herausgeber der Eidgenössischen Abschiede berufen ; aber ich möchte sie 
in dieser Hinsicht nicht als Vorbild gelten lassen. Daß sich Zürich, wie 
Verf. auf S. 79 behauptet, im Jahre 1519 unter dem Einflusse Zwinglis 
von der großen Politik zurückgezogen habe, ist nicht zutreffend, da es 
bekanntlich noch immer dem päpstlichen Bündnis anhing und im Sommer 
1521 allein von allen Orten dem Papste zur Verteidigung seines Territoriums 
und ungeachtet der Opposition Zwinglis einen Aufbruch von 2000 Mann 
bewilligte. Das Gasthaus zum Strauß (S. 140, Z. 5) ist bereits 1450 und 
nicht erst 1492 nachweisbar, und zwar als Zunfthaus der welschen Kauf- 
leute, vgl. meine Abhandlung über Freiburgs Bruch mit Österreich, Bei- 
lage V. Auch ist es dem Verfasser entgangen, daß der Text des Burgrechtes 
vom Jahre 1526 sich stark an denjenigen des Jahres 1477 anlehnt, worauf 
schon Victor van Berchem im Jahrbuch für Schweizerische Geschichte XLV, 
S. 79, hinweist. Doch sind alle diese Bemerkungen nicht von Belang 
gegenüber den großen und unbestreitbaren Vorzügen, denn die Ab- 
handlung ist eine hervorragende Leistung und verdient wegen umfassendster 
Quellenforschung, streng kritischer Methode und ungemein gründlicher 
und eindringlicher Verarbeitung alle Anerkennung. Wenn daran etwas aus- 
zusetzen ist, so möchte ich höchstens die fast übergroße Einläßlichkeit 
und Peinlichkeit dazu rechnen, welche Originale und Übersetzung von 
Quellentexten zugleich bringt, wo das eine oder andere völlig genügen 
würde und auch belanglose Zitate in den Quellen nicht übergehen zu dürfen 
glaubt. Dagegen möchte ich dem Verfasser als großes Verdienst anrechnen, 


— 23 — 


daß er sich so große Mühe um Ermittlung von biographischen Angaben 
machte und durch eingehendes Inhaltsverzeichnis und sorgfältiges Namen- 
register das Nachschlagen bedeutend erleichtert und damit erst die ganze 
Ausbeutung ermöglicht. Endlich darf die geschmackvolle und prächtige 
Illustrierung durch Beigabe von 16 feinen, geschickt ausgewählten Licht- 
drucktafeln nicht unerwähnt bleiben. Dem Verlag aber gebührt Dank 
für die elegante Ausstattung und den sorgfältigen Druck. Der billige 
Preis, der ohne finanzielle Unterstützung durch Kanton und die Städte 
Bulle und Freiburg nicht denkbar gewesen wäre, ist auch ein Vorzug, 
der die Anschaffung des Buches weiteren Kreisen gestattet. 


Albert Bücht. 


Benedikt Bury. Geschichte des Bistums Basel und seiner Bischöfe, 
Solothurn 1927 (Selbstverlag), 565 S. 8°. 


Das Buch erscheint auf das Zentenarium der Neuumschreibung des 
Bistums Basel. Es dürfte aber kaum die Geschichte des Bistums Basel 
sein. Dem Bedürfnis nach einer solchen wird durch sein Erscheinen nicht 
abgeholfen. Schon deshalb nicht, weil es keine wissenschaftliche Arbeit 
ist, nach des Verfassers Absicht keine sein soll. Es ist eine deutsche 
Zusammenfassung, ein Auszug aus der zweibändigen « Histoire des Eve&ques 
de Bäle » von Louis Vauthrey. 

Vauthrey schrieb vor bald 50 Jahren. Er stützte sich neben eigenen 
Forschungen, die er mit Bienenfleiß betrieb, auf Trouillats Urkunden- 
sammlung, deren erster Band auch schon in den 5oer Jahren des vorigen 
Jahrhunderts erschien. Seither hat die geschichtliche Forschung Fort- 
schritte gemacht. Urkunden wurden herausgegeben, die auch für das 
Bistum Basel von Wichtigkeit sind. So hätte Vauthreys Werk einer gründ- 
lichen Neubearbeitung bedurft. Bury leistet sie nicht. Wohl zieht er 
Wackernagels « Geschichte der Stadt Basel » heran, zitiert aus ihr, schreibt 
sogar ab aus ihr 1, aber von einem Verarbeiten des gesamten neuen Materials 
merkt man nicht viel. So haften dieser Geschichte die Mängel an, die man 
bei Vauthrey heute rügt. Sie bleibt in der annalistischen Form der Dar- 
stellung stecken und wird so zu einer chronologisch zusammenhängenden, 
immerhin nicht vollständigen Materialsammlung. Sie bietet nicht ein Bild 
des wirklichen historischen Geschehens. Sie zeigt uns nicht, wie das 
Bistum Basel geworden ist. Da hätte gerade Wackernagel als Vorbild 
dienen können. 

«Das Verquicken der eigentlich historischen Darstellung mit Anmer- 
kungen bibliographischer Art», wobei oft die Mühe um den Stoff etwa$ 
stark durchdrängt, hat Bury aus Vauthrey übernommen. Ebenso die 
Eigenart, Urkunden mit dem ganzen Eingangs- und Schlußprotokoli 


1 Oder was ist es denn anderes, wenn Stellen aus Wackernagel wörtlich 
herübergenommen werden, ohne jedes Zeichen der Entlehnung (vergl. Wacher- 
nagel 1. S. 33 und Bury S. 68/69). 


anzuführen. Oft mit irrigen Folgerungen, die einen Mangel an historischer 
Allgemeinbildung verraten. So z. B. wenn aus den «herrlichen Worten » 
der invocatio einer mittelalterlichen Urkunde auf die Gesinnung und den 
Charakter des Ausstellers zurückgeschlossen wird. 

Wie die großen Geschehnisse des Abendlandes ihre Auswirkung auf 
die Geschichte des Bistums Basel hatten, kommt nur bruchstückweise zum 
Ausdruck. Die Kraftgestalten einzelner Bischöfe werden uns in keiner 
Weise näher gebracht. Die lange Beschreibung z. B. des Kreuzzuges von 
Bischof Heinrich von Horburg fördert die Darstellung in keiner Weise 
und trägt zur Charakteristik des Bischofes so gut wie nichts bei. Wohl 
aber hätte eine Darstellung seines Streites mit den Grafen von Homberg 
diesen Basler Fürsten prächtig gezeichnet. Solche Beispiele ließen sich 
mehren. 

Und was erfahren wir dann über den Klerus, seine Bildung in den 
verschiedenen Zeiten, sein Leben usw ? Wohl sind die Klosterniederlassungen 
immer erwähnt. Aber vom geistigen und geistlichen Leben in diesen 
Klöstern wird nichts gesagt. Gerade so wenig, wie vom liturgischen Leben 
im Bistum : Feste, Andachten usw. Und doch ist all das von erstem 
kirchengeschichtlichen Belang. Weit mehr als die vielen ausführlichen 
Urkundenzitate. Das Gleiche gilt von den finanziellen Verhältnissen. All 
das wird wohl da und dort gestreift, da und dort kurz erwähnt ; aber sich 
über einer dieser Punkte ein Bild zu machen — z. B. für eine bestimmte 
Zeit — ist unmöglich. 

Auch das Verhältnis des Fürstbischofs zur Stadt Basel findet nicht 
die gebührende Darstellung. Wie kann man z. B. schreiben, die Basler 
hätten erst nach ihrem Eintritt in den Bund der Eidgenossen « nach und 
nach die Gewalt des Bischofs abzuschütteln » gesucht ? Dabei hat man 
schon früher über Streitigkeiten zwischen Bischof und Stadt berichtet 
(vgl. S. 127). 

In der Zeit der Glaubenserneuerung erfahren wir — um nur wieder bei 
der Stadt Basel zu bleiben — nichts vom schwachen, aber zähen Wider- 
stand der Katholiken mit ihren Führern, nichts vom langen Zögern des 
Rates, nichts von dem heldenmütigen Verhalten der Kartäuser. Und all 
das hätte auf den 560 Seiten Platz gefunden, hätte man Nebensächliches, 
die Darstellung nicht Förderndes weggelassen. 

Für die neue Zeit ist der Stoff ziemlich gut zusammengetragen, aber 
nicht innerlich zu einer Darstellung verarbeitet. Der Altkatholizismus 
wird überaus dürftig abgetan. Dafür sind Feierlichkeiten, z. B. beim Amts- 
antritt eines neuen Bischofes, recht breit geschildert. Die Einführung des 
römischen Rituale durch Bischof Haas hätte erwähnt werden müssen. 
Wertvoll ist das Schlußkapitel mit den statistischen Angaben über den 
heutigen Stand der Diözese. Ein Verzeichnis der historisch nachweisbaren 
Bischöfe des Bistums Basel schließt den Band. Ein Register fehlt. Das 
Inhaltsverzeichnis gibt die Kapitelüberschriften wieder, die kurz den 
Inhalt des Kapitels anzeigen. Eine Anzahl Druckfehler wurde nicht 
berichtigt. Die erste Predigerniederlassung in Basel datiert vom Jahre 1223 
nicht 1233 (S. 59). 


Es ist begreiflich, daß sich für das Buch kein Verleger fand. Es ist 
eine Stoffsammlung für Vorträge, aber nicht die Geschichte des Bistums 
Basel, die noch fehlt. 


A. Breitenmoser. 


Eoclesiastica. Annalen für zeitgenössische Kirchen- und Kulturkunde, 
herausgegeben von der katholischen internationalen Presse-Agentur 
Freiburg, Schweiz. 


Diese von Dr. Ferdinand Rüegg redigierte Zeitschrift hat in den sieben 
Jahrgängen, die nunmehr vollendet vorliegen, den Beweis geleistet, dad 
sie je länger desto mehr eine wertvolle Fundgrube bildet für alle wichtigen 
zeitgenössischen Vorgänge und Ereignisse, insbesondere durch Sammlung, 
Registrierung und Wiedergabe von wichtigen Dokumenten und damit ein 
unentbehrliches Hilfsmittel zur zeitgenössischen Kirchengeschichte, ganı 
allgemein aber auch für katholische Politik, darum ebenso wertvoll für 
Publizisten, Politiker, wie für den Historiker. Sorgfältige, von kundiger 
Hand angelegte Personen- und Sachregister zeichnen diese Zeitschrift vor 
allem vorteilhaft aus, machen sie zum bequemen Nachschlagewerk und 
geben zugleich ein Bild von der Menge der Nachrichten und der Viel- 
seitigkeit des Inhaltes ! 


4A. Büchi. 


en nn nn nu nu nn nen nn nn 


Fribourg. — Imp. de l'CEuvre de Saint-Paul. 28. 


Zeitschrift oh, 


” für 


Schweizerische Kirchengeschichte. 


Revue dHistire Ercisiastige Suisse. 


eo 
_ MERAUSGEGEBEN voN - PUBLIEE PAR 


Aunerr. BÜCHı, Jon. Peter KIRSCH 


°. ö. Professoren an der Universität Freiburg (Schweiz) 
UND | 


Louis WJEBER, 


1 


Chanoine, professeur au Grand Seminaire, Fribourg. 


r 


xX1. JAHRGANG, IV. HEFT. — 23” ANNEE, FASC. IV. 


Erscheint viermal AED — Parait quatre fois par an. 


Abonnementspreis : 8 Fr. — Prix de v abonnement : 8 Fr 


ı 


STANS 1928. 


Hans von MATT, VERLAGSHANDLUNG. 


a — :Sommaire. 
K. E. Winter. : —_ Johann Jakob. Bichofen und die Romanik . . . .Agl 
Hans Dommann. — Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt des neuen | 
Bistums Basel (1828-1838) (Fortsetzung). ee 32 


E. Schlumpf, Quellen zur Biographie der sel. Rachild. . - 2. . 284 
P. Aebischer. — Etudiant du Pays de Vaud & ’Universite de Monspelir | 


EI a ee ir, BEE a Be 
Kleinere Beiträge. = Mölanges . .. . 2 22. ne 309 
Rezensionen. — Comptes vondus . 22 nenn. 31a 

_ GRÖSSERE BEITRÄGE, 20. TRAVAUX 
welche für die nächsten Nummern que la Revue publiera 

in Aussicht genommen wurden. ge LÜRRGCHE RE 


Arnold Winkler, Desiereich und die Aargauer Kieleragere _ Rudolf Ä 
Henggeler, Der Äbte- -Katalog von Fischingen, Rheinau und St. Gallen. —_ 
Fridolin Segmüller, Geschichte des Kollegs von Ascona. — L. Waeber, Lettres 
de Rome, de Sebastien Werro (1590-1593). — Le.me&me, Un projet de la | 
France de transferer & Soleure le siege &piscopal de Lausanne (1714). — 
Georges Blondeau,, Tableaux d’autel, peints par Wyrsch. — H. Bastgen, 
Vatikanische Aktienstücke zur Gründung des Jesuitenkollegs in’ Schwyz. Br 
Scheiwiller, Ein St. Gallischer Kirchenstreit am Vorabend der Glaubensspaltung 


i r 
NB. — Alle für die Zeitschrift für schweiz. Kirchengeschichte bestimmten 
Rezensionsexemplare sind an die Redaktion, Freiburg, zu adressieren. — 
Tous les ouvrages destines A recevoir un compte rendu dans la Reue 
d’Histoire ecclesiastique sı suisse onen Eetre en directement ä la Redacuon; 


Fribourg. | | | = gi 
m — —— —— ge — — en 
Die Zeitschrift = LA REVUE 


für Schweizerische Kirchengeschichte 'D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUE SUISSE 
erscheint 4 Mal jährlich. | parait par fascieules trimestriels. 


Johann Jakob Bachofen und die 
Romantik. 


Von Dr. Ernst Kar WINTER (Wien). 


Seit einigen Jahren gibt es so etwas wie eine Bachofen-Remmaissance, 
stellenweise sogar einen Bachofen-Kultus. Bahnbrechend wirkten hiefür 
die Studien und Editionen von Carl Albrecht Bernoulli (Basel), Alfred 
Baeumler, Manfred Schroeter.! Das « Mutterrecht », dessen Kulmination 
in Ethnologie und Soziologie längst hinter uns liegt, will Mode werden 
im Bereiche der Religions- und Mythenforschung. Die Schweiz, die 
Johann Jakob Bachofen (geb. 22. Dezember 1815, gest. 25. November 
1887 zu Basel) hervorbrachte, beteiligt sich an dieser Wiederentdeckung 
in besonderem Maße. Bernoulli, der Basler protestantische Theologe, 
will Bachofen als «Religionsforscher » würdigen, seine «historische 
Symbolpsychologie », wie er es nennt, neu beleben, und er widmet daher 


! Von der neueren Bachofen-Literatur wären folgende Werke zu nennen: 
Bernoulli, Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol. Ein Würdigungs- 
versuch. Basel 1924, Benno Schwabe, xxvI u. 697 S. ; Bernoulli, Johann Jakob 
Bachofen als Religionsforscher, Frauenfeld und Leipzig 1924, Huber, 120 Seiten. 
(37. Band der Sammlung : Die Schweiz im deutschen Geistesleben, hrg. v. Harry 
Maync, Bern) ; Der Mythus von Orient und Occident. Eine Metaphysik der 
alten Welt. Aus den Werken von J. J. Bachofen. Mit einer Einleitung (« Bach- 
ofen, der Mythologe der Romantik ») von Baeumler, hrg. v. Schroeter, München 
1926, C. H. Beck, ccxcıv u. 628 S.; Johann Jakob Bachofen, Urreligion und 
antike Symbole. Systematisch angeordnete Auswahl aus seinen Werken in drei 
Bänden, hrg. v. Bernoulli, Leipzig 1926, Philipp Reclam, Universal-Bibliothek, 
512; 523; 524 Seiten; J. J. Bachofen, Versuch über die Gräbersymbolik der 
Alten. Zweite, unveränderte Auflage. Mit einem Vorwort von Bernoulli und einer 
Würdigung von Ludwig Klages. Basel 1925, Helbing und Lichtenhahn, 433 S.; 
J. J. Bachofen, Das Iykische Volk und seine Bedeutung für die Entwicklung des 
Altertums, hrg. v. Schroeter, Frauenfeld und Leipzig 1924, Huber, 110 S. (30. Band 
der Sammlung : Die Schweiz im deutschen Geistesleben) ; J. J. Bachofen, Selbst- 
biographie und Antrittsrede über das Naturrecht, hrg. u. eingeleitet v. Baeumler, 
Halle a. S. 1927, Max Niemeyer, 66 S. (s. Band Neudrucke der Sammlung: 
Philosophie und Geisteswissenschaften, hrg. v. Erich Rothacker) ; Johann Jakob 
Bachofen, Mutterecht und Urreligion. Eine Auswahl, hrg. v. Rudolf Marz, Leipzig 
1927, Alfred Kröner, 276 S. 


REVUE D’HISTOIRE ECOLESIASTIQUE 16 


— 242 — 

seine Bachofen-Edition expressis verbis «allen Mitarbeitern an einer 
allgemeinen überstaatlichen, völkerverbindenden Religionswissenschaft, 
die im Verständnis für das Muttertum der menschlichen Urreligion 
wurzelt ». | 

Wenn in den folgenden Darlegungen dem Bachofen-Problem näher- 
getreten wird, so nicht vom soziologischen Standpunkt, wie ich es in 
einer Studie in der «Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft » 
versuche !, sondern vom kuliurhistorischen Standpunkt. Es handelt sich 
darum, die Rolle Bachofens im Rahmen der Romantik klarzustellen 
und in Verbindung damit den Kulturwert seines Muttergedankens für 
die Gegenwart, soweit die Religions- und Geistesgeschichte der Schweiz 
solches erheischt. 

Bernoulli und Baeumler haben die Zugehörigkeit Bachofens zur 
Romantik behauptet. Nach Bernoulli? «verfiel» zwar Bachofen — 


ebenso wie Karl Friedrich von Savigny, der Empfänger seiner Selbst | 


biographie in Briefform (1854) — der Romantik «nie eigentlich », « weil 


er wie dieser ein klarer Kopf war und scharf zu denken verstand: 


‘ Doch ist die Antrittsrede über das Naturrecht eine «echt romantische 
Kriegsfanfare » und ihr Verfasser, besonders in seiner Stellung zum 
Christentum, ein «echter Sohn und Erbe der Romantik ». In einer 
späteren Zusammenfassung ® wird Bachofen sogar «in mehr als einer 
Hinsicht ihr (der Romantik) wichtigster Erbe» genannt und seine 
Selbstbiographie «als ein bemerkenswertes Beispiel spätromantischer 
Denkweise » bezeichnet. Doch ist Bachofens « Anhängerschaft an die 


Romantik » für Bernoulli immerhin mehr «eine mittelbare und ab- | 


geleitete». «Das romantische Teil seines Werkes liegt eben mehr in 
der Färbung, die es von der Zeitströmung erhielt, als in dem Kem 
selbst, aus dem es erwuchs. Dieses Samenkorn ist aus weit größeren 
Zeitfernen ihm ins Herz gesenkt worden, und zwar genau eben daher, 
von wo es auch in die Furche der Romantik sank, — aus einem wesens- 
verwandten Zugehörigkeitsgefühl zu den Geheimnissen der antiken 
Seele. Sowar Bachofen der Romantik mehr ein blutsechter Vetter als ein 
aus ihrem Schoße hervorgegangener Sohn. » Und Bernoulli, der das 
Kennzeichnende bei Bachofen in den «Schauungen » sieht, «die hoch über 
bloßen Kenntnissen standen, dank dem warmen, strengen Erlebniston, 


1 Johann Jakob Bachofens Methode der Sozialforschung, Zeitschrift für die 
gesamte Staatswissenschaft, 1928 (im Erscheinen). 

®2 Natursymbol, 20, 30, 33 f. 

9 Religionsforscher, 14 fl. 


nn 


der darauf lag »!, der Bachofens « Mystizismus » feiert ?, durch den das 
« Ungenügen » der Historie wie der Archäologie zur Ergänzung kam, 
steht nicht an als das Bachofen und der Romantik Gemeinsame zu 
bezeichnen, «ein unverkennbares Mißtrauen gegen vernünftige Maß- 
stäbe und eine dadurch bedingte Hinwendung zu den en 
und mystischen Phänomenen ». 3 

Eingehender und konsequenter faßt Baeumler * das Problem an. 
Seine literarhistorischen Analysen der verschiedenen romantischen 
Schulen, der Görres und Creuzer, Savigny und Grimm, K. O. Müller 
und Ranke, welch letzteren er den « Historiker der Romantik » nennt, 
führen ihn dahin, von einem « Doppelwesen der Romantik » zu sprechen 
und die literarische von der religiösen Romantik, Jena von Heidelberg 
zu trennen. « Die religiöse Romantik », so schreibt er ®, « beginnt mit 
Görres und den Brüdern Grimm, nicht mit Fr. Schlegel und A. H. Müllers 
Konversion. .... Zwischen Schlegel und Görres liegt eine Kluft, die 
weit tiefer ist als die zwischen Winckelmann und Schlegel.» «Die 
Jenaer Romantik, heißt es weiter, ist die Euthanasie des Rokoko. .... 
Auflösung ist die geistige Signatur der Romantik. .... Daß die 
Romantik von Jena ein Ende ist, ersieht man am besten aus dem 
symbolischen Lebenslauf Friedrich Schlegels. Seine Konversion ist nicht 
die Erfüllung der Romantik, sondern ein Ausdruck der Rastlosigkeit : 
der geistige Führer einer «Bewegung », die nur scheinbar eine war, 
sucht, von der Zeit auf den Sand gesetzt, Halt auf dem uralten Fels 
der Kirche. » 

Durch diese Gegenüberstellung, die den «beiden berühmten poli- 
tischen Romantikern » Schlegel und Müller das Epitheton « romantisch » 
entziehen möchte, wurde «der in heilloser Verwirrung liegende Begriff 
der Romantik » kaum wie erwünscht einer Klärung nähergebracht. 
Im Gegenteil, die Sache liegt womöglich noch trostloser wie früher. Es 
ist schließlich Geschmackssache, was ich «Romantik » nenne. Doch 
muß sich, wer immer diesen Begriff gebraucht, seiner Vieldeutigkeit 
bewußt bleiben. Die Kontroversen, welche die Romantiker miteinander 
führten, machen es relativ leicht, von welchem Romantiker ich eben 
herkomme, in dessen romantischem System die Norm des Romantischen 


I Natursymbol, 68. 

3 Ebd. 79 fl. 

® Religionsforscher, 19. 

% Orient und Occident, Einl. 93 #f. 
5 Ebd. 166 fi. 


— 24 — 
schlechthin zu finden. Dieses Schachspiel, das die eine Gruppe Roman- 
tiker gegen die benachbarte setzt, bleibt in seinen Ergebnissen immer 
etwas problematisches. Wer seinen Lieblingsromantiker zum einzig- 
gültigen Maßstab macht, der findet leicht eine neue Romantiktheorie. 
Wenn Baeumler die Begriffsverwirrung, die das Bild der Romantik 
beherrscht, «aus einer einseitigen, literargeschichtlichen Einstellung » 
erklärt, «die nur Biographien und Werke, nicht Epochen kennt », so 
muß man zweifeln, ob er selbst die Geistesstruktur der Epoche vor 
lauter Einzelgeistern sieht. Wer Bachofen in den einzelnen Romantikem 
und sonstigen Zeitgenossen sucht, der findet eben immer nur Bach- 
ofen und niemals die Romantik. So kommt es, daß Bachofen neuestens 
sogar von Baeumler ! mit K. L. v. Haller zusammengestellt wird, wie von 
Bernoulli ® schon früher mit Numa Denis Fustel de Coulanges. ? Bestehen 
freilich diese Gleichsetzungen zu Recht, dann wären bei einigem Bemühen 
doch wohl auch noch Fr. Schlegel und A. H. Müller in eine Linie mit 
Bachofen zu bringen, und Baeumler hätte nicht davor zurückscheuen 
müssen, dem reifen Görres zu begegnen, dem Verfasser ebenso kühner, 
konstruktiver, wie phantasievoller, elementarer Werke *, die Baeumler 
nicht zum Vergleiche heranzieht. Es ist einer der schwersten Mängel 
der Baeumlerschen Untersuchung, daß sie, wiewohl sie gerade Görres 
so große Bedeutung beimißt, bloß die erste Lebenshälfte des Mannes 
kennt und sein Reifen, das nicht minder ein Symbol der Epoche ist, 
nicht sehen will.5 Denn gerade dieses Reifen von Görres, Fr. Schlegel, 
A. H. Müller, die Baeumler sämtliche viel zu wenig kennt, um seine 
Urteile wirklich aufrecht erhalten zu können, läßt die daternale und 
maskuline Struktur der Romantik erkennen, das Streben der besten 
und ernstesten Romantiker eine gewisse Phantastik zu überwinden, 
einen gewissen Mystizismus abzuklären, während gerade Bachofen das 
typische Bild des Steckenbleibens in infantilen und femininen Ent- 
wicklungsformen des Lebens bietet, Formen, die gewiß viele, wenn nicht 
die meisten Romantiker einmal erlebt haben, durch die sie aber 
hindurchgeschritten sind. Es ist ein methodologisches Hauptgebrechen 


I Selbstbiographie, ed. Baeumler, 4 fi. 

% Natursymbol, 170 ff. 

® Der antike Staat, deutsch v. Paul Weiß, Berlin und Leipzig 1907. 

* Die Völkertafel des Pentateuch : Die Japhetiden und ihr Auszug aus 
Armenien, Regensburg 1845 ; Die drei Grundwurzeln des celtischen Stammes in 
Gallien und ihre Einwanderung, Münchner Abhandlungen, 1845-46, IV./2-3- 
5 Vgl. meine Görres-Studie, Schönere Zukunft, 1924-25, Nr. 17/18. 


— 2435 — 

Baeumlers, diesen Prozeß, der namentlich bei Görres und A. H. Müller 
offen zutage liegt, nicht berücksichtigt und die Entwicklungshemmung 
Bachofens nicht daran gemessen zu haben. 

Den Romantik-Konstruktionen, wie sie sich schon in der Kontro- 
verse Carl Schmitis mit der Wiener Schule Spann-Baxa und neuestens 
ın der Bachofen-Literatur bemerkbar machen, muß, wie es in dieser 
Zeitschrift bereits geschehen ist!, immer wieder entgegengehalten 
werden, daB zwei große historische Ströme romantischen Geistes unter- 
schieden werden müssen. Die Opposition des XIX. Jahrhunderts gegen 
das XVIII., speziell gegen dessen revolutionären Exitus, offenbart sich 
in einer doppelten Gestalt. Wir können eine sädwestliche, romanische 
Romantik und eine z#ordöstliche, deutsch-slavische, «ostelbische » 
Romantik unterscheiden, eine, die mit dem Begriff der Romanitas 
zusammenhängt, mit Form und Maß, mit luciditas und liquiditas, weil 
sie in Kontinuität steht mit dem klassischen Barocco, speziell innerhalb 
des österreichischen und des französischen Kulturkreises, und eine andere, 
vielfach entgegengesetzte und nur in formaler Hinsicht verwandte 
Romantik, die das Romanhafte, Phantastische, Gestaltlose, Genialische 
repräsentiert, das freilich oft Impulse enthält, die sonst fehlen. Mittel- 
europa bildete die Kreuzungsfläche beider Kulturerscheinungen, be- 
sonders Wien und Berlin standen widereinander, hier die Romantik um 
St. Klemens Maria Hofbauer, dort die des «deutschen Idealismus » 
(Fichte, Schelling, Hegel). Die Funktion des österreichischen Kultur- 
kreises war dabei stets die der engen Verknüpfung romanischer Klassik 
und germanisch-slavischer Romantik, und diese Synthese kennzeichnet 
den Begriff der österreichischen Romantik.* Daß die Schweiz in diesem 
Prozeß des europäischen Geistes ebendieselbe Mission hat und daß die 
Impulse, die Österreich bestimmten, zum Teil von der Schweiz ver- 
mittelt wurden, konnten bereits mehrere Studien in dieser Zeitschrift 
betonen. ® Man muß Bachofen, soll seine Stellung zur Romantik klar- 
gelegt werden, in diese Erkenntnisse eingliedern. 


! Vgl. meine Romantik-Studie in dieser Zeitschrift, 1927, 81-102. 

? Vgl. meine Artikel in der neuen Auflage des Staatslexikons der Görres- 
Gesellschaft, besonders Abel, Brunner, Gruscha, Hofbauer, sowie meine Rezension 
des Jarcke-Buches von Frieda Peters (1926) in der « Zeitschrift für die gesamte 
Staatswissenschaft », 1927, 83, 168 ff. 

® Vgl. meine Studien über P. Dießbach S.]J. in dieser Zeitschrift (1924), 
dazu nunmehr Mgr. Jaquet in «La Semaine Catholique » (1927, 56, 469 fl.), ferner 
über P. Efinger O.S.B., ebenfalls in dieser Zeitschrift (1925), sowie über Berol- 
dingen in der « Zeitschrift für Schweiz. Geschichte » (1925). 


— 246 — 


Der Fehler, den Bernoulli und Bacumler beim Vergleiche Bachofens 
mit Fustel de Coulanges und Haller begehen, ist darin zu suchen, da 
sie aus der Tatsache, daß beide Teile bestimmte Probleme formal ın 
gleicher Weise stellen und behandeln, eine materiale Parallele erschließen, 
wiewohl die Resultate beider Richtungen, das Moment, worauf es ım 
letzten Grunde ankommt, so sehr differieren, daß eher von elementaren 
Gegensätzen statt von Parallelen die Rede sein sollte. So konstatiert 
Bernoullii!, daß Bachofen und Fustel de Coulanges in folgenden drei 
Punkten Verwandtschaft zeigen : sie gehen beide aus « vom religiösen 
Kult als der sichersten Quelle zur Erforschung der Staatseinrichtungen », 
sie sind beide einig «in der Benützung einer historischen Sozialtheone 
mit verwandtschaftlichen Ursprüngen zum Leitgedanken », sie sind 
endlich beide durchdrungen « von der starken inneren Ertragsfähigkeit 
echter Quellen». Diese drei formalen Momente, nämlich die grund- 
sätzliche Herleitung der Staatscinrichtungen von der Religion und vom 
Kult, die Bezugsetzung des Staates zur Familie und zum Verhältnis 
der beiden Geschlechter, endlich eine starke Kritiklosigkeit und 
Quellengläubigkeit, dies wiegt für Bernoulli so schwer, daß er die 
maleriale Gegensätzlichkeit des « Mutterrechtes » zur «Cite antique»., 
die bekanntlich das Vaterrecht in die Mitte der historischen Betrachtung 
rückt und dieselben Komplexe, die Bachofen maternal deutet, selbst 
paternal sieht, gering anschlägt. Die «innere Eintracht ihrer in der 
Erklärungsrichtung sich strikte entgegenlaufenden Auffassungen » 
scheint ihm gewaltig genug, um behaupten zu können, Bachofen und 
Fustel de Coulanges hätten, wiewohl «äußerste Antipoden in theore- 
tischer Hinsicht », «freilich auf getrennten Schienensträngen, dieser 
väterlich, jener mütterlich, denselben Weg befahren ». 

Dieselbe Geringschätzung der inhaltlichen Gesichtspunkte und ein- 
seitige Vergleichung nach der formalen Verfahrensweise betätigt 
Bacıumiler 2, wenn er Bachofen mit Haller konfrontiert. « Bachofen sucht 
den Inhalt aller menschlichen Verhältnisse aus dem Geschlecht, au‘ 
den Urtatsachen des Zeugens und Geborenwerdens abzuleiten. .... E 
ist etwas primitiv Rücksichtsloses in der Art, in der Bachofen alles 
zu dem Unterschied des Männlichen und des Weiblichen in Beziehung 
setzt. ..... Eine ähnliche Primitivität ist Haller eigen, der sein ganz> 
Werk hindurch den Gedanken, daß alle gesellschaftlichen Verhältniss 


8 Natursymbol, 170 fl. 
® Selbstbiographie, ed. Baeuniler, 4 ff. 


in der natürlichen Überlegenheit des einen Menschen über einen anderen 
ihren Ursprung haben, mit einer eintönigen Wucht ohnegleichen ab- 
handelt. » Genauer wäre zu sagen, daß Haller, ebenso wie Görres oder 
A. H. Müller, von der Familie als der Keimzelle der Sozietät ausgeht, 
und daß die formalen Beziehungen Bachofens zu ihnen daher eigentlich 
noch intimere sind, als Baeumler hier voraussetzt. Daß dabei Hallers 
Einstellung paternal ist, nicht maternal, wie die Denkweise Bachofens, 
hält Baeumler übrigens für einen Gegensatz Hallers zur Romantik. 

Wer lediglich in einer Verfahrensweise, welche die politischen und 
ökonomischen Komplexe der Geschichte religiös und mythologisch 
deutet, das Kriterium der Romantik sieht, ferner in einer Quellen- 
gläubigkeit, die in den historischen Quellen Offenbarungen des Genius 
einer Epoche verehrt, daran Kritik zu üben Profanierung wäre, der 
kann ruhig die Gleichsetzungen Bachofens mit Haller und Fustel de 
Coulanges vollziehen. Es ist dann freilich nicht recht einzusehen, warum 
nicht Fr. Schlegel, A. H. Müller, der reife Görres, die sämtliche im Fort- 
schritte des Denkens immer mehr in die Nähe Hallers und der 
«romanischen Restaurationsphilosophie » rückten, der wieder Fustel de 
Coulanges nahestand, warum nicht auch diese mit Bachofen verglichen 
werden könnten. Es wird der Begriff der Romantik dann eben ein 
formaler, in den die widersprechendsten Inhalte zu gießen sind. Was 
dabei gewonnen werden soll, ist nicht einzusehen. Ehrlicher und sach- 
licher wäre es, einzugestehen, daß man Bachofen in der Romantik sucht, 
nicht den historischen Sinn der romantischen Epoche selbst. Denn 
dieser ist, was die Materie des Denkens betrifft, sowohl in den charakte- 
ristischen romanischen Formen (Bonald, De Maistre, Donoso Cortes, 
Haller) wie in den mitteleuropäischen, die sich in der romanischen 
Richtung entwickelten (A. H. Müller, Görres), ein durch und durch 
daternaler. 

Schon Casımir von Kelles-Krauz!, einer der ersten Bachofen- 
Biographen, hat, woran Bernoulli erinnert ?, darauf verwiesen, daß die 
malernale Denkrichtung im Geiste des sentimentalen Rousseauismus tief 
begründet liegt und Bachofen in der maternalen Deutung der mensch- 
lichen Frühgeschichte eine Reihe von Vorgängern besitzt. Die Romantik 
hat sich in elementarer Form gegen den Rousseauismus erhoben und sich 
sogar gegen die prärousseauschen, semirousseauschen Formen des Staats- 


! Die neue Zeit, 1901-02, XX./l. 517 ft. 
! Natursymbol, 146 f. 


— 28 — 
denkens gewandt, wie sie besonders in der swarezianischen Scholastik 
enthalten sind. Hier klafftt somit das Denken Bachofens und der 
Romantik weit auseinander. Es ist bisher noch keinem Bachofen- 
Forscher in den Sinn gekommen, das Mutterrecht mit den Naturstands- 
theorien des XVIII. Jahrhunderts zu vergleichen. Ein solcher Vergleich 
würde ergeben, daß Bachofen ebenso mit dem Rousseauismus und 
Suarezianismus zusammenhängt, wie die Romantik mit der paternalen 
Staatstheorie des Barocco. Ein offensichtlicher Vorläufer Bachofens, 
von dem noch festgestellt werden müßte, ob ihn der Verfasser des 
« Mutterrechtes » nicht vielleicht gekannt und benützt hat, der jeden- 
falls die frappierendsten Ähnlichkeiten mit Bachofen zeigt, P. Joseph- 
Francois Lafıtau S.]J. in seinen «Maurs des sauvages americains, 
compar&es aux maeurs des premiers temps » (Paris 1724), befolgt nicht 
nur dieselbe Methode wie Bachofen (kritiklose Kompilation der antiken 
Quellen, naiv realistische Deutung der historischen und mythologischen 
Komplexe, Konfrontation der antiken und ethnologischen Quellen 
zwecks wechselseitiger Erhellung), sondern erhebt sich ebenfalls zu 
dithyrambischer Schilderung der Gynaikokratie, welchen Begriff er 
ebenso wie Bachofen den klassischen Quellen (Strabo) entlehnt. So 
schildert Lafitau das Mutterecht der Irokesen und Huronen, das er 
mit dem der Lykier vergleicht, wie folgt : « Rien n’est cependant plus 
reel que cette superiorite des femmes. C’est dans les femmes que con- 
siste proprement la nation, la noblesse du sang, l’arbre genealogique, 
l’ordre des generations et de la conservation des familles. C’est en elles 
que reside toute l’autorite reelle ; le pays, les champs et toutes leurs 
recoltes leur appartiennent. Elles sont l’Ame des conseils, les arbitres 
de la paix et de la guerre ; elles conservent le fisc ou le tr&sor public; 
c’est a elles qu’on donne les esclaves ; elles font les mariages ; les enfants 
sont de leur domaine, et c’est dans leur sang qu’est fonde l’ordre de 
la succession. Les hommes, au contraire, sont entierement isoles et 
bornes a eux-memes. Leurs enfants leur sont &trangers. Avec eux tout 
perit ; une femme seule releve la cabane, mais s’iln’y a que des hommes 
dans cette cabane en quelque nombre qu’ils soient, quelque nombre 
d’enfants qu’ils aient, leur famille s’eteint ; et quoique, par honneur, 
on choisisse parmi eux les chefs, que les affaires soient traitdes par le 
conseil des anciens, ils ne travaillent pas pour eux-m&mes, il semble 
qu’ils ne soient que pour representer et pour aider les femmes dans les 
choses oü la biens&ance ne permet pas qu’elles paraissent et qu’elles 
agissent. » Diese klassischen Sätze, die ebenso gut Bachofen geschrieben 


—— - 


haben könnte und die die Verwandtschaft seines « Mutterrechtes » nicht 
mit der Romantik, sondern mit den Naturvölkertheorien des XVIII. Jahr- 
hunderts ad oculos demonstrieren, sind ein Fingerzeig, wie notwendig 
es wäre, der vorromantischen Wurzel des Bachofenschen Gedanken- 
gutes einmal ernsthaft nachzuspüren. Eine Schule der neueren Ethno- 
logie, die sogenannte «Kulturkreislehre »„ wie sie Schmidt-Koppers 
repräsentieren, bietet in ihrem Hauptwerk « Gesellschaft und Wirtschaft 
der Völker »1, dem ich den ersten Hinweis auf Lafitau verdanke ?, eine 
charakteristische Verbindung Bachofenscher und Lafitauscher Lehren, 
die ebenfalls kaum etwas von der paternalen Bedeutung des sozialen 
Kosmos weiß. 

Bernoulli ® weist ferner flüchtig darauf hin, daß Bachofens Mutter- 
rechtstheorie von seinem Göttinger Lehrer Gustav Hugo (1764-1844) 
herrühren könnte, dessen « vorsavignyischer Standpunkt » eine Brücke 
bildet vom XVIII. Jahrhundert zur « historischen Rechtsschule ». Den 
Begriff des Mutterrechtes als eines rechtshistorischen Gegenstandes, 
Statt eines religionsgeschichtlichen und metaphysischen, habe Bachofen 
«jedenfalls einst in dem juristischen Kolleg zu Göttingen in sich auf- 
genommen ». Sieht man näher zu, dann repräsentiert sich Hugo nicht 
bloß als der flüchtige Anreger, sondern in der Tat als der eigentliche 
aVater des Mutterrechtes» und wir erkennen neuerdings, wie fest und 
tief dasselbe im Boden des XVIII. Jahrhunderts wurzelt. Hugo ist 
Sarkastischer Gegner der Monogamie und der Paternität ; seine Einstellung 
ist charakteristisch maternal. Der Geist, der Bachofens Mutterrecht 
grundgelegt hat, kommt klassisch in einer nach Hugos skeptischer 
Weise halb ernsten, halb spöttischen Stelle zum Ausdruck, die ein Motto 
abgeben könnte für Bachofens soziologisches Lebenswerk. Es heißt 
in Hugos « Lehrbuch des Naturrechts als einer Philosophie des positiven 
Rechts»*: «Da durch die Ehe .... die Freiheit und Gleichheit der 
Menschen so sehr eingeschränkt wird, da sie zu einer Handlung, welche 
ihrer Natur nach ganz freiwillig sein muß, .... Zwang mischt, im 
Gegenteil aber allen Reiz der Neuheit und Abwechslung verbietet, da 
sie einen Menschen an den andern fesselt, von dem er in der Organisation, 


1 Vgl. meine Rezension in der Studie « Die historische Ethnologie und die 
Sozialwissenschaften » in der « Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft » 
(1927, 82, 457-511). 

® Gesellschaft und Wissenschaft, 268. 

: Natursymbol, 33, 147, ebenso Baeumler, Orient und Occident, Einl. 137 f. 

* Berlin 1798, ı. Auflage, 62 ff., 75 fl. 


— 250 — 


in der Erziehung, in den Neigungen so sehr abweicht, den er noch nicht 
ganz kennt, der sich nachher immer ändert, und der wenigstens die 
Vergleichung mit einem andern nachher aufgefundenen und durch jene 
Verbindung getrennten oft nicht aushält, .... da sie ferner dasjenige 
organisierende Wesen, welches dabei am meisten tut und leidet (die Frau) 
selbst und mit den Kindern dem andern unterwirft, das nur mehr Stärke 
hat, — so ist es zu verwundern, daß noch niemand bewiesen hat, die Ehe 
könne nicht positives Recht sein, weil sie ja dem Naturrecht offenbar 
widerspreche. Und dies alles um der Paternıtat willen ? Ist es nicht 
Egoismus, der uns einen Unterschied zwischen den Kinder, deren 
Vater man zu sein glaubt und zwischen den übrigen Kindern des 
Staates machen lehrt ? Und ließe sich nicht selbst die Gewißheit der 
Paternität ohne Ehe erreichen ? .... Verdiente nicht wenigstens eım 
Verbindung mehrerer Männer mit mehreren Weibern den Vorzug, damit 
auch der Tod der natürlichen Eltern die Kinder nicht zu Wäaisen 
mache ?» Ebenso heißt es von der väterlichen Gewalt, daß sie «der 
natürlichen Freiheit und Gleichheit aller Menschen zuwider sei und 
noch Spuren ihres ersten Ursprunges aus der physischen Übermacht 
an sich trage, welche bei einem vollkommenen rechtlichen Zustande 
vertilgt werden müßten ». Die Vaterschaft und väterliche Gewalt wird 
ein «unnatürliches Verhältnis » genannt, denn besser sorge der Staat 
für die Nachkommenschaft. Es heißt hier: «Ein vernünftiges Wesen 
wird dem andern unterworfen, sein Recht, nach eigener Überzeugung 
zu handeln und Pflichten zu erfüllen, durch die Willkür von diesem 
beschränkt. .... Der Jüngere wird dem Älteren unterworfen, und 
dadurch das von vielen behauptete Fortschreiten der Menschheit zur 
Vervollkommnung geradezu aufgehalten. Und wenn dabei noch auf 
persönliche Fähigkeit gesehen würde ! Aber ein bloßer Zufall, eine 
Handlung, bei welcher (wenn sie auch dem positiven Rechte zu Ehren. 
für wahr und wirklich angenommen wird, da sie doch auch in dieser 
Rücksicht mit den Bemühungen der Mutter oder der Amme nicht verglichen 
werden Rann), meist nur die Sinnlichkeit gewirkt hat, gibt dem 
dümmsten und boshaftesten Menschen Vaterrechte über den genie 
vollsten und edelsten Sohn. » Ebenso wird in der « juristischen Anthro- 
pologie » der zweiten Auflage ! das Problem behandelt. Programmatisch 
heißt es von der Ehe, daß in dieser Materie die « Philosophie des positiven 
Rechts » nicht anders als «angriffsweise zu Werke gehen » könne. 


! Ebd. 1799, 183, 189. Baeumler (a. a. O.) zitiert die 4. Aufl. (1819). 


— 2531 — 


Hugo schlägt mehr oder weniger verblümt die Abschaffung der Ehe vor. 
«Daß damit die Paternität wegfiele, .... ist nicht zu leugnen ; allein, 
ist denn die Paternität .... auch an sich so was unentbehrliches, als 
sie uns jetzt scheinen kann ?» Wir müssen zu diesen Sätzen bloß die 
Sprache der Romantiker halten, eines K. L. Haller, A. H. Müller, 
Görres, Jarcke, um sowohl den abgrundtiefen Abstand wahrzunehmen, 
der diese Welt des XVIII. Jahrhunderts, der Bachofen entstammt, 
von der Romantik trennt, als auch einzusehen, vor welcher Barbarei 
des Denkens die Romantik das XIX. Jahrhundert bewahrt hat. Man 
vergleiche das soziale Ethos, das in den Bekenntnissen P. Dießbachs 
zur Gesellschaft Jesu (1790), Beroldingens zum römischen Reich (1792), 
P. Efingers zur vorrevolutionären Sozialordnung (1798-99) liegt, mit 
diesen gleichzeitigen Kundgebungen eines führenden und schulbildenden 
deutschländischen Rechtslehrers (1798-99), und man wird erkennen 
nicht nur woher die Romantik stammt, nämlich die Romantik als eine 
positive, die kulturelle Kontinuität Europas sichernde Geistesbewegung, 
sondern auch gegen wen sie sich richtete und wer sie in ihrer Wirksamkeit 
behinderte. 

Erhellt aus diesen Vergleichen, daß Bachofens maternale Kultur- 
soziologie ebenso der Romantik wie dem Barocco widerspricht, dafür 
aber typisches XVIII. Jahrhundert ist, so fragt es sich, worin etwa 
sonst Bachofens romantische Orientierung bestanden habe. 

Eine von Bernoulli wie Baeumler nicht genügend in Betracht 
gezogene Form romantischen Denkens bei Bachofen ist seine konser- 
valive politische und seine romanistische kulturelle Einstellung. Beide 
Momente belegen die Selbstbiographie. Italien und Frankreich ver- 
mittelten Bachofens Bildung. Rom und Hellas blieben ein Leben lang 
seine wissenschaftliche Liebe. «Es hängt an den Mauern Roms etwas, 
das das Tiefste im Menschen aufregt », schreibt er an Savigny. ® Diese 
Haltung teilt Bachofen mit den Schweizer Romantikern. Ebenso ist die 
konservative Politik, der er huldigt, in entscheidenden Punkten 
romantisch. In der Selbstbiographie berichtet Bachofen vom « Sonder- 
bundssturm ». 3 Er nahm an der entscheidenden Landsgemeinde am 
Roten Turm teil und veröffentlichte eine Beschreibung derselben in der 
“Basler Zeitung ». Nach wie vor, erblickte er «in der Konföderation 
der 22 Kantone die einzige Form, welche mit Wahrheit und nicht bloß 


I Vgl. die S. 245, Anm. 3 genannten Studien. 
* Selbstbiographie, ed. Baeumler, 32. 
3 Ebd. 35 ft. 


— 252 — 


zum Scheine bestehen kann, in der die Kraft und das Mark des Landes 
ruht, und mit welcher die guten und biedern Eigenschaften des 
Schweizer Volkes aufs innigste zusammenhängen ». «Seit dem Siege von 
Luzern », so schreibt er, «hat sich die Lehre von der Volkssouveranilat 
und der Allgewalt der Demokratie zur praktischen Grundlage unserer 
öffentlichen Zustände ausgebildet. .... Aber vollendete Demokratie 
ist der Untergang alles Guten. Republiken haben von ihr am meisten 
zu fürchten. Ich zittere vor ihrer Ausbildung, nicht um Hab und Gut 
willen, sondern weil sie uns in die Barbarei zurückwirft. Die Lehre 
von der Volkssouveränität steht meinen tiefsten geschichtlichen und 
religiösen Überzeugungen entgegen. Nicht, daß ich das Volk verachte 
oder gar vor der Berührung mit ihm aus Ekel zurückbebte, — all das 
Elend, dem es unterliegt, würde ihm eher mein Herz gewinnen. Nein, 
weil ich eine höhere Weltordnung anerkenne, der allein die Souveränität 
und Majestät zukommen kann. Aus dieser höhern Weltordnung stammt 
die obrigkeitliche Gewalt. Sie ist das Amt Gottes, so lautet die römisch- 
heidnische sowohl als die christliche Lehre. Auch Richteramt ist von 
Gott, und der es übt, übt ein Recht höhern Ursprungs. Das Amt habe 
ich von Gott, nur die Berufung dazu stammt mir vom Volke. .... 
Darin nun findet die heutige Demokratie ihre Verdammung, daß sie 
den göttlichen Charakter der Obrigkeit vernichtet und die göttliche 
Staatsordnung in allen Stücken verweltlicht. .... Denn das ist der 
Fluch der Demokratie, daß sie ihre Verwüstungen in alle Gebiete des 
Lebens hineinträgt, Kirche, Haus und Familie gerade am schwersten 
ergreift, und für jede, auch die kleinste Frage den wahren Standpunkt 
verrückt. Weil ich die Freiheit liebe, so hasse ich die Demokratie. » 

So konservativ und romantisch diese politischen Sätze sind, so 
eklatant stehen sie, wie Bernoulli! betont, in Widerspruch zu Bachofens 
kultursoziologischer Grundkonzeption, in der das Naturrecht der Freiheit 
und Gleichheil 2 eine so hervorragende Rolle spielt. Bernoulli will 
Bachofens « Legitimistenallüren », seine «geradezu theokratische Be- 
tonung, z. B. des Richteramtes », die « politische Absonderung » und 
«starre Unerbittlichkeit seiner privatmännischen Staatsanschauung > 
nicht verteidigen, doch ist dies nach ihm bloß « der Mantel, den Bachofen 
trägt, das Zeitkostüm, in welchem er sein eigentliches Gut birgt». 
Diese « Zeitgebundenheit, eben die romantische Abwehr neuzeitlicher 


I Urreligion, III, ıı ff. 
®2 Ebd. II, 393 ff., 402 fl. 


Wandlung » dürfe man nicht für die Quelle seiner Triebkraft halten. 
«Der dämonische Träger seherischer Einsichten ist er außerhalb jeder 
politischen Färbung durch seine realsymbolische, erscheinungswirkliche 
Auffassung der Antike geworden. » Und mit Recht fährt Bernoulli 
fort: «Einer primären Schicht kann sein radikaler Konservatismus 
schon deshalb nicht angehören, weil er ja viel zuviel von den diskredi- 
tierten Kulturkräften selber enthält, und Bachofens Weltanschauung 
eine Befreitheit von autoritären Bindungen, eine Souveränität des 
natürlichen Wesens, ein Vorrecht instinktiver Triebhaftigkeit voraus- 
setzt, die von der patrizischen Lebenshaltung nur eben mit dünner 
Kruste übertüncht wird. » «Der Verächter der Revolutionslosung lebt 
eben doch in Freiheit und Gleichheit als in den menschlichen Ursprungs- 
forderungen. .... Wie darf er nur die Demokratie mit solcher Härte 
schelten, da es ja ihre historischen Wurzeln sind, was er als die wahren 
Segnungen des Staatslebens preist. » 

Die Liebe zur Heimat, die Bachofen dazu trieb, sich in seinen 
Studienjahren mit der Schweizer Geschichte zu befassen 1, war es auch, 
die ihn in die Antike führte. « Übersetzter Patriotismus », wie es 
Bernoulli 2 nennt, ließ ihn Lykien finden, und in diesem Land, das ihm 
eine anlike Schweiz zu sein schien, das «Mutterrecht », von dem 
Herodot berichtet. «Ohne die Beachtung der Landesplastik, schreibt 
er®, kann kein Volk je Verständnis finden. Wer vermöchte schweize- 
rischen Geist, schweizerische Sitten und Geschichte getrennt von der 
Natur der schweizerischen Landschaften sich zu denken ? Unter den 


! Exzerpte aus Manuskripten des Britischen Museums, die Bachofen im 
Jahre 1840 sammelte, erwähnt die Selbstbiographie (ed. Baeumler, 21 f.) : « Äußerst 
merkwürdige Briefe britischer Gesandter aus dem Anfange des XVI. Jahrhunderts 
über die Italienischen Schweizerkriege, die Schlachten von Novara, an der Bicocca, 
von Marignano, Schreiben der Herzöge Sforza und an dieselben, des berühmten 
Kardinals Schiner, andere, welche Franz I., seine Unternehmungen in Italien, 
seine Gefangenschaft betreffen, kurz eine große Mannigfaltigkeit merkwürdiger 
Dokumente aus jener so merkwürdigen Zeit, in welcher schweizerische Freischaren 
ihrem Vaterlande, in der Lombardei eine große gemeine Herrschaft zu erobern 
Lust und Kraft genug zeigten, fiel damals zufälligerweise in meine Hände. Ich 
nahm ein genaues Verzeichnis und Abschrift der merkwürdigsten Stücke. .... 
Jetzt dient sie dem schweizerischen Geschichtsschreiber Vrsilliemin in Lausanne 
zu Studien über jene Zeit.» Wie Bernoulli mitteilt (Natursymbol, 587), sind diese 
‘ Beiträge zur Schweizergeschichte aus englischen Manuskripten » von Bachofen 
(in Verbindung mit Karl Stehlin) im « Archiv für Schweizergeschichte » (1858, 
XI. Bd.) veröffentlicht worden. 

% Natursymbol, 151. 

? Lyk. Volk, ed. Schröter, 69 f. 


— 254 — 
Kulturvölkern der alten Welt zeigt aber keines mit Helvetien so viel 
Ähnlichkeit als das /ykische. Seine Schneefirnen, seine reißenden Gie- 
bäche, seine Täler und Gebirgspässe, die gewaltigen Kontraste seiner 
Bildungen erinnern den Wanderer auf jedem Schritte an die Ersche- 
nungen unserer Alpen, und ebenso ruft dem Forscher die Betrachtung 
mancher politischen, geschichtlichen, ethischen Erscheinungen stets 
entsprechende Züge des helvetischen Volkes zur Vergleichung vor die 
Seele. Die großartige Gebirgswelt ergreift des Menschen innerstes Wesen 
mit einer Gewalt, die auf die Ausbildung der ganzen Denkweise einen 
mächtigen Einfluß ausübt. In der lykischen Geistesrichtung sind die 
charakteristischen Züge edler Bergvölker nicht zu verkennen. In der 
Begrenzung der Täler und Landschaften bildet sich jener heimische 
Sinn, dessen Innigkeit die Bewohner weiter Ebenen nicht kennen. 
Der stete Anblick überwältigender Naturgröße erfüllt die Seele mit der 
Ahnung des Göttlichen, der ewige Kampf gegen die Gewalt der Elemente 
mit lebendigem Gefühl der Abhängigkeit, und unter diesem doppelten 
Einfluß befestigt sich immer von neuem die Tugend der Sophrosyne, 
welche die Abneigung gegen jede Hybris mit der Hochhaltung der 
Arbeit, des ewigen Ringens und Kämpfens verbindet. Tiefer ist be 
solchen Völkern das Naturgefühl, gesteigert die Energie und Frische 
des Lebens, inniger die Anhänglichkeit an das Erworbene, an örtliche 
Unabhängigkeit, an das Haus, die hergebrachte Sitte und jede Über- 
lieferung. Manche einzelne Züge des lykischen Lebens werden durch 
diese Bemerkungen noch verständlicher oder beziehungsreicher. » 
Das Grundschema der Bachofenschen Lehre! ist die stufenweise 
Entwicklung der Kultur von der aphroditischen Sumpfzeugung (Hetäns 
mus) oder Promiskuität über das demetrische Mutterrecht und die 
Gynaikokratie, den ersten Formen der kulturellen Bemeisterung des 
wild wuchernden Sexualtriebes, bis hinauf zum apollinischen Vaterrech, 
in dem Bachofen den Gipfel der menschlichen Kulturleistungen erkennt. 
Athen und Rom, Apollon, der Orestes schützt, und Augustus, der neue 
Orestes, dessen Schutzgott Apollon ist, verkörpern für Bachofen das 
Vaterprinzip in reinster Form. Im «rein geistigen Vaterrecht » Apollons 
erfüllt das heidnische wie christliche Rom den höchsten Triumph der 
Kultur, die Vergeistigung des Stoffes. Die Geschichte Roms bedeute! 
den stufenweisen Sieg des Okzidentalismus über den Orientalismus, de 


! Einl. zum « Mutterecht », Neudruck in Orient und Occident, 3 ff. = Ur- 
religion, I, 5ı ff. 


Be 


Et An 


geistigen Vaterrechtes über das stoffliche Mutterrecht. Der Mythos vom 
Okzident und Orient ist Bachofens Grundthema. 

In klassischer Form repräsentiert die romanistische Denkform des 
Bachofenschen Geistes die Einleitung zur «Sage von Tanaquil».1 «Die 
Emanzipation der römischen (d. h. paternalen, appollinisch-uranischen) 
Welt aus den Fesseln der orientalischen (d. h. maternalen, aphroditisch- 
demetrischen, tellurischen Tradition » ist das Grundmotiv dieser Studie. 
«Rom, auf Asien gegründet, wird dessen endlicher Besieger. » « Jeder 
Schritt der römischen Entwicklung ist ein Sieg der reineren Lebensauf- 
fassung des okzidentalischen Geistes. .... Das Volk wird seines Gegen- 
satzes zu den es umringenden Trägern der fremden Kultur, zugleich 
seiner geschichtlichen Bestimmung immer klarer sich bewußt. Die 
Vernichtung der asiatischen Elemente ist die Bedingung erst seines 
Daseins, dann seiner Macht, meist von beiden zugleich. Daher jene 
beispiellose Wut, mit welcher alles, was dem neuen Gedanken sich nicht 
assimilieren läßt, von der Erde weggefegt wird, und jene ebenso 
ungewöhnliche Zähigkeit und Ausdauer, die, stets auf dasselbe Ziel 
gerichtet, keine halben Mittel und halben Lösungen kennt.» «Nicht 
Alexander, sondern Rom hat den Jahrtausende alten Kampf, den 
Herodot als leitenden Gesichtspunkt seiner Geschichte zugrunde legt, zum 
Abschluß gebracht ; daher Rom, nicht Griechenland die Übertragung 
der Universalmonarchie von dem Osten auf den Westen und damit die 
Geschichte der alten Welt vollendet. Was ist Marathon, was Salamis 
und Platää gegen den Hannibalischen Krieg ? Verschwindend klein 
gleich den kurzen Jahrzehnten der athenischen Macht neben römischer 
Ewigkeit. .... Karthagos Vernichtung, dieser größte Wendepunkt in 
den Geschicken der Menschheit, ist das Werk der unter Roms republi- 
kanischer Führung geeinten italischen Volkskraft und mehr als irgend- 
eine andere Tat aus dem Innersten des abendländischen Geistes hervor- 
gegangen. In dieser Zeit vollendet die Stadt recht eigentlich ihre 
geschichtliche Aufgabe. In dieser ist die Beerbung des Orients durch den 
Ökzident für immer entschieden. In derselben steht das siegreiche 
Geschlecht auf der Höhe seiner sittlichen Erscheinung. Ohne Bedauern 
sehen wir die Verluste an Kenntnissen und Erfahrungen jeder Art, 
welche die Welt durch den Untergang der Königin Afrikas erleidet ...., 
das Schauspiel des Triumphes, den das höhere Sittlichkeitsprinzip der 
westeuropäischen Menschheit über Asiens niedrige Sinnlichkeit feiert, 


l Urreligion, I, 2ıı fi. 


See 256 — 


läßt alle jene Verarmungen vergessen. .... Wir fühlen die Kluft, welche 
Naturen wie Hannibal, Mithridat, Jugurtha von der unsern trennt. 
Aber in den Scipionen, Catonen, Juliern lebt europäischer Geist, den wir 
aufzunehmen vermögen, in ihren staatlichen und rechtlichen Schöpfungen 
ein Kern von Gedanken, dessen Aneignung uns noch heute möglich, 
meist Bedürfnis, nicht selten Trost ist. Rom hat etwas durchaus Neues 
in die Welt eingeführt.» « Karthagos und Jerusalems Fall sind nicht 
nur die vorzugsweise tragischen Ereignisse des erstaunlichsten aller 
Dramen, der römischen Geschichte, sondern auch die zwei wichtigsten 
Wendepunkte der Weltgeschicke. Wird durch Scipios Tat die politische 
Emanzipation des Westens von dem Osten auf alle Zeiten gesichert, 
so verkündet der Flavier Triumph .... die Befreiung der Religion und 
der Zukunft aus den Banden des Mosaischen Orientalismus und die 
Ansprüche der abendländischen Stadt auf die geistige Beerbung des 
Morgenlandes. Nicht Byzanz, nicht Antiochia, weder Alexandria noch 
die afrikanische Hippo, sondern Ron trat an Jerusalems Stelle. » 
Schon in der « Unsterblichkeitslehre der orphischen Theologie » 
(1867), wie in der «Sage von Tanaquil » (1870) und in den posthum 
edierten « Römischen Grablampen » (1890) führte Bachofen diejenigen 
Gedankengänge seines « Mutterrechtes », die im Sieg des Vaterrechtes 
gipfelten, fort und wandte sich im Gegensatz zum maternalen und 
chthonisch-tellurischen Heidentum seiner Blüteperiode wieder mehr der 
paternalen und olympisch-solaren Orientierung des Christentums zu, 
wenn wir so in der Bachofenschen Sprechweise sagen können. Es ist 
schr bezeichnend, daß die Erneuerer Bachofens in dieser Rückkehr zum 
Christentum und zum Vaterrecht einen senilen Rückschritt sehen und 
es ihnen bei ihrer Wiederentdeckung des Bachofenschen Gedankengutes 
nicht so sehr um dessen Gesamtheit als eines geschlossenen Lebens- 
werkes zu tun ist, sondern eben nur um den maternal-chthonischen 
Paganismus. Schon Ludwig Klages !, einer der ersten Wiederentdecker 
Bachofens, der die Bekanntschaft mit dessen Hauptwerken «sein 
größtes literarisches Erlebnis » nennt, hat Bachofens Herzgedanken von 
den Kopfgedanken geschieden und getadelt, daß letztere « unter dem 
Einfluß der Willensreligion des Christentums » ihn verleiteten, «den 
teils geschichtlich, teils vorgeschichtlich belegbaren Vorgang, mit dem 


! «Vom kosmogenischen Eros» (München 1922, ı81f.). Die Bachofen 
betreffenden Partien sind enthalten im Neudruck der « Gräbersymbolik der Alten», 
Einl. 9 ft. 


sich der Tagesseite des Lebens Schritt für Schritt der an und für sich 
schlechterdings bildfremde Geist bemächtigt, für eine Selbstüber- 
windung und Höherentwicklung des Urzustandes zu halten ». 
Bernouili!, der durchaus auf ÄAlages und dessen mysterieusen Meister 
Alfred Schuler fußt, nimmt sich wohl vor, Bachofen «gegen diesen 
seinen tiefsten Ausleger (Klages) im freien Besitze seines (uranischen) 
Sondergutes zur Seite zu stehen » 2, doch stimmt er letzterlinie mit seinem 
Vorgänger und Wegbereiter doch dahin überein, daß die Altersperiode 
Bachofens im Grunde einen Abfall bedeutet. Schuler, den Bernoulli als 
kautzhaften Sonderling schildert, darf nach allem wohl als eigentlicher 
Vater des Muttertumkultes, dem die Bachofen-Rennaissance entstammt, 
bezeichnet werden. Bernoulli weiß von ihm, daß ihm einerseits «in 
klösterlichen Hallen, in gewölbten Grabkrypten und in butzenfenstrigen 
Stiftsbibliotheken, wo man gelegentlich aus Versehen seine schwarz- 
gekleidete Klerikerfigur mit ‚Euer Hochwürden‘ anredete, ausnehmend 
wohl war », daßer aber auch andererseits sehr geschmackvoll das Kruzifix 
«die klebrige Fliegenstange » nannte, «an der sich die gläubigen Seelen 
zu Tode zappeln», — somit nach des Berichterstatters Versicherung 
sein starker, edler Heide durch und durch » war.® Von Klages, dem 
Schüler Schulers, stammt das, was Bernoulli die « erkenntnistheoretische 
Abklärung » des Problems nennt *#, nämlich die pathologische Verneinung 
von Geist und Wille als den die rhytmische Lebensentfaltung im 
Menschen behindernden Kräften, sowie die Hypostasierung des begriffs- 
fremden, verstandesfreien Bildes als des Inbegriffes der wahren Wirk- 
lichkeit. Nach Klages Lehre von der «Wirklichkeit der Bilder »5, die 
Bernoulli rezepiert, sind die Symbole «erscheinende Vergangenheits- 
seelen», deren sich die Seele in ekstatischer Schauung und magischem 
Erleben bemächtigt. Dieser nahezu in den Okkultismus hinüber- 
spielende Mystizismus kann hier nicht näher verfolgt werden; es 
genügen diese Andeutungen, um zu zeigen, welchen Un-Geistes Kind, 
d. h. hier im wahren und bewußten Wortsinn, welchen Geistes-Nicht- 
sens Frucht dieser Bachofen-Kult eigentlich ist ! Er opfert bedenkenlos 
den Logos, vor dessen «willensgestraffter Unersättlichkeit » ihm in 
tielster Seele graut, dem «elementaren Eros » hin, dem «nie ruhenden 


! Natursymbol, 364 fl. 
3 Ebd. Einl. vıı. 

® Ebd. 396, 373. 

* Ebd. 378 fi. 

® Ebd. 386 ff., 395 f. 


REVUE D’HISTOIRE ECCLESIASTIQUR 17 


—_ 2383 — 


Eros der Natur », wie nicht minder den Monotheismus, die « eigentliche 
Vernunft- und Willensreligion », dem Chthonismus, der neben der 
« kosmischen Priorität des Weibes » und dem « Naturrecht der Freiheit 
und Gleichheit », die in der Bachofenschen « Sumpfzeugung » ein Sinnbild 
findet, vermessen genug ist, die «Entteufelung der Unterwelt» zu 
proklamieren !! 

Baeumler betont ? mit Recht, daß die Kulmination der Bachofen- 
schen Stufentheorie im apollinischen Vaterrecht zu wenig beachtet werde, 
daß seine Promiskuitäts- und Mutterrechtstheorie doch nur ein Durch- 
gangsstadium der Kulturentwicklung bedeute und daß Bachofen trotz 
dieser Theorie das Vatertum bejahe. Bachofen wollte gewiß mit seiner 
Lehre von Apollons reinem Vaterrecht seine romanistische Kultur- 
theorie, sein kulturpolitisches Bekenntnis zu Rom wissenschaftlich 
fundieren. Trotzdem haben diejenigen Recht, die dem Sumpfzeugungs- 
und Mutterrechtstheoretiker diese Schlußwendung und das Bekenntnis 
zum triumphierenden Vaterrecht nicht glauben. Bachofens Name ist und 
bleibt an die Sumpfzeugung und das Mutterrecht geknüpft, nicht an 
das apollinische Vaterrecht. Die Bachofen-Rennaissance, in der wir 
stehen, folgt nicht aus der Vatersehnsucht der Epoche, sondern aus dem 
Vorwiegen maternaler Gesichtspunkte in Kultur und Wissenschaft. 
Weil die Mutter herrscht, die Mutter ohne Vater, deshalb wird Bachofen, 
der Theoretiker des « Mutterrechtes », heute wiederentdeckt und gefeiert ! 

Dies hat freilich seine tieferen Gründe. Bachofen sah nicht, daß 
dieses rein geistige Vaterrecht, von dem er träumte, das sich restlos 
vom Weibe emanzipiert und selbst die Zeugung des Sohnes im Wege 
juristischer oder geistlicher Sukzession sucht, daß dieses Vaterrecht 
eben gar nicht das wahre Vaterrecht ist, sondern diejenige Form des 
Vaterrechtes, die notwendig immer wieder zum Mutterrecht führt. 
Denn der Exzeß des Vaterrechtes begründet das Mutterrecht. Das 
wahre Vaterrecht besitzen die Romantiker, die dem Barocco folgen, 
wenn sie die Familie, die Kooperation von Mann und Weib, die Keim- 
zelle der Gesellschaft nennen (K. L. Haller, A. H. Müller, Görres), der 
Familie aber, in welcher der Mann herrscht, einen kongruenten Staat 
beiordnen. 

Hier leuchtet ein, wie «aktuell » Bachofen wohl ist und wie wenig 
doch seine religiöse wie seine rechtliche Metaphysik befriedigen kann. 


1 Ebd. 422 ff., 440, 445. 
? Orient und Occident, Einl. 277 fl. 


Denn daß heute der Vater entthront ist, in der Kultur, in der Sozietät, 
das ist es, was ein modernes « Mutierrecht» begründet hat. Diesen 
sozialen Zustand, den Baeumler erkennt !, können weder Bachofen noch 
Schuler-Klages-Bernoulli beheben ; ihr System bejaht ihn vielmehr. Nur 
dort, wo das Mutterrecht erkannt wird als eine Entartung des Vaterrechtes, 
nicht aber, wo es gewissermaßen seine logische Vorstufe bildet, kann es 
beseitigt werden. Nur wo das Vaterrecht und die Familie logischer- 
weise herrschen, in der tiefsten Natur der menschlichen Gesellschaft 
begründet sind, nicht dort, wo Promiskuität und Mutterrecht an den 
Anfang gestellt werden, ist Kultur denkbar. Dies gilt sowohl für den 
Bereich des Rechtes wie für den der Religion. Der Staat wie die Kirche 
ruhen auf Palernaler Grundlage und dies von Natur aus, nicht kraft 
irgendwelcher « Entwicklung ». Es ist bemerkenswert, daß gerade der 
orthodoxe Protestantismus, dem sowohl Bachofen wie die entscheidenden 
Bachofen-Entdecker zuzurechnen sind, von der striktesten Bekämpfung 
der katholischen Marienverehrung bis zur Bejahung jener mystischen 
Weibeskräfte kommen mußte, welche die Proklamation des Chaos, die 
Entthronung des männlichen und väterlichen Prinzips in sich schließt. 
Im Gegensatz zu solch ebenso sentimentaler wie anarchischer Ein- 
stellung zu den religiösen und sozialen Problemen der Gegenwart führt 
die katholische Kirche, die eine Mutter ist, doch eine solche, die weiß, 
daß sie unter dem Vater steht, ihre Kinder hin zum Vater und König 
Jesus Christus, und sie schließt in dem Begriff der « katholischen Aktion », 
in deren Zeichen das Pontifikat Pius XI. steht, in erster Linie nicht so 
sehr politische Effekte ein, sondern die Erneuerung der Familie, in der 
Mann und Weib, beide in ihrer Art zusammenwirken, doch so, daß das 
Vaterrecht dem Mutterrecht übergeordnet ist, letzteres von ersterem 
hergeleitet wird. Nach dem Bilde der Familie allein, das ist die über- 
einstimmende Lehre der katholischen Soziologie, der scholastischen wie der 
barock-romantischen, kann die Gesellschaft geformt und dadurch allein 
gerettet werden. ? 

Es ist für die innere Kirchen- und Geistesgeschichte der Schweiz 
bemerkenswert genug, daß in der Stadt Bachofens, von der auch seine 
Wiederentdeckung ihren Ausgang nahm, ein einfacher katholischer 
Pfarrer, Robert Mäder ?, in seinen packenden, emporteißenden Schriften 


I Ebd. 2gı fl. 

2 Vgl. meine Studien « Souveränität» und « Die katholische und die öster- 
reichische Aktion » in der Sammlung « Die österreichische Aktion » (Wien 1927). 

? Gedanken eines Reaktionärs, Mainz-Köln-Basel 1921, 5 ft., 43 fl., 137 fi. 


— 200 — 


immer wieder diesen Gedanken einer Erneuerung der Familie verficht. 
«Wir sind gegen die moderne Demokratie, schreibt er, weil sie in 
Familie, Gesellschaft, Staat, Kirche und Völkerleben Friedhofsarbeit ist. 
Wir sind gegen die Gleichmacherei in der Familie. Was ist die Familie ? 
Die Ungleichheit in der Gleichheit ...., die Ungleichheit der Persönlich- 
keit in der Gleichheit der Natur. Göttliches und darum unzerstörbares 
und heiliges Gesetz! .... Die moderne Frauenrechtlerei, die Gleich- 
stellung des Mannes mit der Frau .... ist Abfall vom Christentum. 
Das Christentum baut die häusliche Ordnung auf dem Prinzip der 
Ungleichheit in der Gleichheit. Der Mann ist Haupt, die Frau Gehilfin 
und das Kind untertan, somit der Mann der erste, die Frau die zweite, 
das Kind das dritte. Die Demokratisierung der Familie, wo der König 
Vater nur noch durch die Stimmenmehrheit der Frau, der Söhne und 
der Töchter existiert, wo die Befehle des Oberhauptes dem gesetzlichen 
Referendum der Familienglieder unterworfen und wo das Selbst- 
bestimmungsrecht der Kinder erstes Verfassungsrecht ist, führt zum 
Ruin der Familie. Die Familie ist Monarchie, nicht Demokratie. 
Mäder nennt Moses und Paulus «die Klassiker der Frauenfrage». Er 
schreibt : « Der Mann ist nach der Heiligen Schrift der zuerst Geschaffene, 
Gottes Bild und Ehre, das Haupt des Weibes, derjenige, der in der 
Öffentlichkeit das Wort hat. Er ist somit die von Gott selber über die 
Erde gesetzte Regierung. Er ist der eigentliche Vertreter der göttlichen 
Autorität in der menschlichen Gesellschaft. Er ist also auch der Gesetz- 
geber, der Politiker. Er muß in den Ratssaal und an die Urne. Der 
Kopf regiert ! Ist der Mann der Repräsentant der göttlichen Majestät, 
dann ist er es auch im Staatsleben. Ist der Mann als Mann das Haupt 
der Familie, dann ist er auch das Haupt in der erweiterten Familie, 
in der Gemeinde und im Rate der Völker. Ist der Mann geborener 
Gesetzgeber im kleinen Königreich des Hauses, so muß er konsequenter- 
weise auch der Gesetzgeber der Nation sein. .... Der Mann ist der 
offizielle Lehrer. Das Lehramt ist in der Kirche und im Staate ein 
Männeramt. » 

«Die Familie ist der Eckstein des Katholizismus und somit der 


Ordnung, heißt es weiter. .... Der Vater ist der König. .... Der 
Vater ist die Regierung. .... Die Aufgabe des Staates ist die Erhaltung 
der Familien. .... Der Staat, welcher der Familie zu viel an Menschen 


und Besitz nimmt, ist ein Verschwender, der seine Kapitalien vergeudet. 
. Der Vater ist heute Sklave und Bettler. .... Der moderne 
Proletarier ist nur denkbar auf den Ruinen der Familie. .... Die Seele 


— 261 — 


der sozialen Frage ist die Familienfrage. » «Die Erde wankt wie ein 
Trunkener. Die Tage Noes wiederholen sich. Man spricht von einer 
Sintflut von Blut und Feuer, die im Begriffe steht, sich über die Völker 
dahinzuwälzen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß sie mit Katholikentag- 
beschlüssen aufgehalten werden wird. Wir kommen zu spät. Aber 
wenn auch die Wasser über die höchsten Berge steigen sollten, wenn 
sie alles überschwemmen, was groß ist auf Erden, dann werden Sie 
wiederum die Arche unter dem Namen Kirche durch Sturm und Nacht 
dahinfahren sehen über die Wellen und in der Arche ruhend das Unter- 
pfand der neuen Erde, die neue Familie. Dann, wenn die Wasser sich 
verlaufen, wird der Vater Neu-Nazareth bauen, mit Mosesstein und 
und Golgathafels und Petrusquader, ein kleines Königreich, die 
Pflanzschule der neuen Gesellschaft. Nicht die Politiker, sondern die 
Väter werden uns retten, die Männer neuer, großer Rechte und darum 
neuer, großer Pflichten. .... Katholische Männer ! Wenn Sie vorwärts 
wollen, müssen Sie zurück. Nur die Heimkehr zur Familie wird Ihnen 
den verlorenen Vorsprung in der Öffentlichkeit zurückgewinnen. Vater, 
entthronter König, zurück in dein Reich ! Ich sage Amen!» 

Es sind gewiß zwei Welten, der schwerfällige Gelehrte, dessen 
«riesenhaft Plumpes und Ungeschlachtes », dessen «Gehemmtheit in 
Anordnung und Ausdruck » Bernoulli ! betont, und der wortmeisternde 
Prediger, der keine Soziologie der Familie und des Vaters schreiben 
will, sondern in seinen Hörern Begeisterung wecken, — es halten sich 
gewiß auch die Lehren Mäders nicht so sehr bloß im Rahmen des 
theologisch Notwendigen, sie sind vielmehr durchaus romantisch betont 
in der Gefühlsweise wie in der logischen Durchführung ; es lassen sich 
demnach vom Standpunkt des Katholizismus, denselben theologisch 
und nicht kultursoziologisch genommen, gewiß auch andere Lehren 
verfechten, ganz ebenso wie es umgekehrt ein paternal und familial 
orientiertes Luthertum gibt, — trotzdem möchte ich in dieser Gegen- 
überstellung ein für die Schweizer Religions- und Geistesgeschichte lehr- 
reiches Dokument sehen, das die Kulturkraft des Katholizismus und 
des Protestantismus konfrontiert und der Bachofen-Rennaissance, sei es 
der soziologischen, sei es der mythologischen und religionswissenschaft- 
lichen, ein katholisches Urteil spricht. 


1 Natursymbol, 77 f. 


— Tor 


Die Kirchenpolitik im ersten Jahrzehnt 
des neuen Bistums Basel (1828-1838). 


Nach Briefen des Bischofs Jos. Anton Salzmann, 
des Schultheißen Jos. Karl Amrhyn und anderer. 


Von Hans DOMMANN. 


(Fortsetzung) 


Dieser einseitigen Darlegung des Josephinisten, die dem kirchlichen 
Standpunkt nicht gerecht werden konnte, trat der Bischof in seiner 
Antwort nochmals bestimmt entgegen ; doch verschloß er den Klagen 
des Freundes sein Ohr nicht. Er verurteilte im Bestreben, sich über 
den Parteien zu halten, auch Erscheinungen auf kirchlich-konservativer 
Seite und zeichnete seine fast unerträgliche Stellung inmitten der leiden- 
schaftlichen Kämpfe, indem er schrieb : « Mit innigstem Herzensdank 
erkenne ich das hohe Wohlwollen, welches Sie mir durch Ihr konfı- 
dentielles Schreiben neuerdings bekundeten und ich niemals bezweifelte, 
weil ich weiß, daß, wo hochedler Sinn und Geist herrscht, auch ab- 
weichende Ansichten immer noch geehrt werden. Daß meinerseits das 
an den h. Stand Aargau erlassene Reskript und die Wahl des Hrn. Bossi 
zum Bischof von Chur-St. Gallen in gar keiner Verbindung stand, ergibt 
sich schon hieraus, weil ich erst ein paar Tage, nachdem mein Brief in 
Aarau war, durch die Zeitung von St. Gallen, die mir ganz unerwartete 
Nachricht von Hrn. Bossis Präkonisation erhielt. Von meinem Briefe 
hatte ich keinem Menschen Kenntnis, noch viel weniger eine Abschrift 
gegeben ; folglich muß von der h. aargauischen Regierung selbst — oder 
wenigstens ihrer Kanzlei — sein Abdruck im sogenannten « Schweizer- 
boten » herrühren. ... Die Publizität desselben und der davon gemachte 
Gebrauch und Mißbrauch lastet ursprünglich auf Aarau. — Auf Wahlen 
der Regierungsräte habe ich, solang ich lebe, keinen Einfluß gehabt 
und will nie einen haben. ... — Daß die öffentlichen Blätter wider mich 


— 253 — 


losziehen, wundert mich nicht, weil sie eine Faktion bilden. Ich weiß, 
daß ein und derselbe Geistliche (von meiner Diözese, leider!) den 
nämlichen Artikel, nur in den Ausdrücken modifiziert, in drei bis vier 
Zeitungen einsendet. Gegen alle diese Lästerungen schwieg ich still, 
gleichwie ich auch bei den feindlichen Anfällen des « Waldstätter- 
boten » und seiner Konsorten wider mich geschwiegen. Es sind zwei 
Parteien, welche die Hauptrolle spielen, und mit keiner von beiden 
kann es der Bischof halten, weil beide dem Christentum widersprechen. 
Die eine will die von Jesu eingesetzte Kirche zur Magd des Staates 
herabwürdigen, die andere will dem Staat das Schwert, das Gott ihm 
anvertraut hat, entreißen. — Die Badener Konferenzialbeschlüsse kenne 
ich nur zu gut; sie lassen sich in wenige Worte zusammenfassen : Alle 
einem Bischof zukommenden Rechte sollen ihm vindiziert werden, er 
selbst aber in der Zeit, wo allgemein Denk-, Sprech- und Druckfreiheit 
gesetzlich anerkannt und ausgesprochen ist, gleichsam nichts reden 
und schreiben können, ohne selbes der weltlichen Zensur zu unter- 
werfen ; und nicht nur die Laien, sondern auch alle ihm untergeordnete[n] 
Priester sollen zu Denunzianten gegen ihn gemacht werden ; sogar die 
kirchlichen Privatsentenzen über was immer für Personen — also auch 
über Kleriker — finden ihre Beschränkung, und sämtliche Diözesan- 
stände sollen sich verbinden, auf solche Weise die bischöfliche Juris- 
diktion zur Nulle zu machen. Ihro Exc. ! soweit ist man in der Schweiz 
noch niemals gekommen. Sogar die Bestimmung der Lehrbücher über 
den katholischen Religionsunterricht eignet die h. aargauische Regierung 
durch Großratsdekret, das des bischöflichen Ordinariates nicht einmal 
erwähnt, sich selbst zu. Und dieses alles sollte der Bischof gutgeheißen 
haben ? Der Bischof von Basel kann alles ertragen und hat in wenigen 
Jahren Unglaubliches ertragen, denn er litt von doppelter Seite; er 
weiß auch unter dem größten Drucke zu schweigen ; er hat immer 
Gehorsam gelehrt und geleistet. Daß man aber sagt, er habe gutgeheißen, 
was sein Gewissen ihm niemals kann adprobieren lassen, geht zu weit. 
Schon anderthalb Jahre lang kämpfe ich gegen die Anfechtung, mein 
Amt zu resignieren. Nur der Gedanke, welche Verwirrung hieraus 
entstünde, und meine Liebe zum Vaterland und zu meinen Diözesanen 
hielt mich zurück. Ich hange nämlich nicht am Weltglanz und sammle 
mir auch kein Vermögen. Arm bin ich nach Solothurn gezogen und 
werde nicht reicher von Solothurn dereinst abziehen. Ja, wenn ich 
nicht Bischof geworden wäre, würde ich jetzt reicher sein. Im 
Vertrauen aber zu Ihro Exc. gesprochen : mit jedem Tage reift mein 


— 244 — 


Entschluß mehr, nach Rom zu schreiben und um die Erlaubnis zu bitten, 
resignieren zu können. In allen Angelegenheiten geht der Sturm immer 
über den Bischof, der doch bis auf den heutigen Tag nichts publiziert 
hat, noch publizieren ließ, ohne die betreffende Landesregierung in 
vorläufige Kenntnis zu setzen ; der sein Kollaturrecht nur im Einver- 
ständnis mit dem Staat ausübte ; der zu allem Möglichen freund- 
schaftlich die Hand bot ; der sich keines gerechten Anlasses zum 
hoheitlichen Mißfallen und zur Erlassung der die Kirche Gottes 
demütigenden Dekrete schuldig weiß. Er sieht sich in allem kompro- 
mittiert. Sogar die wohlwollende Warnung, wie eine gefährliche Krise 
abgewendet werden könne, wird ihm mißdeutet. Daß auf dem Wege, 
der wirklich gewandelt wird, wenn man nicht mit religiöser Klugheit 
einlenket, eine Krise eintreten werde, muß jedem Unbefangenen ein- 
leuchten. Die Gefahr aber liegt nicht in der Kirche ; die Kirche ist 
vielmehr der Schutz und die Stütze des Staates. Allein wenn die Kirche 
verweltlichet wird und fällt, fällt mit ihr unfehlbar auch der Staat und 
geht zu Grunde. Ich kann nicht weiter schreiben ; mein Herz ist zu 
voll, meine Wehmut zu groß. In Gottes allmächtigen Schutz empfehle 
ich meinen ganzen Sprengel. Ihro Excellenz ! Sie sind der einzige, 
dem ich all meine Gefühle offenbaren und mein ganzes Herz aufschließen 
konnte. ... »1 

Darüber, daß der radikale « Eidgenosse » eine maßlose Sprache 
führe, waren auch führende liberale Staatsmänner einig. Schultheiß 
Franz Ludwig Schnyder schrieb Amrhyn:: «Hinsichtlich des «Eid- 
genossen » teile ich ganz Ihre Ansicht und werde nicht ermangeln, 
dieselbe auch dem Redacteur des Blattes, Hrn. Steiger, mit der Bitte, 
um mehrere Behutsamkeit zu eröffnen. »2 Der gleiche Staatsmann 
meldete Amrhyn am 25. April auf einer Inspektionsreise — als Referent 
für das Landschulwesen — über die Wahlagitation im Kanton: «Bei 
diesem Anlasse habe ich die Wahrnehmung gemacht, daß im Lande 
Entlebuch und in allen Teilen des Amts Willisau und Sursee die größte 
Rührigkeit der fanatischen Partei in bezug auf die bevorstehenden 
Wahlen stattfindet, während die Liberalen völlig untätig, die Hände 
im Schoße, diesem Treiben zusehen. Wo ein freisinniger Mann im Aus- 
tritte ist, da wird ihm irgend ein Gegner von entschieden entgegen- 
gesetzter Gesinnung gegenübergestell. Man entwickelt dabei eine 


1 5. Mai. 
8 7. Febr. 1835 ; F.-A. A. IVD. 72. 


— 265 — 


ungemeine Tätigkeit und scheint mit viel Plan und Umsicht zu Werke 
zu gehen. Seit zwei Tagen wird das Geigersche Aufruhrschriftchen 
überall verteilt. ... Sollten die Gutgesinnten — wozu ich überall 
dringend ermahnte — nicht noch in den nächsten Tagen mit Eifer 
und Klugheit sich der guten Sache annehmen, so werden die Wahlen 
fast überall schlecht ausfallen. ... » Diese Befürchtungen der Liberalen 
erfüllten sich dann allerdings nicht. — Da die radikale Richtung immer 
stärker wurde, wagte die Regierung nicht, gegen den « Eidgenossen » 
vorzugehen. Umso rücksichtsloser wandte sie sich gegen die kirchlich- 
konservative Bewegung, besonders gegen den Katholischen Verein. 

Am 30. Mai ließ der Kleine Rat durch den Staatsanwalt Kopp 
gleichzeitig und überraschend — auf das Gesuch des Bezirksgerichts 
Muri im Prozeß gegen Dekan Groth in Merenschwand — bei Pfarrer 
Egli in Root, bei Chorherr Geiger, bei Professor und Redaktor Schlumpf 
und bei der Buchdruckerei Räber Hausdurchsuchungen vornehmen. Bei 
Pfarrer Egli wurden Briefe an Prof. Schlumpf, ferner solche von 
Pfarrer Schubiger in St. Gallen-Kappel, auch der Vertrag mit den 
Gebr. Räber wegen des Druckes der «Schweiz. Kirchenzeitung » und 
Rechnungen des Katholischen Vereins beschlagnahmt. Bei Geiger fand 
man Schriften « durchaus ohne politischen Inhalt », u. a. zwei Schreiben 
des Abts Coelestin Müller von Einsiedeln, bei den Gebr. Räber die 
geschäftliche Korrespondenz, darunter einen Brief von Dekan Groth, 
mehrere Schreiben des Einsiedler Abts wegen einer Assoziation der 
Druckerei Räber mit der Einsiedler Druckerei Kälin usw. Bei Prof. 
Schlumpf fielen den Eindringlingen verschiedene Briefe von Geistlichen, 
Schriften über die Organisation des Katholischen Vereins, über die 
Redaktion katholischer Zeitungen und anderes in die Hände.! Trium- 
phierend schrieb Amrhyn am folgenden Tage dem Bischof : « Der ganze 
Plan des Katholischen Vereins, seine Mittel, seine Zwecke, seine Teil- 
nehmer in den Kantonen Luzern, Zug, Solothurn, Aargau, Thurgau und 
St. Gallen liegen enthüllt vor. ... Was im Kanton St. Gallen erfolgt ist 
— wie und durch welche Mittel — ist ebensowenig ein Rätsel mehr, 
als zweifelhaft ist, was im Kanton Luzern, Aargau und Solothurn auf 


U F.L. Schnyder an Amrhyn, 30. Mai. — Amrhyn an seinen Sohn, 31. Mai, 
I. Juni: «Die ganze Hausdurchsuchungsoperation hat in hier tiefen und bei 
einem Teile höchst übeln Eindruck gemacht. » — Die Akten im St.-A. L. Fach 9, 
Kirchenwesen, Verwaltung der Disziplin. Vergl. auch : Schweiz. Kirchenzeitung, 
Nr. 23, 36 ; Luzerner Zeitung, Nr. 47 ff. ; Eidgenosse, Nr. 44 ff., und die Polemik 
gegen den Katholischen Verein in der Allg. Kirchenzeitung, Nr. 42 fl. -— Henggeler 
Rud., Abt Cölestin Müller von Einsiedeln. 


—_ 266 — 


dem Wege politischer Reaktion erzweckt werden sollte. Die Klöster 
Muri und noch mehr Einsiedeln sind höchst kompromittiert.»! Der 
Bericht der Justiz- und Polizeikommission vom 26. Juni suchte di: 
Gewaltmaßnahme so zu rechtfertigen: «Die Justiz- und Polizei- 
kommission ist keineswegs gegen die freie Bildung von Vereinen, insofern 
sie keinen feindseligen Charakter gegenüber der Staatsgewalt annehmen, 
gestimmt ; allein sobald Vereine zutage kommen, welche dahin streben. 
die legalsten Handlungen der rechtmäßigen, vom Volke selbst aus- 
gegangenen Behörden als Attentat zu bezeichnen, fremde Einmischungen 
in unsere inneren Angelegenheiten hervorzurufen und in diesem ver- 
brecherischen Sinn auf die öffentliche Meinung mit allen Künsten urd 
Schlichen zu wirken, kann und darf von Seiten der Staatsgewalt diesen 
Bemühungen nicht gleichgültig mehr zugesehen werden. » Die Schwäch: 
der Argumentation für das gewalttätige Vorgehen gegen die keineswegs 
revolutionäre katholische Bewegung liegt auf der Hand. Ein Schreiben 
des Kleinen Rats an den Staatsanwalt redete von Untergrabung der 
bestehenden Ordnung, von Männern, die « mit verbrecherischen Plänen 
umgehen », und verwies für die gerichtliche Verfolgung — mangt!: 
stärkerer Beweise — besonders auf den Ausdruck « Attentat der Staats 
behörde » in einem Artikel über Pfarrer Hubers Absetzung. — Chorher 
Geiger und Abt Coelestin reklamierten umsonst beim Kleinen Rate.’ 
Prof. Schlumpf, der sich energisch verteidigte, wurde durch da: 
Appellationsgericht wegen «Verletzung der schuldigen Ehrerbietung 
gegen die Obrigkeit » gebüßt und aus dem Kanton Luzern ausgewiesen. 
Einige der beschlagnahmten Schriften erhielt das Bezirksgericht Mun 
als Anklagematerial gegen Dekan Groth. 3 

Obschon das Ergebnis dieser Hausdurchsuchungen den Erwartungen 


1 St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2.; 31. Mai. 

? Amrhyn an den Bischof, 28. Juni 1835: «Nach Briefen, die gestern in 
meinen Händen lagen, ist Abt Coelestin von Einsiedeln eines derjenigen Glieder 
des Kath. Vereins, welche zu den heutigen Erscheinungen, mittelbar durch dıe 
Nuntiatur und unmittelbar auf Rom einwirkend, den Apostolischen Stubl prov® 
ziert haben. » 

3 In der Großratssitzung vom 20. und 21. Jan. 1836 wurde über die Haus 
durchsuchungen und besonders über die Verurteilung Schlumpfs debattiert. — 
Waldstätterbote 1836, Nr. 8; Herzog Xav., Geistl. Ehrentempel I, Luzern 1891. 
S. 72 ff. (Leutpriester Egli in Root) ; Henne, S. 40 fl. ; Siegwart-Müller, Der Kamp! 
zwischen Recht und Gewalt, S. 225 ff. ; Hurter, S. 436 fi. — Vgl. auch die Briefe 
Geigers an K.L. von Haller, hrg. von E. Reinhard in der « Schweiz. Rundschat ’. 
25. Jhrg., ı2. Heft, 1926. — Die Statuten des Kath. Vereins in Nr. 46 der « Schwelt 
Kirchenzeitung » 1835. 


“ ee) R 


BR 267 — 


nicht entsprach, benutzte die Regierung den Anlaß, um den Katholischen 
und den Grebetsverein, nachdem sie ihnen die Führer zu nehmen ver- 
sucht hatte, in den folgenden Jahren aufs schärfste zu beobachten. Die 
Amtsstatthalter und Gemeindebeamten berichteten über jede Regung 
die sie erkunden konnten, in gehässigem Tone. Eine Denunziation aus 
Zell z. B. berichtete von einer Zusammenkunft des Gebetsvereins auf 
dem Berghof zu St. Urban — am 6. Januar 1836 — und wünschte, 
daß «solches Gezücht und Schlangenbrut » besser verfolgt werde ; 
auch der Gemeindeammann von Schötz meldete einige Tage später 
von geheimem « Unwesen » der « Krautstirzler » Über die Zusammen- 
kunft auf dem Berghof wurde eine Untersuchung geführt, ein beteiligter 
Thurgauer verhaftet und über die Grenze befördert. — Am 31. August 
1836 berichtete die Polizeidirektion dem Kleinen Rate über Besuche 
im Kloster St. Urban ; es seien ein « auffallendes Hin- und Herfahren 
und geheime Zusammenkünfte in diesem Kloster bemerkbar ». Der 
dortige Zöllner diente als Spion. Er hatte schon früher über eine 
« Pfaffenzusammenkunft » im Kloster berichtet und die Besucher aus 
verschiedenen Kantonen genannt. — Durch diese Denunziationen auf 
amtlichem und privatem Wege und durch scharfes Vorgehen gegen 
bestimmte Personen und Fälle sollte das Leben der kirchlich-konser- 
vativen Organisationen unterbunden und die Sammlung der Opposition 
verunmöglicht werden. ! 

In diesem Vorgehen wurde die Regierung bestärkt durch den 
lieberalen Teil des Klerus. 48 Geistliche — darunter Kommissär Waldis 
— wandten sich am 6. Juni 1835 an den Bischof. Sie drückten in 
ihrem Schreiben die Besorgnis über die dauernde Spannung zwischen 
Kirche und Staat aus. «Wir müssen es», schrieben sie, «höchst 
bedauern, daß mehrere unserer Mitbrüder die Stütze der Religion in 
äußern und zufälligen Verhältnissen, Verfassungen oder Personen zu 
finden vermeinen, und noch mehr müssen wir bedauern, daß die Religion 
zum Mittel der Parteien erniedrigt, im Namen derselben Verwirrung 
gepflanzt, nützliche und gute Anstalten zur geistigen Veredlung des 
Volkes durch Verdächtigung gehindert und Unfrieden in den unglück- 
lichen Gauen unseres Vaterlandes verbreitet wird. Darum muß auch 
das politische Treiben eines in unsern Tagen unter religiösem Vorwande 
entstandenen Vereins und der Organe desselben jeden wahren Freund 


1 St.-A. L. Fach 9: Kirchenwesen ; Verwaltung der Disziplin (Kath. Verein). 
— Korr. Amrhyns ; F.-A. A. 


—_ 8 — 


der Kirche und des Vaterlandes höchlich empören. Denn auf solche 
Weise werden aus dem Gebiet des Staates die Verwirrungen auch in 
das Gebiet der Kirche und Religion verpflanzt..... Und wir können 
nicht ohne bange Sorgen in die Zukunft blicken, wenn wir bedenken, 
daß gerade auf diese Weise der Unglaube und die Irreligiosität immer 
mehr überhandnehmen, durch politischen Haß oder Verachtung gegen 
die Diener der Kirche Glaube und Zutrauen des Volkes zu seinem 
Seelenhirten aufhören, die Kluft zwischen Kirche und Staat immer 
größer und so stets mehr dem unkatholischen Grundsatze Eingang 
verschafft werden muß, daß die Kirche durchaus dem Staate unter- 
worfen und die Geistlichen nur Pfründner des letztern seien. »! Die 
Achtundvierzig baten zum Schlusse den Bischof, « die in unserm Vater- 
lande etwa nötig gewordenen kirchlichen Verbesserungen einzuleiten 
und die Rechte und die Macht der Kirche dadurch zu sichern, daß 
dieselbe in keiner Hinsicht und in keinem Falle hinter den vernünftigen 
Forderungen der Zeit zurückbleibt». Das Schreiben wurde durch 
Kommissär Waldis auch der Regierung bekanntgegeben. Diese sprach 
den Unterzeichnern ihr Wohlgefallen aus, und die freisinnigen Blätter 
verbreiteten das Schreiben mit Genugtuung. 

Doch diesem Schritte der Minderheit stellte die Mehrheit des 
Klerus am 31. Juli eine von den Dekanen der drei Ruralkapitel im 
Namen von 95 Geistlichen unterzeichnete Gegenschrift an Bischof und 
Regierung entgegen, nachdem die Dekane schon am 8. Juli dem 
Bischof ihre Besorgnis über die Anschuldigung von seiten ihrer 
Amtsbrüder ausgedrückt und um die «namentliche Bezeichnung und 
kanonische Beurteilung der so schwer beschuldigten Geistlichen des 
Kantons Luzern » gebeten hatten. Die Schrift der Fünfundneunzig 
verteidigte das Benchmen der Angeschuldigten und verwahrte sich 
gegen die allgemeine Anklage, die nicht dem evangelischen Geiste 
des Friedens und der Versöhnung entspreche. Der Kleine Rat ant- 
wortete auf die Gegenvorstellung am I4. August ebenfalls im freund- 
lichen Sinne ; er erklärte sich bereit, die Hindernisse des priesterlichen 
Wirkens zu beseitigen, versprach den Gehorsamen Schutz und hofite, 
daß sich die Fünfundneunzig «immer mehr denjenigen Ansichten 
anschließen werden, welche jene 48 ehrwürdigen Amtsbrüder in ihrer 


I Kas. Pfyffer, II 5o5, hat gerade diesen letzten Satz weggelassen. — Hurter, 
S. 345 fl. ; Schweiz. Kirchenzeitung 1835, S. 499 ; ebenda das Schreiben (Separat- 
abdruck) der 95 (S. 594 ff.) ; die Antwort des Bischofs auf beide Schreiben (31. Aug.), 
S. 684. — St.-A. L. Fach 9, Fasz. 19. 


— 269 — 


Zuschrift ausgesprochen haben und deren Ausbreitung in den Wünschen 
einer katholischen und eidgenössischen Regierung liegen müsse ». 

Inzwischen hatte auch Papst Gregor XVI. in seiner bekannten 
Enzyklika vom I7. Mai 1835 die Badener Artikel förmlich verurteilt. I 
Bischof Salzmann teilte das päpstliche Schreiben, zugleich mit dem 
an ihn gerichteten Breve, am 26. Juni dem Schultheißen Amrhyn 
mit folgendem Schreiben vertraulich mit: «In größter Verlegenheit 
nehme ich wieder die Freiheit, mich an Ihro Exc. zu wenden. Gestern 
erhielt ich von Rom die epistolam encyclicam, von der ein Exemplar 
gegenwärtigem Briefe beigefügt ist. Im gleichen geheimnisvollsten 
Vertrauen lege ich Ihnen die Kopie eines an mich gekommenen 
Apostolischen Breve bei. 2 Unschwer erkennen Ihro Exc. hieraus meine 
höchst bedrängte Lage. Wiewohl mir mehrere Exemplaria der Encyclica 
überschickt worden sind, werde ich dennoch kein einziges austeilen. 
Allein soll ich nicht jeder Regierung der h. Diözesanstände ein Exemplar 
übersenden ? Mir scheint es Pflicht gegen Kirche und Staat zu sein. 
Doch wollte ich nicht handeln, ohne vorher mir Ihren weisesten Rat 
zu erbitten. Mein Zustand ist umso drückender, weil ich mein Leiden 
nicht einmal kund werden lassen darf, sondern in meinem Busen 
verschlossen halten muß. » ? 

Das für manche der damaligen Liberalen bezeichnende Ergebnis 
nächtlichen Nachdenkens über die Haltung gegenüber dem päpstlichen 
Verwerfungsakt faßte Amrhyn in seiner Antwort vom 28. Juni 
zusammen. Er schrieb u. a.: «... Wäre nicht der Glaube an eine 
alles zum Bessern leitende Vorsehung vorhanden, man dürfte sich 
fragen, wohin es unter solchen Erscheinungen mit Religion und 
öffentlichem Frieden kommen [solle]. Man will Unfrieden, Zweitracht, 
Verfolgung, stößt das Gebot der Liebe höhnend und trotzend von sich 
und hofft im leidenschaftlich angeregten Sturme des Volkes Heil für 
Herrschsucht jeder Art und Befriedigung persönlichen Hasses und der 


I St.-A.L. Fach 9, Fasz. 2ı (lat. und deutsch). — Gedrucktes Exemplar im 
F-A.A.: Drucksachen ; Kath. Schweizerblätter XIII, 1871, S. 200 ff. (deutsch) ; 
Schweiz. Kirchenzeitung 1835, Nr. 27 ff. ; Waldstätterbote, Nr. 56 ff. ; Eidgenosse, 
Nr. 53 fl.; Allg. Kirchenzeitung, Nr. 35 ff. (u. a.: «Bemerkungen über das 
Schreiben der Geistlichkeit der luzernischen Ruralkapitel an den hochw. Bischof 
im Juli 1835 », in Nr. 45). 

?2 6. Juni 1835. Wortlaut siehe Anhang (1). 

3 Nachschrift : « Ich bitte inständigst, diesen Brief als das größte Geheimnis 
in Ihrem Herzen aufzubewahren, damit nicht etwa Freunde meiner Person im 
unbehutsamen Eifer zu Gunsten meiner Person meine Lage noch verschlimmern. » 


Verfolgung zu finden. Was mich am tiefsten betrübt, am meisten mich 
bekümmert, ist die Sprache eines Papstes, die Verdammung des Stell- 
vertreters des Stifters unserer heiligen Religion, der die Liebe, die 
Sanftmut, die hingebende Belehrung selbst war. ... Ich möchte bittere 
Tränen darüber weinen, daß ein Papst Gregor XVI. das Werkzeug 
einer ehrgeizigen und verleumderischen Klasse von Menschen werden 
mußte, die heute Christum so gut zur Kreuzigung dem Pilatus über- 
liefern würde, als es die Juden jener Zeit getan haben. ... Ich glaube, 
Hochderselben schmerzvolle Lage zu durchblicken ; ich besorge auch 
nicht, Ihre Lage zum Oberhaupte der Kirche, wie zum Staat img 
aufzufassen, von dem E. Gn. in der Zeit zum bischöflichen Hirten für 
seine katholischen Angehörigen, seine christlichen, wie politischen 
Kinder auserkoren worden sind und in welchen beiden Beziehungen 
sich E. b. Gn. durch einen schweren Eid gebunden finden. Sohn der 
der Kirche wie des Staats — und wenn schon zur Stunde von beiden 
verkannt, von beiden verleumdet — bleibt Ihnen die Eigenschaft ın 
beiden Beziehungen heilig. Sie leiden, dulden und wirken zum Wohle 
für beide, wenn Sie den Sturm der angeregten Leidenschaft mit heiterer 
Duldung brechen, damit Zuversicht wieder anregen und der Liebe 
wieder die Bahn allmächtig öffnen. Liebe gebietet E. Gn., den Akt 
nicht zu verbreiten, der die Flamme der Leidenschaft zum Brande 
über Kirche und Staat auflodern machen sollte, um unter Trümmem 
versengter Menschheit das starre Weltgericht herbeizureißen. Liebe 
gebietet E. b. Gn., die Regierungen vertraulich über die Gefahren zu 
warnen, die ihnen drohen, wenn auch sie der überstürzenden Leiden- 
schaft sich hingeben. Unter letzterm Gesichtspunkte und ohne die 
Regierung zum wilden Kampfe herauszufordern, der nicht im Geiste 
der Wahrheit und der Liebe liegt, teilen Sie nicht den Regierungen 


selbst, sondern ihren Häuptern — und zwar ganz konfidentiell und 
im pflichtigen Verhältnis zum Staat, ich sage: unter diesem unein- 
löslichen Gesichtspunkte allein — das zwar nicht zur Mitteilung an 


sie erhaltene päpstliche Kreisschreiben mit, damit der Landesherr 
wisse, was vor sich gehe, und durch E. b. Gn. Stillschweigen nicht 
größeres Mißtrauen, größere Aufregung, größere Gefahr und Unheil 
entspringe. Eine solche einfache vertrauliche Mitteilung, die keinen 
Staatsverhältnissen vorgreift (denn jeder Regierung, selbst ihren 
Häuptern bleibt vorbehalten: ob sie von einem zur allgemeinen 
Aufregung berechneten Akt Kenntnis nehmen wollen), ist eine 
unmittelbare Sorgfalt für die Verhältnisse zur Kirche. So will es mich 


— 27I — 


unmaßgeblich gedünken. ... » — So schlossen mit Amrhyn auch andere 
Leiter der liberalen Kirchenpolitik die Augen vor den religiösen 
Konsequenzen ihrer Politik ; sie suchten den im Gewissen verpflichten- 
den Ausspruch der höchsten kirchlichen Autorität dem Volke zu 
verheimlichen und ihn als persönliches Urteil, als Werk einer politischen 
Partei darzustellen. — Amrhyn ersuchte darum seinen Sohn, den eid- 
genössischen Kanzler, in Bern beim Schultheißen dahin zu wirken, daß 
die Regierung von der Bulle keine Kenntnis erhalte oder doch keine 
nehme. « Die Regierungen der Schweiz sollen gleich den Regierungen 
der süddeutschen Kirchenprovinz von solchen Erscheinungen vorder- 
hand keine Notiz nehmen, gegen die Verbreiter solcher Akten polizeilich 
einschreiten. ... »! 

Im Luzerner Staatsrate beantragte Amrhyn, von der Bulle keine 
Kenntnis zu nehmen und dem Kleinen Rat davon nichts mitzuteilen. 
Doch er drang mit dieser Meinung nicht durch. Er konnte nur ver- 
hindern, daß die Quelle nicht angegeben wurde, aus der er die Kenntnis 
geschöpft hatte. «Wenigstens wird dadurch, wenn man reinen Mund 
hält, der Bischof, den ich als Freund seines Vaterlandes kenne, von 
seinem Kirchenoberhaupte nicht als Verräter an der Kirche verdächtigt. 
Die exzentrischen Feuerköpfe beider Parteien überbieten alles, haben 
weder Billigkeit, Klugheit noch Mäßigung. ... Ich bin eigentlich dazu 
verdammt, mit beiden Extremen offen zu kämpfen », schrieb er seinem 
Sohne. 2 Der Kleine Rat beschloß am 2. Juli: die Justiz- und Polizei- 
kommission habe darüber zu wachen, daß das Plazetgesetz vom 7. März 
1834 bezüglich der Bulle genau gehandhabt werde. Weil diese aber 
in Schwyz gedruckt und rasch verbreitet wurde, verbot sowohl die 
Regierung von Luzern als die von Aargau die Bekanntmachung und 
traf Vorsichtsmaßregeln gegen Unruhen. ? 

Am 1o. Juli teilte der Luzerner Kleine Rat dem Bischof mit, daß 
der Schultheiß das päpstliche Kreisschreiben vorgelegt habe, und fügte 


! 1. Juli 1835. 

?2 3. Juli 1835. — In der Großratssitzung vom ıı. März 1836 erklärte dann 
Amrhyn : der Bischof habe ihm das päpstliche Breve auf vertraulichem Wege 
mitgeteilt ; aber es sei nicht ein Akt, wie ihn der Papst erlassen würde, wenn er 
seine Stelle und Würde noch behaupten wollte. (Waldstätterbote, Nr. 23, 1836.) 

3 St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı. 4. Juli, 26. Sept. 1835. Am 4. August meldete 
der Amtsstatthalter von Willisau, daß er die Verbreiter der Bulle verhaften lasse. 
— Vgl. den Artikel im « Eidgenosse », Nr. 55 : « Wie hat man sich gegen Rom 
zu benehmen ? » (« Wir wollen, wie Christus zu Petrus, ausrufen : « Hebe dich 
weg, Satanas!....») 


bei, «daß jenem Kreisschreiben das Plazet nie erteilt werden könnte, 
demnach die Bekanntmachung und Verbreitung desselben untersagt 
bleibe ». Als dann Joseph Leu von Ebersol im Großen Rate die oflizielle 
Bekanntgabe der Bulle verlangte, wurde diese verweigert, mit der 
Erklärung, die Regierung habe keine amtliche Kenntnis davon. Leu 
wandte sich deshalb mit ı4 andern Großräten im März 1836 an den 
Bischof. Doch dieser schwieg. In einer neuen Zuschrift vom 18. Mai 
1836 ersuchte ihn Leu um eine Antwort innert vierzehn Tagen. « Würden 
Sie uns die verlangte Antwort in der obgedachten Zeitfrist nicht erteilen, 
so müßten wir schließen, daß Sie uns keiner Antwort würdig halten ; 
daher wir mit betrübtem Herzen uns als von unserem geistlichen Hirten 
in Gewissensangelegenheiten die nötige Belehrung und Trost zu erhalten, 
aller Hoffnung beraubt sehen müssen, so werden Sie es nicht übel 
aufnehmen, wenn wir schon mit unseren Beschwerden, um Beruhigung 
zu erhalten, an das Kirchenoberhaupt uns wenden. »! Der Bischof 
schickte diesen Brief dem Schultheißen Amrhyn und bat ihn um Rat, 
was er tun solle: «Soll ich antworten, daß ich einen doppelten Eid 
gegen Kirche und Staat auf mir habe und zu halten schuldig sei und 
auf gleiche Weise auch sie [die ı5 Großräte] dem Staate und der 
Kirche, deren Obern von Gott gesetzt seien, zu gehorchen haben’ 
Oder darf ich erwähnen, daß wegen den Badener Artikeln Unter- 
handlungen mit der kompetenten geistlichen Behörde werden eingeleitet 
werden ? ... Oder ist es besser, gar nichts zu antworten ? » — Amrhyn 
antwortete: «... Ich konnte mich mit der Ansicht nicht vertraut 
machen, daß der Bischof im Falle sei, über allgemeine Kirchensachen 
oder Religionsangelegenheiten sich gegen jemand andern als gegen die 
Regierungen und die ihm untergeordnete Geistlichkeit amtlich ein- 
zulassen, so wie er auch gegen jene, wie gegen die Kirche allein durch 
einen Eid gebunden ist. Es dürfte daher auch unter diesem Gesichts- 
punkte die Zudringlichkeit des Hrn. Großrats Leu und Mithaften 
ablehnend beantwortet und daneben die Zusicherung gegeben werden: 
es werde der Bischof, vermöge dieser Doppelverpflichtung, auch für 
sich unter allen Verumständungen nichts Angelegeneres haben, als für 
Bewachung und Beschützung der heiligen Religion, wie für Erhaltung 
des innern Friedens sein Möglichstes zu tun, und worin er innigst 


1 Das Original im F.-A. A. als Beilage des Briefes Salzmanns vom 2ı. Nai 
1836. — Vgl. Siegwart-Müller, Ratsherr Leu, S. 50 f. — Die Schweiz. Kirchenzeitung 
hatte schon in Nr. 33, 1834, tadelnd geschrieben : « Die eigentlichen kirchlichen 
Behörden beobachten noch immer ein eisernes Stillschweigen. » 


wünschen müsse, von allen, denen Religion und Vaterland am Herzen 
liege, im kindlichen Glaube[n] an eine alles leitende göttliche Vor- 
sehung mit friedfertigem Geiste unterstützt zu werden. »! Nach diesem 
Rezepte des liberalen Staatsmanns scheint dann der Bischof dem Manne 
geantwortet zu haben, der vier Jahre später die große Mehrheit des 
Volkes im Sturm auf das liberale Regiment hinter sich hatte. 

Um das lebhaft erregte Volk zu beschwichtigen, den Eindruck der 
kirchlichen Verurteilung zu verwischen und ihren staatskirchlichen 
Standpunkt zu begründen, warfen die liberalen Regenten Verteidigungs- 
schriften ins Volk. Am 14. August 1835 beauftragte der Luzerner 
Kleine Rat die Justiz- und Polizeikommission, den Entwurf des zweiten 
Staatsschreibers Siegwart-Müller zu einer « Bekanntmachung und Beleuch- 
tung der Badener Konferenzartikel von dem Kleinen Rat des Kantons 
Luzern an die Bürger desselben » zu publizieren. Die 48 Seiten starke 
Druckschrift wurde dann in Hunderten von Exemplaren an die Großen 
Räte der andern Konferenzstände versandt. 2 Diese ofhizielle Ver- 
teidigungsschrift, die nachher vom Papste ebenfalls verurteilt wurde, 
brachte den Wortlaut der Badener Artikel, erwähnte das Plazetgesetz 
vom 7. März 1834 und die Abänderung des Eheartikels, der nun die 
Einsegnung von gemischten Ehen gewährleistete. Sie wies auf « Vor- 
urteile » und Verdächtigungen der Regierung hin und ging zur Erklärung 
der Badener Artikel über mit dem gewagten Satze: «Wer mit 
Unbefangenheit und Bedachtsamkeit die Badener Konferenzartikel 
durchlieset, wer sich vom katholischen Glauben Rechenschaft zu geben 
imstande ist, wird finden, daß jene Artikel nicht nur nichts gegen die 
katholische Glaubenslehre enthalten, sondern im Gegenteil die älteste 
Kirchenordnung wieder herzustellen, die katholische Gesinnung neu zu 
beleben, Mißbräuche und Willkürlichkeiten abzuschaffen und den 


l Salzmann an Amrhyn, 2ı. Mai; Amrhyn an ihn, .29. Mai 1835. 

® St.-A. L. Fach 9, Fasz. 21. — Allg. Kirchenzeitung 1835, Nr. 46 ff. (wört- 
lich) ; Waldstätterbote 1836, Nr. 10 ff. (Kritik) ; Hurter, S. 302 f. — Das päpstliche 
Verwerfungsbreve vom 23. Sept. 1835 im « Waldstätterboten », Nr. 84, 1835. — 
Der bekannte Exeget und Kirchenhistoriker Möhler urteilte darüber (Schweiz. 
Kirchenzeitung 1837, Nr. 4): «... Die in der neuern Zeit herrschend gewordenen 
beschränkten und irdischen Ansichten von der Religion und Kirche, sie als 
bloß örtliche Angelegenheit zu betrachten, die Kirche nach einzelnen Territorien 
abzugrenzen, lauter Staatskirchen zu gründen und in dieser Weise von Grund 
aus zu säkularisieren, gleich als wäre sie ein Produkt der Erde und des Bodens 
ihrer Bekenner, sind ganz und gar in diese öffentlichen Dokumente eingedrungen. 
Daher das Bestreben, den Zusammenhang mit dem gemeinsamen Mittelpunkt 
möglichst zu schwächen und allmählig zu vernichten ....» 


REVUE DHISTOIRE ECCLESIASTIQUE 18 


Frieden des Vaterlandes zu bewahren beabsichtigen. » Die Verteidigung 
berief sich auf die frühere Zugehörigkeit zu einem Metropolitanverband, 
auf das Konzil von Basel, die Erklärung Lussis am Konzil von Trient, 
den Pfaffenbrief usw. Sie schloß mit der nochmaligen Versicherung, 
daß die Badener Artikel « die Kirchenordnung in der Eidgenossenschaft 
wiederherstellen, den Bischöfen und der Geistlichkeit ihre Rechte 
sichern, die kirchlichen Einrichtungen für Bewahrung der reinen 
Glaubenslehre und für Verbesserung des äußern Kirchenlebens wieder 
ins Leben rufen, den Staat gegen die Anmaßungen kirchlicher Gewalten 
schirmen, den Frieden in der Eidgenossenschaft ungestört erhalten, 
Mißbräuche abschaffen, ... die Verfassungen und die von unsem 
Vätern ererbten Rechte und Freiheiten handhaben wollen ». In dieser 
Absicht werden die Regierungen die Artikel gegen jede Gewalt ver- 
teidigen | — 

Gleichzeitig mit dieser offiziellen Verteidigungsschrift erschien eine 
private, von Schultheiß Amrhyn verfaßte, unter dem Titel: « Erklärung 
und Verteidigung der Badener Konferenzartikel von einem katholischen 
Schweizer.»! Sie berief sich ebenfalls auf das «leuchtende Beispiel » 
der Vorfahren und auf die Unordnung, die seit der Lostrennung von 
Konstanz erwachsen sei. Schon während der Bistumsverhandlungen 
seien «mehr als einmal die Rechte, sowie die Würde der Staatsgewalt 
aufs tiefste verletzt worden », und die eidgenössischen Stände, welche 
die Unterhandlungen führten, seien «in eine Stellung zurückgedrängt 


1 Luzern, Meyer, 1835, 36 S. 8°. — Daß Amrhyn der Verfasser ist, ergibt 
sich — gegenüber der Darstellung Liebenaus in den « Kath. Schweizerblättern » 
1896, S. 101 f. — aus dem von Liebenau selbst veröffentlichten Briefe des tüchtigen 
freisinnigen Philosophieprofessors Ernst Großbach an Amrhyn (12. Sept. 1835), 
der gegenüber der ofhziellen a Bekanntmachung » verschiedene rechtliche Bedenkea 
erhob. Prof. Großbach schrieb dort: « Je mehr mich aber in manchen Stücken 
diese Erläuterung der B[adener] C[onferenz]-Artikel unbefriedigt ließ, desto mehr 
erstaunte ich über die köstliche diplomatische Arbeit, so aus der Feder Ew. Excel- 
lenz geflossen. Diplomatisch, nenn ich sie, weil sie mit jedem Schritt, den Sie 
tut, treu und streng auf dem Boden der Geschichte bleibt ; ferner weil sie sich 
über Subjektivität erhebt und nur die Sache im Auge hat, und endlich, weil sıe 
mit Feinheit und Gewandtheit den Gegner — entkleidet von seinen unfehlbaren 
Attributen — auf dem politischen Boden festzuhalten weiß. » — St.-A. L. Fach 9, 
Fasz. 21. Beilage: die « Bekanntmachung und Beleuchtung » mit den kritischen 
Randnotizen Großbachs. — C. Siegwart-Müller schreibt (« Der Kampf zwischen 
Recht und Gewalt », S. 142) : «Im Auftrage der Regierung von Luzern schrieb 
ich mit vielem Aufwand von Zeit und Studium die « Bekanntmachung und 
Beleuchtung der Badener Konferenzartikel», welche zu Rom in das Verzeichnis 
der verbotenen Schriften gesetzt worden ist. » 


worden, welche sich nie unsere Vorfahren würden haben gefallen lassen ». 
Darum die Solothurner Konferenz. « Die Angriffe auf die Staatsgewalt 
wuchsen mit jedem Jahre » — fährt der geriebene Politiker fort — 
«und man schien damit umzugehen, die Grenzen zwischen der Staats- 
und Kirchengewalt gänzlich zu verwischen. Ein größerer und ein 
kleinerer Teil der Priesterschaft in den rein katholischen und pari- 
tätischen Kantonen offenbarte — uneingedenk ihrer hohen Bestimmung 
— bei jeder Veranlassung einen feindseligen Geist gegen die errungene 
neue Freiheit und ihre Segnungen, mischte sich verwegen und ungescheut 
in jede politische Frage und schuf zuletzt als bleibende Stätte und 
Nahrungsquelle für ihre unreinen Absichten den sogenannten Katho- 
lischen Verein. ... Da fühlte die Regierung von Luzern die dringende 
Pflicht, dem zerstörenden Geiste zu begegnen. ... Wie notwendig und 
wohltätig jene Beschlüsse waren, hat seitdem die Erfahrung hinreichend 
gelehrt ; sie haben der lange verhöhnten Staatsgewalt wieder jene 
Waffen in die Hände gegeben, mit welchen unsere Vorfahren stets so 
siegreich ihre Rechte behauptet haben. ... Der Zweck dieser Artikel 
ist: teils die Wohlfahrt der Kirche zu fördern, soweit der Staat dazu 
die Pflicht und Befugnis hat, teils die Grenzen der Kirchengewalt in 
den wesentlichsten Punkten zu bestimmen. Die sämtlichen 14 Artikel 
sprechen nur Rechte aus, welche 1. unveräußerlich jedem wohlgeordneten 
Staate zukommen ; welche 2. von den ältesten Zeiten her von unsern 
Vorfahren ausgeübt wurden und welche 3. endlich auch von allen 
andern Staaten gehandhabt werden. » Die folgenden Seiten verteidigen 
das liberale Staatskirchentum, wie wir es in der allgemeinen Einleitung 
gezeichnet haben, aus den Schriften Pithous, Van Espens, Rieggers, 
Eichhorns und aus der geschichtlichen Vergangenheit. Bei der Erklärung 
der einzelnen Artikel werden neben den geschichtlichen Beispielen auch 
andere Staaten angeführt, um mit diesen einseitig staatlichen Maß- 
nahmen einen Rechtsboden zu konstruieren. Der päpstlichen und 
bischöflichen Verwerfung stellte der «katholische Schweizer » den Satz 
entgegen : « Diejenigen, welche vorgeben, als würde die kanonische 
Ordnung und die Glaubenslehre der katholischen Kirche durch die 
Badener Konferenzartikel nur im mindesten gefährdet, befinden sich in 
einem bedauernswerten Irrtum», und er schloß mit der kecken 
Behauptung : ohne die kirchliche Selbständigkeit des Vaterlandes gebe 
es keine wahre politische Freiheit. 

Wie sich die liberale Geistlichkeit zu diesen beiden Verteidigungs- 
schriften stellte, zeigt das folgende Urteil P. Gregoire Girards — des 


32 276° — 


bekannten Freiburger Pädagogen und früheren Professors in Luzem — 
in einem Briefe an Amrhyn: «... Die Erklärung der Luzemer 
Regierung ans Volk ist wahr und klar, und ich als alter Theolog 
genehmige ihren Inhalt durch und durch ; doch aus Schonung für das 
in der religiösen Aufklärung noch nieder stehende Volk, sowie aus Scheu 
vor einer Geistlichkeit, die gerne mit und durch Rom herrschen 
möchte, hätte ich einiges in dieser Erklärung ausgelassen und anderes 
im Ausdruck gemildert. Ich glaube zwar nicht, daß darum die römische 
Verdammung vermieden worden wäre ; denn es gibt Wahrheiten, die 
Rom gar nicht hören mag, weil sie seinen Interessen zuwiderlaufen. 

Ich stehe übrigens in der Überzeugung ...: die Artikel der 
Badener Konferenz hätten noch lange nicht vor das Volk gebracht 
werden sollen, sondern vorläufig in der Stille von den Regierungen 
soviel möglich verwirklichet werden sollen. ... Die Schrift, welche 
Ihre Excellenz über die Artikel der Badener Konferenz verfaßt hat, 
war sehr umsichtig auf die Fassungskraft und das Bedürfnis der 
lesenden Volksmenge berechnet. ... »! 

Als die Blätter die Meldung brachten, der Papst habe am 
23. September die « Bekanntmachung und Beleuchtung » als ein freches, 
beschimpfendes, ketzerisches Libell verurteilt und unter Strafandrohung 
auf den Index gesetzt, reichte der radikale Staatsrat Dr. J. R. Steiger 
am 23. Oktober 1835 folgenden Antrag ein: a... So wenig Nach- 
teiliges dieser erneuerte Bannfluch von Rom in unserm Kanton hervor- 
rufen wird, so kränkend hingegen ist ein solches Dekret gegen die 
Schlußnahme der Regierung eines freien Staates, in dessen Mitte der 
Gesandte des römischen Hofes seinen Sitz in der Eidgenossenschaft 
aufgeschlagen hat ; ja es enthielt dasselbe eine förmliche Aufruhrs- 
erklärung, indem dadurch die Bürger des Kantons Luzern zum 
Ungehorsam gegen die durch Verfassung und Gesetz aufgestellten 
obersten Staatsbehörden aufgefordert werden ; es ist ein schmähliches 
Attentat gegen die Rechte des Staats, welches nicht geduldet, noch 
durch Stillschweigen sanktioniert werden darf, wenn sich die Staats- 
behörden nicht der öffentlichen Verachtung preisgeben und demütig 
dem ausländischen Übermut sich unterwerfen wollen. Mein Antrag 
geht also dahin, der Kleine Rat des Kantons Luzern soll sich vorerst 
über das Vorhandensein oder Nichtsein eines solchen päpstlichen Dekrets 
vergewissern und zu diesem Behuf von dem päpstlichen Gesandten 


1 13. Jan. 1836 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı. 


in hier eine bestimmte und unumwundene Antwort verlangen. Je 
nachdem diese Antwort ausfallen wird, behalte ich mir vor, die weitern 
Anträge zu stellen. »! Dieser Antrag ist wiederum bezeichnend für 
eine Staatsleitung, die sich ganz auf die unbedingte Macht des Staates 
stützte und Aussprüche der kirchlichen Autorität als rein politischen 
Akt, als Einmischung des Auslandes betrachtete. 

In diesem Geiste trat die Luzerner Regierung auch den Mahnungen 
des Mitstandes Schwyz schroff entgegen. Landammann und Regierungs- 
kommission des Kantons Schwyz gaben nämlich am 28. März 1836 
ihrer Beunruhigung wegen der Badener Artikel kräftigen Ausdruck, 
indem sie an den Schultheiß und Kleinen Rat von Luzern schrieben : 
«Wenn ein katholisches Volk die Ansichten der katholischen Kirche 
in solch unzweideutigem, jeder andern Auslegung unmöglichem Sinne 
ausgesprochen weiß, und diese ihm dennoch aufgedrungen werden 
wollen, liegt es wohl nicht in seiner Pflicht, allem aufzubieten, um seine 
Anhänglichkeit an die Grundsätze jener Religion an [den] Tag zu 
legen, welcher es zugetan ist ? Und ist es nicht im Gewissen verpflichtet, 
gegen Einführung einer Lehre seinen Abscheu zu erkennen [zu] geben, 
durch welche es seine Religion selbst so offenbar als gefährdet erblickt ? 
Mit Annahme dieser Artikel ist die Absicht unverkennbar, daß die 
Herde von ihrem Hirten getrennt werden solle. ...» Der Kleine Rat 
antwortete auf dieses Schreiben am 20. April in scharfem Tone. Er 
verwahrte sich gegen die « vorgreifenden, unberufenen Beschuldigungen » 
und verteidigte die geschichtliche Berechtigung der Badener Artikel. 
«Von einem Ausspruche der katholischen Kirche gegen die Badener 
und Luzerner Konferenzbeschlüsse — wie und wann einen solchen 
die allgemein anerkannten Kirchensatzungen zulassen — wissen wir 
nichts », erklärten die Luzerner Regenten wider alle Wahrheit. « Solltet 
Ihr aber die Behauptung des Vorhandenseins eines solchen Ausspruches 
auf eine vorgebliche daherige päpstliche Verdammungsbulle — die 
ohnehin in keinem Falle nach jenen Kirchenvorschriften als eine Ent- 
scheidung der katholischen Kirche anzusehen ist — Anspielung machen 
wollen, welche Bulle die Regierung übrigens nicht kennt ... ; solltet 


I Das Original im St.-A. L. Fach 9, Fasz. 21. — Amrhyn an seinen Sohn, 
14. Okt. 1835 : « Heute las ich das jüngste Breve des Heiligen Vaters, welcher die 
von der Regierung ausgegangene « Beleuchtung und Verteidigung der Badener 
Konferenzbeschlüsse » in — die Regierung höchst beleidigenden — Ausdrücken 
feierlich verdammt und auf das Register der verbotenen Bücher zu setzen 
verordnet.» — Luzerner Zeitung 1835, Nr. 94. 


— 27383 — 


Ihr versucht sein, diesem Euerer Stellung in jeder Beziehung fremden 
Akt das Wort zu führen, so verhehlen wir Euch ebensowenig den 
tiefen Schmerz ..., wenn der Heilige Vater sich wirklich, auf ein- 
seitige, unlautere und feindliche Angaben hin, ohne weiteren Unter- 
such, ohne zuvor die Regierungen angehört zu haben, zu einem 
Verdammungsurteil gegen dieselben hätte verleiten lassen können. ... 
Übrigens weisen wir Euere, weder durch den alten, noch durch den 
neuen mit uns geschwornen Bund gerechtfertigte, zudem unbrüderliche 
Einmischung in die innern Angelegenheiten anderer Kantone mit 
gleicher Eifersucht und Entschiedenheit zurück, die Ihr selbst unter 
allen Umständen in den Euern Kanton betroffenen Angelegenheiten 
auch der wohlwollenden, vermittelnden Dazwischenkunft Euerer 
Bundesbrüder immerfort entgegengestellt habt. .... »! Gleichzeitig 
protestierte der Kleine Rat von Luzern beim Vorort Bern gegen das 
«anmaßliche » Kreisschreiben von Schwyz und teilte ihm seine Antwort 
mit. Die Schwyzer Regierung replizierte im Auftrag des Großen Rates: 
Luzern sei der einzige ganz katholische Stand, der die Badener Artikel 
angenommen habe. Das Vorgehen Berns im Jura bestätige die Ansicht, 
daß «rein kirchliche Dinge den kompetenten kirchlichen Behörden 
zu überlassen, gemischte aber im Einverständnis mit denselben zu 
behandeln » seien. Die alten Verträge und Protokolle beweisen nicht 
das, was Luzern damit beweisen wolle, sondern gerade das Gegenteil. 
«Wenn irgend eine Tatsache historisch erwiesen vorliegt, so ist es die, 
daß unsere Väter die Beschlüsse des Conciliums von Trient angenommen 
haben. ...» Die angebliche Unkenntnis der päpstlichen und bischöf- 
lichen Verwerfung sei ein Beweis für die Wirkung des Plazets, eines 
Grundsatzes, «durch dessen Aufstellung die weltlichen Behörden Epis- 
kopalrechte über die Gläubigen sich anmaßen und durch dessen 
Anerkennung die Bischöfe derselben sich gleichsam entäußern würden. » 
Die Entscheidung des Papstes sci auch die der Kirche. ? 


I Schweiz. Kirchenzeitung 1836, Nr. 16, ı8 ; Eidgenosse, Nr. 30, 34 ; Allg. 
Kirchenzeitung, Nr. 19. — St.-A. L. Fach 9, Fasz. 2ı (auch gedruckt). Beilage 
von Amrhyns Hand : « Zergliederung des Zirkularschreibens des Standes Schwyz », 
ebenso von Auszügen aus Zeitungen. Der « Volksfreund » in Burgdorf (Nr. 34. 
28. April 1836), z. B. redet in einer Luzerner Korrespondenz von der « Schwyzer 
Pfaffenjunta ». Der « Waldstätterbote » (Nr. 37) aber bezeichnet die Antwort 
Luzerns als «vom radikalsten Hochmut bis zum Zerplatzen aufgeblasen, von 
Ergicßungen der niedrigsten Leidenschaft angefüllt. » 

® 24. Juli 1836. — Kas. Pfyffer an Amrhyn ; Bern, 8. April : Das diplomatische 
Departement Berns habe eine scharfe Antwort an Schwyz entworfen. 


IV. Weitere Konflikte 
als Ursache der Luzerner Konferenz (1835). 


Die päpstliche und bischöfliche Verurteilung der Badener Artikel, 
die schweren Anstände der kirchlichen Behörden mit den Regierungen 
— besonders von Aargau, Solothurn, Luzern und St. Gallen — und 
die Aufregung des Volkes darüber, veranlaßten im Sommer 1835 die 
Berufung einer neuen kirchenpolitischen Konferenz nach Luzern. Wir 
müssen aber, bevor wir die Konferenz selber betrachten, ihre Veran- 
lassung noch eingehender darlegen ; zunächst den Kamödf der radikalen 
Aargauer Regierung mit dem Bischof und der strengkirchlichen Geistlich- 
keit. — Bischof Salzmann hat später einmal vom Aargauer Großen 
Rate gesagt: « Allemal bangt mir vor seinen Dekreten. Wo es nur 
heißt : Sic volo, sic jubeo, stat pro ratione voluntas, da muß in der 
Tat alles befürchtet werden.» Und ein anderes Mal: «Der Kanton 
Aargau macht mir mehr Mühe als die übrigen sechs Kantone mit- 
einander. »! Die schon durch den Wohlenschwilerhandel geschaffene 
Spannung zwischen Staat und Kirche im Aargau wurde durch die 
Badener Artikel, durch das nachher erlassene Plazetgesetz und die 
Verurteilung durch den Bischof rasch verschärft. Der Große Rat 
beschloß am 5. Mai, Salzmann sein Protestschreiben, das «selbst auf 
Aufregung des Volkes» tendiere, mit dem Hinweis «auf seine 
beschwornen Pflichten » zurückzusenden, ihm «das hohe Mißfallen der 
Landesbehörde darüber ausdrücken und zugleich verdeuten zu lassen, 
daß er für alle Folgen seiner rechtswidrigen Handlungen persönlich 
verantwortlich gemacht werde ». Eine Proklamation wollte die Artikel, 
das Plazetgesetz und das neue Schulgesetz rechtfertigen und den Bischof 
in den Augen des Volkes verdächtigen. Diese einseitige und scharfe 
Kundgebung sollte am 1y. Mai — einem Sonntag — während des 
Gottesdienstes auf den Kanzeln verlesen werden. Auf die Anfrage von 
Geistlichen erwiderte der Bischof : er wolle die Verkündigung weder 
gebieten noch verbieten. Dreizehn Geistliche, die diese Antwort noch 


I 17. März 1838, an Kaplan Meyer (Schweiz. Kirchenzeitung 1923, Nr. 18 ff.). 
— Vgl. für das folgende: Hurter, S. 604 fl. ; Henne, S. ı57 fi. ; E. Heer, S. 39 ff. ; 
G. J. Baumgariner, II 166 fl.; E. Zschokke, Geschichte des Aargaus, S. 25ı fl.; 
Tillier, Gesch. der Eidgenossenschaft während der Zeit des sog. Fortschrittes I 
325 .; J. K. Bluntschli, Der Sieg des Radikalismus, S. ıı2 ff., 141 fl. ; Siegwart- 
Müller, Der Kampf zwischen Recht und Gewalt, S. 180 fl. ; Vautrey, II 540 f. — 
Akten in der Schweiz. Kirchenzeitung 1835, Nr. 30 ff. ; Waldstätterbote, Nr. 33 fl. ; 
Allg. Kirchenzeitung, Nr. 36 fi. 


— 25 — 


nicht kannten, verschoben die Verlesung auf den folgenden Sonntag. 
Die Dekane Rohner in Kirchdorf und Dosenbach in Bremgarten 
verteidigten ihren Standpunkt in schriftlichen Eingaben an die welt- 
lichen Behörden. Diese aber schritten mit rücksichtsloser Schärfe gegen 
Geistliche und Laien ein, ließen sie gerichtlich verurteilen, verhaften, 
mit schweren Geldbußen belegen, im Aktivbürgerrecht einstellen usw. 
Besonders hart war das Verfahren gegen Dekan Groth von Meren- 
schwand, der die Weisung des Bischofs persönlich eingeholt, aber am 
vorgeschriebenen Tage die Proklamation verlesen hatte. 

Voll tiefster Besorgnis schrieb der Bischof am 29. Mai an Amrhn: 
a Meine Lage wird mit jedem Tag schwieriger ; die Proklamation des 
h. aargauischen Rates, welche durch die Geistlichkeit selbst von der 
Kanzel herab verlesen werden mußte, hat mich noch vollends nieder- 
gedrückt. Was konnte der Bischof, wenn er über das Verlesen oder 
Nichtverlesen angefragt wurde, antworten ? Einerseits der Staat: 
andrerseits die Kirche. Ich glaubte, keine Weisung geben zu können 
— und das Verlesen weder befehlen noch verbieten zu sollen, dennoch 
aber durch Raten einzuwirken, daß die Verlesung erfolge. Nun geht 
die Sage, man habe mehrere Priester mit bedeutender Geldstrafe belegt ; 
auch sollen etliche — von denen einer, wie ich gewiß weiß, dem Gebot 
der Verlesung sich unterzogen hat — im Arreste sein. Man erwartete 
von mir eine Gegenproklamation an das Volk. Ich lasse sie nicht 
ergehen, sondern schweige. Was geschieht nun ? Jetzt wird unfehlbar 
durch Katholiken mein Verhalten beim Heiligen Stuhl angeklagt und 
angeschwärzt. Andrerseits hat die Verhörkommission eines aargauischen 
Bezirkes an das hiesige Oberamt sich gewendet, mit dem Begehren. 
man solle mich verhören wegen Personen, die zu mir gekommen seien, 
und was sie mit mir geredet haben usw., gegen welche unerhörte 
Zumutung ich aber die h. Regierung von Solothum um ihren Schutz 
ansprach.» ... In einer Nachschrift fügte Salzmann bei: «Nur fünf 
Mitgliedern des Kapitels Regensberg bei Baden, welche nicht verlasen 
und hernach, um den nächsten Sonntag verlesen zu können, schriftlich 
an mich gelangten, gab ich einen schriftlichen Erlaubnisakt zum 
Verlesen, welchen Akt ich aber, um meine Person in bezug auf Rom 
sicherzustellen, also stilisierte : Unter Vorbehalt, daß aus gegenwärtige! 
Erlaubnis nichts gegen die Kirche und die kirchliche Hierarchie 
gefolgert werden solle, im Drange der Umstände, zur Abwendung 
unglücklicher Folgen für Pfarrer, Pfarrangehörige, Kirche und Staat 
— um des allgemeinen Friedens willen — erlaube ich, nachzugeb& 


— 231 — 


der höhern Macht und die Proklamation zu verlesen. Worauf die 
wörtliche Verlesung der Proklamation durch alle fünf Mitglieder erfolgte. 
— Diesen Augenblick lese ich im «Schweizerboten », die Geistlichen, 
deren ich oben in meinem Briefe als im Arreste befindlicher erwähnte, 
seien die Herren Dekan Groth, Pfarrer Beutler in Auw und Kaplan 
Wey in Mühlau. In der Pfarrkirche des Hrn. Groth war doch die Ver- 
lesung der Proklamation sogleich erfolgt ; von den zwei andern Herren 
aber, von denen einer ein Konventual von Engelberg ist, habe ich keine 


Nachricht erhalten. — O, wie gut wäre es, wenn die h. Regierung 
Milde eintreten ließe! Ich leide sehr und seufze nach Erlösung. »! 
Amrhyn antwortete dem Bischof: «... Es mußte dahin kommen, 


nachdem die einen sich die Freiheit [der Kirche ?], die andern die 
Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz zum trugvollen Schild 
ihrer bloß persönlichen Bestrebungen gewählt haben. ... Der Kampf 
jener beiden Extreme ist nun einmal in die vollen Schranken getreten 
und wird ... auf Leben und Tod geführt. Nicht in der Schweiz allein 
waltet diese sinnlose Narrheit. ... Unter solchen Umständen ... muß 
es noch als ein Glück betrachtet werden, wenn durch Untersuch die 
Möglichkeit angewandt werden kann, Licht ins wüste Dunkel zu 
bringen, wenn schon auf schmerzlichem Wege. Dahin werden die ... 
Verhaftungen im Kanton Aargau führen. ... »? 

Kurz bevor die Regierung vom Bischof verlangte, daß er für die 
in ihren Amtsverrichtungen eingestellten Pfarrer Verweser bestelle und 
neue Dekane wählen lasse, schrieb dieser in solcher Voraussicht : «... 
Offenbar suchen einige den ganzen Diözesanverband aufzulösen. Was 
bleibt unter diesen Umständen dem Bischof zu tun ? Entweder muß er 
diese Depositionen abweisen, zu keiner Pfarrer- und Dekanatswahl 
mithelfen und nicht einmal einen provisorischen Verweser gedulden, weil 
der rechtmäßige Pfarrer (wiewohl unter polizeiliche Aufsicht gestellt) 
dennoch in seiner Pfarrei wohnt ; oder, wenn er solche Depositionen 
dulden und einen neuerwählten Pfarrer instituieren wollte, muß er 
gewärtigen, daß ihm selbst als einem pflichtvergessenen Bischof der 
geistliche Prozeß gemacht und er kirchlich deponiert wird ; wenigstens 
würde er die Verachtung des ganzen katholischen Volkes auf sich laden ; 


oder er muß jetzt, da er noch mit Ehren abtreten kann, freiwillig 
resignieren. ... » 3 


1 St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 
2 31. Mai 1835. — St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 
®? An Amrhyn, 9. Juli 1835 ; St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. 


— 282 — 


Die Vermittlungsvorschläge des Bischofs und der Ausgleichsversuch 
des katholischen Vorortes waren erfolglos, da führende Radikale wie 
Augustin Keller, Bruggisser und Dr. Wieland, unerfüllbare Bedingungen 
stellten. So blieb dem Bischof pflichtgemäß nichts anderes übng, 
als in aller Form gegen die Absetzung und Suspension der Pfarrer und 
Dekane Dosenbach und Rohner und anderer zu protestieren und zu 
erklären, daB er keine Neuwahlen oder Stellvertretungen gestatter. 
könne (14. Juli). « Allerdings », schrieb er Amrhyn, « haben die erwähnten 
zwei Herren, besonders ersterer, es um mich nicht verdient, daß ich 
mich für sie aufopfere ; allein Recht und Pflicht gehen all’ anderm 
vor, und Amtespflicht gebot mir, also zu schreiben. Übrigens ist mein 
Entschluß gefaßt. Wenn der h. Stand Aargau auf seinen Beschlüssen 
zu verharren für gut findet (obschon der h. Große Rat einen Akt der 
Großmut tun könnte), wird er es auch nicht verüblen können, wenn 
der Bischof dasjenige tut, was das allgemeine Kirchenrecht ihm zu 
tun auferlegt. Bei den andern h. Diözesanständen kann Aargau dann 
unmöglich Anklang finden. Sollte aber das Unmögliche dennoch 
geschehen, in solchem Falle glaube ich, nicht gegen das Gewissen zu 
handeln, wenn ich dann meine Demission augenblicklich in Rom ein- 
gebe. Rom, dessen Gesinnungen hinsichtlich meiner Person Ihnen 
bekannt sind, wird gewiß keine Einwendungen dagegen machen. Die 
allfälligen Folgen werde ich hoffentlich umsoweniger zu verantworten 
haben, je länger ich nur um des Vaterlandes willen zwischen den 
Schlägen zweier Extreme aushielt und erst alsdann abtrat, da ich nichts 
Gutes ferner in dieser Stellung hätte wirken können. In den Privat- 
stand zurückgetreten, werde ich mit Gottes Gnade allezeit ein guter 
Bürger und Priester zu bleiben mir angelegen sein lassen. » ? 

Während die Aargauer Regierung in scharfem Tone antwortete und 


I Prot. des Staatsrats von Luzern, 25. Juni 1835: «Hr. Statthalter 
F. L. Schnyder berichtet, er habe im Aargau mit einigen der einflußreichsten 
Mitglieder der Regierung und des Großen Rates über das vom Bischof von Basel 
angebotene Vergleichsmittel gesprochen und sie geneigt gefunden, auf dasselbe 
einzugehen. Jedoch verlangen namentlich die Herren Dr. Wieland, Seminardırektor 
A. Keller und Gerichtsschreiber Bruggisser in Bremgarten von dem Bischof eine 
unumwundene Erklärung, daß er auf die Immunität verzichte und das Recht des 
Staates in den obwaltenden Zerwürfnissen anerkenne. Vermittelst einer solchen 
Erklärung werde der Zwist beseitigt, und die betreffenden Geistlichen werden vom 
Großen Rate des Kantons Aargau Begnadigung erhalten.» — Der Staatsrat 
beauftragte Schnyder und Amrhyn, mit dem Bischof und der Aargauer Gesandt- 
schaft an der Tagsatzung Rücksprache zu nehmen. 

% 21. Juli 1835. 


— 283 — 


mit Maßnahmen gegen « vermessene Zumutungen und feindliche Ein- 
mischungen » drohte, schrieb Amrhyn dem Bischof, er werde auf eine 
. «beruhigende » Versammlung der Badener Konferenzstände hinarbeiten. 
‘  aVorderhand verzeihen mir E. H. u. Gn. diese Offenheit, daß der Staat 
‘ die verweigerte Verlesung der Regierungspublikation als Gehorsams- 
aufkündigung nicht nur ansehen, sondern als solche ahnden muß, damit 
nicht allgemein Ungehorsam und der alle Schranken überschreitende 
Empörungsgeist einreiße. Allein die Art und das edlere Maß, nach 
welchem dieses Platz finden sollte, bleibt der ruhigen Besonnenheit vor- 
behalten, die leider ! unter aufgährenden Leidenschaften nur zu bald 
verloren geht. Alles dessen, was in unserm Vaterlande unter feind- 
seligem fremdem Einflusse geschehen, ungeachtet, bleibt doch mein 
Glaube an den billigen bessern Sinn unseres Volkes, an eine hierdurch 
hervorgerufene Großmut bei den Regierungen fest. Dazu bedarf es aber 
der edlen Selbstverleugnung, des ermunternden Vorbildes von Seite[n] 
des Bischofs. Ich bitte, ich beschwöre E. Gn. aufs neue: stehen Sie 
von Ihrem Entschlusse der Entlassungseinreichung als Bischof ab. Sie 
dürfen einen solchen Schritt nach den bestimmten Beschlüssen der im 
Jahre 1830 in Solothurn abgehaltenen Konferenz ohne Vorwissen der 
Diözesanstände nicht tun, und diese werden und müssen gegen ein 
solches Vorhaben protestierend einschreiten. Auch werden E. b. Gn. 
durch einen solchen Schritt nichts Förderliches weder für Kirche noch 
Staat bewirken, sondern beider Starrsinn nur noch mehr hervorrufen 
und den Feinden des billig freien Vaterlandes nur noch mehr Vorschub 
leisten, als Ihr vaterländisches, wenn schon tief religiöses Herz 
wünschen kann. ... »! 


(Fortsetzung folgt.) 


U 24. Juli 1835. — St.-A. L. Fach 9, Fasz. ı2. — Schweiz. Kirchenzeitung, 
Nr. 31, 32, 36 ; Eidgenosse, Nr. 81 ff. 


Die Quellen 
zur Biographie der seligen Rachild. 


Von E. SCHLUMPF, St. Gallen. 


Leider hat die geistige Tochter der hl. Wiborada, die sel. Rachild, 
keinen eigentlichen Biographen gefunden. Was wir über sie wissen, 
sind mehr oder weniger zufällige Angaben, die sich zerstreut in den 
beiden Werken der Wiboradabiographen, in der St. Galler Kloster- 
chronik und in der Annalistik finden. 


I. 
Annalistische Aufzeichnungen. 


I. Die Annales Sangallenses majores. ! 
920. Rachilt in nativitate sanctae Mariae inclusa est. 
946. Rachilt reclusa defuncta est. 


2. Das Chronicon Herimanni. ? 

920. Apud Sanctum Gallum Rachildis virgo inclusa est. 

925. Ungariis item Alamanniam vastando pervagantibus ei ad 
coenobium quoque Sancli Galli pervenientibus, Wiborada virgo inclusa, 
fracta cella, a guodam ex eis perempla et martyrio coronala, Rachildisque, 
conteclalis erus, inlaesa divinilus conservata est. 

946. Apud Sanctum Gallum Rachildis virgo inclusa migravit ad 
Dominum. 


3. Das St. Galler Totenbuch. ? 


November 23 VIIII Kal. Dec. Beata Rachilda piae memorae 
veclusa saeculum mulando vicit. 


t St. Galler Mitteilungen XIX, p. 282 u. 285. 
2 M. G. Script. V, p. 112, 113 u. 114. 
® St. Galler Mitteilungen XI, p. 59. 


—_— 285 — 


Unter diesen Angaben fällt in erster Linie jene der St. Galler 
Totenbücher auf, die Rachild mit besonderer Auszeichnung erwähnen ; 
ferner jene des Chronisten von Reichenau, der zum Jahre 946 den 
Tod der sel. Rachild in St. Gallen als die einzige Meldung verzeichnet. 
Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß die Tote bei ihrer Nachwelt 
eine außerordentliche Ehrenstellung einnahm, was hinwieder auf ein 
ebenso hohes Ansehen Rachilds bei ihrer Mitwelt zurückzuführen ist. 
Dieser Auffassung ist auch die spätere st. gallische Geschichtsschreibung. 
So sagt Jod. Metzler in seinem Werke: De viris illustribus Monasterii 
S. Galli 1606 : De B. Rachilde virgine. Inter beatas Wiboradae martyris 
Alumnas omnium illustrissima bealta Rachildis, cuius virtutem uno ore 
Patres omnes commendavere. Pez, Thes., An. Nov. 1721. Cap. ult. — 
Im übrigen bilden diese annalistischen Angaben die einzigen chrono- 
logischen Nachrichten für das Leben der sel. Rachild. Sie sind daher 
wertvoll, zumal sie aus durchaus zuverlässigen Quellen stammen, 
obwohl es sich, wie die Quellenkritik überzeugend nachgewiesen hat, 
gerade hier um einen Verschrieb handelt. Die Angaben unter den 
Jahren 920 bis 925 müssen zu den Jahren 921 bis 926 gereiht werden. 
Vergl. Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, 21. J. 2. H. 
1927, S. 230 ff. Darnach fällt die hier in Frage kommende Ein- 
schließung der Rachild in das Jahr 921 und der Überfall von St. Gallen 
durch die Ungarn in das Jahr 926. 


II. 
Biographische Angaben. 
1. Hartmannus, mon. Sangall. in Vita s. Wiboradae. ' 
a) Cap. III. 22. 


Non post multum autem comperto ad monasterium eiusdem ducis 
(sc. Burkhardi) adventu, .... ilico ut advenit, ad se accersiri Precepit. 
Quem advenientem dure suscipiens, asperis verbis .... valde increpavit 
(sc. Wiborada) ..... At ille promissis promissa adjiciens, benedictione 
dercepla, ad domicilium sanctae Rachildae processit. Quae a spirituali 
malre praemonita, illis verbis similia promittentem humiliter suscepit ac 
dimisil. 

Die Erzählung von dem Besuche Herzog Burkhards in St. Gallen, 
die Hartmann sehr ausführlich bringt, hat Hepidan, der spätere 


IA. SS. 2. Maji, I, p. 284 ss. 


— 286 — 


Biograph Wiboradas, stark gekürzt. Die obige Bemerkung Hartmann 
über den Besuch des Herzogs bei Rachild hat er sogar gänzlich unter- 
drückt. Dagegen bemerkt auch er mit Hartmann, daß der Herzog 
bald nach dem Besuche in St. Gallen einen Kriegszug nach Italien 
unternommen, in dem er den Tod gefunden habe. Da nun der Tod 
‘des Herzogs nach vielfach verbürgten Quellen in das Frühjahr 9% 
fällt, so darf dessen Besuch in St. Gallen mit höchster Wahrscheinlich- 
keit in den Sommer 925 verlegt werden. Damals nun lebte Rachild 
bereits schon 4 Jahre als Inklusin in St. Gallen. Aus den ganzen 
Lebensabschnitte also, der diesem Zusammentreffen Rachilds mit 
Herzog Burkhard in St. Gallen vorausgeht, erfahren wir aus Hartmann, 
dem ursprünglichen und zuverlässigeren Biograpben Wiboradas nichts. 
Aus der obigen kurzen Bemerkung aber ersehen wir, daß Rachild zu 
Wiborada im Verhältnis einer geistigen Tochter zur geistigen Mutter 
stund, die den Anordnungen ihrer Vorgesetzten bis ins Kleinste 
hinein nachkam. Der Umstand ferner, daß der Herzog nicht bloß 
Wiborada, sondern auch Rachild mit seinem Besuche beehrte, 
sagt deutlicher als Worte es können, daß auch Rachild aus hohem 
Stande und von großem Ansehen gewesen. 


b) Cap. III. 27. 


Venerunt etiam parentes dominae Rachildae, tractantes cum B. Wı- 
borada, quatenus filiam suam de clausula sumptam ad tutiora loca secum 
servandam deducerent. Qwibus ipsa ait, nolite solliciti esse de filia mea. 
Omnipotentis enim Dei et Sanclorum eius munimine, vobis ad con- 
solationem multisque aliis, per multa tempora salvabitur. Ite ad hos- 
pPitium vestrum, et malurius surgenles, venite ad nos, ul 
benedictione Dei Sanctigue Magnidemanibusnostrispercepta, 
gaudentes redeatis ad propria. Illucescente itaque altera die 
proßınqui B. Rachildae, sicut erani religiosi, verbis & 
consolationibus sanclae virginis fidem adhibentes, omni solli- 
citudine postposita pro filia swa, venerunt et gratias 
reddentes pro omnibus bonis semper sibimet tanta benign! 
tate ostensis, licentiam abeundi postulaverunt. Quibus illa, 
accipite, ait, benedictionem Domini de manibus meis 
paululum gustantes ite cum Pace. Cumgque hoc jactum fwissd, 
illius sanctis orationibus muniti et Dei gratiae Sanctorumgque orationsbus 
commendali, salutata filia swa, redierunt ad propria. 


— 297 — 


Hepidan gibt auch dieses Kapitel wieder, aber wiederum in 
gekürzter Form. Den von uns sperrgedruckten Teil hat er sogar völlig 
weggelassen, aber offenbar nur deshalb, weil er denselben schon für 
einen analogen Vorfall, den er in einem früheren Kapitel erzählte, 
entlehnt hatte. 

(Vergleiche unten, Hep. b. Cap. V. p. 19, den sperrgedruckten 
Teil.) Das Verhältnis Rachilds zu Wiborada erhält in diesem Kapitel 
eine neue Betonung, indem sie von Wiborada «filla mea» genannt 
wird. Mehr aber erfahren wir über die Beziehungen dieser beiden 
heiligen Jungfrauen zu Lebzeiten Wiboradas durch Hartmann nicht ; 
er verrät uns nichts von ihrer Herkunft und nichts von ihrer Ein- 
schließung und ihrem Schicksale zur Zeit des Ungarneinfalles. Aus 
dem Umstande aber, daß die Eltern die Nacht nach ihrer Ankunft 
ın St. Gallen in der Herberge verbrachten, um erst andern Tages 
wieder nach Hause zu gehen, dürfen wir schließen, daß ihre Heimat 
nicht in der Nähe von St. Gallen, sondern in weiter Ferne gelegen war. 


c) Cap. IV. 33. 

Aestate vero sui transitus finiente, et autumnali tempore inslante, 
venerabilis Presbyter et monachus Hilto, viridis foeniculi germen circa 
lumulum eius fixit : quod dispensante gratia divina radicem figens terrae, 
der tolam hiemem floruit, et veluti in modum coronae se sibimelt intexens, 
totum sepulcrum hoc sepsit ornamiıne, et adeo crevit in altum, ut multi, 
gu advenerant, mirarentur, dicenles, se in hortis vernali tempore sub 
dio eiusmodi herbam nunguam tam nobilibus foliis infloruisse. De hoc 
eliam germine mullis postea infirmitate laborantibus subvenitur : sed et 
B. Rachildae jugiter aegrotanti exinde sorbitiuncula facta illico se medelam 
recedisse sensit in corbore. O flos virgineus, semper viridis et pulcher, 
quanta dignitatle splendebis coram Domino in perennilate, qui tanto 
honore in mundi peregrinatione ! 


Hepidan bringt auch dieses Kapitel, aber wiederum in gekürzter 
Form ; den Abschnitt über Rachild unterdrückt er vollständig. Diese 
Verkürzung kommt hier geradezu einer Verstümmelung gleich ; denn 
über der Erzählung vom Fenchelzweig, der auf dem Grabe Wiboradas 
Wurzeln schlug, Blüten trieb, zur Krone sich formte und der immer 
kränkelnden Rachild den Heiltrunk spendete, schwebt ein Hauch 
reiner Poesie, der auch denjenigen ergreift, der in der Erzählung nicht 
eine historische Tatsache, sondern eine Legende erblickt, die das zarte 
Verhältnis der geistigen Tochter zu ihrer geistigen Mutter wider- 


—_— 28 — 


spiegeln will. — Etwas Ähnliches muß auch vom folgenden Kapit«: 
gesagt werden. 


d) Cap. IV. 34. 

Eisdem diebus post passionem S. Wiboradae, sıcuti Ppanlo an: 
enarrivimus, B. Rachilda, magna corporis infirmitate detenta, ommium 
membrorum viribus destituta vacebat, nihil gustans, Praeter si sacre- 
sancti corporis el sanguinis Domini vivificamine sit recreata. Hacg:: 
infirmitate diu perdurante contigit, ut tribus continuis diebus ita immobtl's 
et desperata vaceret, ul hi, qui excubiis inlerfuerant, mortuwa esse ar 
viveret penitus nescirent : quibus etiam ante fenestram aediculae inter 
fwit venerabilis magister et monachus Notkerus Medicus.! Illa etiam 
fidelis ministra * ambarum quondam virginum, in angulo ipsius cellulac, 
barvo lectuli stramine, ob cautelam sanctae virginis quiescebat. Tanden 
sancta virgo, quae desperata iacebat, tertia nocie circa Pullorum cantum. 
baululum resumpto spiritu, aiebat : Ora mater, si voluntas Dei, alıque 
iuvamen magna infirmitate mihi laborantı praestare digneris. Nec mora. 
tllico divina affuit miseratio : ipsa namque custode vigilante et aspiciente, 
sancla ac beala et gloriosa Martyr, cum magna luminis clarılale & 
swavissimi odoris suwavilate, apparuit et capul suum capili infirmantıs 
reclinans, salubri etiam taclu manus, ut es visum est din inibi morala, 
substitit. 

At ministra fidelis tremefacta haec cermens, ait intra se: (uam 
dulchra et decora splendes, mea Domina ! Moxque cum ıpsa luminıs 
apparitione, visibus humanis sublata, martyr gloriosa recessit, suavissimi 


I Der hier erwähnte Mönch Notker ist ohne Zweifel jener Notker, dessen 

Tod die Annales St. Gall. maiores zum Jahre 975 melden mit den Worten: 

. secuta est mors .... Notkeri medici (St. Galler Mitt., Heft IX, p. 293). 
Auch das Totenbuch erwähnt ihn mit Auszeichnung : Obitus Notkeri benignis- 
simi doctoris et medici (Heft XT. p. 58), ebenso die Cont. cas. S. Galli, c. ı ; vor 
allem aber hat ihm Ekkehard IV. in den Casus ein Denkmal gesetzt. Er zählt 
ihn zu den Säulen des Klosters, die das Interesse desselben gegen äußere Feinde mit 
Erfolg zu wahren wußten. Er feiert ihn als Lehrer, der pro severitate disciplinanım 
Piperis-Granum genannt wird, was zwar zur oben genannten Auszeichnung im 
Totenbuch wenig stimmt. Er feiert ihn als Maler, dessen Gemälde Kirche und 
Bücher des hl. Gallus schmücken. Er nennt ihn den Dichter schöner Hymnen, 
Antiphonen und Empfangsgedichte. Vor allem aber rühmt er dessen unver- 
gleichliche Kunst als Arzt (vergl. a. a. O. p. 263, 337, 352, 368, 398-401, 400, 
417 und 450). 

2 Unter dieser « ministra » ist eine jener beiden Schwestern zu verstehe, 
die Wiborada schon im Elternhause dienten, die sie nach Konstanz, St. Georgen 
und St. Mangen begleiteten und die von Hartmann Kebeni und Pertherada 
genannt werden. Über Kebeni vergl. unten f. lib. II. 14 und ı5 und Anm. 1, p. 28. 


— 289 
odoris dulcedine ad lucem imibi usque berdurante : Sancla etiam virgo, 
post discessum piae malrıs infirmitate recedente, resumpblis viribus 
convaluit.! 


e) Cap. IV. 35. 


Quidam iuvenis monachus in venerandi patris nostri S. Galli con- 
gregatione, Oudalricus nomine, .... longum tempus graviter laboravil. .... 
Hic cum morti proximus esse cerneretur, condiscipulorum sublevamıne 
ductus, ante sepulcrum beatae Martyrıs (sc. Wiboradae) provolvitur. Cum- 
que .... se meritis illius aliguod medicamentum percipere deplorasset, ob- 
dormivit. Moxque .... evigilans rogat sıbr aliquid ad manducandum 
donari. Hocque cum B. Rachildae nuntiatum fuisset, misit ei panem 
et Piscem..... 


Nach Hep. lib. II. 14. wurde Wiborada ursprünglich in ihrer 
eigenen Zelle begraben. Der Umstand, daß es nun Rachild ist, die 
dem Kranken, der am Grabe der hl. Wiborada zu essen verlangt, das 
Verlangte überbringen läßt, führt zum Schlusse, daß die Zelle der 
sel. Rachild in unmittelbarer Nähe jener Wiboradas gestanden. 
Hepidan hat auch diese Erzählung gebracht, ohne den Namen 
Rachilds dabei zu erwähnen. 


f) Cap. IV. 37. 


In pago Frichgowe (Hepidan hat Erigowe) nuncupalo, quem Araris 
fuvius uno latere praeterfluit, et ex altera parte nobilissimus fluviorum, 
Alemanniam penelrans Rhenus inundat, fuit quaedam mater jamilias, 
laudabilem vitam seculariter ducens, nomine Hiltruda (Hepidan hat 
Pliddruda), B. Rachildae Reclusae germana. .... 


Auf diesen Passus, den wir auch bei Hepidan finden, stützt 
Meyer v. Knonau die Behauptung, Hartmann sage, Rachild stamme 
aus dem Frickgau. (Ekk. cas. cap. 79. n. 940, p. 278.) Dem gegen- 
über darf hier darauf hingewiesen werden, daß Hartmann dort nur 
sagt, im Frickgau sei eine Familienmutter namens Hiltruda, der seligen 
Rachild leibliche Schwester gewesen. Daraus folgt aber noch nicht, 
daß sie aus dem Frickgau stammte. Wir können hier Meyer v. Knonau 


! Das ganze Kapitel wird von Hepidan stark gekürzt und zwar so, daß 
dabei die charakteristischen Einzelheiten, die den Zeitgenossen verraten, wie 
die Erwähnung von Notker und der Dienerin Kebeni, ausfallen. Dadurch verliert 
die Wiedergabe den Reiz des Ursprünglichen und den Hauch der Poesie, der die 
Erzählung Hartmanns durchweht. 


REVUE D HISTOIRE ECCLESIASTIQUF 19 


— 290 — 
nicht folgen, nehmen vielmehr an, Rachilds Heimat sei jene Wiboradis 
gewesen. Diese aber stammte aus Klingen im Thurgau (vergl. Zeitschrift 
für Schweiz. Kirchengeschichte, ı. H. 1927, S. 72). Für unsere 
Annahme haben wir allerdings auch keine Beweise, wohl aber Wahr- 
scheinlichkeitsgründe. (Vergl. unten Hep. c. V.n. 3. p. 18.) 

Ergebnis : Aus der älteren Vita der hl. \Wiborada, geschrieben von 
Ekkehart I. und vollendet von Hartmann, einem jüngeren Mitbruder, 
nach 973, ergibt sich für das Leben der sel. Rachild folgendes: Sie 
bewohnte eine Zelle neben der Klause der hl. Wiborada und wurd: 
dort einst, wie Wiborada, von Herzog Burkhart mit einem Besuche 
geehrt. Zur Zeit des Ungarneinfalles wurde sie von ihren Eltern, die 
weit weg wohnten, aufgesucht ; denn diese bangten für ihr Leben 
und wollten sie in eine sichere Zufluchtsstätte verbringen. Auf die 
Zusicherungen Wiboradas hin, daß ihrer Tochter kein Leid geschehe, 
daß sie vielmehr noch lange am Leben bleiben werde, ließen die Eltem 
Rachild in St. Mangen und gingen getröstet wieder nach Hau«. 
Rachild aber wurde oft von einer langwierigen Krankheit geplagt. 
Oft aber fand sie auch Erleichterung in ihrer Beschwerde durch den 
Heiltrank, welcher ihr aus den Blättern eines Fenchelzweiges gebraut 
wurde, der das Grab der hl. Wiborada schmückte. Einmal aber, da 
die Krankheit ihren Höhepunkt erreichte, wurde sie durch Wiborada 
auf wunderbare Weise geheilt. Sie sah die heilige Mutter (im Gesichte), 
wie sie auf ihr Krankenlager herniederschwebte, ihr Haupt gegn 
sie neigte, mit der Hand sie berührte und so lange bei ihr verweeilte. 
dann wieder verschwand, um sie, die eben noch mit dem Tode ranf, 
im Zustande der Besserung zurückzulassen. Der Arzt aber, der zur 
Zeit dieser Erkrankung Rachild zur Seite stund, war der von 
Ekkehard IV. viel besungene Notker, das Pfefferkorn. Das Verhältnis, 
in welchem diese beiden heiligen Jungfrauen zueinander stunden, war 
dasjenige einer geistigen Mutter zu ihrer geistigen Tochter, welche 
letztere die Anordnungen und Ratschläge der ersteren aufs peinlichste 
befolgte. Im übrigen aber hat der Biograph für Rachild die gleichen 
Attribute, wie für Wiborada ; er nennt sie bald «sancta » und bald 
«beata». Schließlich erfahren wir noch, daß Rachild eine Schwester, 
namens Hiltrude besaß, die als fromme Familienmutter im Frickgau 
drunten lebte und im Falle einer schweren Erkrankung durch die 


! Vergl., Die Biographen der hl. Wiborada in Zeitschrift für Schweiz. Kirchen- 
geschichte III. H. 1926. 


Fürbitte der Märtyrin Wiborada auf ähnliche Weise geheilt wurde, 
wie einstens sie selber in der Zelle bei St. Mangen. 

Mehr aber verrät uns Hartmann über das Leben Rachilds nicht. 
Und auch das, was er über sie berichtet, ist nur gelegentlich und 
zufällig in die Wiborada-Biographie hineingestreut. Er will von 
Rachild überhaupt nicht reden, es sei denn, daß es seine Aufgabe, 
d. h. die Verherrlichung der hl. Wiborada verlangt. Der Umstand, 
daß Hepidan, der spätere Biograph der hl. Wiborada, aus dem Leben 
der sel. Rachild Episoden erzählt, die wir bei Hartmann nicht finden, 
darf daher kein Grund sein, in die Glaubwürdigkeit Hepidans Zweifel 
zu setzen. Zu diesem Schlusse führt auch ein Vergleich Hepidans mit 
Hartmann. Von den sechs Episoden, die Hartmann aus dem Leben 
Rachilds erzählt, gibt Hepidan deren drei, und auch diese nur in 
gekürzter Form wieder. Aber die Wiedergabe Hepidans stimmt gleich- 
wohl inhaltlich mit jener Hartmanns voll und ganz überein. Aber 
Hepidan schöpfte nicht bloß aus Hartmann, ihm stunden noch andere 
Quellen zur Verfügung. Daß er auch diese durchaus getreu verwertete, 
dürfen wir mit Zuversicht glauben. Im folgenden führen wir daher 
jene Züge aus dem Leben Rachilds an, die sich nur bei Hepidan finden, 
nicht aber bei Hartmann. | 


2. Hepidannus, mon. Sangall. in Vita s. Wiboradae. '! 
a) Cap. V. 27. p. 302. 

Quaedam igitur pracnobilis puella, nomine Rachilda, quae etiam 
virgimilale sua Deo dicala in eius obsequio jugitur Derdurabat, [rigoretico 
morbo ? non modice vexabatur. Quam cum parentes eius Romam deferre 
vellent spe recipiendae sospilatis, demandavit ei B. Wiborada, ut si vellet 
sanılalem recuperare, quantocius ad eam venirel. .... 

At illa hac legatione gavisa implevit sibi demandata. Postquam 
autem ventum est ad oscula, S. Wiborada inquit : Benedictus Dominus, 
qui te diu desideratam huc transmisit sibi ad servitium et nobis ad solatium. 
Postea inibi morata infra paucos dies non ex parte sanitatem recepit, 
alque cuncta, quae spiritualis mater eam docuit, non solum in tabulıs 
cordis notavit, sed etiam, ut ita dicam, supra suum posse omnia perfecit. 


ı A. SS. 2. Maji, I, p. 302. — Über Hepidan vergl. Zeitschrift für Schweiz. 
Kirchengeschichte, Heft 3, 1926, Die Biographen der hl. Wiborada. 

2 frigores-febres, quae faciunt homines frigere. Du Cange, Glossar. p. 609 IV. 
Hepidan nennt die Krankheit in seinem Kommentar zur Vita s. Wib. Kaltwee, 
Al. Rer. Script. T. I, 256. 


Wenn dieses Kapitel, dem wir allein einigen Aufschluß über 
Rachilds Vorleben entnehmen, überhaupt einen historischen Wert 
haben soll, so kann der Inhalt desselben, nämlich der heiße Wunsch 
Wiboradas, Rachild um des gegenseitigen Trostes willen in ihrer Nähe 
zu haben, ferner das Aufgeben der geplanten Romreise von Seiten 
Rachilds um ihrer Wiborada willen und schließlich die herzlichste 
Freudenbezeugung der beiden anläßlich ihres Wiedersehens in St. Gallen, 
nichts anderes bedeuten, als den Ausdruck einer schon längst bestehen- 
den und innigen Freundschaft unter den beiden Jungfrauen. Sie müssen 
Jugendfreundinnen gewesen sein, was uns hinwieder Grund gibt, zu 
vermuten, daß die Heimat Rachilds jene Wiboradas, d. h. der 
Thurgau gewesen. | 


b) Cap. V. 28. p. 302. 


Iisdem diebus Burkhardo Duce Alamannorum bella gerenie, populs 
etiam inter se dissidentibus propter Saxonicum Heinricum Regem factum. 
cum militaris populatio gravem Penuriam terris inferrei, parenles 
B. Rachildae meluentes cam ıbi jame cruciari volueruni eam repalratt. 
Cumque se presentarent B. Wiboradae causa petendae licentiae dixit es. 
suder hac re non tum sibi esse respondendum, sed irent ad hospitia 
et in crastinum convenirent eam. Fecerant ergo iuxta verbum 
eius et dictum est illis, ut cum gaudio ad suwa remearent, Dei 
praedestinationem esse filliam eorum inibi subsistere — 
Monstrabatur illis etiam locus, qui ei a Domino ad clausulam deputatus 
esse dicebatur. Igitur illius praesagio non discredentes ser arrıpium. 
Nec longum tempus evolutum est inter parentum abscessionem et filsa: 
inclusionem in eodem locello, quo sancta virgo praemonstraverat. 


Der oben geschilderte Versuch der Eltern Rachilds, diese der 
schlimmen Zeitläufe wegen nach Hause zu nehmen, was am Widerstande 
Wiboradas scheiterte, fällt in das Jahr 919, denn Hepidan sagt, 
zwischen dem Abschiede der Eltern und der Einschließung ihrer 
Tochter sei nicht lange Zeit verstrichen. Rachild aber wurde nach 
den Annalen im Frühjahr 920 eingeschlossen. Also fällt der Besuch 
der Eltern Rachilds in St. Gallen in das Jahr 919, in welches Jahr 
Hepidan auch kriegerische Unternehmungen des Herzogs Burkhart von 
Alemannien, die Entzweiung der Völkerstämme wegen der Wahl 
Heinrichs I., die « militaris populatio » und « gravem penuriam » versetzt. 
Diese Darstellung aber stimmt sowohl inhaltlich als der Zeit nach 
durchaus mit den andern uns überlieferten Quellen überein (vergleiche 


Waitz, Jahrbuch des Deutschen Reiches unter König Heinrich I. 
45 und fl.). | 

Auffallend ist an dem Berichte Hepidans gleichwohl, daß ein 
Teil desselben, und zwar der von uns gesperrt gedruckte, eine Ent- 
lehnung aus einem Kapitel Hartmanns ist, das einen analogen Fall 
aus dem Jahre 926 wiedergibt (vergl. oben Hartmann, cap. III, p. 6). 
Hepidan bringt zwar jenen zweiten Vorfall aus dem Jahre 926 auch, 
aber mit dem Unterschiede, daß er eben jenen bereits entlehnten Teil 
darin unterdrückt (vergl. unten Hepidan, d. cap. V, p. 24). Das führte 
Meyer von Knonau zur Auffassung, Hepidan habe hier aus einem 
Faktum zwei gemacht, und da das zweite durch das erste, d. h. das 
Faktum Hartmanns durch jenes Hepidans verständlich und glaub- 
würdig gemacht werden soll, so kommt Hepidan in den Verdacht, 
zum Verständnisse eines sonst schwer zu verstehenden Faktums ein 
anderes gemacht, respektiv erfunden zu haben. Wir können hier 
Meyer von Knonau nicht folgen. Das Kapitel Hepidans, welches das 
fragliche Faktum enthält, ist, wie wir oben darlegten, durchaus zu- 
verlässig und steht in Übereinstimmung mit andern Quellen. Die darin 
vorkommende Entlehnung aber, die ein Faktum in Frage zieht, läßt 
sich ohne Schwierigkeit erklären. Hepidan hat zwei analoge Vorfälle 
zu berichten, den einen zum Jahre 921, den andern zum Jahre 926. — 
Hartmann, seine Hauptquelle aber, berichtet nur den zweiten Fall 
aus dem Jahre 926. Den Wortlaut desselben hatte FHepidan vor Augen, 
da er den analogen ersten Fall zum Jahre 921 niederschrieb. Diesen 
Wortlaut hat Hepidan entlehnt, soweit er ihn verwenden konnte. Als 
er aber daran ging, den zweiten analogen Fall niederzuschreiben, dem 
er die Entlehnung bereits entnommen hatte, wiederholte er das Entlehnte 
nicht mehr, kürzte vielmehr die Erzählung nach seiner Gewohnheit 
ab, zumal er das konnte, ohne den Inhalt derselben wesentlich zu 
tangieren. Hepidan hat also nicht aus einem Faktum zwei gemacht, 
sondern für ein Faktum den Wortlaut eines andern benutzt, soweit 
es zulässig war. Eine solche Arbeitsweise ist in jenen Zeiten primitiver 
Geschichtsschreibung nichts Besonderes gewesen. — Meyer von Knonau 
bemerkt zwar, um seine Auffassung glaubwürdiger zu gestalten, Hepidan 
liebe es, aus einem Faktum zwei zeitlich getrennte zu machen (n. 995, 
P. 300). Zum Beweise dafür weist er auf Hepidans Bericht über die 
Krankheitsfälle Rachilds hin. Hartmann, sagt er, setzt dieses Siechtum 
erst nach Wiboradas Tod. Hepidan aber läßt es vor wie nach 926 
eintreten. Das letztere ist richtig, ersteres dagegen muß berichtigt 


werden. Hartmann setzt nicht das Siechtum Rachilds nach 926, wohl 
aber redet er erst in dieser Zeit von ihm, und zwar sagt er dort aus- 
drücklich, Rachild sei jugiter, d. h. beständig krank gewesen (Hartmann, 
cap. IV, 33, oben p. 6). Das deutet doch wohl deutlich genug darauf 
hin, daß Rachild schon früher, d. h. vor dem Tode Wiboradas krank 
war. 

c) Cab. V. 29. 

Saede memorata Virgo Rachilda quodam tempore acgrotabat, et ex 
nimia infirmilalte in desperatione vilae praesentis iacuit. S. vero Wiborada, 
corrogata una ex domesticis, tradidit ei baculum suum, et huwiuscemodi 
mandala : Defer illum spirituali filiae meae et dic ei, ut Iripedem imilans 
senectutem venialt ad me. Cumgque ministra exequeretur praecepta Dominaz, 
B. Rachilda exiensa manu suscepit baculum atque in ipsa swsceplione 
convaluıt, confestimque surgens Beat. Wiboradae se praesentavit .... 

.... Wiborada autem benedictione praemissa salutavit amice venten- 
tem Rachildam, edocens illam, quod fides eins et oboedientia eam all- 
varent. Postquam vero multa spiritualia locutae sunt, coepit B. Rachtilda 
flagitare eundem baculum sibi condonnari a matre, qualinus pro eis 
amore eum servarel quoad usque viverct. Quo impelrato, nec non usgit 
ad finem vilae conservalo post obitum suum sepulcro piae matris eum 
restitur disposuil. 


Hepidan reißt diese Erzählung durch Einschaltung einer Ab- 
handlung über das gewirkte Wunder, die dreimal so viel Raum 
beansprucht, als die Erzählung selber, auseinander. Unschwer läßt 
sich die eigene Arbeit des Autors von derjenigen seines Gewährsmannes 
trennen. 

d) Cap. V. 32. 


Supervenerunt etiam parentes B. Rachildae, volentes eam ad tuliora 
deducere loca. Ouos B. Wiborada sic allocuta est: Nolite sollicıtı esse 
de filia mea, giiia tempus eius nondum advcnit, sed adhuc per mulla 
tempora vobis alüsque multis ad solatium reservabitur. Qui nihil 
haesitantes in eius promissionibus (nempe illos creduliores redaidil, 
quod viderunt priorem propheliam in filia eorum impletam : qua Se 
gquentium rerum certitudo est praeterilarum exhibitio) ad sua cum gandıo 
reversi sunt, non parum admirantes de nobili consiantia virginis. 

Ouomodo ista retentio beatae Rachildae placuisset, haeremus : guia 
fertur postea extimuisse martyrium, alque spiritwalis matris ne patereiw 
implorasse auxilium, illamque quoddam membranum, Dominica sw 


— 2095 — 

bensione depictum, ei dedisse, ut illud ibi exdanderet, ubi infirmanti 
addiıtus fuerat introeunti ad illam ancıllae; atque hoc munimine ab 
hostibus esse protecta. 


Dieser Abschnitt ist zum Teil die wörtliche, zum Teil die inhalt- 
liche Wiedergabe des Kapitels III. 33 bei Hartmann (siehe oben, p. 6 
und 7). Was aber Hepidan hier unterdrückt, hat er für ein analoges 
Faktum in Kapitel V. 28 verwendet (siehe oben, p. 19-22) ; auch leitet 
hier Hepidan ausnahmsweise einmal einen Bericht mit «fertur » ein. 
Daraus schließen wir, daß er im übrigen auch jene Berichte, die er 
nicht Hartmann entnahm, aus schriftlichen Quellen schöpfte. Aller- 
dings muß angenommen werden, daß eine starke mündliche Tradition 
vorhanden war. Aber auch im Vergleich Hepidans mit Hartmann, 
soweit der erstere letzteren ausschrieb, führt zum nämlichen Schlusse. 
Denn statt die Erzählung Hartmanns durch überlieferte Berichte 
zu ändern oder zu erweitern, wie man es erwarten würde, kürzt Hepidan 
diese regelmäßig. Wo aber eine Weiterung erfolgt, ist es nur eine 
Betrachtung des Theologen oder Moralisten Hepidan über das Erzählte, 
nach Art des im Kapitel V. 29, p. 23 und 24 Erwähnten. 


e) Cap. VI. 36. 

Beata igitur Wiborada .... non eadem hora emisit spiritum, sed 
VIvens usque in sequens mane, in sinum Abrahae expdiravit. Venit itaque 
bonae memoriae frater eius, qui nescio ubi inter frutecila latens totum 
consbdexerat, volens pretiosum Ihesaurum terrae commendare; .... Sed 
huius re voluntate a B. Rachilda spoliatus, donec Abbate cum omni clero 
adveniente honorifice sepulturae daretur involutum sacro velamine, ad 
castellum Pproficiscitur. .... 

Wiborada erlitt ihre tötliche Verwundung durch die Ungarn, am 
I. Mai 926 (vergl. Zeitschrift für Schweiz. Kirchengesch. XIX. Jahrg., 
3. Heft, p. 230 und ff.). Nach dem obigen Berichte ist sie erst am 
folgenden Morgen, also am 2. Mai, den Wunden erlegen. Am Abende 
jenes Tages sind die Ungarn von St. Gallen abgezogen (Ekk. cas. 
c. 56). Am Morgen des folgenden Tages, also am 3. Mai, wird es 
gewesen sein, daß Hitto als erster das Häuschen seiner Schwester 
betrat, um den Leidenstod derselben festzustellen. 


f) Lib. II. 14. 


Nec hoc silentio praetereundum pielatem virtus divina ostendere 
dignatus est ob merita virginis atque Martyris suae planius declaranda 


— 206 ge 


super fidelem servam eius Kebininam.! Post transitum igitur B. Wibo- 
radae, commissione et praecepto illius B. Rachildae fideliter serviendo 
adhaerebat. Ipsa vero Rachilda crebra infirmitate fere per omme tempus 
vitae suae cruciabalur. Haec aulem quam Praedixi serva quoddam 
botirium miscere edocta a Wiborada .... quod cum quadam die ın 
testula igni apponere voluisset, ul se inchnavit Diabolus .... quadam 
invisibili impulsione trusit eam in ignem, in quo cum diu huc illucgue 
volutata miserabiliter cremaretur. 

Igitur dolore huius ustionis in lectum decidens .... accidil, u 
quadam vespera resolutis membris frigido corpore ıta omnium oficiorum 
jaceret effoeta, ut a cunclis circumstantibus morlua nunliaretur .... 
At virgo Rachilda .... vocans ad se praediclam servam dedit ei cilıcıum 
B. Wiboradae, eamque super defletae corpus expandere jussit, sed & 
baculum eius addens supponi praecepil, quod cum factum fuisset, exemplo 
recalefacto convaluit, resedit, visum apperuit, omnibusquwe quinque per- 
tentis oficiis ad plenum rvecuperata est. 


g) Lib. II. 15. 


Operae pretium esse diximus et hoc baginae commendare, qualıter 
omnipolens Deus has sanctas Virgines prius in ergastulis, in quibus se 
dro eins amore incluserant, tumulatas basilicae S. Magni_ intromill 
revelare dignatus est. .... 


Unter den beiden heiligen Jungfrauen, von denen hier die Rede 
ist, sind unzweifelhaft Wiborada und Rachild zu verstehen. Letzterer 
wurde also die gleiche Ehre zuteil wie ersterer, indem auch ihre 
Überreste nach dem Zeugnisse Hepidans aus dem ursprünglichen 
Grabe in der Klause in die Kirche des hl. Magnus übertragen wurden. 
Das geschah, wie der Biograph im nämlichen Kapitel und in legend- 
hafter Ausschmückung betont, unter Abt Cralo, qui id temporis 
coenobio Sanct. Galli praeerat. 

Ergebnis : Nach dem bisher Gesagten bestehen die Erweiterungen 
Hartmanns durch Hepidan, den zweiten Biographen, der zirka 
Ioo Jahre später schrieb, im folgenden : Rachild stammt von vor- 


! Convenit (sc. Ekkehardus) Kebeni, quae B. Virgini ab ipsis cunabulis usqu® 
ad mortis articulum obsecundavit. Vgl. Hep. Prolog., p. 294. — Comitantibus 
duabus ancillis pedes Constantiam pervenit. — Vgl. Hepidan, c. II, 13, p- 298. 
At illa statim ingenti perfusa gaudio cum duabus ancillis ad navim propera!, 
Hepidan, c. III, 16, p. 299. 


nehmen Eltern ab. Sie ist von sehr frommer Gesinnungsart und hat 
ihre Jungfräulichkeit schon in zarter Jugend dem Herrn geweiht. 
Ihr Vorbild ist Wiborada, der sie allen Ernstes nacheifert. Aber 
Rachild ist einer Fieberkrankheit unterworfen. Ihre Eltern beschließen 
deshalb eine Pilgerfahrt nach Rom, wo sie für die vielfach heim- 
gesuchte Tochter an den Gräbern der Martyrer die Genesung zu 
erflehen hoffen. Wiborada hört davon und äußert den Wunsch, ihre 
Freundin vor der Ausführung des Planes in St. Gallen noch einmal 
zu sehen. Rachild erscheint, bleibt einige Tage bei Wiborada, in 
St. Mangen, erhält dort ihre Gesundheit wieder und entschließt sich, 
in St. Gallen zu bleiben, um nach der Anleitung ihres verehrten 
Vorbildes Klausnerin zu werden. 

Da kommt der Krieg, entfacht durch Burkhard, den Herzog von 
Alamannien, und in St. Gallen entsteht Teuerung und Hungersnot. 
Die Eltern der Rachild fürchten für das Wohlbefinden ihrer Tochter. 
Sie kommen nach St. Mangen, um diese nach Hause zu nehmen. Aber 
Wiborada ist nicht einverstanden damit, und so bleibt Rachild in 
St. Gallen und erhält bald nachher die abgeschlossene Klause. 

In der Folgezeit aber wird Rachild von ihrer Krankheit wieder 
befallen. Da schickt ihr Wiborada ihren Wanderstab ans Kranken- 
lager mit der Aufforderung, mittelst desselben zu ihr zu kommen. 
Rachild erhebt sich, greift nach dem Stabe und wird im Augenblicke, 
da sie ihn erfaßt, gesund. — Vor den Ungarn flieht auch Rachild nicht. 
Im Vertrauen auf die Zusage Wiboradas, es werde ihr kein Leid 
geschehen, bleibt sie in der Zelle, wird aber beim Herannahen der 
Gefahr mit solcher Angst erfüllt, daß sie Wiborada darüber klagt. 
Diese übergibt ihr ein Bild vom Gekreuzigten, das Rachild über dem 
Eingange ihrer Zelle befestigt. Die Ungarn kommen und entdecken 
sie nicht. — Den heiligen Leichnam aber läßt Rachild nicht durch 
Hitto allein bestatten. Auf ihr Verlangen wird die tote Mutter erst 
im Beisein des Abtes und des gesamten Konventes in feierlicher Weise 
der geweihten Erde übergeben. Den Pilgerstab und das Bußkleid 
der Heiligen hütet Rachild bis zu ihrem Tode. Kebenina, die treueste 
Dienerin Wiboradas, darf nach der ausdrücklichen Anordnung Wibora- 
das, nach dem Tode ihrer Herrin bei Rachild in den Dienst treten. 
Der mit dem Tode ringenden Dienerin aber läßt Rachild Bußkleid 
und ‘Wanderstab der Märtyrin auflegen, und sie wird gesund. — 
Schließlich wird, nach Hepidan, der sterblichen Hülle Rachilds 
die nämliche Ehre zuteil wie jener Wiboradas. Auch sie wird 


= 208 Be 
aus dem ursprünglichen Grabe in der Zelle in die Kirche des 
hl. Magnus gebracht. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das Bild der sel. Rachild durch 
Hepidan bedeutend vervollständigt wird, ja daß Hepidan der eigent- 
liche Biograph Rachilds genannt werden darf. Allerdings muß auch 
bemerkt werden, daß seinen Ausführungen nicht der gleiche Glauben 
geschenkt werden kann, wie jenen Hartmanns, nicht bloß deshalb, 
weil Hepidan bedeutend später schrieb als Hartmann, sondern auch 
vor allem deshalb, weil sozusagen alle seine Erzählungen einen legenden- 
haften Charakter tragen. 


3. Ekkehartus IV. in casibus s. Galli. ' 
Cap. 83. 


Laicali in tantum exuta est animo (sc. Wendilgarth) ut virlutibus 
cum inclusis assuefacta post Rachildam, quae Passım in corpore d 
maxime mamillis ulcerosa cottidie emori visa est, includi optaverit.’ 
Et quia vere et ibsam quidem martyrem incidimus, levius ei erat, cum 
magistra semel cerebrum dispergendum oplulisse quam XXÄI® post 
illam annis testa saniem cum sancto Job * inclusam rasisse, cum lamen 
interea jejunare ei orare — vigtlias enim dolores dabant — et elemosinas 
dare non tederet, ut de illa Ekkeharth, qui supra, consobrinus® es 
cecinit : 

Hanc Satan, hanc lesıt; cum Job saniem sibi rasıt; 

jejunans flevit; tormenta dolens vigilavit. 

Neque enim vilam vel passionem votivas martyris lucidius succingere 
potuit; ad cuius sedulerum in repentinis angustiarum motibus — experio 
credite — multum valet orasse. 


I St. Galler Mitteilungen XV/XVI, p. 300 und 301. 

2 Über Wendelgard und ihren Aufenthalt in St. Gallen, vergl. Zeitschnit 
für Schweiz. Kirchengeschichte. XXII. J. I. H. 

8 Da das Todesdatum Rachilds der 23. November 946, jenes Wiboradas 
der 2. Mai 926 ist und somit Rachild im 21. Jahre nach Wiboradas Tod gestorben 
ist, stimmt Ekkeharts Angabe hier wirklich mit den Quellen überein. 

4 Die Verse, aus denen Ekkehart hier schöpfte, lauten : Egressus igitur Satal 
a facie Domini, percussit Job ulcere pessimo, a planta pedis usque ad verticem 
eius, qui testa saniem radebat, sedens in sterquilinio. (Vergl. Job II, v. 7 und 8.) 

5 Darnach darf angenommen werden, Ekkeharts erste Mutter sei die 
Schwester der Mutter Rachilds gewesen. (Vergl. die von J. v. Arz gegebene 
Stammtafel, M.G. SS. II, p. 118, n. 95, und Ekkehart, cas. c. 79, p. 278, n. 940 a. E.) 
In diesem Umstande liegt auch eine Erklärung für das außerordentlich warm® 
Interesse, das Ekkehart IV. für die Lebensschicksale Rachilds zeigt. 


4. Ekkehartus IV. in Libro Benedictionum. ! 


a) ÄXLIV. Item de aliis sincellitis amborum (sc. S. Galli et Otmari) 
v. 12.-I4. 
12. Efert virgo duas martyr Wiborada coronas. 


13. Subpeditante (Gl. adjuvante) sua cum virginitate (Gl. secum inclusa) 
Rachilda. 


14. Carcere (Gl. sibi) coniuncta varia cruce (Gl. ut Job annis plus XXX.) ? 
corpore functa (Gl. afflicta).? 


b) Epitaphium sanciae Rachildae virginis reclusae. * 


In cruce confregit dosiquam victorque subegit 
Leviathan hamo ° virgine natus homo, 

Annis nongentis denis seplemque volutis ® 
Orbe peragrato astat item domino :? 

Job sibi femineum viuvenili floreque mactum 
Expetit, ut temptet virgineum cruciet. 

Nec mora concessam premit ille dolore Rachildam 
Vel sexu suberei Job sibi suficeret. 

Vertice cum planta vacet ulcere virgo cruenta ®, 
Voce minus poterat, corde deum memorat. 


I St. Galler Mitteilungen XXXI, p. 224. 

? Da Rachild am 8. September 921 eingeschlossen wurde und am 23. November 
946 in der Klause starb, stimmt die obige Glosse mit den Angaben der Quellen 
nicht überein, es sei denn, daß Rachild vor ihrer Einschließung noch einige Jahre 
der Probezeit als Klausnerin in St. Gallen verbrachte, und daß diese Zeit hier 
vom Schreiber miteinbezogen wurde. 

? Ekkehart hat in c. 43 Gallus und Othmar besungen ; in c. 44 nun nennt 
er andere hervorragende Persönlichkeiten St. Gallens. Es sind Ulrich, Magnus, 
Theodor, Marcus, Marzellus, Clemens und Eusebius. Diesen reiht er Wiborada 
und Rachild an. Wie Ulrich und die nach ihm genannten würdige Söhne von 
Gallus und Othmar gewesen, so glänzt Rachild als würdige Tochter an der Seite 
ihrer Mutter Wiborada. die eine Doppelkrone schmückt, die der Jungfräulichkeit 
und jene des Martyriums. 

@ St. Galler Mitteilungen XXXTI, p. 399 und 400. — Vgl. auch E. Dümmler, 
Ekkehart IV. von St. Gallen (Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. 2, p. 47); 
ferner das Buch Job (c. 1-3 und c. 40 bis Schluß), welches der Dichter bei 
Abfassung seiner Grabschrift vor Augen hatte. Daß diese aber je einmal ihre 
Bestimmung erfüllt habe, ist kaum annehmbar. 

$ vergl. Job, c. 40, 20: an extrahere poteris Leviathan hamo ? 

_ _* Der Dichter denkt hier wohl an den Beginn von Rachilds Klausnerleben 
An St. Gallen, das diese ohne Zweifel einige Jahre vor ihrer Einschließung (921) 
in St. Mangen begann. 

’ vergl. Job, ı, 6 und 7. 

® vergl. die zu c. 83, n. 4, p. 34 zitierten Verse aus Job, 2, 7 und 8. 


— 30 — 


Talıs at ingreditur tamen hoc specus, hic sepelitur 
Viva, vigil sponso, sufficiens oleo.! 

Nulla ut lucivomum valet arte restinguere Iyknum 
Liquit item nostram Job Satan emerilam. ? 

Martyris imperio Wiboradae docta propinguo 
His crucibus Palmam emeruit sociam. ® 

Quae datur in nonis decimi sibi darta Kalendıs', 
His anımam coelo, ossa dat hic tumulo, finitur. 


Ergebnis : Rachild ist nach Ekkehart IV. eine Verwandte Ekke 
hards I., des Dekans. Sie ist neben Wendelgard, der Gemahlin ds 


Grafen Ulrich von Buchhorn, Klausnerin in St. Mangen. Sie wird 


von langwieriger Krankheit gequält, und zwar leidet sie darunte 
dermaßen, daß ihr 21 Jahre dauerndes Leben in der Klause einen 
größeren Martyrium gleichkommt als jener plötzliche Tod durch 
Feindeshand, den sie einst geflohen. Auch sie schmückt ein doppelter 
Kranz, der der Jungfräulichkeit und der des Martyriums. Auch se 
ist eine Heilige. Ihre Macht am Throne Gottes hat Eckkehart selber 
schon an ihrem Grabe erfahren. Auch sie darf daher mit Wiborada 
unter die Namen derjenigen Persönlichkeiten gezählt werden, die 
Gallus und Othmar in besonders hervorragender Weise nachgeeifert 
haben. — So weit Ekkehart. 

Allerdings muß gesagt werden, daß Ekkeharts Berichte noch 
größere Vorsicht verlangen als jene seiner Vorgänger. Er schreibt 
zwar etwa 30 Jahre früher als Hepidan ; aber im Gegensatze zu seinen 
beiden Vorgängern, Hartmann und Hepidan, will er nicht schriftlich 


fixierte Quellen übermitteln, sondern nur das, was er aus dem Mun& 


der Väter, aus der mündlichen Tradition erfahren hat. Deshalb dad 


auch hier nur der Kern des Ekkehartschen Berichtes als historisch 
gelten, da letzterer eben nicht anderweitig bezeugt wird. 


ı Eine Anspielung auf die Parabel von den klugen und törichten Jungfraue?. 
Matth. 1-13. 

2 Der Satan vermag das Licht ihrer Tugend nicht auszulöschen und stellt 
daher seine Verfolgungen ein. J. Egli, a. a. O. p. 400, Anmerkungen. 

® palma socia ist der Lohn für ihr jungfräuliches Leben und das dauernde 
Martyrium in der Zelle. Vergl. XLIV. v. 12-14, p. 35. 

* vergl. das oben p. ı zitierte St. Galler Totenbuch. 


as” 


Etudiants du Pays de Vaud 
a l’Universite de Montpellier en 1378 


Par P. AEBISCHER. 


Il est inutile m&äme de noter l’importance qu’eut, au moyen äge, 
!’Universite de Montpellier : c’est un fait trop connu. L’etude du droit 
y avait fleuri des le XIIme siecle, et, des le XIIme siecle aussi, l’Ecole 
de medecine Etait fameuse !, de sorte que la bulle du pape Nicolas IV, 
du 26 octobre 1289, qui Erigeait en Universite les Ecoles de Montpellier, 
n’etait que la consecration d’un &tat de fait, qu’une regularisation, 
en les plagant toutes sous la main de l’autorit& ecclesiastique, d’insti- 
tutions qui existaient deja et qui deja etaient celebres. L’Universite, 
d’apres la bulle de 1289, comprenait trois Facultes : la plus importante, 
celle de droit, qui se subdivisait en deux branches, droit canon et droit 
civil ; puis la Faculte de medecine et celle des arts : on sait que la 
theologie, & la fin du XIIIme siöcle encore, n’etait enseignee, a Mont- 
pellier, que dans les cloitres ?. 

Au moment ou les Etudiants originaires de ce qui fera plus tard 
la Suisse romande, dont je donnerai les nums plus bas, s’instruisaient 
a Montpellier, les etudes y &taient poussees avec une vigueur extr&me, 
et les examens etaient d’une severite a laquelle nous ne sommes peut- 
etre plus habitues. D’apres les statuts de 1339, A la Faculte de droit, 
quatre heures &taient affectees A l’enseignement ?, et il n’y avait guere 
qu’un mois et demi de vacances, du 8 septembre au Id octobre, avec, 
en plus — il est vrai que ce n’etait pas peu — toutes les f&tes chömees 
par l’Eglise au cours de l’annee. Quant aux examens et & la duree 
des &tudes, le savant historien de l’Universite de Montpellier, M. A. Ger- 
main, dit que, pour la Faculte de droit, « tout aspirant au baccalaureat 
en droit civil... doit avoir etudie six ans, avant de commencer & lıre. 
De m&me le bachelier qui se presente au doctorat doit avoir lu cinq 


ı A. German, Histoire de l’UniversitE de Montpellier, in Cartulaire de !Uni- 
versilE de Montpellier, t. 1, Montpellier 1890, pp. get ıı. 

ı A. GERMAIN, 0p. cit., P. >. 

A. GERMAIN, Op. cit., P. 41. 


ans, hormis le cas ol l’ev&que jugerait convenable, avec le con«ü 
des docteurs, d’abreger la durde de ses Epreuves ; encore ne peut-i 
l’abreger que de deux ans. Il faut donc, de plus, trois ans au bachelır 
en droit civil pour se faire recevoir bachelier en droit canonique, et 
douze ans pour arriver au double doctorat, pour obtenir le titre d: 
Doctor ın utroque Jure, — douze ans avec dispense !. » 

Pour la medecine, la longueur des &tudes et la difficulte des exa- 
mens n’etaient pas moins grandes. Suivant M. A. Germain toujours, s on 
n’avait pas moins de seize €preuves & subir avant d’ötre proclamt 
docteur en medecine, independamment de celle de maitre &s arts, 
garantie obligatoire d’etudes litteraires et scientifiques prealable:. 
L’epreuve du baccalaureat, A laquelle on ne pouvait aspirer qu’apre 
trois ans d’immatriculation, durait quatre heures, & elle seule. 
candidat qui s’en acquittait d’une maniere satisfaisante recevait & 
ses juges une des baies du laurier doctoral. Quand, ensuite, amve 
au terme du delai prescrit pour l’obtention de la licence, le bachelier 
voulait, apres les trois cours publics qui lui etaient imposes & titr 
de stage, prendre ce second grade, on l’admettait A se presenter aux 
quatre examens per intentionem, — ainsi qualifies parce qu'on ks 
subissait avec l’intention de parvenir & la licence, der intentioncm 
consequendi hicentiam. 

« Il lui fallait soutenir quatre the&ses successivement, de deux 
jours en deux jours, sur un sujet assigne la veille, en parlant, a prop® 
de chacune d’elles, au moins une heure ; et, outre cela, deux these 
sur une maladie quelconque et sur un aphorisme d’Hippocrate, tires 
au sort vingt-quatre heures avant la soutenance. Ces deux thess, 
separees des quatre premieres par un intervalle de huit jours, &taient 
dites Points rigoureux. On les discutait ordinairement de midi a quaffe 
heures, dans la chapelle de Saint-Michel de l’eglise Notre-Dame-des 
Tables. Le candidat avait a repondre, pendant ces quatre heures, 
& toutes les questions qui s’y rattachaient. Une fois admis, il allait, 
dans la huitaine, recevoir la licence de la main de l’ev&que, ou de san 
vicaire general, en presence de deux professeurs delegues par la Faculte. 

« Puis venaient les iriduanes, nouveaux examens qui avaient lieu. 
comme le mot l’indique, durant trois jours, matin et soir, une heuf 
au moins chaque fois. Le doctorat n’etait possible qu’apres cette longue 


1 A. GERMAIN, Op. cit., Pp. 41-42. Sur les ceremonies et les diverses &preu\e 
qui prec&daient et accompagnaient le doctorat en droit, cf. pp. 42-43. 


serie d’eEpreuves. On le nommait « l’Acte de triomphe » ( Actus trium- 
phalis), et son ceremonial avait pour theätre l’Eglise paroissiale Saint- 
Firmin, ol on l’annongait, des la veille, au son de la cloche. L’Ecole 
y conduisait le recipiendaire, musique en tete, et la, aA la suite de 
harangues en latin plus ou moins Elegant, on lui delivrait les insignes 
du grade supr&me, devant une assemblee ordinairement nombreuse 
et choisie. Ces insignes consistaient en un bonnet de drap noir, sur- 
monte d’une houppe de soie cramoisie, avec une bague d’or et une 
ceinture doree ; a quoi s’ajoutait la remise symbolique du livre d’Hip- 
pocrate. Le president, apres la delivrance de ces insignes, faisait asseoir 
a son cöte le nouveau docteur, qui lui donnait l’accolade et la bene- 
dietion !. » 

Longueur des e&tudes et difficulte des examens n’empächaient 
du reste pas les etudiants de venir a Montpellier de fort loin : et il est 
particulierement interessant de voir combien 1’Universite de Mont- 
pellier etait internationale, quant au public d’etudiants qui la fre- 
quentait. L’Universite etait compos£e de trois nations : les Provengaux, 
les Bourguignons et les Catalans ? — notons que sous cette derniere 
rubrique on rangeait « non seulement les &etudiants de la Catalogne 
proprement dite, mais encore ceux du Roussillon et du royaume de 
Majorque ? ». — Mais cette division ne rend de loin pas la physionomie 
internationale, le coup d’cil bariole de la gent estudiantine de Mont- 
pellier, dans le quatrieme quart du XIVme siecle tout au moins : dans 
les mömes röles qui nous ont laisse les noms des &tudiants du Pays 
de Vaud qui nous interessent, nous trouvons, & la Faculte de droit, 
des etudiants originaires de divers dioceses de France (plutöt de la 
moitie meridionale, d’ailleurs), soit de Langres, Besangon, Lyon, Mäcon, 
Grenoble, Angoul&me, Clermont, Vienne, St-Flour, Frejus, Avignon, 
Rodez, Viviers, Beziers, Arles, Nimes, Agde, Mende;; les Catalans, 
des dioceses de Vich, Urgel, Tortosa, Valence, Majorque, Girone et 
Barcelone, &taient nombreux. On trouve le nom d’un certain Gingonetus 
Broherii, bachelier en droit, et celui de Johannes Broherii, originaires 
du diocese de Geneve. Mais il convient de noter specialement la pre- 
sence & Montpellier de nombreux e&tudiants allemands, des dioceses 
de Strasbourg — c’etaient, en 1378, Martinus de Lampertheim, Gosso 


"A. German, op. cit., pp. 65-66. 
"A. GERMAIn, op. cit., P. 33. 
"A. German, Op. cit., p. 33, note 3. 


de Rosheim, Radolphus Mathei, Johannes dictus de Hacgenowe, 
Guillelmus de Kolbeczhenet [?], Johannes Elembach, Henricus dictus 
Heller de Lierheim — et de Mayence : soit Hartimanus et Bertoldus 
Pirgwi de Francfort ; et aussi de nombreux Flamands et Wallons : 
un certain Johannes de Yghen, bachelier en decrets et maitre &s arts 
de l’Universite de Paris, ainsi qu’un Henricus de Beesde, &taient res 
sortissants du diocese d’Utrecht. Et les etudiants venus du dioces 
de Liege etaient une dizaine : Johannes Guillon, Guillelmus Reguli. 
maitre &s arts, Vincentius Gileti, Johannes Reguli, Walterius Tylle. 
Jacobus de Sijes, Leonius de Behe, Arnaldus dictus Boeris, Johannes 
Vingon, Geraldus Michaelis de Saint-Hubert. Il y en avait m&me l’un 
ou l’autre qui venaient de plus loin encore : tels Alvarus Egidii, clerc 
de Coimbre, et Johannes Alfonsi, clerc de Lisbonne. 

La Facult€ de medecine qui, bien que reputee, n’avait peut-etre 
pas, malgr& tout, l’&Eclatante renommee de la Faculte de droit, avait, 
elle aussi, des etudiants venus de pays divers : en 1378, nous y trouvons 
entre autres un Petrus Chartresii, maitre &s arts et licencie en mede- 
cine, chanoine de Geneve ; Arnaldus dicetus Beys et Mauricius de 
Liefkemrode, tous deux maitres &s arts de l’Universite de Paris et 
tous deux originaires du diocese de Liege ; Johannes de Inghen, du 
diocese d’Utrecht ; Johannes Eckerberti, du dioc&se de Mayence; 
Johannes Frankenfurt, ‘du dioc&se de Strasbourg, ainsi que d’autres 
etudiants des dioceses de Worms, de Constance, de Spire. Il y avait 
aussi un Majorquin et trois Portugais : Egidius Dominici, bachelier 
en medccine et sous-diacre, Laurentius Gomecii, maitre es arts et 
bachelier en medecine, Gonsalvus Johannis enfin. 

C’est dans ce milieu studieux et international, dans lequel les 
etudiants des pays les plus divers apprenaient & se connaitre — €! 
il est presque impossible que, quelquefois au moins, ces relations ne 
sc soient point continuces bien apres le temps des Etudes — que nous 
trouvons, en 1378, une serie d’etudiants du Pays de Vaud. Un rouleau 
de suppliques adressees en Cour de Rome, par les membres de la Faculte 
de droit, fut signe, entre autres, par 

Cononi Pudralli de Paterniaco, Lausanensis diocesis, subdiacono, 
bacallario in Legibus !... 

Johanni Anglici de Viviaco ?, Lausanensis diocesis, clerico, qul 


ı Cartulaire de l’Universite de Montpellier, t. I, Montpellier 1890, p. 532- 
? L’editeur du Cartulaire a errondement lu et imprime Viniaco. 


Ei nn EEE EEE tun TE BE 


quatuor annis studuit in Jure canonico et nunc est in secundo anno 
in Jure civili !... 

Petro Pudralli de Paterniaco, Lausanensis diocesis, clerico, studenti 
in Legibus in tertio anno ?... 

Andree de Curtilia, diocesis Lausanensis, qui per III annos Jura 
civilia studuit ?... 

Guillelmo Macri de Rotondomontfe], * subdiacono, Lausanensis 
diocesis, studenti in Jure civili®... 

Petro Jenceraudi, clerico Lausanensis diocesis, studenti in Jure 
civili ®... 

Enfin, un röle analogue de suppliques emanant des membres 
de la Faculte de medecine fut sign&, entre autres, par Petro de Monte- 
molendini, clerico diocesis Lausanensis, scolari in Medicina ?. 


On pourrait penser que tous ces &tudiants du Pays de Vaud — 
seul, en effet, Petrus de Montemolendini &tait de Neuchätel — clercs 
pour la plupart, ont eu des situations importantes une fois rentres chez 
eux. Or, fait bizarre, il n’en est rien : seul, comme nous allons le voir, 
Johannes Anglici, qui, d’ailleurs, appartenait A une famille consi- 
deree, perga et devint official de Lausanne et juge dans le Chablais. 
Quant aux autres, ou ils n’eurent que des charges assez banales, ou 
meme l’on ne sait rien sur leur compte : ce qui laisserait supposer, 
etant donnes les renseignements relativement abondants que l’on 
possede pour la fin du XIVme siecle et le cımmencement du siecle 
suivant, qu’ils ne sortirent pas d’une mediocrite qui, sans doute, n’avait 
rien de dore. 

Sur Cono Pudralli et Petrus Pudralli, de Payerne, le premier 
bachelier &s lois et le second &tudiant en droit de troisitme annde, 
tout ce que l’on peut dire, c’est qu’ils appartenaient A une famille 
Payernoise, a une famille qui a donne, ä cette &poque precisement, 
un notaire en tout cas. M. Maxime Reymond a bien voulu me faire 
connaitre l’existence, a Payerne, en 137I, d’un Ulrich Pudraul. Par 


! Cartulaire, p. 591. » Cartulaire, p. 592. s Cartulaire, ibid. 
* L’editeur du Cartulaire a lu erron&ment Matri et Rocordemont. 
® Cartulaire, p. 508. ® Cartulaire, p. 599. ' Cartulaire, p. 605. 


REVUE D'HIISTOIRE ECCLESIASTIQUE 20 


ailleurs, deux actes, l’un du 9 mai 1404 ! et l’autre du Io avril de la 
m&me annee ?, ont et& dresses par Henricus Pudraul, clerc : et je trouve 
mentionne un Henricus Pudraul, qui est sans doute le m&me person- 
nage, dans un document de 1417 ?. Mais je ne sais quels sont les liens 
de parente qui l’unissaient a nos deux etudiants montpellierains, que 
je ne trouve mentionnes nulle part dans des documents payemois ou 
fribourgeois. 

Johannes Anglici, au contraire, est plus connu. Il &tait licencie 
en droit, et, selon M. Maxime Reymond *, est mentionne comme ofhcial 
de Lausanne de 1383 A 1392, parait en I395 et 1396 comme juge dans 
le Chablais, et vivait encore en I420. 

Andreas de Curtilia, qui, d’ailleurs, n’etait pas clerc, n’est pas un 
inconnu non plus : il appartenait & cette famille de Curtilles ou de 
Courtilles, nom latinise en de Curtillia, de Curtillis, dont on n’a la filiation 
suivie que depuis la seconde moitie du XIVme si&cle precisement. Il 
fut notaire et conseiller a Vevey, et est mentionne de 1365 & 1410°. 
Il &pousa Marguerite de Moudon ® et en eut deux fils, Jean et Piert, 
tous deux docteurs &s-lois. 

Guillelmus Macri de Rotondomonte — l’editeur du Cartulaır:, 
comme je l’ai note, a lu et imprime Matri et Rocordemont : il est inutile 
d’expliquer cette erreur de lecture, le c, a ce moment, ayant la meme 
forme que le £, le e se rapprochant fort du o, et l’abreviation pour le 
y pouvant aisement &tre prise pour l’abreviation du » — doit £tre 
certainement originaire de Romont : d’abord, parce qu’aucun autre 
nom de lieu du diocese de Lausanne ne ressemble plus & Rocordemon: 
que Rotondomont[e], soit Romont ; ensuite, parce qu’& Romont vivait 
precisement une famille dont le nom, Ecrit en general Maigro, Maygro, 
Meigroz, Meygrou, dans les documents, &tait rendu en latin par Mar. 
Un Johannodus Maygro apparait dans un acte de janvier 1339 deja ', 


1 Alrchives de I’) Eftat de] F[ribourg], Titre de Payerne, n* 19. 

’AEF, Titre de Payerne, n’ 20. 

sAEF, id., n’ 2ı. 

“M. Reymon, Les dignitaires de l’Eglise Notre-Dame de Lausanne jusquer 
1536, Me&moires et Documents de la Societe d’histoire de la Suisse romande, 
2” serie, t. VIIl, Lausanne ıgı2, p. 258. 

5 D. Marticnier, Vevey et ses environs dans le moyen-äge, Lausanne !$%. 
P- 77- 

8 Repertoire des familles vaudoises qualifiees de l’an 1000 A l’an 1800, Lau 
sanne 1883, p. 80. 

TJ. Gumy, Regeste de l’abbave de Hauterive, Fribourg 1923, n* 1237, p. 632. 


presque en m&me temps qu’un Aymo Maigro (avril 1338) !, sur lequel 
je n’ai aucun autre renseignement ; Johannodus mourut avant 1353 
et eut au moins un fils, Humbertus, mentionn en 1353 ?, et qui &tait 
deja mort en 1364, puisqu’a cette date sa veuve Johanneta fait une 
reconnaissance pour des terres qu’elle possede, en son nom et en celui 
de ses deux fils Johannes et Mermetus?. Johanneta vivait encore 
en 1404 *, ainsi que Mermetus?, qui possedait alors, entre autres, 
une maison dans la rue du Bourg. Il mourut avant 1433 : A cette date, 
c'est son fils Aymo qui est mentionne ®, et on le retrouve en 1446. 
A cöte de cette famille, dont on peut £tablir la filiation, il y a encore, 
ca et lä, trois ou quatre individus portant le m@me nom que !’on ne 
peut rattacher au tron- principal : un Perretus, cite en 1343® et 
en 1349 ®, albergataire du couvent d’Hauterive, un Perrodus — qu’il 
faut peut-&tre identifier avec Perretus — mentionne en 1335 !9, une 
Mermeta, fille de feu Jaquetus Meigroz en 1364 !!. Mais, parmi tous 
ces personnages portant le nom de Meigroz, on ne Tetrouve pas un 
ecclesiastique denomme& Guillelmus Macri. Impossible, en effet, bien 
quil ait eu m&me prenom et möme surnom, de l’identifier avec Mer- 
metus — on sait que Mermetus est un hypocoristique courant de 
Guillelmus au moyen äge chez nous — fils de Humbertus Maygro, puis- 
que ce Mermetus a &t& marie et qu’il a eu un fils. Je croirais plutöt 
— sans que je puisse preciser quelle etait la parente de Guillelmus 
Macri avec les differents membres de la famille Maygro, dont je viens 
de parler — que notre sous-diacre, etudiant A Montpellier en 1378, 
doit &tre le m&me qu’un chapelain de l’eglise de Romont mentionne 
dans un acte du ıı fevrier 1374, cite par le P. Dellion !?. Il est vrai que 
ce dernier l’appelle Guillaume Marc : mais c’est la, sans doute, une 
fausse lecture de l’erudit capucin, qui, alors que l’original doit avoir 


"J. Gumy, op. cit., n’ 1229, P. 449. 

’J. Gumv, op. cit., n’ 1412, p. 514. 

’AEF, Terrier de Romont, n’ 107, fe XIII”. 

"AEF, Terrier de Romont, n* 104, fe Il’, XXVI. 

®AEF, ibid., ff III", XV. 

*J. Gumy, op. cit.,n* ı905, p. 686. 

’J. Gum, op. cit., n’ 2172, P. 770. 

®J. Gumy, op. cit., n* 1295, P. 472. 

°J. Gumy, op. cit., n’ 1393, p. 508. 

“J. Gumv, op. cit., n’ 1191, p. 436. 

"AEF, Terrier de Romont, ne 107, f XIII“. 

"P. Ap. Deıuion, Dictionnaire historique et statistique des paroisses du 
canton de Fribourg, vol. X, Fribourg, 1899, P. 420. 


— 308 — 


Macri, aura lu Marci le nom qu’il aura ensuite francise en Marc. Guil- 
laume Maygro aura deja eu un benefice a Romont avant d’avoir acheve 
ses etudes : rien d’ailleurs n’etait plus courant. 

Quant a Petrus Yenceraudi, etudiant en droit civil, il est pour 
moi un inconnu. Je soupconne dans la mention du Cartulaire de !’Uni- 
versitö de Montpellier, une erreur de lecture pour Jauterandi : je crois 
bien qu’il y a eu une famille de ce nom & Rolle. 

Reste enfin Petrus de Montemolendini, clerc, etudiant en mede 
cine : il porte, a n’en pas douter, le mäme nom d’origine que la famille 
neuchäteloise de Montmollin, sans qu’on puisse l’attribuer de fagon 
süre a cette famille. Ce peut n’ätre, en effet, qu’un simple surnom 
indiquant l’origine. Quartier-la-Tente, en tout cas, ne connait pas notre 
personnage : il ne cite, pour les alentours de 1350, que Jean dit de 
Montmolens, qui possedait un terrain avec les donzels de Cormondreche, 
en 1347, un Henri de Montmollin, en 1359, et un Wuillermin de Mont- 
mollin, qui eut un fils appele Jean, et qui acheta une vigne & Cormon- 
dreche, en 1347. 

Voila les quelques renscignements que j ai pu reunir sur nos spt 
etudiants a Montpellier ou sur leurs familles. Il est etonnant, r&petons- 
le, que, sauf Johannes Anglici et Andreas de Curtilles — qui etait 
un laic — aucun autre n’ait fait parler de lui par la suite, et n’ait occupe 
de fonctions importantes. Est-ce un hasard ? Est-ce que, peut-£tre, 
bien que nos personnages aient fait des e&tudes de droit plus ou moins 
compl£tes, plus ou moins longues, ces etudes-lA ne constituaient pas 
des titres particulierement rares, et que les clercs qui avaient des titres 
d’etudes d’egale importance ou d’importance plus grande encore, 
conquis dans d’autres universites, etaient nombreux et auraient fait 
prime ? Cela ne serait pas impossible non plus. Il est plus sür, toutefois, 
etant donne le peu d’elements que nous avons pour tenter de resoudre 
ce probl&me, de nous contenter de dire que, selon toute vraisemblanct, 
nos sept etudiants, sauf Yun ou l’autre, n’ont gu£re laisse de trace, 
sans vouloir expliquer pourquoi ils sont restes si inconnus. 


ı Ed. QuUARTIER-LA-TENTE, Les familles bourgeoises de Neuchatel, Neuchätel, 
1903, p. 155. 


KLEINERE BEITRÄGE. — MELANGES. 


Gaben aus Uri an das Jesuitenkolleg in Schwyz. 


Der Bau eines Jesuitenkollegs in Schwyz wurde nicht bloß als eine 
örtliche oder kantonale Angelegenheit betrachtet, sondern schon von 
Anfang an als ein Unternehmen bezeichnet und angesehen, das die ganze 
katholische Schweiz lebhaft mitinteressieren müsse. Darum gelangte die 
Kollegiumsgesellschaft auch an die katholischen Nachbarkantone und Nach- 
bargemeinden und bat um Geldbeiträge oder Baumaterialien. Das kleine 
Bauen am Urnersee verkannte die Wichtigkeit und allgemeine Bedeutung 
der großen Idee nicht und beteiligte sich gemäß einem im dortigen 
Gemeindearchiv liegenden Dankesschreiben recht wacker. Der unter- 
zeichnete erste Rektor, P. Johann Baptist Drach, ist identisch mit jenem 
Jesuiten, dessen Leiche nach dem Fall des Sonderbundes von den eidge- 
nössischen Soldaten aus Haß gegen den damals vielgeschmähten Orden 
am 27. und 28. November 1847 noch im Grabe geschändet wurde. Alles 
übrige sagt der Brief selbst. 


Hochwürdiger Herr Pfarrer ! 
Hochzuverehrender Herr und Gönner ! 


Schon längst würde ich den Empfang der uns gütigst überschickten 
Bäume mit höflichstem Danke erwiedert haben, wenn ich davon Kenntnisse 
gehabt hätte; allein Herr Seckelmeister Fischlin empfing sie und vergaß 
es mir anzuzeigen ; doch da er wegen den bevorstehenden Landsgemeinden 
sehr beschäftigt war, ist es kein Wunder, daß er es vergessen hat. 

Nun bitte ich Euer Hochwürden, den Hochgeehrten H.H. Vorstehern 
der löblichen Gemeinde von Bauen meine herzliche Dankbarkeit für diese 
schöne Gabe auszudrücken ; ich habe dieselbe in das Verzeichnis unserer 
Wohltäter eingeschrieben. Es freut mich ungemein, daß darin auch eine 
Gemeinde vom Kanton Uri figuriert ; unsere Nachkommen werden es einstens 
mit Vergnügen sehen. 

Euer Hochwürden verlangten schon mehreremal die Ansicht des neuen 
Kollegiums ; allein ich wollte Ihnen selbe noch nicht zuschicken, weil 
die Zeichnung noch mehrere Änderungen erhielt und deswegen abwarten, 
bis das Ganze festgesetzt, und wie es vorgezeichnet ist, auch in der Sache 
vollführt werde. Dieses ist nun geschehen, und bald wird diese Ansicht 
lithographiert werden, wo Sie dann gewiß, was Sie wünschen, erhalten 
werden. ! 


1 Wir kennen ein lithographiertes Bild mit den beiden Mythen und dem 
Flecken Schwyz im Hintergrunde. Auf dem Bauplatz im Vordergrunde ist nur 
der flache Bauriß des geplanten Jesuitenkollegs mit den numerierten drei Gebäuden 


— 3I0 — 


Indem ich meinen Dank besonders Euer Hochwürden erneuere, durch 
deren Einfluß die Gabe erfolgt ist, geharre ich mit ehrfurchtsvoller 
Ergebenheit 


Euer Hochwürden verpflichteter Diener 
J. B. Drack 5. ]. 


Schwyeg, den 25. Mai 1842. 


Adresse: Seiner Hochwürden Hochgelehrten Herrn Herr Antor 
Amgewerd, Pfarrer zu Bauen, Kanton Uri. 


frei. 


Nebst der schönen Vergabung an Bauholz leistete Bauen auch noch 
einen Geldbeitrag, der ebenfalls ganz ansehnlich ausfiel. Es geschah dies 
einige Jahre früher bei Anlaß einer vom urnerischen Landrate mittelst 
Beschluß vom 20. September 1837 angeordneten Landeskollekte, wobei 
Bauen und Seelisberg, dank der Beredsamkeit und des Eifers ihrer Pfarr- 
herren Anton Gwerder und Alois Fuster aus dem Kanton Schwyz, manche 
viel größere und reichere Gemeinden überflügelten. Wir teilen hier geme 
neben dem Ergebnis von Bauen auch die Opfer der übrigen Gemeinden 
mit. Die ungeraden Schillinge und Angster lassen wir jedoch erst im 
Gesamtresultate zur Geltung kommen. Altdorf sammelte in der Pfarı- 
kirche 124 Gulden. Die Bruderschaften der Herren Amtsleute, der Pfister 
und Müller, der barmherzigen Brüder und des hl. Altarssakramentes stifteten 
je 13 Gl. oder einen Louisd’or. Die Jungfrauen-Kongregation schenkte 
6 Gl., 20 Sch. oder 2 Neutaler und die St. Jakobsbruderschaft dekretierte 
sogar 39 Gl. Bürglen brachte 22 Gl. zusammen, Silenen 54, seine Filiale 
Gurtnellen 21, Schattdorf 30, Spiringen 13, Erstfeld 40, Wassen ohne 
Göschenen und Göscheneralp 14 Gl., die Filiale Meien 3, Seelisberg 213, 
Seedorf 19, Sisikon 13, Isenthal 4, Flüelen 13, Unterschächen 56, Bauen 40, 
Andermalit mit Realp 38, die Filiale Hospental ıo, also total 832 Gulden. 
Am wenigsten Verständnis und freundnachbarliche Gesinnung offenbarte 
Attinghausen, das nur 26 Schillinge und zwei Angster aufbrachte, während 
die Anstrengung von Seelisberg geradezu Bewunderung einflößt. So konnte 
die Kollegiumsgesellschaft von Schwyz mit einer ofäziellen Quittung vom 
4. Mai 1838 dem Landammann und Rat von Uri den schönen Barbetrag 
von 1024 alten Schweizerfranken bescheinigen. Sie versprach dabei, die® 


zu sehen. In der Höhe schwebt das Gnadenbild Maria Hilf, von dem ein Segens- 
strahl auf den Bauplatz herniederfällt. Die Überschrift lautet : « Somvenir ei 
Reconnaissance aux Fondateurs et aux Bienfaiteurs du nouvel &tablissement & 
Schwyz.» Unter dem Bilde steht die Signierung : J. Tschümperlin fec. — Lithe 
graphie au Freyenhof & Lucerne. Am Fusse liest man in größern Lettern: A la 
plus grande gloire de Dicu, und in kleinern Buchstaben : ı. Eglise, 2. habitatio 
des RR. PP. 3. Gymnase et Pensionnat. Es scheint mir, daß Rektor Drach ein 
anderes und nicht das eben beschriebene Bild vor Augen hatte und zu liefern 
versprach. 


— 3II — 


Summe wiederum zurückzuerstatten, wenn der Bau nicht zustande kommen 
oder das Kollegium seinem ursprünglichen Zwecke jemals entfremdet 
werden sollte. Glücklicherweise lag für eine solche Rückforderung bis 
zum heutigen Tage kein Grund vor. 


BEILAGE 


Fronfasten-Landrat vom 20. Herbstmonat 1837. — Nach dem Antrage 
der w. w. Instruktionskommission soll zur nachgesuchten Unterstützung 
des in Schwyz zu errichtenden Kollegiums unter der Leitung der Väter 
der Gesellschaft Jesu in sämtlichen Pfarrkirchen und Filialen des Kantons 
eine Kollekte veranstaltet und die hochwürdige Geistlichkeit eingeladen 
werden, dieses wohltätige Unternehmen sowohl im allgemeinen als auch 
den vermöglicheren Korporationen und Bruderschaften zu empfehlen. 
Die Kollekte soll bis Ende Wintermonat geschlossen, der Ertrag der 
l. Kanzlei eingehändigt und dann durch die h. Regierung der zur 
Begründung dieses Kollegiums bestehenden Gesellschaft in Schwyz mit dem 
Vorbehalte übermacht werden, daß diese Gabe, die einzig zu besagtem 
Zwecke gegeben werde, wieder zurückgestellt werden müßte, wenn früher 
oder später diese wohltätige Stiftung aufgehoben werden sollte. 

Landrat vom 8. Hornung 1838. — Die für das in Schwyz zu stiftende 
Jesuiten-Kollegium eingegangene Kollekte, bestehend in Gl. 775, Sch. 4, 
ohne die noch von der Gemeinde Schattdorf einzufordernde Beisteuer, soll 
der Stiftungsgesellschaft zur Verfügung gestellt und ihr das Bedauern 
ausgedrückt werden, daß wir bei unsern beschränkten Verhältnissen nicht 
Größeres zu leisten im Falle sind. Was zur Ergänzung der Summe von 
Fr. 1000 noch fehlen sollte, soll von dem 1. Säckelamte beigelegt werden. 


Eduard Wymann. 


REZENSIONEN. — COMPTES RENDUS. 


Jeanne Anoelet-Hustache. La Vie mystique d’un monastere de Domi- 
nicaines au moyen äge, d’aprös la chronique de Töss. Un volume in-ı6°. 
Prix : ı2 fr. Perrin et Cle, Eediteurs, 35, Quai des Grands-Augustins, 
Paris VIme, 

Ferdinand Vetter a publie, en 1906, la chronique du monastere de 
Dominicaines de Töss, pres de Winterthur, redigee, au XIVme siecle, par 
une des religieuses de ce couvent, Elsbet Stagel. (Das Leben der Schwestern 
zu Töss beschrieben von Elsbet Stagel samt der Vorrede von Johannes Meier 
und das Leben der Prinzessin Elisabet von Ungarn, Berlin ; Deutsche Text 
des Mittelalters... VI.) C’est cette publication, soit les 37 petites biographies 
dont elle se compose, que Mme Ancelet-Hustache, auteur d’une these jus 
tement appreciee sur Melchtilde de Magdebourg, a prise comme base du 
volume qu’elle a consacre & decrire la vie mystique d’un monastere de 
Dominicaines au moyen äge. Elle a group les renseignements qu’elle en a 
extraits en chapitres qui nous entretiennent, tour & tour, de la vocation, 
de la priere, du travail, de la mortification, de la charite a l’&gard des pau- 
vres, de la vie mystique et, enfin, de la mort des moniales de Töss. Le cha- 
pitre sur la vie mystique — celui qui a fourni le titre de l’ouvrage — est, 
de tous, le plus developpe, ainsi qu’il fallait s’y attendre, Elsbet Stagel 
ayant &te l’une des disciples prefer&es de Henri Suso, et le monastere de 
Töss se ressentant vivement de la doctrine des grands mystiques domi- 
nicains et de ce maitre en particulier. Le livre se termine par la traduction 
d’un autre ouvrage d’Elsbet Stagel : la vie d’Elisabeth de Hongrie (1294 ’ 
— 1336), fille du roi Andre III, petite-niece de sainte Elisabeth de Thuringe 
et cousine de sainte Marguerite de Hongrie, princesse & l’äme extraordinal- 
rement sensible et qui supporta avec une resignation admirable non seu- 
lement les duretes dont fit preuve & son &gard sa marätre, Agnes, file 
d’Albert d’Autriche, mais surtout les &pouvantables douleurs physiques 
qu’elle eut & endurer. 

Le livre de Mme Ancelet se lit fort agreablement. Elle nous donn? 
un tableau tr&s vivant du monastere de Töss et des religieuses qui ont 
contribue le plus & &tablir sa celebrite. Tres au courant des sources et des 
travaux, presque tous en langue allemande, qu’elles ont provoques ou 
qui ont EtE consacres aux mystiques allemands du moyen äge, elle se montre, 
en outre, dans ses appreciations, d’unerigoureuse orthodoxie. Elle a, d’ailleurs, 
tenu & demander pour son livre l’imprimatur, qui lui a &t& accord&, sur le 
tcmoignage favorable des Peres No&l et Folghera. Ce volume, en meme 
temps qu’il fournira au lecteur un r&el aliment spirituel, lui donnera un 
tableau tres attachant de la vie interieure qui animait chez nous, AU 
XIVme siecle, une maison de religieuses aussi prospere que le monastefe 
des Dominicaines de Töss. L. Waeber. 


ng a 1 


Angelus M. Walz, O. P. De devotione oordi Jesu in ordine Praedicato- 


rum a saeculo XIII ad saeculum XVII exhibita notulae. Rome, A. Manu- 
tio, 1926; tirage & part des Analecta Ord. Praed. An. 34 (1926), fasc. III. 


Qu’il nous soit permis, & propos du livre de Mme Ancelet-Hustache, 
de signaler l’eEtude que le Pere Walz, dominicain, a consacree au deve- 
loppement du culte du Sacr&-Coeur dans l’Ordre des Pr&cheurs, du XIIIme au 
XVlIlIme siecle. Dans le chapitre de son travail reserve & la province de 
Germanie, sont enum£r&es les attestations que fournissent & ce sujet les 
couvents de Dominicaines d’Ottenbach, dans le canton de Zurich, de Sankt 
Katharinenthal, pres de Diessenhofen et de Töss. L’auteur cite, en outre, 
ce mot du Zuricois Jean Meyer (1422-85), historien des maisons domi- 
nicaines de l’observance en Suisse, en Älsace et dans le Brisgau, celui-lä 
meme qui a Ecrit la preface de la chronique d’Elsbet Stagel, dont il a ete 
question tout & l’heure et qui invite ses lecteurs A s’adresser, pour enflammer 
leur propre amour, « au doux caur de Notre bien-aim& Seigneur Je&sus- 
Christ ». La these du P. Walz vient confirmer, par des attestations de detail, 
ce que dit le P. Hamon, dans son Aube de la d£votion au Sacre-Caeur, sur 
la part qu’ont eue, dans la periode de formation de ce culte, les deux grands 
Ordres franciscain et dominicain. L. W. 


Denzinger, Henr., et Clem. Bannwart, S. J., Enchiridion Symbolorum, 
Definitionum et Declarationum de rebus fidei et morum. Editio decima 
sexta et septima quam paravit Joannes Bapt. Umberg, $.]J. 8° (XXX u. 612, 
28* u. [58] S.) Freiburg im Breisgau 1928, Herder. 6M. ; in Leinwand 7.50M, 

L’Enchiridion de Denzinger n’a, evidemment, que des attaches bien 
lointaines avec l’histoire ecclesiastique suisse, et le livre est trop connu 
pour qu’il soit n&ecessaire de le presenter ;, mais on nous saura gr& peut- 
etre de signaler cette nouvelle Edition et de dire en quoi elle differe des 
precedentes. On sait que, apres la mort du P. Bannwart, qui avait publie 
les editions Io et suivantes, ce fut le P.Umberg qui fit paraitre la ızme-ıs5me, 
C'est lui encore qui nous donne aujourd’hui la Iı6Me-17me. Comme prec6- 
demment, les anciens numeros sont maintenus, en petits caracteres, en 
dessous des nouveaux. Le corps du volume s’est enrichi de quatre extraits 
tıres de l’encyclique de S. S. Pie XI Ubi arcano, du 23 decembre 1922, 
sur les relations entre l’Eglise et l’Etat, de celle du 29 juin 1923 sur la 
maniere de suivre la doctrine de saint Thomas d’Aquin, de celle du ıı decem- 
bre 1925, sur le Christ-Roi, et de la Bulle du Jubile (29 mai 1924), et enfin 
de deux decrets du Saint-Office, du 2 juin et du 8 juillet 1927, sur le comma 
johanneum et sur les moyens r&eprouves par Rome de travailler & la r&union 
des Eglises, soit une augmentation totale de six pages. Dans l’appendice, 
introduit par le P. Umberg, des l’edition precedente, on nous donne un 
texte corrige du deuxieme concile d’Orange. Le prix de l’ouvrage le rend 
abordable aux &tudiants en theologie, auxquels il est, depuis longtemps, 
indispensable. Souhaitons qu’il puisse en &tre bientöt de m&me de son 
pendant : P’Enchiridion des sources de l’Histoire ecclösiastique de Kirch. 

L. W, 


— 314 — 

Arthur Piaget. Les Actes de la Dispute de Lausanne, 1536. (Memoires 
de l’Universit& de Neuchätel, t. VI, XXIX et 551 p.). Neuchätel, Secre- 
tarıiat de l’Universite, 1928 (20 fr.). 

La dispute ou conference religieuse qui eut lieu, & la cathedrale de 
Lausanne, du Ier au 8 octobre 1536, fut, comme on le sait, le prelude de 
Yintroduction ofhcielle de la Reforme dans le Pays de Vaud. Or, si sur- 
prenant que cela puisse paraitre, les actes de cette dispute, rediges en 
francais et conserves & la bibliothäque de Berne, n’avaient jamais £te 
publies. On se contentait, generalement, du resume qu’en avait donne, 
en 1728, le pasteur Ruchat, dans son Histoire de la R£forme en Suisse, 
resume d’ailleurs fidele, bien que l’auteur ait cru devoir intervenir, et 
m&öme violemment, dans la discussion dont il se faisait le rapporteur. On 
comprend, des lors, que M. Piaget, archiviste cantonal et professeur & 
l’Universite de Neuchätel, se soit decideE & publier integralement l’impor- 
tant manuscrit. 

Dans un avant-propos, il nous en raconte l’origine. Lors de la dispute, 
quatre secretaires — des notaires lausannois — avaient &t& charges de 
prendre des notes. Ils se seraient bornes vraisemblablement & con:igner 
des faits d’ordre purement materiel, se gardant bien de resumer des dir 
cussions theologiques, qui devaient leur Etre Etrangeres, et le dossier cons 
titue par leurs soins eüt ainsi &et& tout & fait insuffsant, si la plupart des 
orateurs n’avaient pris la peine de leur remettre le texte m&me de leur 
discours. Restait & rediger le tout. Berne y tenait, desireuse quelle £tait 
de donner & ces Actes une large publicite. Le travail fut confi@ ä Pierre 
Viret, le principal: porte-parole des reformes, avec Farel, & la dispute de 
Lausanne, et qui avait lui-m&me pris &galement des notes. Mais, tre&s occupt. 
et de sante de@licate, Viret ne put consacrer & cette täche que de rares loisirs, 
si bien qu’il mit plus de vingt ans & la terminer. Un jeune th&ologien, Louis 
Mercier, fut charge de relever ce travail de 600 pages, et le manuscrit fut 
enfin envoy&, en 1548, & Messeigneurs de Berne. Ceux-ci ordonnerent alors 
aux trois presidents de la dispute — le quatrieme, le chanoine Fabri, etait 
deja mort — de collationner cette redaction avec la minute de Pierre Viret. 
C'est ce qui explique les notes marginales que l’on rencontre sur un certai 
nombre de feuillets du manuscrit de Berne. 

Le texte m&me de la dispute occupe plus de 400 pages du volume de 
M. Piaget. On y trouve, successivement expos£es et discutees, sous formt 
de dix conclusions, la plupart des theses fondamentales de la Reforme : 
la justification par la foi seule, la suppression de la Papaute, de la messe, 
du sacerdoce, de la confession, des images, du celibat ecclesiastique, du 
jeüne et de l’abstinence, la reconnaissance du seul pouvoir civil, efc. 
Le nom meme de M. Piaget dit suflisamment avec quelle competence et 
quel soin le texte a &t& publie. L’auteur s’est contente de mettre, au b3s 
des pages, quelques notes pour signaler les rares endroits oü il s’est &carte 
du manuscrit, la oü celui-ci etait manifestement defectueux. 

Il a fait suivre enfin son edition d’une table analytique, qui ne coM- 
prend pas moins de 90 pages. C'est dire qu’elle est extr&ämement com 
plete, meme trop ä notre avis. Ce qui a contribue & l’allonger, c’est le fait 


“s 


d’avoir rapproche certaines opinions &mises A Lausanne d’idees analogues 
ou meme d’expressions identiques, puisees principalement dans les oauvres 
de Pierre Viret. Pour nous, ces rapprochements sont singulierement sugges- 
tifs, et l’orn peut regretter, en se placant au point de vue des lecteurs d’autre 
confession, que l’on en ait pas fait autant pour les theses formuldes par 
les orateurs catholiques. Il n’aurait pas &te inutile, par exemple, de donner 
un mot d’explication sur une idee, absolument fausse, du jacobin (domi- 
nicain), qui intervient dans la discussion de la premiere conclusion : il 
croit devoir soutenir, pour expliquer certains passages du Nouveau Testa- 
ment, que les apötres, abandonnant la formule baptismale trinitaire, 
ont baptis6 au nom du seul Jesus. Nous aurions desire &galement 
une notice sur le developpement de cette fable, dont notre dominicain 
se fait l’echo, que Trajan aurait &te delivre de l’enfer. (Cf. entre autres, 
Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter, p. 229.) La table aurait pu &tre 
allegee, d’autre part, de plusieurs remarques d’ordre liturgique inutiles 
ou partiellement inexactes (le renvoi au Lauda Sion, p. 475; la note sur 
la recitation du psaume Credidi, p. 477 ; celle sur les Quatre-Temps, p. 524 ; 
sur le Sursum corda, p. 530, etc.). Au sujet de toutes les inepties que les 
Reformes, apres d’autres, reprochaient & Hildebrand (Gregoire VII), une 
mention des importants travaux de l’abb& Fliche eüt &t& la bienvenue, 
et quant au cardinal Humbert, plutöt que l’Etude vieillie de Francke (1882), 
il eüt fallu citer le livre recent de Michel (Humbert u. Kerullarios, Paderborn, 
1924), et au sujet de Pierre Girod, le livre de Sulser (Der Stadischreiber 
Peter Cyro, Berne, 1922) et les &tudes de J. Jordan (Annales fribourgeoises, 
1923, p. 16-27) et de Büchi (Revue d’Histoire ecclesiastique suisse, 
1924, p. I-2I et 305-23). On nous permettra une derniere remarque : dans 
cette table, qui est davantage un repertoire des propositions soutenues 
& la dispute de Lausanne qu’une simple liste de mots, les th&ses enoncees 
par les novateurs et leurs adversaires se succ&dent, p&@le-m&le, au hasard 
de l’ordre dans lequel elles apparaissent au cours de la discussion. C’est 
dire que l’on y rencontre, cöte & cöte, des opinions fort divergentes, voire 
meme nettement contradictoires ; et alors, du moins & l’adresse de certains 
lecteurs, n’aurait-il pas &t& bien de marquer d’un signe celles qui Ema- 
naient, par exemple, des orateurs catholiques ? 

Ces remarques, on le voit, ne concernent en rien l’edition m&me des 
Actes, soit l’essentiel de la täche de M. Piaget, mais uniquement la table 
qu’'il y a ajoutee, et que, par scrupule scientifique, et avec le desir aussi 
quelle puisse, dans une certaine mesure, servir de commentaire au texte 
publie, il a voulue plus complete qu’on n’etait en droit de le lui demander. 


L. Waeber. 


Papsttum und Kaisertum. Forschungen zur politischen Geschichte und 
Geisteskultur des Mittelalters. Paul Kehr zum 65. Geburtstag dargebracht. 
Herausgegeben von Albert Brackmann. München 1926. 


Wir kommen mit der Anzeige dieses Buches ziemlich lange post festum ; 
denn Kehr feierte seinen 65. Geburtstag am 28. Dezember 1925, und das 


— 316 — 


Buch erschien 1926. Aber wir hatten keine Gelegenheit, es vorher genauer 
durchzusehen, und es hat ja seither an Wert noch nichts verloren. Die 
Sitte, daß Schüler und Freunde eines großen Gelehrten zu seinem 6o., 
65. oder 70. Geburtstag eine Festschrift mit wissenschaftlichen Beiträgen 
herausgeben, gefällt mir sehr gut, besonders wenn es eine Schrift ıst, 
wie sie hier für Paul Kehr vorliegt. Sie ist nämlich ein dickes Buch von 
mehr als 700 Seiten, und manche der Verfasser der 36 Beiträge sınd 
Gelehrte von Weltruf ; wir führen hier nur die Namen Bruno Krusch, 
Angelo Mercati und Harry BreßBlau an. Auch zwei Schweizer sind unter 
den Mitarbeitern zu finden : Prof. Dr. Nabholz von Zürich und Stifts 
archivar Dr. Müller von St. Gallen. 

Hans Nabholz behandelt die neueste Forschung über die Entstehung 
der schweizerischen Eidgenossenschaft. Es ist eine kurze, klare Dar- 
stellung der genannten Forschungen von Eutych Kopp bis heute, wobei 
selbstverständlich der größere Teil den Arbeiten Karl Meyers gewidmet 
ist. Nabholz steht den Gedankengängen Meyers im allgemeinen mit großen 
Bedenken gegenüber, anerkennt aber doch das tatsächlich Positive an 
dessen Forschungen, so vor allem sein tieferes Studium der Chroniken, 
während die bisherige kritische Schule einseitig auf die urkundliche Über- 
lieferung abgestellt hat. Nabholz weist dann seinerseits an Hand neuere! 
Forschungen von Glitsch und Hirsch über die mittelalterliche Gerichts 
barkeit darauf hin, daß die drei Länder Uri, Schwyz und Unterwalden 
unter Rudolf von Habsburg durchaus nicht darauf ausgingen, Neues zu 
erreichen auf Kosten des Landesherrn, sondern nur den bisherigen Bestz- 
stand mit allen Kräften zu verteidigen. Diesem Ziel diente auch der 
Bundesbrief von 1291. 

Joseph Müller berichtet von Neugarts Briefwechsel mit St. Gallen. 
P. Trudbert Neugart O.S.B., der gelehrte Mönch von St. Blasien im 
Schwarzwald wollte als Vorarbeit zu einer von seinem Abt Gerber 
geplanten Germania sacra eine Geschichte des Bistums Konstanz schreiben. 
Auf der Suche nach Material zu diesem Werk war er auch nach St. Gallen 
gekommen und hatte dort ohne Wissen des damaligen Abtes Beda Angehm 
— der Abt war für einige Zeit vom Kloster abwesend — eine wertvolle 
Urkundensammlung zur Durchsicht mit nach St. Blasien bekommen. 
Es war ein Exemplar eines Privatdruckes der St. Galler Klosteroffizin, 
ein sehr wichtiges Buch, das er dann unter dem Namen Codex TraditionuM 
monasterii S. Galli bekannt machte. Im Jahre 1789 versandte Neugart 
die Einladung zur Subskription auf den Codex diplomaticus Alemanniäe 
et Burgundiae Trans-Juranae intra fines dioecesis Constantiensis und 
machte darauf aufmerksam, daß er dabei den ganzen St. Galler Codex 
Traditionum herausgeben werde, der manche bisher ganz unbekam!® 
Urkunden enthalte. 

Nun hatte aber Neugart in St. Gallen keine Erlaubnis eingeholt zU 
vollständigen Veröffentlichung der Urkunden. Die St. Galler jedoch 
fürchteten einerseits, es könnten ihnen durch Bekanntgabe einzein® 
Urkunden Unannehmlichkeiten erwachsen, anderseits hatte St. Gale 
bereits selbst an eine wohlgesichtete Herausgabe der Traditionsurkund® 


KILL ms hm er en Simmmii une 


gedacht. Als nun der Plan Neugarts bekannt wurde, entrüsteten sich die 
St. Galler Kapitulare darüber, und es entspann sich ein Briefwechsel 
zwischen St. Gallen und St. Blasien, dessen Ursprung und Verlauf Müller 
in klarer, anregender Form entwirft. Der Streit endete damit, daß zuerst 
Neugart nachgab und dann die St. Galler von ihren Forderungen ab- 
standen und dem Gelehrten im Schwarzwald den Weg zur Veröffentlichung 
frei ließen. Allerdings konnte der St. Galler Historiker P. von Arx dies 
nie ganz verschmerzen ; denn er wäre zur Edition der Urkunden ebenso 
berechtigt und befähigt gewesen wie Neugart, und Pertz bemerkte noch 
1823, daß das vollständige Exemplar des Codex Traditionum, «durch 
Herrn von Arx aus den Urkunden selbst verbessert, von niemandem besser 
herausgegeben werden könnte». Es ging dann indes noch manches Jahr- 
zehnt, bis diese Urkunden erstmals nach den Originalien herauskamen., 
Die Ehre dieser Ausgabe blieb aber doch einem St. Galler vorbehalten, 
dem verdienten Hermann Wartmann. 

Von den übrigen Arbeiten der Festschrift Kehr wollen wir einige 
wenige erwähnen, die vielleicht allgemeines Interesse verdienen : Erich 
Caspar, Die älteste römische Bischofsliste; Edmund Stengel, Über den 
Ursprung der Ministerialität ; Albert Brackmann, Die Anfänge von Hirsau ; 
Karl Wenck, Die römischen Päpste zwischen Alexander III. und Inno- 
zenz III.; Johannes Haller, Innozenz III. und Otto IV.; Karl Schellhaß, 
Wissenschaftliche Forschungen unter Gregor XIII. für die Neuausgabe 
des Gratianischen Dekrets. 

Es berührt sehr angenehm, daß Vertreter verschiedener Nationen und 
verschiedener Religionen so einträchtig mit großem Eifer und nicht minder 
großer Objektivität zusammenarbeiten. Deutsche und Welsche, Welfen 
und Ghibellinen dienen hier nur der Wissenschaft. 


Paul Hildebrand. 


Pastor Ludwig Freiherr v. Geschichte der Päpste im Zeitalter der 
katholischen Restauration und des 30-jährigen Krieges. XII. Band (Leo XI. 
und Paul V. 1605-21). Herder, Freiburg i. Br. 1927. 


Im XII. Bande seiner monumentalen Papstgeschichte schildert Pastor 
die beiden Pontifikate Leos XI. und Pauls V. Leo XI., dem Freunde 
Philippo Neris, war nur eine kurze Regierung von 26 Tagen beschieden. 
Nach heißem Wahlkampfe folgte ihm ganz unerwartet Cardinal Camillo 
Borghese als Paul V. 

Die Hauptsorge des neuen Papstes war ganz auf das kirchliche Gebiet 
gerichtet. Er war kein Politiker, und dennoch wurde er in den großen 
und bekannten kirchenpolitischen Streit mit der Republik Venedig ver- 
Wickelt. Übergriffe der Markus-Republik auf geistliches Gebiet zwangen 
den Papst zu Gegenmaßregeln. Als er gegen die Republik das Interdikt 
verhängte, entstand ein Federkrieg, wie man ihn noch selten erlebt hatte. 
Im Vordergrund der venezianischen Partei stand der Staatstheologe Sarpi, 
der alle Vermittlungsversuche längere Zeit unmöglich machte; denn er 
hegte die Absicht, Venedig ins Lager der Protestanten zu ziehen, um dann 


— 318 — 


in einem Weltkrieg den Sturz des Papsttumes herbeizuführen. Schon 
rüstete man auf beiden Seiten zum Kriege, der unvermeidlich zu sein 
schien, als es Heinrich IV. von Frankreich (durch Vermittlung des 
Cardinals Joyeux) gelang, einen Vergleich zwischen Paul V. und Venedig 
herbeizuführen. 

Dieser Streit Pauls V. mit Venedig wurde bisher als das Hauptereignis 
im Pontifikate dieses Papstes angesehen. Pastor weist nun nach, dab 
dem nicht so ist, sondern, daß die Hauptziele Pauls V.: Herstellung des 
Friedens in Europa, Ordnung der religiösen Zustände, sowie Fürsorge für 
die Missionen waren. 

Der Papst entwickelte eine eifrige Reformtätigkeit auf innerkirch- 
lichem Gebiete ; er beendete den thomistisch- molinistischen Gnaden-Streit, 
nahm mehrere Heiligsprechungen vor und förderte alte und neue Orden. 
Auch der Inquisition wandte er seine Aufmerksamkeit zu, und unter seinem 
Pontifikate kam Galileo Galilei mit dieser Institution in Konflikt. Als 
Galilei, aufbauend auf die Erfahrungen von Kopernikus, die neue Lehre ver- 
kündete, daß die Sonne stillstehe und das ganze Planetensystem sich um 
sie drehe, fragten sich viele, wie sich dies mit der Heiligen Schrift reime, 
die doch umgekehrte Verhältnisse annahm. Hätten sich Galilei und seine 
Schüler damit begnügt, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse als rein solche 
darzulegen, ohne die große Kontroverse: Bibel und Wissenschaft auf- 
zurollen, so wären sie und ihre Schriften niemals mit der kirchlichen 
Zensur in Zusammenstoß geraten. Als Galilei’s Schriften auf den Index 
gesetzt worden waren, tröstete der Papst den Gelehrten über sein Miß- 
geschick. Sein wissenschaftliches Forschen anerkannte man nämlich nach 
wie vor; nur seiner theologischen Schriftstellerei sollte durch die Ver- 
urteilung ein Ende bereitet werden. 

Eifrig tätig war der Papst für die Missionen. In Japan, China und 
Indien wurden schöne Erfolge errungen. Gesandte aus Persien, Armenien, 
Chaldäa und Congo erschienen in Rom, um Beziehungen mit dem Ober- 
haupte der Christenheit anzuknüpfen. 

In Frankreich machte die katholische Restauration große Fortschritte. 
Berulle gründete sein Oratorium. Die Ursulinerinnen wurden in Frankreich 
eingeführt, und der Genfer Bischof Franz von Sales gründete den Orden 
von der Heimsuchung Mariae. Die Hauptwirksamkeit des hl. Franz von 
Sales fällt in diesen Pontifikat. 

In Deutschland, Holland und besonders England hatten die Katholiken 
schwere Zeiten durchzumachen. Die sogenannte Pulververschwörung 
England wurde von der englischen Regierung ganz gegen die Katholiken 
ausgenützt. Das Verfolgungsgesetz vom 27. Mai 1606, sowie der neue 
Treueid, den die Regierung verlangte, waren gefährliche und furchtbare 
Waffen gegen die Katholiken. Jakob I. heuchelte längere Zeit katholiken- 
freundliche Gesinnung. Der Papst mußte jedoch bald einsehen, daß auf 
diesen König keine Hoffnungen zu setzen waren. Unter ihm brach die 
Katholikenverfolgung in England, Irland und Schottland aus. 

Im Osten erwies sich Demetrius als falscher russischer Thronprätendeit. 
Sein despotisches Wesen machte ihn unmöglich, sodaß er von sein 


Gegnern ermordet wurde. Zudem hatte er es mit seinem dem Papste 
gegebenen Versprechen gar ungenau genommen. Die Hoffnung, das alte 
Zarenreich durch Demetrius an die römische Kirche zu fesseln, hatte sich 
als schöner Traum enthüllt. 

Trostvollere Nachrichten erhielt der Papst aus Polen, wo König 
Sigismund III. eifrig für die katholische Restauration eintrat. 

Im Deutschen Reiche regierte Kaiser Rudolf II. Er war seines Amtes 
ganz unfähig, und der Papst bemühte sich, den kinderlosen Greis 
wenigstens zur Regelung der Nachfolgefrage zu bewegen. Die Lage war 
heikel, da die Habsburger unter sıch nicht einmal einig waren. Rudolf II. 
starb 1612, und Erzherzog Matthias wurde dessen Nachfolger. Unter ihm und 
Ferdinand II. zeitigte die katholische Restauration in Deutschland schöne 
Früchte. Doch bald sollte es anders kommen. Paul V. mußte die böhmische 
Revolution noch erleben, die den Auftakt zum großen Religionskrieg, 
zum 30-jährigen Kriege bildete. 

Den Schweizerhistoriker interessiert besonders das Kapitel über die 
religiösen Zustände der Schweiz und die Wirren in Graubünden. Der 
Nuntius Giovanni della Torre, der volle 10 Jahre in Luzern residiert hatte, 
ward zum Kardinal ernannt worden und wurde 1606 durch Fabrizio Verallo, 
Bischof von San Severo ersetzt. Auf ihn folgte Ladislao d’Aquino, der 
am Schlusse seiner Amtstätigkeit zur Information seines Nachfolgers eine 
aufsührliche Denkschrift über die kirchlichen Zustände unseres Landes 
verfaßte. Darin schildert er die geographisch wichtige Lage der Schweiz 
als Bindeglied zwischen Deutschland und Italien. Er legte das große 
Interesse dar, das Papst und Kirche an diesem Lande haben müssen, in 
dem sich Katholiken und Protestanten ziemlich das Gleichgewicht hielten. 
Das Zeugnis, das der scheidende Nuntius den Schweizern ausstellte, ist 
so ehrenvoll wie denkbar. Seinem Berichte fügte Aquino noch eine ganze 
Reihe von Vorschlägen bei, wie die Schweizer am besten zu gewinnen 
wären. Nuntius Aquino übte eine rege Reformtätigkeit aus. Im Wallis 
griff er besonders ein, wo er dem herrschenden Priestermangel durch die 
Berufung der Jesuiten und Kapuziner abzuhelfen hoffte. 

Ganz traurige Verhältnisse herrschten in der Republik gemeiner 
III Bünde in alt fry Raetien. Der größte Teil des Landes hing der neuen 
Lehre an. Zur konfessionellen Verschiedenheit kamen die politischen 
Parteien, die das Land in Gruppen unversöhnlicher Feinde teilten. Spanien 
und Österreich einerseits und Frankreich mit Venedig anderseits rangen 
um die politische Vormachtstellung in Graubünden, das seiner Alpenpässe 
halber so große Bedeutung im internationalen Leben gewonnen hatte. 
Auf Seiten der einen standen die Katholiken, auf Seiten der andern die 
Protestanten. Außerst schwierig war die Lage des Bischofs Johannes V., 
Flugi v. Aspermont, der eifrig bestrebt war, die Trienter Konzilsbeschlüsse 
durchzuführen. Die Prädikanten verdächtigten und beschuldigten ihn als 
Anhänger Spaniens. Mehrmals mußte er das Land verlassen. Das Thusner 
Strafgericht, das den Erzpriester Nikolaus Rusca zu Tode martern ließ, 
verurteilte den Bischof von Chur zur Absetzung und zum Tode. Das 
Strafgericht zu Davos, das bezeichnenderweise mit dem böhmischen 


—- 320 — 


Revolutionskönig Friedrich V. in briefliche Verbindung trat, verhängte 
weitere Geldstrafen und verfügte die Austreibung aller Kapuziner und 
fremden Geistlichen aus dem Veltlin.e Doch bald kam der Rückschlag 
zum Schreckensregiment der Prädikanten. Im Veltlin, wo man die 
Ermordung des Erzpriesters Rusca von Sondrio nicht verschmerzen konnte, 
brach unter Ritter Jakob Robustelli die Empörung aus, die vom 19. bis 
23. Juli 1620 zum « Veltlinermord » führte. Die Religion diente auch hiezu 
als Deckmäntelchen, während politische Ziele der Spanier und Veltliner 
die wahren Beweggründe des Handels waren: der Bündner Herrschaft 
im Veltlin sollte ein Ende bereitet werden. Von allen Seiten wurde Paul \. 
bestürmt, sich in die Veltliner-Angelegenheit einzumischen. Klug lehnte 
er es ab, und die Entwicklung der Verhältnisse, die er nicht mehr erlebte, 
sollte ihm später recht geben. 

Unter Paul V. spielte sich also ein großer Teil jener Ereignisse in 
Graubünden ab, die mit vollem Rechte in der Geschichte als « Bündner- 
wirren » bekannt sind. Pastor schildert dieses Ringen und Kämpfen ın 
kurzer, aber treffender Darstellung. 

Pastor schildert am Schlusse seines Buches noch Paul V. als Kunst- 
mäzenat. Unter ihm wurde der Petersdom vollendet. Er setzte den Bau 
der Quirinals fort, versah Rom mit neuen Plätzen und Straßen und schuf 
die Aqua Paolina mit den prächtigen Brunnen auf dem Gianicolo. Ein 
besonderer Förderer der Kunst war auch Kardinal Scipione Borghese, der 
Beschützer Guido Reni’s. Er wurde der Begründer der Villa Borghese auf 
dem Pincio. 

Das sind kurze Streiflichter durch das inhaltsschwere Buch des 
bekannten Erforschers der Papstgeschichte. Reiches, bisher unbenütztes 
Material belegt und ergänzt die Ausführungen, sodaß sich auch Band XII 
würdig an die frühern Bände der Geschichte der Päpste anreiht. 


Ant. v. Castelmur. 


Ber — 


Fribourg. — Imp. de l’CEuvre de Saint-Paul. 28. 


Hans von hen Verlag, ‚Stans. 


mn La u zw 


en Dr. Joseph Hürbin 


Handbuch der Schweizergeschichte. 


OR eleg. Halbleinen- Bände. 
' Preis Fr. 26.40 


In. der « Schweizerischen Rundschau » schreibt Untvershäts Professor 
Dr. Büchi von Freiburg über Hürbins Handbuch der Schweizergeschichte : a 
«Wir haben nun ein Buch für alle gebildeten Katholiken jeden Standes, das 
einem längst empfundenen Bedürfnisse abhilft ‚und in keiner gebildeten 
katholischen Familie fehlen sollte. An wissenschaftlichem ehalt und 
gejälliger Darstellung braucht es den Vergleich mit andern Handbüchern der 
chweizergeschichte ‚nicht zu scheuen. "Es unterscheidet sich von den bis- 
herigen Bearbeitungen durch besondere Betonung des religiösen und kultur- 

eschichtlichen Momentes ; in dieser Hinsicht wird es von keinem anderen 
erks erreicht, geschweige übertroffen»... 


w 
” 


en nr 


Dr. Joh. Georg Mayer. 
Geschichte. des Bistums Chur. 


Mit zahlreichen Kunstbeilagen und Textillustrationen. 
| 2 Bände in eleg. Originalleinwanddecken mit Goldprägung. Preis Fr. 37.80. u 

Der Verfasser hat bereits durch eine ganze Reihe wertvoller geschichtlicher 
Publikationen sich einen angesehenen Namen im Kreise der schweizerischen 
Geschichtsforscher gemacht. Hier liegt nun sein bedeutendstes Werk, gewisser- 
maßen seine Lebensarbeit vor. Sie bietet sehr viel Neues, noch gans Unbekanntes, 
und ist Jirekt aus den primären Quellen geschöpft, gans ariginal. — Für alle 
Preunde vaterländischer Geschichte bietet das Werk reiches. Interesse : für die 
Geschichte Granbündens und der schweizerischen Eidgenossenschaft bietet cs eine 
Menge wertvoller Bausteine. Kirchengeschichtlich ist es eine der bedeutungs- 
vollsten unter den bisher erschienenen schweizerischen Publikationen. 


DIE ERRICHTUNG DES BISTUMS ST. GALLEN 


. Von Dr. Frid. GSCHW END 
Gr. g. In 2 Abteilungen broschiert. Preis 9 Fr. 


.. «er. 


wort 


-_ 


KG 


Was Dr. Gschwend in diesem. interessant und flüssig geschriebenen Werke bietet, ist weit 
‚mehr als der Titel vermuten lässt. Er gibt eine aktenmässig belegte Geschichte der Aufhebung des 
altberühmıen Klosters St. Gallen, der Gründung des Kantons St. Gallen und der st. gallischen Politik in | 
den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts und darauf basierend und damit vertlochten die 
Geschichte des Sen Chur-St.Gallen u.d. kirchl. E en des neuen Bistums St. Gallen. 


von Unterwalden, seine Beciehangeit zu ltalien 
Ritter Melchior Lussi und sein Anteil an der Gegenrelormation. 
Von Dr. Richard FELLER. | | 


2 Bände 8°, 247 und 155 Seiten. — Broschiert Preis 6 Fr. 2. 


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ein Zeitbild, für das wir ihm aufrichtigen Dank schulden. Kein anderer Schweizer jener Zeit hat 
sich um die Wiederbelebung des Katholizismus in unserem Vaterlande so verdient acmacht 
wie Ritter Melchior Lussi. In überaus anziehender. geistreicher. oft geradezu spannender "Darstel- 
muB weiss Dr. Feller den een für seinen Helden zu interessieren ». . „Schweizer. Kirchenzeitung‘. 


De 


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geschichte zu den beigesetzten größtenteils ermäßigten Preisen: 


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Geipke, E. F.  Kirchengeschichte der Schweiz. a Bände. Bern 1856-61. 
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Geschichtsfreund. Mitteilungen des historischen Vereins der 5 Orte. 
1.-70. Band und 4 Registerbände. Einsiedeln u. Stans 1843-ı915. 
37 Bände gebunden, Rest broschiert. (sıaıt 530.—) 325.— 


Hurter, Friedr. von. Die Befeindung der kathol. Kirche in der Schweiz 
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— Die Schweizergärde in Rom. Einsiedeln 1859. Selten ! 8.75 


Meyer. Erlebnisse des Bernhard Meyer, weiland Staatsschreiber und Tag- 
satzungs-Gesandten des Kts. Luzern. Von ihm selbst verfaßt. 2 Bde. 
Wien 1875. (statt 16.—) 7.50 


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